Zum sechzigsten Jahrestag der „Ungarischen Revolution“ publizieren wir einen Artikel von Julianna Grant, welcher ausführlich die Geschehnisse von 1956 in Ungarn aufzeigt und analysiert. Dieser wurde erstmals im Oktober 1996, auf Englisch, in der britischen marxistischen Zeitung Socialist Appel abgedruckt. 2006 haben ihn unsere deutschen GenossInnen übersetzt.
Am 23. Oktober 2006 jährte sich zum 50. Mal die Ungarische Revolution von 1956. Diese Bewegung der ungarischen Massen kennzeichnete den Höhepunkt einer wachsenden Unzufriedenheit, die damals in Osteuropa offensichtlich wurde.
Osteuropa hat in seiner Geschichte Jahrhunderte lang Turbulenzen durchlebt, so dass die jetzige Epoche keine Ausnahme bildet. Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem Versuch, den Kapitalismus wieder einzuführen, haben sich Millionen Menschen die momentan entscheidende Frage gestellt: Wenn der Stalinismus ein verhasstes, bankrottes System war, aber der Schritt zum Kapitalismus viele Menschen in Armut, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit zurücklässt, gibt es dann ein soziales System, dass einen Arbeitsplatz, ein Haus und die Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft bietet – und falls das der Fall ist, wie können wir das erreichen?
Die Massen in Osteuropa und besonders in Ungarn sollten sich am besten die Ereignisse von 1956 anschauen, die ihnen die Ideen und die zu befolgende Richtung weisen. Der Journalist und Augenzeuge der Geschehnisse von 1956 Leslie Bain schrieb: „Über kein Ereignis der jüngeren Geschichte ist mehr gelogen worden, kein Ereignis ist mehr verdreht und beschmutzt worden als die Ungarische Revolution.“
Die Wahrheit
Es scheint, dass es nicht angebracht war, die Wahrheit über eine kleine Nation auszusprechen, die sich erhob, kämpfte und verlor. Für die kapitalistischen Kommentatoren handelte es sich nur um einen Schritt, die russische Repression und die kommunistische Diktatur abzuschütteln, während die Stalinisten von einer faschistischen Konterrevolution sprachen, die vom CIA unterstützt und angezettelt worden war, um den „Sozialismus“ zu besiegen. Es ist wahr, dass in allen Erklärungen, die vom Volk verfasst wurden, die Forderung nach dem Abzug der russischen Truppen vom ungarischen Territorium und der Hass auf das stalinistische Regime die wichtigste Triebkraft des revolutionären Prozesses waren. Der Aufstand begann mit den genannten grundlegenden Forderungen und wurde, wie Bill Lomax in seinem Buch „Hungary 1956“ schrieb „zu einer sozialen Revolution, die nicht ein vorhergegangenes Regime wiederherstellen, sondern eine radikal neue Ordnung errichten wollte, die sowohl demokratischer als der kapitalistische Westen als auch sozialistischer als der kommunistische Osten sein sollte.“
Lomax war einer der wenigen Chronisten der Revolution, der verstand, dass die Einzigartigkeit von 1956 in ihrer eindeutigen Bewegung in Richtung Arbeiterdemokratie bestand, mit Arbeiterräten, einer Arbeiterarmee und einer Art wahren demokratischen Freiheit, die Lennox als ganz neues System empfand, das aber Marxisten kennen als die Wiederherstellung der Ideen und der Praxis Lenins in den frühen Tagen der jungen Sowjetregierung nach der Russischen Revolution. 1956 fand die praktische Umsetzung Trotzkis politischer Revolution statt und wurde aus diesem Grund in Blut ertränkt.
Wie kam es zu den Ereignissen und was können Sozialisten daraus lernen? Die Saat der Unzufriedenheit in ganz Osteuropa wurde nach dem II. Weltkrieg durch die erzwungene Schaffung so genannter „sozialistischer“ Regimes nach dem Vorbild der stalinistischen Sowjetunion gesät. Während noch 1946 bei den ersten ungarischen Parlamentswahlen eine Vielzahl von Parteien um Mandate kämpften, dauerte es nicht lange bis ein totalitäres Einparteiensystem errichtet wurde, das durch den einzig wahren Vertreter der damaligen Staatsmacht, der Roten Armee, gestützt wurde. Es folgte die rigorose Unterdrückung und Verfolgung aller, die von der Parteilinie abwichen, womit der grundlegende Hass gegen das Regime angeheizt wurde. Es kam zu Schauprozessen nach dem Vorbild der 1930er in der UdSSR und viele altgediente Kommunisten, die im Untergrund überlebt hatten, wurden jetzt als Agenten des westlichen Imperialismus und Freunde des „Hundes“ Tito denunziert und hingerichtet.
Auf dem Lande wurde die Zwangskollektivierung durchgesetzt, die Armut und Unzufriedenheit erzeugte. Obwohl man den ArbeiterInnen in den Fabriken erzählte, sie seien die eigentlichen Eigentümer, wurden die Arbeitsgeschwindigkeit und die Produktionsnormen derart beschleunigt, dass sie sich als Sklaven fühlten und schlechter dran waren als unter dem kapitalistischen Vorkriegsregime. Damals hatten sie zumindest ihre unabhängigen Gewerkschaften, die jetzigen wurden zum Bestandteil der Staatsmaschinerie, mit einer Bonzenbürokratie sowohl in den Gewerkschaften als auch in der Partei, die gut vom Schweiß und dem Schuften der Massen lebte. Aufgrund des Normensystems, der Kaufpflicht von „Friedensanleihen“ und der krassen Veruntreuung großer Teil des Nationalprodukts durch die Bürokratie lag der Lebensstandard in den frühen 1950ern deutlich niedriger als direkt vor dem Krieg. Die neue Bürokratenkaste, die Funktionäre, ihre Mitarbeiter und die Angehörigen des Geheimdienstes machten fast eine Million Menschen aus, bei einer Gesamtbevölkerung von nur neun Millionen, von denen dreieinhalb Millionen in der Produktion beschäftigt waren.
Stalin
Stalins Tod signalisierte ein höchstwillkommenes Tauwetter und einen Schritt in Richtung einer teilweisen Liberalisierung des repressiven ungarischen Regimes. Die Unzufriedenheit sowohl in Ungarn als auch in anderen Teilen der Region, beispielsweise in der DDR, unterstrich die Notwendigkeit für Reformen, wenn auch nur, um einer Bewegung von unten zuvorzukommen. Tatsächlich hatten die ungarischen ArbeiterInnen mehrer Pfeile auf das stalinistische Regime geschossen, als sie sowohl Streiks in den Eisen- und Stahlwerken Matyas Rakosi in Budapests Industrievorort auf der Csepel-Insel als auch in Ozd und Diosgyor in Ostungarn organisierten. Der Protest richtete sich gegen niedrige Löhne, das Arbeitsnormsystem und die Lebensmittelknappheit. Die Streikenden in Csepel legten nur für 48 Stunden ihre Arbeit nieder und erhielten eine beträchtliche Lohnerhöhung, weil das Regime bestrebt war, den Streik zu vertuschen.
Imre Nagy wurde Premierminister und führte seinen „neuen Kurs“ ein. Dieser bedeutete die Amnestie für politische Gefangene, die Abschaffung von Internierungslagern, Maßnahmen um die Verfügbarkeit von Konsumgütern zu erhöhen und die Lockerung der Zensur für Presse und Funk. Der „neue Kurs“ war nichts revolutionäres, spiegelte aber die wachsende Unzufriedenheit der Massen wider und stellte eine der möglichen Lösungen der Probleme durch eine Schicht der Bürokratie dar. Das hinderte jedoch viele Gruppen in der Bevölkerung nicht daran, freier zu atmen und über den Wunsch nach mehr Demokratie nachzudenken.
Das erste Aufbegehren kam von einer Gruppe Journalisten der Tageszeitung Szabad Nep. Es wird oft behauptet, dass sich bei einem Sturm die Spitze des Baums zuerst bewegt. Die Intelligenz in Ungarn war traditionell unabhängig und erhob von Zeit zu Zeit die Stimme und das war zu diesem Zeitpunkt keine Ausnahme. Jedoch änderte sich die Linie aus Moskau schnell und die Sorge um eine mögliche Bewegung, welche die Bürokratie nicht in den Griff bekommen könnte, erzeugte ein härteres Durchgreifen. Imre Nagy wurde seiner Parteiämter enthoben und der „neue Kurs“ aufgegeben. Der nächste Schritt richtete sich gegen die Schriftstellerorganisation, deren Vorstand gemeinschaftlich zurücktrat und ein Memorandum verfasste, in dem die Zensur abgelehnt und mehr Meinungsfreiheit gefordert wurde. Das hatte eine weitere Disziplinierung der SchriftstellerInnen zur Folge, führte aber auch zur Gründung des Petofi-Zirkels, der eine Reihe öffentlicher Debatten plante.
Der eigentliche Anstoß zumindest unter den Angehörigen der Intelligenz und den reformorientierten Parteiführern, die Unzufriedenheit öffentlich kundzutun, kam nach dem XX. Parteitag der KPdSU, auf dem Chruschtschow seine „geheime Rede“ gehalten hatte, in der er Stalins Verbrechen verurteilte. Das geschah im Februar 1956 und löste eine Explosion politischer Debatten aus. Der Petofi-Zirkel begann politische Diskussionen zu organisieren, zuerst über die Bedeutung der Beschlüsse des XX. Parteitages für Ungarn und später über eine Vielzahl von Themen, angefangen bei der Pressefreiheit, über ökonomische, historische und Bildungsthemen bis hin zur Philosophie. Die Schulen und Universitäten glichen Bienenhäusern, in denen nach damaligen Berichten, fast ausschließlich über Politik diskutiert wurde.
Unzufriedenheit
Die Unzufriedenheit und Enttäuschung äußerte sich öffentlich in einem Hass gegen die Parteibürokraten und deren Lakaien. Die Menschen spuckten auf ihre Autos bis die Bürokraten eine Heidenangst bekamen allein durch die Straßen zu gehen. Immer mutigere Artikel und Gedichte, die in Literatur- und Politikmagazin erschienen, wurden veröffentlicht und vom Regime, das begann sich umlagert zu fühlen, toleriert. Doris Scarlett, eine englische Kommunistin, die seit 1953 in Ungarn arbeitete, schrieb:
„Es wäre falsch zu glauben, dass eine Organisation mit einer gemeinsamen Führung wie „die Partei“ noch existierte. Sie fiel in verschiedene Bestandteile zusammen – der kleine, harte Kern um Erno Gero und die Masse der Mitglieder, die in unterschiedlichem Maße in dem Strom der Opposition, der Kritik und der unabhängigen Aktion einbezogen war.“
Der Marxismus lehrt uns, dass die erste Bedingung für eine Revolution ein Riss oder eine Krise in der herrschenden Klasse oder Schicht ist. Im Sommer 1956 begann die Situation für das ungarische Regime kritisch zu werden. Der Reformflügel verlangte die Rückkehr von Imre Nagy, die Intelligenz forderte mit Artikeln, Gedichten und sogar offenen Forderungen nach künstlerischer Freiheit das System immer mutiger heraus, an den Universitäten wurde endlos debattiert und der Petofi-Zirkel nahm sich immer weitere umstrittene Themen vor, um damit das Regime zu reizen.
Im Juni 1956 brachte sich die Arbeiterklasse mit ihrer eigenen Stimme in die allgemeine Unzufriedenheit ein, als sie im Gefolge der brutalen Niederschlagung streikender ArbeiterInnen im polnischen Poznan mit einer neuen Streikwelle und verschiedenen Protestaktionen ihre Solidarität mit ihren polnischen Brüdern und Schwestern demonstrierte. Im Juli wurde schließlich der viel gehasste Matyas Rakosi als Parteisekretär abgesetzt, aber die Partei bot nichts Neues an, um die Unzufriedenheit zu beschwichtigen. Am 6. Oktober 1956 schließlich wurde den Massen bewusst, dass ihre mögliche Macht die Gegenwehr zu organisieren in Reichweite rückte. Das war das Datum, das vorgeschlagen worden war, um Laszlo Rajk, eines der Opfer der Säuberungsprozesse in den 1940ern, erneut beizusetzen, was von der Parteiführung letztendlich bewilligt worden war. Sie hatte gehofft, dies heimlich, ohne viel Aufhebens durchzuführen und auf starkem Druck zugestimmt, Parteisprecher zu stellen und die Öffentlichkeit zuzulassen. Niemand jedoch, nicht einmal das Volk, hatte erwartet, dass schätzungsweise 200.000 Menschen an der Beerdigung teilnahmen. Am Ende des Tages marschierte eine Gruppe von 200 – 300 StudentInnen mit ungarischen und roten Fahnen in das Stadtzentrum und sang revolutionäre Lieder, in denen es u.a. hieß: „Wir hören nicht auf der halben Strecke auf, der Stalinismus muss besiegt werden!“
Unter den Studenten hatte es bereits seit Monaten gegärt. Zu Beginn des Herbstsemesters forderten sie, dass eine Abordnung von Mitgliedern des Zentralkomitees zur Universität kommen sollte, um ihre Fragen über die Sowjetisierung der ungarischen Kultur, die sowjetischen Truppen in Ungarn, das Normensystem in den Fabriken und die Privilegien der Parteielite zu beantworten. Zehn Tage nach der Beerdigung von Rajk forderten die Studenten in der Provinzstadt Szeged nicht länger Russisch lernen zu müssen und riefen einen Streik aus, um ihre Forderung durchzusetzen. Am Ende der Veranstaltung beschlossen sie, eine unabhängige Studentenorganisation zu gründen und Vertreter an andere Universitäten zu schicken, mit der Aufforderung sie zu unterstützen.
Schließlich erarbeiteten am 22. Oktober die Studenten der Technischen Universität Budapest in einer Tag- und Nachtsitzung 16 Forderungen und riefen zu einer Demonstration am folgenden Tag auf, um ihre Solidarität mit den polnischen KommilitonInnen zu beweisen und ihre Forderungen vorzubringen. Der Tag begann unorganisiert. Es gab einen gemeinsamen Treffpunkt, aber keinen klaren Aktionsplan und eine gewisse Zurückhaltung bei den Politikern, Intellektuellen und sogar bei einigen Studentenführern, die Demonstration anzuführen. Es schien so, als ob das ungeheure Ausmaß der bevorstehenden Ereignisse schon schwer auf diejenigen lastete, die genau wussten, dass wenn sich die Massen erst einmal erheben würden, es schwer wäre, diese aufzuhalten.
Demonstration
Die Demonstration war insgesamt sehr friedlich, nur die Jura-Studenten waren mit Plakaten und kopierten Listen, auf den ihre Forderungen zu lesen waren, erschienen. Im Laufe des Tages schlossen sich immer mehr Leute den Studenten an, einige aus Neugierde, andere weil sie den Forderungen und Zielen völlig zustimmten. An erster Stelle standen der sofortige Abzug aller russischen Truppen, die Forderung nach einer freien und unabhängigen Studentenorganisation sowie weitere, welche das Bewusstsein der Studenten für die Belange der ArbeiterInnen, der Intellektuellen und aller gesellschaftlicher Schichten zeigten. Sie forderten, die ungarische Wirtschaft auf eine neue Basis zu stellen, alle internationalen Verträge zu veröffentlichen, die politischen Gefangenen freizulassen, ein Mehrparteiensystem und freie und geheime Wahlen. Nach dem Ende der Frühschicht schlossen sich IndustriearbeiterInnen der Demonstration an und sorgten dafür, dass die Menge sich zahlenmäßig und von ihrem sozialen Gewicht vergrößerte.
Es war die im Radio ausgestrahlte Rede von Erno Gero, dem Ersten Sekretär der KP, welche die Situation anheizte und die Stimmung der Menschen schnell veränderte. Er denunzierte die Demonstranten als Volksfeinde und war nicht bereit auf eine ihrer Forderungen einzugehen, stattdessen drohte er mit Verhaftungen, falls sie nicht augenblicklich auseinander gingen. Zwischenzeitlich hatte sich die riesige Demonstration in verschiedene kleine aufgeteilt. Eine davon näherte sich dem Parlamentsgebäude und forderte, dass Imre Nagy kommen und zu ihnen sprechen solle, während eine andere Gruppe sich auf das Gebäude des ungarischen Radiosenders zu bewegte und um Sendezeit für ihre Forderungen bat. Es folgte hier die erste Schlacht in der Revolution, die damit endete, dass die Aufständischen das Gebäude einnahmen, aber in diesem Kampf viele Opfer zu beklagen hatten.
Unter dem Druck der Ereignisse begann die herrschende Bürokratie zu manövrieren und machte zuerst das Zugeständnis, dass Imre Nagy das Amt des Premierministers übernehmen sollte und versprach anschließend, den AVH (das ungarische Äquivalent zum KGB) aufzulösen , Verhandlungen mit den Russen über den Truppenabzug zu beginnen und schließlich die Abschaffung der Partei und ihre Neugründung unter einem neuen Namen. Und während die Massen zuerst dazu tendierten, das zu ihren Gunsten auszulegen, wurden diese Maßnahmen durch die Ereignisse auf den Straßen und in den Fabriken überholt, als sich die Revolution in ihrer ganzen Komplexität entfaltete. Die Vielzahl der Ansichten und Meinungen, welche die verschiedensten Gruppen (die sowohl vor als auch während dieser Ereignisse versuchten, das alte System zu reformieren) hatten, wurden angesichts der Macht des Volkes völlig irrelevant. Eine Bewegung, die mit einfachen, manchmal grundlegenden patriotischen Forderungen begann, trat durch die Kämpfe, Debatten und die Organisation ihrer Kräfte in ein viel höheres Stadium ein. Sie wurde nicht nur eine Bewegung zur Selbstverteidigung, sondern ein bewaffneter Aufstand zur Errichtung einer neuen Gesellschaft.
Panzer
Als die russischen Panzer gerufen wurden, um diesen Aufstand niederzuschlagen, fanden diese heraus, dass ihnen eine gut organisierte, furchtlose Bevölkerung gegenüberstand, die mit erstaunlichem Mut improvisierte und nicht leicht in die Knie zu zwingen war. Es gab sogar Fälle der Verbrüderung mit den russischen Soldaten, die man belogen hatte, als man sie zum Einsatz schickte, um auf ungarische ArbeiterInnen zu schießen. Man hatte ihnen erzählt, dass es in Budapest einen faschistischen Aufstand gegeben habe, da aber viele von ihnen in Ungarn stationiert gewesen waren und Ungarisch sprachen, konnten sie mit den Menschen sprechen und beendeten die Kämpfe, sobald sie merkten was geschah.
Eine der scheußlichsten Grausamkeiten während der Revolution war das Massaker an unbewaffneten Zivilisten vor dem Parlamentsgebäude am 25. Oktober. Die Schuld dafür wurde zum damaligen Zeitpunkt den russischen Panzern in die Schuhe geschoben, es ist aber wahrscheinlicher, dass es gerade geschah, um die Verbrüderung zu beenden. Es gibt viele widersprüchliche Berichte über dieses Ereignis, aber es ist kein Zufall, dass die Maschinengewehre, die auf dem Dächern um den Parlamentsplatz platziert waren, zuerst das Feuer eröffneten als zwei mit ungarischen Fahnen bestückte Panzer, auf denen sich viele Freiheitskämpfer befanden, in Sicht kamen.
Sehr schnell tauchten verschiedene Kampfgruppen an strategischen Punkten in der Innenstadt auf. Die meisten, wenn nicht alle, befanden sich in Arbeitervierteln und an den Hauptknotenpunkten und die Kämpfer waren ArbeiterInnen, auch Mitglieder des Lumpenproletariats, die unter dem stalinistischen Regime als Verbrecher behandelt wurden. Als einer der Jugendlichen gefragt wurde, warum er kämpfe, antwortete er: „Warum nicht? Ich habe nichts zu verlieren. Möchten Sie von 600 Forint im Monat leben?“
In der Zwischenzeit wurde ein Generalstreik ausgerufen und in dem Fabriken kam es zur Gründung von Arbeiterräten. In dieser Etappe befanden sich diese Räte in einem embryonalen Stadium, ihre Mitglieder waren in erster Linie mit dem Kampf beschäftigt, aber es rückten bereits Vorstellungen in den Vordergrund, wie die Arbeiterklasse die Produktion organisieren und alle Bereiche des Lebens in den Arbeitervierteln regeln könnte.
Die Kämpfe gingen weiter, aber nachdem verschiedene Einheiten der ungarischen Armee zur anderen Seite übergelaufen waren oder zumindest neutral bleiben und die Rote Armee sich aus taktischen Gründen umorganisieren und die bloßgestellten Truppen durch frische, die nicht Ungarisch sprachen, ersetzen musste, wurde eine Vereinbarung geschlossen, die besagte, dass am 29. Oktober mit dem Abzug aus Budapest begonnen würde.
In der folgenden Woche konnte in den Fabriken, an anderen Arbeitsstellen, Theatern, in Schriftstellerclubs und in allen Bereichen des industriellen, politischen und künstlerischen Lebens ein Erblühen der Freiheit beobachtet werden. Die Arbeiterräte und die revolutionären Komitees wurden schnell die einzige Entscheidungen fällende und ausführende Macht, welche die UngarInnen anerkannten. Sogar während der Kämpfe, aber besonders nachdem diese abgeklungen waren, begannen normale Menschen die Führung der Gesellschaft in die eigenen Hände zu nehmen. Alle gesellschaftlichen Schichten machten sich daran, diese neue Welt durchzusetzen: die Armee wählte das Revolutionäre Komitee der Ungarischen Volksarmee, die Bestandteil des Revolutionären Nationalen Verteidigungskomitees wurde, was ein bewaffnetes Volk, keine stehende Armee bedeutete. SchriftstellerInnen, StudentInnen, SchauspielerInnen, MusikantInnen, SchülerInnen, Hausfrauen beteiligten sich an der Errichtung ihrer eigenen Organisationen in einer Atmosphäre der revolutionären Freiheit und Begeisterung.
Die Revolution dehnte sich auf die Provinzstädte und Dörfer aus, besonders in den Gegenden, in denen die Schwerindustrie und der Bergbau zu Hause waren, wo Arbeiterräte und revolutionäre Komitees errichtet und Deputierte nach Budapest gesandt wurden. Die neue Regierung unter Imre Nagy machte sich daran, den Auftrag einige nichtkommunistische Politiker in ihre Reihen einzubeziehen durchzuführen; sie erklärte den Austritt aus dem Warschauer Pakt und fuhr fort, ihr Reformprogramm zu realisieren. Die Verhandlungen mit den ArbeiterInnen gingen sogar soweit, dass einem Aufruf für die Wiederaufnahme der Arbeit am Montag, den 5. November zugestimmt wurde.
ArbeiterInnen
Einige Arbeiterorganisationen in den Provinzen hatten jedoch Warnhinweise über neue russische Truppenbewegungen nach Budapest gesandt und am Morgen des 4. November begann ein zweiter Angriff nicht nur gegen Budapest, sondern im ganzen Land. Diesmal war die Taktik anders. Augenzeugen bestätigen, das dieses Mal kein russischer Soldat aus seinem Panzer stieg. Die Kämpfe richteten sich nicht nur gegen die Barrikaden und tatsächlichen Einheiten, sondern beinhalteten die bewusste Einschüchterung der Budapester Bevölkerung. Auf einer Hauptstraße bewegten sich mehrere Panzer vorwärts und schossen systematisch auf jedes zweite Stockwerk jedes Blocks und zerstörten diese mit ihren Kanonen. Diese Truppen kamen aus Zentralasien und glaubten dieses Mal offensichtlich, sie würden einen faschistischen Aufstand niederschlagen.
Sofort ging die Arbeiterklasse zur Aktion über. Der Generalstreik ging weiter und die Kämpfe waren ausgezeichnet organisiert. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit widerstanden die ArbeiterInnen mit nur wenigen Gewehren und einer großen Entschlusskraft den Panzern. Ein beliebter Trick, der auch zu funktionieren schien, war es den Griff von einer Bratpfanne abzubrechen und die Pfanne dann umgedreht mitten auf eine Hauptstraße zu legen. Das brachte die Panzer entweder zum Stehen, weil die Besatzung annahm, es handele sich um Minen, oder aber zwang die Soldaten auszusteigen, um nachzusehen; auf diese Weise wurden die Panzer auch mit kleineren Waffen angreifbar. Der Widerstand hielt sich am längsten in den Hochburgen der Arbeiterklasse, wie Csepel, Ujpest, Kelenfold, Angyalfold, Zuglo und in anderen Arbeitervierteln. Einer der Beteiligten; Mark Molnar, der unter dem Rakosi-Regime als Offizier aus der Armee entlassen worden war und Kohlenträger wurde, berichtete über die Kämpfe: „Der Tagesablauf war einfach. Jeder Mann verbrachte acht Stunden beim Kampf, acht Stunden bei der Arbeit, wo Granaten und Gewehre produziert wurden, und schlief acht Stunden zu Hause. Gleich bei meiner Ankunft wurden mir Medizinstudenten zugewiesen und ich wusste, wo ich die Verletzten unterbringen konnte.“ Die Organisation, meinte er, „war besser als beim ungarischen Generalstab. Ich hatte nichts anderes zu tun, als zu kämpfen.“
Schließlich fiel jedoch sogar Csepel und der bewaffnete Widerstand endete. In diesem kritischen Augenblick kamen die Arbeiterräte voll zur Geltung. Die Macht lag de facto in den Händen der Roten Armee. Diese besetzte die Fabriken und arbeitete Hand in Hand mit der Marionettenregierung von Janos Kadar, die sie am 4. November eingesetzt hatte und die versuchte erneut eine totalitäre Herrschaft zu errichten. Der Generalstreik wurde landesweit massiv durchgeführt und die Arbeiterräte begannen ihre Muskeln spielen zu lassen. Ihnen war bewusst, dass der bewaffnete Widerstand nicht möglich war und ihnen nur noch eine Waffe blieb: der Streik.
Winter
Der bittere ungarische Winter kam näher und die Regierung musste unbedingt die Produktion, die Bergwerke und die Stromerzeugung wieder in Gang bekommen und vor allem die ArbeiterInnen unter der Aufsicht bewaffneter Kräfte in die Fabrik zurückbekommen. Das aber lehnten diese ab. Stattdessen stellten sie weiterhin ihre Forderungen, trafen sich zuerst in den Fabriken, bildeten dann revolutionäre Komitees in den einzelnen Bezirken und schließlich den Zentralen Arbeiterrat von Groß Budapest. Sie wollten nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, solange ihre Forderungen nicht erfüllt waren. Es kam weiterhin zu Einschüchterungen und langsam aber sicher wurden sie mit Verhaftungen, Prügel, Folter und Hinrichtungen bedroht. Die ArbeiterInnen antworteten, indem sie ihre eigene Presse, ihre eigenen Milizen und Treffen, die sie immer öfter illegal abhielten, organisierten.
Die Arbeiterräte erhoben Forderungen für eine Arbeiterdemokratie in der Produktion. Diese beinhalteten:
Die Arbeit dieser Räte wurde auf einem höchstdemokratischen Niveau durchgeführt. Alle Offiziellen und Vertreter konnten sofort abberufen werden und verschiedene Räte ersetzten ihren Vorsitzenden und/oder ihren Sekretär sowie die Delegierten für verschiedene Organe in diesen Monaten öfters. Viele empfanden, dass die Führer ausgetauscht werden mussten, sobald diese die Massen nicht mehr repräsentierten. In den Zeiten des revolutionären Umbruchs bewegen sich die Ereignisse so schnell, so dass die Führer stündlich geprüft werden und alle, die dazu nicht in der Lage waren, wurden durch diejenigen ersetzt, die es waren. Man kann das auch von verschiedenen Standpunkten aus betrachten: Viele führende Persönlichkeiten waren auch der Meinung, dass wenn es zu einem entscheidenden Wendepunkt kam, sie keinen Schritt machten bis ihre Organisation sie in geheimer Abstimmung bestätigte, so waren sie überzeugt, dass sie den ursprünglichen Auftrag immer noch ausführten. Nach seiner Wahl zum Präsidenten des Arbeiterrates von Groß Budapest machte das der Werkzeugmacher Sandor Racz verschiedene Male und brachte so die Arbeiterdemokratie auf einem Niveau, das man seit der Oktoberevolution von 1917 nicht mehr gesehen hatte. Dieses lebendige, atmende System der Arbeiterdemokratie wurde selbst nach dem Beginn neuer Kämpfe fortgesetzt, als die ArbeiterInnen noch Zeit und Gelegenheit fanden, eine direkte Kontrolle über ihre Vertreter auszuüben.
Während viele dieser Arbeiterräte nur errichtet worden waren, um die Produktion zu organisieren und die ArbeiterInnen zu verteidigen, war es unvermeidlich, dass sie anfingen, besonders in einer Zeit der um sich greifenden Verfolgung, zusammenzuarbeiten und sich schließlich zusammenzuschließen.
Budapest
Der Arbeiterrat von Groß Budapest wurde angesichts der Einschüchterung sowohl durch die russischen Panzer als auch durch den Wiederaufbau des ungarischen Geheimdienstes errichtet. Die klare politische Natur dieses Rates kann anhand seiner Forderungen ersehen werden:
Zusätzlich begann eine Diskussion über die Rolle der Arbeiterklasse in der Gesellschaft, die teilweise von den anwesenden Intellektuellen initiiert wurde, oft aber spontan unter den Arbeitervertretern ausbrach. Es gab enorme Unterschiede bezüglich des Alters, der Erfahrung, der Herkunft und dem Verständnis unter den Arbeiterführern. Viele waren um die 40 Jahre alt und Veteranen des kommunistischen Untergrunds in der Vorkriegszeit, die an militanten Gewerkschaftsaktionen teilgenommen hatten. Andere waren jung und brachten den Mut und den kompromisslosen Geist der Jugend in die Diskussion ein. Einige glaubten, die Arbeiterräte sollten keine politische Rolle übernehmen, da das wieder dorthin führen würde, was in der Vergangenheit schief gelaufen wäre, das bedeutet, dass die Partei die Vertretung der ArbeiterInnen übernimmt. Sie waren der Meinung, dass die Arbeiterräte das wirtschaftliche Leben im Land organisieren sollten; freie und unabhängige Gewerkschaften sollten die Interessen der ArbeiterInnen vertreten und die Parteien (von denen es jetzt viele gäbe) sollten das politische Leben des Landes leiten.
Dann gab es andere, welche die Idee von der Schaffung überregionaler und schließlich landesweiter revolutionärer Arbeiterräte als einzigen Weg zum Schutz und letztendlich zur weiteren Entwicklung der Errungenschaften der Revolution klar befürworteten. Welche dieser Vorstellungen auch die Mehrheit errang, die Wirklichkeit schuf in Ungarn im November/Dezember 1956 einen klaren Fall von Doppelmacht, und diejenigen, die das erkannten, konnten nicht übersehen, welche Relevanz dies sowohl für das politische als auch für das wirtschaftliche Leben im Lande hatte. Schon am 4. November sandte der Arbeiterrat des Distrikts Borsod eine 28köpfige Delegation zu einem Treffen mit Imre Nagy nach Budapest. In dem von ihnen vorgelegten Programm war u.a. die Forderung nach der Ersetzung des Parlaments durch eine Nationalversammlung, die sich aus Delegierten der Arbeiterräte zusammensetzen sollte.
Man muss zugeben, dass es in einer Atmosphäre, in der man immer weiter in den Untergrund getrieben wurde, in der jeden Tag Verhaftungen stattfanden, alle Organisationen von den russischen Streitkräften und dem wieder aufgebauten Geheimdienst AVH ins Visier genommen wurden, eine scharf umrissene Entwicklung der Arbeiterdemokratie nicht einfach war. Es gab Vorbereitungen für die Errichtung eines Nationalen Arbeiterrates am 11. Dezember, die das Kadar-Regime antrieb, seine repressiven Maßnahmen zu beschleunigen, als zuerst versucht wurde, die Rechte der Arbeiterräte auf die Fabrikebene zu beschränken und danach alle Räte für illegal erklärt wurden. Am 11. Dezember kam es zur Festnahme aller Führer des Arbeiterrates von Groß Budapest, daraufhin folgte ein 48stündiger Generalstreik als Protest gegen die Festnahmen und als Druckmittel zur Durchsetzung der Forderungen des Rates. Die Streiks und sporadische Widerstandsaktionen gingen bis in das Jahr 1957, bis der letzte Arbeiterrat zehn Monate später abgeschafft wurde. Der Sammelgerichtsbarkeit der so genannten „Volksgerichte“ wurde das Recht zugestanden, Festnahmen anzuordnen, Menschen zu inhaftieren und zu foltern, was in erster Linie gegen die ArbeiterInnen und besonders ihre Führer umgesetzt wurde.
Vor dem Hintergrund einer so umfangreichen Unterdrückung werden die Errungenschaften des Zentralen Arbeiterrates von Groß Budapest, wie die Organisation und Durchführung von zwei gewaltigen Generalstreiks und die beinahe Errichtung eines Nationalen Arbeiterrates mit einem klaren Programm für die Schaffung einer Arbeiterdemokratie als ein großes Zeitereignis in die Geschichte der Arbeiterbewegung eingehen. Der Mut der ungarischen ArbeiterInnen, ihre Entschlusskraft und ihre Fähigkeit sich der von der Geschichte gestellten Aufgaben zu stellen, ist um so erstaunlicher, da die breite Massenbewegung während der Revolution Führer, Programme und eine Kampfkraft hervorbrachte, die spontan anstieg und ohne revolutionäre Partei bis zum Schluss ausgefochten wurde.
Jahrhundertelang ist die Geschichte von den Siegern geschrieben worden. Die besitzlosen Massen haben sehr selten eigene Aufzeichnungen gemacht, so dass die folgenden Generationen dazu neigen, die vergangenen Ereignisse mit den Augen der herrschenden Klassen und Schichten zu betrachten. Im 20. Jahrhundert fanden jedoch die größten Geschichtsfälschungen statt, das haben auch die ungarischen Stalinisten nach 1956 versucht. Die größte Verleumdung, die je gegen eine heroisch kämpfende Arbeiterklasse ausgesprochen wurde, ist diejenige gegen die ungarischen ArbeiterInnen von 1956. Das konsolidierte stalinistische Regime von Janos Kadar, das Menschen folterte, ermordete, ins Gefängnis warf und die Blume der ungarischen Arbeiterklasse und der Jugend einfach zertrampelte, wagte es, mit dem Mythos hausieren zu gehen, es habe sich um eine Konterrevolution gehandelt, die den Kapitalismus wiedererrichten wollte.
Sozialisten
Eine große Zahl Sozialisten, Überlebende der Kämpfe und andere, haben Jahre damit verbracht, diese Behauptung in der ganzen Welt zu widerlegen. In Ungarn musste man das nicht, denn die Leute hatten Augen und Ohren und wussten, was passiert war. Es ist wirklich rührend, den schwarzen Humor zu lesen, der entstand und charakteristisch ist für das ungarische Gemüt, denn die Mühsal ist leichter zu ertragen, wenn man sich darüber lustig machen kann. Bis heute gibt es eine Redewendung, die in der Provinzstadt Salgotarjan in Umlauf ist und auf die Verleumdung, dass die Arbeiterdemonstrationen, die vom AHV brutal niedergeknüppelt wurde, von Faschisten und Reaktionären durchgeführt worden sei. Sie geht wie folgt: „Während sie im Zentrum von Salgotajan friedlich demonstrierten, wurden örtliche Sicherheitskräfte Opfer grundloser, bösartiger Angriffe durch faschistische Bergleute, die Brotlaibe auf sie schleuderten.“
Für den Rest der Welt gibt es genügend dokumentierte Beweise, die bezeugen, dass es sich um Lügen à la Goebbels handelte. Es gab keine bedeutende Organisation (selbst keine von der man es erwartet hätte), die den Ruf nach einer Rückkehr zum Kapitalismus erhob, vielmehr versicherten alle, dass kein solcher Ruf in ihren Forderungen vorhanden war. Eine Organisation, die sich die Ungarische Demokratische Unabhängigkeitsbewegung nannte und die Vorstellungen von Intellektuellen und revisionistischen Reformkommunisten aus der Ära vor 1956 vertrat, veröffentlichte am 6. Dezember eine Zusammenfassung ihres Programms namens „23.Oktober“ mit den folgenden Forderungen:
Der Bewegung in Ungarn 1956 fehlte nur ein klare, bewusste Führung auf der Grundlage von Trotzkis Analyse über die Entartung der Russischen Revolution und die Notwendigkeit einer politischen Revolution, um die Macht in die Hände der Arbeiterklasse zurückzugeben. Hätte es eine solche Führung gegeben, dann wären die Ereignisse anders verlaufen. Dennoch sind die Lektionen für die heutige Zeit eindeutig. Sogar ohne eine solche Führung schufen die ungarischen ArbeiterInnen ein Programm zur Errichtung einer Arbeiterdemokratie analog zu Lenins vier Punkten für einen gesunden Arbeiterstaat. Die ungarischen Arbeiterräte von 1956 waren in der Tat Sowjets und Lenins vier Punkte über die Wahl von Funktionären, die Rotation von Aufgaben, alle Funktionäre sollten abwählbar sein, und die Volksbewaffnung wurden – obwohl nicht genau mit diesen Begriffen bezeichnet – in die Praxis umgesetzt. Die ungarischen Arbeiter fügten aufgrund ihrer Erfahrungen noch einen weiteren Punkt hinzu, den Ruf nach einer Parteienpluralität, solange diese den Gemeinbesitz an Produktionsmitteln, d.h. die Errungenschaften des Sozialismus, wie sie es ausdrückten, akzeptierten.
Die Geschichte ist zum Ausgangspunkt zurückgekehrt und stellt der Arbeiterklasse in Osteuropa, Russland und den anderen ehemaligen stalinistischen Ländern die scheinbar unlösbare Frage: Welchen Ausweg gibt es? Das stalinistische Regime von Janos Kadar ist zusammengebrochen und unter seinen eigenen Widersprüchen verschwunden und hat ein wirtschaftliches Chaos hinterlassen und den Hass der eigenen Menschen auf sich gezogen. Es wurde abgelöst durch ein System, dass Tausende falsche Hoffnungen erzeugte.
Traditionen
Die ungarische Arbeiterklasse hat ruhmreiche Traditionen, welche die Helden von 1956 schufen, aber deren Erfahrungen müssen wieder entdeckt und eine neue Tradition muss geschaffen werden. Der einzige Weg zu Frieden, Arbeitsplätze, Wohnungen, wirtschaftlicher und politischer Freiheit führt über den Kampf für eine sozialistische Demokratie. Der Weg in diese Gesellschaft führt über die Arbeiterdemokratie, wovon die Freiheitskämpfer von 1956 träumten und wofür sie kämpften und Tausende von ihnen ihr Leben gaben.
Es ist das Los der heutigen Generation der ungarischen ArbeiterInnen dies Wahrheit werden zu lassen. Die Erfahrungen mit der kapitalistischen Restauration und die damit verbundene soziale Krise stellt die Arbeiterklasse heute vor die Wahl „Sozialismus oder Barbarei“. Wir und sie können den 50. Jahrestag der Revolution von 1956 nicht besser feiern als auf das Ziel einer sozialistischen Demokratie hinzuarbeiten.
Julianna Grant
www.marxist.com
Nordamerika — von Alan Woods, marxist.com — 27. 11. 2024
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024