Die Welt steckt in einer Krise. Der Kapitalismus bröckelt und eine neue Gesellschaft ringt um ihre Geburt. Die Wunder der modernen Wissenschaft sind unglaublich. Und dennoch können wir scheinbar nicht genug bieten, damit niemand auf der Strasse leben muss, damit wir unsere Senioren angemessen versorgen können, oder um der Jugend eine anständige Zukunft zu geben. Wir sprechen hier nicht von einem rückständigen und verarmten Land. Unter dieser Lebenskostenkrise leiden die Menschen in Zürich, Bern und Genf, genauso wie in São Paulo und Kairo.
Andererseits haben es die Milliardäre in Zürich und anderswo noch nie so schön gehabt. Jeder besitzt mehrere Villen und Wohnungen, wertvolle Kunstsammlungen, Superjachten, Luxusautos und reist in Privatjets herum. Diener stehen auf Abruf bereit und rennen zu jeder Tages- und Nachtzeit für sie herum. So lebt das berüchtigte eine Prozent. Die dekadenten Kaiser des alten Roms waren nichts im Vergleich zur heutigen herrschenden Elite. Nur acht dieser Milliardäre besitzen so viel Vermögen wie die Hälfte der Menschen auf dem Planeten zusammen.
Wie schon Karl Marx sagte, bedeutet der extreme Reichtum am einen Pol, extreme Armut und Erniedrigung am anderen. Berufstätige Eltern lassen Mahlzeiten ausfallen, um zu verhindern, dass ihre Kinder hungrig zur Schule gehen, während die Superreichen im Luxus schwelgen. Rachitis, Tuberkulose und Masern sind wieder in unsere armen Städte zurückgekehrt. Willkommen in der kapitalistischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts!
Heutzutage werden regelmässig Industrien stillgelegt und die Arbeiter auf die Strasse geworfen, da ihre Talente und Fähigkeiten «nicht mehr benötigt» werden. Dörfer und Stadtteile versinken im Elend. Es fühlt sich an wie eine Naturkatastrophe. Aber das ist menschengemacht.
Im Kapitalismus können sich die Leute nicht einmal das Nötigste leisten, egal wie verzweifelt sie es benötigen. Wo bleibt da die Rationalität? Es heisst sogar, das sei die menschliche Natur! So sei es immer gewesen (was nicht stimmt) und so werde es immer sein. Aber liegt es in der Natur des Menschen, in Elendsquartieren zu leben oder auf der Strasse ums Überleben zu kämpfen, während Immobilien für spekulative Investitionen leer stehen? Liegt es in der Natur des Menschen, Leute sterben zu sehen, nur weil sie sich die Kosten für Medikamente nicht leisten können? Nein, aber es liegt in der Natur des Kapitalismus. Aber dieses System hat ausgedient.
Wir fragen: Warum gestalten wir unser Leben nicht so, dass der Wohlstand, den wir schaffen, allen zugutekommt statt nur einer handvoll Privilegierter? Ausgebildete und talentierte Menschen mit den nötigen Fähigkeiten, um die Probleme zu bewältigen, gibt es genug.
Es sollte ein Leichtes sein, genügend Wohnungen für alle zu bauen. Wir haben Land, Ziegel, Zement und Arbeitskräfte – und wir haben genug Erfahrung. Was hält uns also davon ab? Private Grundbesitzer und Baufirmen sind nicht bereit zu bauen, solange sie keine Gewinne machen können. Obdachlose oder menschliche Bedürfnisse interessieren sie nicht. In dieser kapitalistischen Welt gilt vielmehr: Je weniger Häuser, desto länger die Wartelisten, desto höher die Preise, und desto mehr Geld können sie verdienen. Anders ausgedrückt: Je mehr Elend und Leid es gibt, desto mehr Geld lässt sich damit verdienen.
Die kapitalistische Klasse, der so gut wie alles gehört, ist nur am Geldverdienen interessiert. Gier ist ihr Antrieb. Dabei arbeiten sie eigentlich kaum oder gar nicht. Die meisten Reichen beschäftigen Manager und Buchhalter, um ihr Geld zu investieren und es für sie «arbeiten» zu lassen. Sie beziehen ihr Geld aus der Arbeit anderer Menschen. Sie essen Lebensmittel, tragen Kleidung und leben in Häusern, die der Arbeit anderer entspringen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen.
Die Arbeiter produzieren viel mehr, als sie in ihren Lohntüten zurückbekommen. Daraus schöpfen die Kapitalisten ihren Profit. Die Arbeiter erhalten nur so viel, dass sie bis zum nächsten Monat überleben. Diese Ausbeutung – genau darum geht es – ist zwar weniger offensichtlich, wie etwa im Mittelalter, als die Leibeigenen gezwungen waren, umsonst auf dem Grund und Boden des Grundherrn zu arbeiten, aber es ist dasselbe Prinzip.
Die Kapitalisten scheffeln Geld auf vielerlei Art und Weise. Aber es läuft immer darauf hinaus, dass sie von ihren Arbeitern mehr Wert erhalten, als sie ihnen auszahlen. Früher produzierten die Kapitalisten noch etwas, heute wollen sie Geld machen ohne diese Mühe. Die meisten Superreichen beziehen ihr Geld heutzutage aus Erbschaften, Immobilien, Versicherungen, Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen und dergleichen.
Es ist ihnen egal, was sie kaufen oder verkaufen, seien es Rüstungsgüter oder Massenvernichtungswaffen (die heutzutage sehr profitabel sind) oder sonst etwas. Sie würden ihre Grossmutter verkaufen, wenn sie daraus einen Gewinn erzielen könnten. Sie handeln auch mit «Ramsch»-Anleihen einschliesslich fauler Schuldtitel. So entstand der «Subprime»-Häusermarkt in den USA, der 2007/8 zusammengebrochen ist. Der Lebensunterhalt von Millionen normaler Menschen hängt von den Würfeln der milliardenschweren Spekulanten ab. Wie krank ist das denn?
Aber dieses System hat ein zentrales Problem: Trotz ihres wachsenden Wohlstands können die Kapitalisten diesen Reichtum nicht selbst konsumieren. Egal, wie viel Kaviar und Champagner sie sich reinstopfen, sogar das hat seine Grenzen. Man kann nicht gleichzeitig in mehreren Villen leben oder mehrere Limousinen fahren. Deshalb investieren sie den Grossteil ihres Geldes, um noch mehr Geld zu verdienen, wie bei einer Drogensucht.
Diese superreichen Parasiten besetzen alle Spitzenpositionen in Wirtschaft, Staat und Politik. Die Regierungen sind von den Reichen, durch die Reichen, für die Reichen. Sie rechtfertigen sich, indem sie behaupten, jeder könne so reich werden wie sie selbst. «Arbeite hart und eines Tages wirst auch du reich sein», sagt man uns. Einige wenige schaffen es vielleicht, sich aus der Arbeiterklasse herauszuwinden. Doch das System ist abgekartet. Im Kapitalismus können 99 Prozent der Arbeiter so hart und so lange arbeiten, wie sie können, aber sie werden immer Arbeiter bleiben. Harte Arbeit wird ihr Los nicht verbessern, sondern nur ihre Bosse reicher machen.
Der Anteil der Arbeit am Nationaleinkommen sinkt, während der Anteil des Kapitals rasant steigt. Die Kluft zwischen Arm und Reich war noch nie so gross. Die Gehälter der Firmenbosse sind seit 1978 um 1’460 Prozent in die Höhe geschnellt. Im Jahr 2021 erhielten sie 399 Mal so viel wie ein typischer amerikanischer Arbeiter, verglichen mit 20 Mal so viel im Jahr 1965. Seit 2020 hat sich das Vermögen der fünf reichsten Milliardäre mehr als verdoppelt. In der gleichen Zeit sind mehr als fünf Milliarden Menschen ärmer geworden.
Dies sind die unvermeidlichen Folgen der kapitalistischen Ellenbogengesellschaft, wie bereits Marx erklärte. Die Gesetze des Systems wirken in und durch die Anarchie des Marktes, hinter dem Rücken der Gesellschaft, in der jeder für sich selbst denkt, aber niemand für alle denkt. Daher sind Krisen dem kapitalistischen System inhärent, und wir bezahlen den Preis dafür.
Der wesentliche Widerspruch besteht darin, dass die Arbeiterklasse nicht den gesamten von ihr produzierten Reichtum zurückkaufen kann. Die Überproduktion ist also systemimmanent. Der Kapitalismus hat dieses Problem zeitweilig und stossweise auch mittels Investitionen überwunden, aber auch das stösst jetzt an seine Grenzen. Immer mehr Produktionskapazitäten erschaffen mehr Waren für einen schrumpfenden Markt. Daraus resultiert die gegenwärtige Krise. Die Menschen hungern, aber gemäss den Gesetzen der Rentabilität produzieren wir zu viel.
Millionen wurden in schlecht bezahlte, perspektivlose Jobs gedrängt. Qualifizierte Arbeit verwandelt sich in angelernte, und angelernte in ungelernte Arbeit. Die Energie und die Talente von Millionen, vor allem junger Menschen, werden vergeudet. Der sagenhafte Fortschritt der KI und der Robotik könnte einen Horizont der Freiheit von Mühsal eröffnen. Doch im Kapitalismus bewirkt er das Gegenteil, nämlich Massenarbeitslosigkeit. Maschinen ersetzen Arbeitskräfte, und diejenigen, die noch arbeiten, müssen immer härter schuften. Wir rennen in einem Hamsterrad, das immer schneller wird, um die Profite einer Minderheit zu erhöhen. Aber Roboter oder Maschinen können keine Waren kaufen oder konsumieren. Die Überproduktionskrise wird zugespitzt. Das ist Irrenhaus-Ökonomie.
Richtig eingesetzt, könnten künstliche Intelligenz, Automatisierung und Robotik den Grossteil der manuellen Arbeit überflüssig machen und uns alle von der Last der langen Arbeitsstunden befreien. Stell dir vor, du arbeitest nur drei Stunden pro Tag in einer Vier-Tage-Woche und das bei steigendem Lohn. Warum nicht auch eine Zehn- oder Fünf-Stunden-Woche? Die Technologie und die Ressourcen wären vorhanden. Nichts hält uns davon ab. Wir müssen nur die Schranke der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse beseitigen.
Eine echte Arbeiterregierung würde die riesigen Konzerne und Banken enteignen müssen, die die Wirtschaft und unser Leben beherrschen. Die alten Eigentümer würden nicht entschädigt, weil sie uns schon viel zu lange bluten lassen.
Dann würden wir einen demokratischen Produktionsplan aufstellen, basierend auf den Bedürfnissen der Menschen, und alle Ressourcen nutzen, um die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Eine Produktion, die sich am Bedarf und nicht an der Gier orientiert, würde unsere Produktion jedes Jahr um 20 oder 25 Prozent steigern! Der zusätzliche Wohlstand in Milliardenhöhe könnte genutzt werden, um ein massives Wohnungsbauprogramm zu starten und die Mieten auf höchstens zwei Prozent des Einkommens zu senken.
Wir könnten einen existenzsichernden Lohn für alle einführen, Gas und Strom kostenlos zur Verfügung stellen und den öffentlichen Nahverkehr gebührenfrei nutzen. Dadurch würden wir die Umweltverschmutzung verringern und unsere Gesundheit verbessern. Wir würden mehr Schulen und Krankenhäuser bauen und die gesamte Bildung kostenlos machen, mit Stipendien für diejenigen, die ihr Studium an der Universität fortsetzen wollen. Eine sozialistische demokratische Planwirtschaft könnte den Arbeitstag verkürzen und das Rentenalter auf etwa 50 Jahre senken.
Die russische Wirtschaft nach 1917 gab trotz des monströsen bürokratischen Regimes des Stalinismus einen Vorgeschmack auf die kolossalen Möglichkeiten einer Planwirtschaft. So wurden beispielsweise in den zehn Jahren von 1958 bis 1968 in Russland 100 Millionen Wohnungen gebaut, mehr als in ganz Westeuropa, Japan und den Vereinigten Staaten zusammen. Die UdSSR brachte mehr Wissenschaftler, Techniker und Ingenieure hervor als der Rest der Welt zusammen. Man stelle sich vor, was mit den demokratischen Traditionen der Schweizer Arbeiter und dem hohen Niveau von Kultur und Technik, das wir besitzen, in einer demokratischen sozialistischen Schweiz erreicht werden könnte.
Natürlich bliebe es nicht dabei. Wir würden die Arbeiter Europas und der übrigen Welt auffordern, sich uns anzuschliessen. Wir würden an einem weltweiten Plan mitarbeiten, der unsere Umwelt schützen, Kriege und Konflikte beseitigen und Wohlstand für alle sichern würde.
Das ist doch Wahnsinn, rufen die Kapitalisten. Klar, im Sozialismus hätten sie niemanden mehr, den sie ausbeuten könnten. Aber zum ersten Mal würde eine solche Gesellschaft den Menschen die Freiheit geben, sich an der Leitung der Industrie und an ihrem Leben zu beteiligen. Eine echte Arbeiterdemokratie, befreit von Bankern und Kapitalisten, würde florieren.
Man behauptet, die Arbeiter könnten die Geschicke nicht lenken. Doch die Beschäftigten leisten bereits heute alle wichtige Arbeit und wissen genau, was ihr eigener Arbeitsplatz bräuchte. Sie würden den Betrieb viel besser führen als die jetzigen Bosse. Selbstverständlich würden wir die Techniker, Computeranalytiker, Ingenieure und Wissenschaftler mit einbeziehen. Sie würden uns keine Waffen liefern, sondern neue Erfindungen, mit denen wir Arbeit einsparen könnten.
Bei geplanter Produktion gäbe es keine Arbeitslosigkeit. Jedem würde ein anständiger Arbeitsplatz mit einem ordentlichen, existenzsichernden Lohn garantiert werden. Die kolossale Verschwendung im Kapitalismus würde wegfallen. Beispielsweise wären keine Rüstungsausgaben mehr nötig, die die Gesellschaft massiv belasten.
Weltweit sind 15.700 Sprengköpfe bekannt, die genug Zerstörungskraft besitzen, um den Planeten mehrfach zu zerstören. Die Regierungen planen, ihre Ausgaben für solche Waffen im nächsten Jahrzehnt zu erhöhen. Welch skandalöse Verschwendung! Man sollte sie verschrotten und die Rüstungsfabriken auf die Produktion gesellschaftlich nützlicher Dinge umstellen.
«Unsere Demokratien werden zunehmend von einer herrschenden Klasse vereinnahmt, die ihre Privilegien bewahren will», erklärte Steve Hilton, Politikstratege der britischen Konservativen. «Egal, wer im Amt ist, an der Macht sind immer dieselben Leute. Es ist eine Demokratie, nur dem Namen nach.» Da haben wir es aus erster Hand. Der Kapitalismus ist ein System der Reichen, für die Reichen. Anstelle dieser Diktatur der Banker und Kapitalisten sollten wir die demokratische Herrschaft der arbeitenden Menschen haben. Eine Gesellschaft, die von arbeitenden Menschen für arbeitende Menschen geführt wird.
Sozialistische Ressourcenplanung ist der einzig vernünftige, zukunftsfähige Weg. Komischerweise praktizieren die Kapitalisten, die die Tugenden des Marktes predigen, in ihren eigenen Betrieben genaue Planung. Alles, was wir fordern, ist, dass die gesamte Wirtschaft ebenso planvoll geführt werden sollte, anstatt sie den Launen der Marktgesetze zu überlassen. Natürlich meinen wir nicht das Diktat von ungewählten Managern, sondern die demokratische Beteiligung aller.
Das ungeheure Potenzial der heutigen Produktivkräfte wird beschränkt durch Privateigentum, Profit und Nationalstaat. Solange die Arbeiterklasse die Macht nicht selbst in die Hand nimmt, ziehen uns die Kapitalisten in die Barbarei zurück. Deshalb ist der Kommunismus keine «schöne Idee», keine utopische Vision einer neuen Gesellschaft. Er ist vielmehr eine historische Notwendigkeit, deren Verwirklichung die Aufgabe der Arbeiterklasse ist.
Je tiefer der Kapitalismus in die Krise gerät, desto mehr treibt er die Gesellschaft zur Revolution. Wir müssen eine revolutionäre Partei aufbauen, um den Erfolg der Revolution in der Schweiz und international sicherzustellen. Aus diesem Grund bauen wir die RKP und die Revolutionäre Kommunistische Internationale auf.
Der Umsturz des Kapitalismus in der Schweiz und anderswo wird ein neues sozialistisches Gesellschaftssystem einführen. Kunst und Kultur, die bislang einer privilegierten Minderheit vorbehalten blieben, würden fortan allen Menschen zugänglich sein. Mit zunehmender Produktivität und der Beseitigung der letzten Überreste des Kapitalismus wird die Gesellschaft schliesslich auf dem Grundsatz «Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen» beruhen. Mit anderen Worten: eine klassenlose Gesellschaft, die auf Solidarität und der harmonischen Befriedigung der Bedürfnisse aller beruht. Auf diese Weise erfolgt der Übergang vom Sozialismus zur höheren Stufe des Kommunismus. Wir könnten endlich in eine Zukunft ohne Kriege und Zerstörung und mit garantiertem Wohlstand für alle eintreten.
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
Nah-Ost — von Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) — 09. 10. 2024
Imperialismus, Kolonialismus & Nationale Frage — von Jorge Martín, April 2024 — 03. 10. 2024