Am Sonntag, dem 13. November, gingen Hunderttausende Menschen in Madrid auf die Strasse. Sie protestierten gegen die kriminelle Gesundheitspolitik der rechtsgerichteten Madrider Regionalregierung von Isabel Díaz Ayuso. Sie wollen das öffentliche Gesundheitswesen verteidigen. Ayuso, deren kolossale Arroganz ihrer Ignoranz und Idiotie entspricht, sieht allmählich ihren Rückhalt in der Bevölkerung schwinden, sogar in den bürgerlichen Kreisen, die sie bisher unterstützten. Es bedarf eines letzten Anstosses, um sie zu Fall zu bringen. Original auf Spanisch (lucha de clases).
Die Behörden schätzten die Teilnehmerzahl auf 200.000, die Organisatoren auf 650.000. Letztere Zahl liegt näher an der Realität. Zu der Demonstration hatten die Nachbarschaftsverbände in Madrid sowie in den wichtigsten Städten der Autonomen Gemeinschaft Spaniens aufgerufen. Sie wurden von den wichtigsten Berufsverbänden des Gesundheitswesens und den Gewerkschaften sowie von den linken Parteien unterstützt. Die Stimmung auf der Demonstration war klar links gerichtet. Auf die Parole „¡Sanidad Pública!“ („Öffentliche Gesundheit!“) knüpften die Protestierenden mit dem Ruf „¡Ayuso dimisión!“ („Ayuso tritt zurück“) an. Die Genossen der International Marxist Tendency beteiligten sich an der grossen Demonstration.
Vier Demonstrationszüge starteten gleichzeitig von den Plätzen Nuevos Ministerios (Norden) und Ópera (Westen), Hospital la Princesa (Osten) im geografischen Herzen des rechten Flügels Madrids, sowie Atocha, wo sich das grösste Kontingent aus den proletarischen Vierteln des Südens Madrids und dem roten Gürtel der Autonomen Gemeinschaft versammelt hatte. In Verlauf der Demonstration vereinigten sich die vier Züge.
In Wirklichkeit erstreckte sich die Demonstration ununterbrochen über die fast zwei Kilometer, die Atocha von der Plaza de Cibeles trennen, wo die Kolonnen zusammenliefen, wobei der Kopf und das Ende der Demonstration unbewegt blieben.
Madrid erlebte so erneut die grossartigen Tage des Massenkampfes der „Mareas“, der „Märsche der Würde“ und der Generalstreiks, die zwischen 2012 und 2014 ausbrachen, oder in jüngerer Zeit die gewaltigen Mobilisierungen von Frauen und Rentnern in den Jahren 2018 und 2019, vor der Pandemie. Die Traditionen des Klassenkampfes in Madrid sind wieder auferstanden, haben ihre Stärke gegenüber rechts gezeigt und das tatsächliche Gleichgewicht der Kräfte in der Gesellschaft verdeutlicht, welches die Arbeiterklasse und die Linke deutlich begünstigt, wenn sie entschieden mobilisieren. Diese Mobilisierung, die wir auf etwa eine halbe Million Menschen schätzen, ist etwas, was die rechten Kräfte in Madrid nie erreicht haben, nicht einmal im Entferntesten.
Die Gründe für die Mobilisierung und die Unzufriedenheit der Bevölkerung liegen in den Bestrebungen der Stadtregierung, die öffentliche Gesundheitsversorgung und in jüngster Zeit auch die Grundversorgung und die Notdienste in den medizinischen Versorgungszentren abzubauen. Madrid hat trotz seines Reichtums die niedrigsten Gesundheitsausgaben pro Einwohner im gesamten spanischen Staat, nämlich 1.171 Euro pro Einwohner, verglichen mit dem Durchschnitt von 1.478 Euro. Auch bei der Zahl der Hausärzte pro 1.000 Einwohner liegt sie an vorletzter Stelle (0,7), nur noch vor den Balearen. Und es ist die einzige Gemeinde, in der die Zahl der Hausärzte seit 2018 um 2 Prozent gesunken ist.
Der Ärztemangel bedeutet, dass die vorhandenen Ärzte mit Patienten überlastet sind, die sie nicht richtig behandeln können, was zu Ängsten und Überlastung bei Tausenden von Fachleuten führt, von denen immer mehr ins Ausland oder in andere Autonome Gemeinschaften fliehen. Zusätzlich zu den üblichen Wartezeiten von vier, sechs oder sogar acht Monaten auf einen Termin bei einem Facharzt ist es heute normal, dass man erst einen Monat nach der Anfrage einen Termin beim Hausarzt bekommt! Natürlich ist dies nicht in allen Vierteln gleich. Aus einem aktuellen Zeitungsbericht geht hervor, dass es durchschnittlich zwei Tage in einem reichen Viertel und in einem Arbeiterviertel 20 Tage dauert, bis man einen Termin beim Hausarzt bekommt.
Die Gesundheitszentren in den bürgerlichen Vierteln sind sehr gut mit Fachkräften ausgestattet, während sich die Kürzungen auf die Arbeiterviertel und die Randgebiete konzentrieren.
Jedes Jahr werden öffentliche Gelder in Milliardenhöhe in private Kliniken und Labore umgeleitet. Abgesehen davon, führt die zunehmende Verschlechterung des öffentlichen Gesundheitssystems in Madrid dazu, dass viele verzweifelte Menschen eine private Krankenversicherung abschliessen. Nach Angaben der IDIS-Stiftung, der Lobby der Privatmedizin in Spanien, sind bereits fast 40 Prozent der Madrider Bevölkerung darüber versichert.
Zu der Katastrophe in der Primärversorgung kommt die noch grössere Katastrophe in den Notaufnahmen der medizinischen Versorgungszentren. Nach zweijähriger Schliessung wegen der Pandemie wurden sie mit der Hälfte des Personals wiedereröffnet, welches in der ganzen Gemeinde verteilt werden muss, nur um die Zentren offenzuhalten. Zahlreiche medizinische Schichten werden ohne Ärzte durchgeführt, und nun schlägt die Regierung von Ayuso vor, dieses Problem durch telefonische Beratungen zu lösen. Dies führte zu einem unbefristeten Streik des medizinischen Notfallpersonals, der immer noch andauert. Und in einer Woche, am 21. November, wird der Streik der Hausärzte beginnen.
Jetzt ist es also an der Zeit entschieden zu streiken und nicht, wie einige politische Vertreter der offiziellen Linken in ihrer üblichen Kurzsichtigkeit und ihrem Misstrauen gegenüber sozialer Mobilisierung dummerweise verkündet haben, bis 2023 zu warten, um Ayuso bei den Parlamentswahlen der autonomen Gemeinschaft Madrid im Mai zu stürzen. Die Gesundheitspolitik von Ayuso und ihre grundsätzlich reaktionäre Politik müssen jetzt bekämpft und besiegt werden. Die Arbeiterfamilien können und wollen nicht 6 Monate warten.
Es ist bemerkenswert, dass ein Teil der Mittelschicht und der rückständigeren Arbeiterschichten, die Ayuso noch vor gut anderthalb Jahren bei den Wahlen 2021 unterstützt haben, ihr nun den Rücken kehren. Vergessen wir nicht, dass die Ärzteschaft – eine relativ wohlhabende und konservative Schicht – sowie ein grosser Teil der Angehörigen der Gesundheitsberufe eine traditionelle Basis der Rechten sind und jetzt den wichtigsten Kampf führen, den Díaz Ayuso in ihren dreieinhalb Jahren im Amt erlitten hat.
Die Bereitschaft der Arbeiterfamilien, zu kämpfen und sich zu mobilisieren, wurde am 13. November sehr deutlich, und auch die Abkehr einer wachsenden Zahl von Angehörigen der Mittelschicht von Ayuso ist offensichtlich. Nicht einmal die rechtsradikale Vox, die in diesem Konflikt als Ayusos wichtigster parlamentarischer Unterstützer absolut stumm geblieben ist, kann aus der sozialen Unzufriedenheit Kapital für sich schlagen. Es ist nun an der Zeit, dass alle Gewerkschaften, Nachbarschaftsvereinigungen, soziale Bewegungen sowie die linken Parteien und ihre Aktivisten ihre Kräfte bündeln, um ihre Forderungen über die Gesundheitsfrage hinaus auszuweiten: in der Sozialfürsorge, im Bildungswesen, in der Stadtplanung, im Wohnungsbau usw. und einen ersten 24-stündigen Generalstreik in der Gemeinschaft Madrid mit Massenmobilisierungen in allen Vierteln und Städten zu starten.
Dies wird der beste Weg sein, Ayuso und ihre Regierung in die Enge zu treiben, ihr Zugeständnisse abzuringen und ihre soziale Basis weiter zu untergraben. Nicht Wahlkalkulationen, sondern ein entschlossener Kampf und soziale Mobilisierung sind der beste Weg, um den Sturz und den Zusammenbruch des rechten Flügels in Madrid zu beschleunigen.
Es ist an der Zeit, auf die Strasse zu gehen! Alle zusammen auf die Strasse!
David Rey, lucha de clases
Quelle Bild: Barcex, Wikimedia commons
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