Israels Invasion im Libanon erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Taten Netanjahus einen regionalen Krieg vom Zaun reissen. Was macht die offizielle Schweiz? In diesem Oktober durfte sie sich als Vorsitz des UNO-Sicherheitsrates auf der Bühne der Grossmächte selbst inszenieren. Nach dem Einmarsch in den Libanon verurteilten unsere Bundesräte sofort die Gewalt von «beiden Seiten», forderten eine «diplomatische Lösung» im Nahen Osten und spuckten grosse Worte für den «Frieden».
Wir dürfen nicht auf die pazifistischen Phrasen dieser Kriegstreiber reinfallen. Die herrschende Klasse der Schweiz steht klar auf der Seite Israels und des westlichen Imperialismus. Auch sie schüren Krieg im Nahen Osten.
Um davon abzulenken, verwenden sie bewusst abstrakte Begriffe: «Alle Konfliktparteien» sollen «humanitäres Völkerrecht» respektieren. «Dialog und Deeskalation» hätten «oberste Priorität». Das hört sich gut an, wer könnte dagegen sein? Doch diese Allgemeinheiten haben nur die Aufgabe, die spezifische Situation und das reale Kräfteverhältnis der «Konfliktparteien» auszublenden.
Auf der einen Seite steht ein imperialistischer Staat mit einer modernen Armee: Israel. Seit 1948 hat er kontinuierlich mehr Staatsgebiet erobert und dabei ein anderes Volk, die Palästinenser, vertrieben. Diese haben keinen Staat, leben heute grösstenteils als Flüchtlinge und sehen sich damit konfrontiert, dass die Bevölkerung der palästinensischen Territorien systematisch ausgehungert, terrorisiert und vertrieben wird.
Der zionistische Staat raubt den Palästinensern systematisch ihre Lebensgrundlage. Dabei wird er militärisch vom Westen ausgerüstet und diplomatisch gedeckt. Den Palästinensern bleibt nur der Widerstand. Wir Kommunisten verteidigen ihr Recht auf Widerstand – selbst bewaffnet! Es ist völlig eindeutig, dass Israel der Unterdrücker ist. Wer hier die «Gewalt von beiden Seiten» verurteilt, setzt die Gewalt von Sklavenhaltern zur Niederhaltung ihrer Sklaven mit der Gewalt der Sklaven, sich gegen die Fesseln der Sklaverei zu wehren, gleich.
Das gleiche Schema nun im Libanon: Israel weitet den Krieg aus, führt im Libanon Terrorangriffe (Pager) durch, die wahllos Zivilisten töten, greift gezielt UNO-Truppen an. Und die Schweizer Regierung? Nach der Israelischen Bodeninvasion im Libanon fordert sie im UNO-Sicherheitsrat «die vollständige Einstellung der Feindseligkeiten durch die Hisbollah und Israel»! Beide Seiten werden verantwortlich gemacht, um davon abzulenken, dass genau eine Seite hier die Verantwortung für Krieg und Eskalation trägt: Israel.
Diese Position dient nicht der Deeskalation und nicht dem Frieden, sondern einzig der Rechtfertigung der Taten der Zionisten. Die Schweiz ist nicht «neutral», sie steht klar auf der Seite Israels und des US-Imperialismus.
Dieses wahre Gesicht hinter der pazifistischen Fassade kam deutlich zum Vorschein, als der Iran Anfang Oktober nach langer Zurückhaltung mit einem Raketenangriff auf Israels Provokationen geantwortet hat: Nur wenige Stunden nachdem das Aussendepartement «beide Seiten» für die Invasion des Libanons verantwortlich gemacht hat, verurteilt es «den Angriff Irans, der das Risiko einer grösseren Eskalation in der Region weiter erhöht, aufs Schärfste». Wo blieben solche Verurteilungen nach den wiederholten Provokationen Israels gegen den Iran? Nach den Attentaten gegen die iranische Botschaft in Syrien? Nach der Ermordung Hanijas in Teheran?
Mit ihrem aktuellen Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat führt die Schweiz die Scheinheiligkeit der bürgerlichen «Friedensförderung» an. Doch der UNO-Sicherheitsrat hat nicht den Zweck, Kriege zu verhindern. Er ist eine Schwatzbude, die davon ablenken soll, dass das imperialistische System notwendigerweise Kriege produziert.
Dass die UNO völlig unfähig ist, den Konflikt zu lösen, dafür genügt ein Blick auf Netanjahus Taten: Er bricht so ziemlich jedes internationale Recht, dutzende UN-Resolution, beschiesst UN-Blauhelmtruppen, usw. usf. Indem die westlichen Staaten Netanjahu weiterhin bedingungslos unterstützen – auch nach seiner völligen Missachtung jeglicher Regeln – beweisen sie, wie völlig leer ihre pazifistischen Phrasen sind.
Sie sprechen von «Frieden» und «diplomatischen Lösungen», nur um uns glauben lassen, die herrschende Klasse hätte wie wir ein Interesse an Frieden und würde aktiv etwas dafür tun. Doch das ist eine Lüge. Die kapitalistische Aussenpolitik ist bestimmt durch die kalten Interessen einer Minderheit an Kapitalisten in allen Ländern. Gerade weil sie eine kleine Minderheit sind, können sie nicht einfach offen erklären: «Ja, wir unterstützen das israelische Schlachten, weil Israel unser wirtschaftlicher Partner und militärischer Garant unserer Interessen im Nahen Osten ist. Dafür sind wir bereit, das palästinensische Volk zu opfern.» Sie sind gezwungen zu lügen und diese Wahrheit mit diplomatischen Appellen zu verschleiern.
Der Schweizer Imperialismus hat mit Konzepten wie der Neutralität und seiner humanitären Tradition seit mehr als 100 Jahren eine Strategie entwickelt, mit der er seine wahren Interessen gekonnt verschleiert. Neutralität und Diplomatie wurden niemals aus humanitären Werten priorisiert, sondern ausschliesslich, um als kleines Land ungestört und konsequent die profitabelsten Geschäfte zu machen. Deshalb ist es in der Schweiz besonders wichtig, in dieser Frage ein glasklares Verständnis zu haben.
Lassen wir uns für einen Moment auf das Gedankenexperiment ein, Netanjahu würde auf die UNO und die Schweizer Appelle hören. Die einzige «Lösung», die vom Bundesrat eingebracht wird, ist ein Waffenstillstand und die Zweistaaten-Lösung. Also die Rückkehr zur Situation, die für die Palästinenser bereits unhaltbar war. Nur dass Israel seither die Mehrheit der Häuser, Spitäler und Schulen in Gaza komplett zerstört, Zehntausende getötet und Hunderttausende traumatisiert hat. Während gleichzeitig die genozidale herrschende Klasse Israels an der Macht bleibt. Diese Situation wäre – oder ist – die Basis für mehr Hass und mehr Krieg!
Das beweist: Es gibt keine Lösung auf Basis des Kapitalismus. Für Frieden und ein Ende des Genozids zu kämpfen heisst, gegen die Kriegstreiber und ihr System zu kämpfen. Wir dürfen kein Vertrauen in die Schweizer Imperialisten und ihren Bundesrat haben. Sie sind kein Deut besser als Genocide Joe – sie versuchen ihre Heuchelei einfach mit anderen Phrasen zu verstecken.
Wir können nur auf eine Kraft setzen: die Arbeiterklasse. Anstatt an die Kriegstreiber und ihre Institutionen zu appellieren, muss die Arbeiterklasse sich organisieren und die Imperialisten im eigenen Land stürzen. Nur sie hat das Interesse und die Kraft, die Kapitalisten zu entmachten und durch eine Arbeiterregierung zu ersetzen. Diese würde eine internationalistische und sozialistische Politik verteidigen. Das würde hier, im Herzen des westlichen Imperialismus, der israelischen Kriegsmaschinerie den stärksten Schlag versetzen. Doch die Arbeiterklasse braucht Klarheit, dass die Feinde der Palästinenser und der Massen im Nahen Osten, die gleichen Feinde sind, die auch im Westen einen Klassenkrieg von oben gegen die Arbeiterklasse führt. Die gleichen, die Netanjahu den Rücken frei machen, sind die, die hier Milliarden in die Militarisierung stecken und gleichzeitig die Arbeiterklasse ausbluten lassen. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Für eine Lösung und nachhaltigen Frieden braucht es eine Revolution. Und dafür braucht die Arbeiterklasse dieses Programm und eine Führung, die das verteidigt.
Doch die heutige reformistische Führung der Arbeiterklasse und der Palästina-Bewegung spiegelt den Pazifismus der herrschenden Klasse wider. Die Gewerkschaften schweigen und die SP wiederholt die Position des Bundesrats. Die Position von SP-Nationalrat Molina ist deckungsgleich mit der Position des Aussendepartements. Indem sie auch Deeskalation von beiden Seiten fordern und den Iran als grössten Kriegstreiber bezeichnen, stellen sie sich auf die Seiten der Unterdrücker. Molina gibt der bürgerlichen, imperialistischen Position einen linken Anstrich.
Die Palästina Bewegung und andere linke Organisationen erkennen zwar Israel als Aggressor und durchblicken die Heuchelei des Bundesrats und ihre Unterstützung für Israel. Doch sie beschränken sich auf abstrakte Forderungen wie sofortiger Waffenstillstand, Frieden und ein Waffenembargo. Auf die Frage, wer das umsetzen soll, ist ihre Antwort wieder: die UNO und der Bundesrat. Die Schweizer Arbeiterklasse wird entweder als leichtgläubiges Opfer der Propaganda gesehen. Oder als passive Masse, die Appelle unterzeichnen, an die Demonstrationen gehen und Konsumboykott betreiben soll. Sie haben kein Vertrauen in die Arbeiterklasse und verkennen somit den wahren Hebel im Kampf.
Der Ruf nach Frieden, ohne sich auf die Arbeiterklasse zu stützen, führt dazu, wieder die Verantwortung in die Hände der herrschenden Klasse abzugeben. Das ist nicht nur ineffizient, sondern streut der Arbeiterklasse Sand in die Augen: Es lenkt davon ab, dass die Arbeiterklasse gegen den Bundesrat und die Imperialisten kämpfen muss.
Sie sagen, das sei utopisch. Wir sagen: Utopisch ist, von den Imperialisten Frieden zu erbetteln. Solange diese Illusionen in der Bewegung aufrechterhalten werden, wird sie ausgebremst.
So macht sich nach über zwölf Monaten Appellen Pessimismus und Ausweglosigkeit breit. Die Situation wäre heute völlig anders, wenn grosse Organisationen der Arbeiterklasse und die geeinte Palästina-Bewegung auf eine Massenmobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Schweizer Imperialisten hinarbeiten würden. Das ist der einzige Weg vorwärts. Bedauerlicherweise ist die RKP die einzige Partei, die dieses Programm vertritt. Wir sind heute noch zu klein, um dies zu kompensieren. Das zeigt uns nur umso dringlicher, dass unser wichtigster Beitrag im Kampf gegen den Genozid der Aufbau dieser Partei ist.
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