250 Arbeiter des Flughafens traten in den Streik, um sich gegen die von der Geschäftsleitung geplanten Lohnkürzungen zu wehren. Dieser Kampf ist ein Vorbote der neuen Periode. Wir müssen die Lehren daraus ziehen.
Am 30. Juni streikten 250 Angestellte des Genfer Flughafens und konnten so den Angriff auf die jährliche Anpassung der Löhne abwehren. Die Geschäftsleitung wollte die Löhne für ein Jahr blockieren. Es war das erste Mal seit 1920, als der Flughafen in Genf gegründet wurde, dass die direkt vom Flughafen beschäftigten Arbeiter in den Kampf traten. Dies ist kein Zufall: Steigende Mieten, Krankenkassenprämien und die allgemeine Inflation belasten ihren Geldbeutel stark und zwingen sie zu reagieren.
Der Chef des Flughafens behauptet, dass die Wachstumsaussichten aufgrund der Krise sehr gering sind und Opfer erfordern, um das Budget wieder auszugleichen. Nicht von den Eigentümern und Grossaktionären, deren Einkommen in den letzten Jahren gestiegen sind, sondern von den Arbeitern, deren Lebensbedingungen bereits bedroht sind. Letztendlich hoffen alle Kapitalisten, die Last der Krise auf dem Rücken der Arbeiterklasse abwälzen zu können. Indessen hat der Flughafen Genf im Jahr 2022 60 Millionen Gewinn eingefahren, erwartet für 2023 weitere 100 Millionen und hat die Einkommen seiner Führungskräfte erhöht. Es fehlt nicht an Geld, um gute Lebensbedingungen für die Arbeiterklasse zu gewährleisten. Es fehlt an Geld, um dies weiterhin zu tun und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gegenüber der Konkurrenz aufrechtzuerhalten und die Investoren zu mästen.
Wir haben den Streik vor Ort unterstützt. In unseren Gesprächen mit den Arbeitern auf den Streikposten war die Wut über die offensichtliche Heuchelei und das Parasitentum der Unternehmensführung besonders auffällig. Einer der Streikenden sagte es uns klipp und klar: «Ohne das Management und die Investoren läuft der Flughafen weiter, aber ohne uns ist das nicht möglich!“ Genau das ist ein Streik: die Demonstration, dass ohne die Erlaubnis der Arbeiterklasse alles still steht und dass sie die einzige wertschaffende Klasse ist.
Für die meisten der anwesenden Arbeiter war dies der erste Streik, und nur wenige sind bereits in einer Gewerkschaft organisiert. Aber aus der Dringlichkeit der Situation ziehen sie sehr schnell politische Schlussfolgerungen und gehen über das hinaus, was sie am Vortag für möglich gehalten hatten: Obwohl eine Streikankündigung bereits ausgesprochen worden war, versammelten sich die Streikenden zunächst während der Beratungen des Verwaltungsrats am 29. Juni, in der Hoffnung, die Geschäftsführung zum Nachgeben zu bringen. Da diese nicht von der Sparpolitik abrückte, machten die Beschäftigten ihre Drohung wahr und traten am nächsten Tag um 6 Uhr in den Streik. Während die Geschäftsführung und die Gewerkschaften versuchten Verhandlungen aufzunehmen, erkannten die Arbeiter ihre Macht. Nach vier Stunden auf den Streikposten beschlossen sie den Streik am Nachmittag fortzusetzen. Die simple Ankündigung liess die Unternehmensleitung an den Verhandlungstisch kommen. Sie versprach, die Gehälter nicht anzutasten vor der Abstimmung über das Budget des kommenden Jahres. Letztendlich zwang dieser vierstündige Streik von nur 250 Arbeitern die Geschäftsleitungen von Swiss und EasyJet, etwa 30 Flüge zu streichen und 20 weitere zu verschieben. Das sind Millionen von Profit, die in Rauch aufgehen und die Kapitalisten zu Zugeständnissen zwingen.
Für die Beschäftigten des Flughafens ist dies jedoch kein vollständiger Sieg, sondern bloss ein Waffenstillstand. Nicht nur, dass der Kampf im nächsten Jahr an genau derselben Stelle wieder aufgenommen werden muss, wenn der Verwaltungsrat das Budget genehmigt, sondern auch, dass die Inflation und generell die Krise des Kapitalismus weiterhin schwer wiegen wird.
Der Kampf am Genfer Flughafen ist zwar ein Ausdruck der allgemeinen Verschlechterung der Lebensbedingungen der Schweizer Arbeiterklasse, aber diese Verschlechterung selbst ist die Widerspiegelung der historischen Krise, die der globale Kapitalismus derzeit durchmacht. Die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten zwingt sie, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Profite aufrechtzuerhalten, zu Frontalangriffen auf die Arbeiter. Es gibt keinen Spielraum mehr für friedliche Verhandlungen zwischen den Klassen. Wir sind in eine neue Periode heftiger Kämpfe eingetreten.
Wir können uns daher nicht damit begnügen, die Angriffe abzuwehren. Um der Offensive der Bourgeoisie entgegenzutreten, müssen alle Kämpfe der Arbeiterklasse mit dem Sturz des Kapitalismus verbunden werden. Das setzt die Einheit aller Lohnabhängigen gegen die Kapitalisten voraus. Der Kampf am Flughafen ist keineswegs isoliert, auch nicht in der Schweiz! Die letzten Monate waren geprägt von den Streiks in der Waadt, beim öffentlichen Verkehr in Genf (TPG), bei Toblerone, RiRi… Die gemachten Erfahrungen müssen verallgemeinert werden. Die zentrale Lehre daraus heisst: Es ist die Arbeiterklasse gegen die Kapitalisten und ihre Krise. Wir müssen sie enteignen und die Produktion auf demokratischer Basis organisieren. Das ist das Programm, das wir mit den Streikenden diskutiert haben und das wir als Organisation in allen Kämpfen verteidigen müssen.
Ambroise Thévenoz, Genf
31.08.2023
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