Janick Blum (34), Krankenpfleger in psychiatrischer Klinik
Mitglied seit: 12.03.2023, Interview geführt am: 14.03.2023
Warum bist du Kommunist?
Seit der Thatcher-Ära werden die einfachen Büezer immer mehr ausgequetscht, während sich eine kleine Aristokratie immer mehr bereichert. Als Pfleger bin ich heute nur noch Zulieferer für die Aktienbesitzer der Psychiatrie und der Krankenkassen. Ich kümmere mich gerne um Menschen. Gerade um jene, die etwas aus der Reihe tanzen. Darum mache ich den Beruf. Doch den Shareholdern und Krankenkassen ist das Wohlbefinden der Patienten scheiss egal. Bei uns in der Klinik ist gerade eine Pflegerin vom Insel-Spital in Behandlung. Sie hatte ein Burnout und wollte wieder gesund werden. Dann erfuhr sie während der Behandlung, dass ihre Station ab Mai wegen roten Zahlen doppelt so viele Patienten bei gleich viel Personal behandeln muss. Sie hat sofort gekündigt. Ich stand fassungslos daneben. Was ist das für ein unmenschliches System? So macht Pflegen überhaupt keinen Sinn. Ich will der Arbeit und dem Leben die Sinnhaftigkeit zurückgeben. Kommunismus heisst für mich, dass die Arbeiter nicht mehr leben, um für andere arbeiten zu müssen – sondern arbeiten, um leben zu können.
Was haben die Krisen der letzten Jahre mit dir gemacht?
Das waren Vertrauensbrüche. Zuerst war da Corona. Plötzlich wurde uns Pflegern zugeklatscht. Plötzlich wurden wir als «systemrelevant» bezeichnet. Von den gleichen, die jahrelang gespart und Stellen abgebaut haben. Mir kam Greta Thunberg in den Sinn: «How dare you?». Das sind so falsche und verlogene Leute. Mit einem Gefühl von «haltet doch alle einfach die Fresse» ging ich damals durchs Leben. Dann der Ukraine-Krieg. Die Regierung und die Stromkonzerne stehen hin und sagen: «Jetzt müsst ihr alle mehr bezahlen, etwas frieren und hoffen, dass wir den Strom nicht abschalten». Diese Leute gefährden das Volk existenziell und schüren Angst wegen einem Krieg, den wir nicht verursacht haben. Das ist nicht unser Krieg. Da geht es um geo-strategische Interessen der USA und Russland. Wir sollen leiden für die US-Interessen? Kein Bock, verdammt nochmal. Mit meinem 80%-Pensum kann ich mir keine höheren Rechnungen leisten. Und wer 100% in der Pflege arbeitet, der kratzt sofort ab. Dann der Crédit-Suisse-Crash. Auch hier: Ihr Casino-System voll von Hochrisiko-Profit-Wetten kollabiert. Und wer soll bezahlen? Wir Steuerzahler. Das krasse ist: Sie verstecken es nicht mal. Sie stellen die Rettung auf unserem Buckel noch als heroischen Akt dar! Da hat für mich ein Hauch von Versaille geweht. «Let them eat cake», sagte Marie Antoinette doch, wenige Jahre bevor sie geköpft wurde. Ich rede mich in Rage, sorry. Ich hatte lange keine Möglichkeit, das alles rauszulassen.
Du musst dich für nichts entschuldigen, deine Rage ist absolut verständlich. Wie hast du zur RKP gefunden?
Bei uns in der Klinik wurde Tobias (RKP-Mitglied, Anm. d. Red.) eingeliefert. Unsere Stationsleiterin macht jeden Morgen einen Bericht über die neuen Patienten. Sie warnte uns: Tobias sei in einer kommunistischen Partei und spreche von nichts anderem, das sei sein Leben. Ich konnte es kaum glauben. «Das ist ja riesig», dachte ich. «Warum kenne ich die Partei nicht? Ist sie neu? Vielleicht erst im Aufbau?» Eine riesige Vorfreude kam auf in mir: Da gibt es Menschen die gleich oder ähnlich denken wie ich. Dieser Gedanke war zu verlockend. Also habe ich nicht gross nachgedacht und ging bei meiner Patienten-Runde sofort zu Tobias ins Zimmer. Er hat mir beim ersten Gespräch eine Zeitung verkauft. Die habe ich durchgelesen. Ich hatte nur zwei Fragen: «Wo finde ich die anderen Mitglieder und wie kann ich beitreten?». Dann ging alles sehr schnell …
Was ging schnell?
Am ersten freien Nachmittag nach dem zweiten Gespräch mit Tobias war ich schon im Büro der RKP. Wir haben mit der Zeitung die Demo gegen die Sparmassnahmen an der UPD vorbereitet. Das wird meine erste Demo, ich bin etwas nervös. Doch ich konnte bei uns auf der Station in der Pause bereits das Wort ergreifen und die Kollegen auffordern, zur Demo zu kommen. «Diese Sparmassnahmen betreffen uns alle auch, das ist eure Chance, aufzustehen», habe ich gesagt. Eine Kollegin meinte: «Schön, dass du das sagst, ich komme auch». Das hat richtig gut getan.
Was gibt dir die RKP, das du vorher nicht hattest?
Einerseits Hoffnung, andererseits die Möglichkeit, wirklich etwas verändern zu können. Vorher konnte ich immer nur die Faust im Sack machen. Ich verspürte eine tiefe Ohnmacht gegen diese gierigen Wixxer, die den Druck bei der Arbeit ständig erhöhen und war frustriert, den Patienten nicht genug helfen zu können. Jetzt kann ich diesen Frust, diese Energie kanalisieren. In einer Partei, in der ich zeigen kann, dass ich genug von all dem habe. Das tut so gut, dass ich mit meiner Rage nicht alleine bin. Es gibt jetzt schon Hunderte Menschen, die den gleichen Willen haben wie ich und sich zusammenschliessen. Menschen, die das Übel an der Wurzel packen wollen, anstatt nur Unkraut zu jäten. Menschen, die den Abszess ausräumen wollen, anstatt nur einzelne Pickel auszudrücken. Die Partei ist genau das, auf was ich gewartet habe!
Warum nicht eine andere Partei?
Welche denn? Linksaussen gibt es ja nichts. Und rechtsaussen, die haben auch keine Lösung. Alle eingenisteten Parteien machen heute Politik für die obere Minderheit. Sowohl die liberalen Lifestyle-Linken wie auch die neurechten Schein-Oppositionellen. Für Büezer wird es jeden Monat schwieriger, über die Runden zu kommen. Das ist die Realität der allermeisten. Was sagen dir die Lifestyle-Linken? «Hey, aber dafür haben wir jetzt mehr Inklusion für Minderheiten geschaffen». Während die Medien zum Beispiel während der WM in Katar fleissig über Regenbogen-Kapitänsbinden berichteten, wälzten Konzerne und Regierungen die Inflation ungestört auf die Arbeiter ab.
Du sprichst den «Kulturkampf» an …
Der geht mir sowas von auf den Sack. Die Rechten sagen, Ausländer, Frauen oder Minderheiten seien Schuld an allen Problemen und greifen ihre Rechte an. Ich bin schwul. Leute vor mir haben dafür gekämpft, dass nicht Heterosexuelle ihre Sexualität frei ausleben dürfen. Das wollen Trump und Co. rückgängig machen, damit hetzen sie Gruppen gegeneinander auf. Was machen die Lifestyle-Linken? Sie spielen mit! Als Mann stehst du bei denen schon mal unter Generalverdacht. Du bist schuld an der Unterdrückung von Frauen, einfach weil du ein Mann bist. Oder du bist transphob, wenn du nicht in jedem Satz Trans-Menschen ansprichst. So ein Quark! Ich war so fest angewidert von dieser «Fühl-dich-schlecht»-Politik der Linken, dass ich zunächst nach rechts gedrängt wurde. Ich dachte: «Wenn ich für diese Leute eh immer nur ein reaktionäres Arschloch bin, warum sollte ich mich dann nicht tatsächlich mal bei den Rechten umschauen?» Das war wie eine Trotzreaktion auf die Kränkungen und Anschuldigungen – ein giftiges Gefühl. Da bin ich nicht der Einzige, die AfD zum Beispiel hat ja richtig Aufwind und Trump wird wohl auch wieder gewählt. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben. Denn die Rechten, die lösen die wirklichen Probleme auch nicht. Du merkst irgendwann: «Da passiert ja doch nichts». «Woke» sein oder gegen «Wokeness» sein – das ist doch eine Schein-Debatte, eine Ablenkungsshow, die nur dem kapitalistischen Puppenhaus nützt.
Was sind deine Ziele im Leben?
(Überlegt lange) Gute Frage. Eines Tages werde ich nicht mehr auf dieser Welt sein. Ich will nicht als einer in Erinnerung bleiben, der einfach immer nur die Faust im Sack gemacht hat. Sondern als einer, der den Mut hatte, aufzustehen – zu sagen, genug ist genug, ich mach hier nicht mehr mit, ich will etwas verändern. Schau, ich bin lange in meinem Unglück geschwelgt. Die letzten vier Jahre, das war kein Leben. Wenn du nur mit Hass durchs Leben gehst, dann vergiftet dich das. Das tut dem Charakter nicht gut. Mein ADHS-Gehirn hat auch nicht geholfen. Doch seit einem Jahr habe ich Medikamente, die funktionieren und jetzt eine Partei! Zusammen für eine neue Welt kämpfen, zusammen wirksam gegen Probleme von dieser Grössenlage etwas unternehmen zu können – das ist grossartig für einen Menschen!
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