Unterdrückung und Diskriminierung sind ein nicht wegzudenkender Bestandteil des herrschenden Systems, wozu auch die systematische Verfolgung bzw. Stigmatisierung von sexuellen Orientierungen und -Identitäten gehört, die nicht der ‘Norm’ entsprechen. Als MarxistInnen kämpfen wir entschlossen gegen jede Form von Sexismus, Diskriminierung und Unterdrückung. Doch wir müssen die Frage, wie wir diese barbarischen Zustände überwinden können und die freie Entfaltung aller Menschen sicherstellen können, mit Ernsthaftigkeit behandeln. Das heißt auch, Diskussionen über Theorien und Methoden zur Befreiung zu führen.
Der vorliegende Artikel behandelt eine spezifische Strömung der feministischen Theorien / Lesbischen- und Schwulen-Studien, die insbesondere in den 1990er Jahren an Popularität gewann. Die so genannte Queer Theory hat seitdem einigen Einfluss an Universitäten gewonnen und auch Teile der Arbeiterorganisationen haben diese Ideen aufgegriffen. Wir wollen uns daher genauer ansehen, was hinter der Queer Theory steckt, und was die marxistische Haltung zu ihr ist.
Der Artikel erschien erstmals 2019 in dem Buch „Ideologiekritik – gegen die akademische Entstellung des Marxismus“, erhältlich im Funke-Shop.
Die Queer Theory entstand in den 1990er Jahren in akademischen Zirkeln vor allem in den USA die sich mit Lesben- und Schwulenstudien beschäftigten, und stand in Verbindung zum Homosexuellenaktivismus rund um die HIV/Aids-Krise. Der Begriff „queer” greift eine ursprüngliche Beleidigung von Homosexuellen auf, die als queer (seltsam, verquer) beschimpft wurden, und der von AkademikerInnen sowie AktivistInnen der Homosexuellenbewegung positiv umgedeutet wurde. Die Queer Theory bedient sich dieses Begriffs und beschäftigt sich mit dem, was sie als Brüche in der „vermeintlichen Stabilität“ von Geschlecht-Geschlechtsidentität-sexuellem Begehren bezeichnen. Das heißt beispielsweise Transgender, Homo-/Bisexualität, Fetische usw. Kurz, Identitäten oder Neigungen, die als „von der Norm abweichend“ angesehen werden.
Bei der Queer Theory geht es vor allem um die Frage der individuellen Identität, und hier in erster Linie um die sexuelle Identität, das Geschlecht, und die sexuelle Orientierung. Die Sexualität wird als zentral für das Verständnis der gesamten Gesellschaft angesehen. Die Queer-Literaturkritikerin Eve Kosofsky Sedgwick geht sogar so weit zu schreiben:
„Ein Verständnis von praktisch jedem Aspekt der modernen westlichen Kultur ist zwangsläufig nicht nur unvollständig, sondern in seiner Essenz beschädigt, in dem Maße, in dem es keine kritische Analyse der modernen Homo/heterosexualität-Definition beinhaltet.” (Eve Kosofsky Sedgwick: Epistemology of the Closet, S. 1, eigene Übersetzung.)
In eigenen Worten untersucht die Queer Theory „wie Sexualität reguliert wird und wie Sexualität andere gesellschaftliche Bereiche – etwa staatliche Politik und kulturelle Formen – beeinflußt und strukturiert. Zentrales Anliegen ist, Sexualität ihrer vermeintlichen Natürlichkeit zu berauben und sie als ganz und gar von Machtverhältnissen durchsetztes, kulturelles Produkt sichtbar zu machen.” (Annamarie Jagose: Queer Theory: Eine Einführung, S. 11.)
Eine eigentliche, einheitliche und kohärente Theorie ist die Queer Theory dabei aber nicht, da sie absichtlich extrem vage und „divers” gehalten wird und sich nicht auf gemeinsame Definitionen stützt. Das hat den praktischen Nebeneffekt, dass jede Kritik dagegen mit dem Argument „ich persönlich verstehe das aber anders” abgetan werden kann – was etwa die feministische Akademikerin Annamarie Jagose, die ein renommiertes Einführungsbuch zu Queer Theory geschrieben hat, zugibt. Sie schreibt über den Begriff „queer”: „Seine Unbestimmtheit schützt queer vor Kritik wie der an den ausschließenden Tendenzen von ‚lesbisch’ und ‚schwul’ als Identitätskategorien.” (Ebd. S. 100)
Dennoch wäre es falsch anzunehmen, dass es keine Gemeinsamkeiten in den Ansichten der Queer-VertreterInnen gebe. Die Queer Theory baut auf bestimmten philosophischen Grundannahmen auf, aus denen zwangsläufig ein Verständnis über die Welt, in der wir leben, und darüber, ob/wie wir sie verändern können, folgt.
Die wesentlichen Grundannahmen der Queer Theory, auf die wir gleich noch genauer eingehen werden, sind: Unsere (geschlechtliche) Identität ist nur Fiktion. Daher ist auch Hetero- und Homosexualität nur eine kulturelle Fiktion. Diese Fiktion wird von den Diskursen und der Macht in der Gesellschaft erschaffen. Wir müssen aufzeigen, wie diese Diskurse funktionieren und die Funktionsweise von den Diskursen „parodieren” (lächerlich machen, ihre Widersprüche aufzeigen, sie „verschieben“).
Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Queer Theory ihren Aufstieg insbesondere in den 1990er Jahren erfahren hat. Zwei Jahrzehnte zuvor, rund um das ereignisreiche Jahr 1968 und der Zeit danach, hatte die Welt eine Reihe von revolutionären Bewegungen wie die Generalstreikbewegung in Frankreich, den „heißen Herbst“ in Italien, den Prager Frühling in Tschechien, das Civil Rights Movement, und weitere gesehen.
Foto: Diana Davies / New York Public Library
Mit dem Erstarken des Klassenkampfes erlebte auch die Frauenbewegung eine erneuten Aufschwung. Zweifelsohne betrachteten sich zu Beginn viele der damals neu entstandenen radikalen, feministischen und Schwulen-Gruppen als sozialistisch oder zumindest als mit dem Klassenkampf verbunden. So schrieb beispielsweise die 1972 in Österreich gegründete Gruppe Aktion unabhängiger Frauen (AUF) in der ersten Ausgabe ihrer Zeitschrift:
„Die Frauenbewegung bahnt den Weg für eine sexuelle und kulturelle Revolution, die jedoch nur im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Revolution gesehen werden kann.”
Doch mit dem Verrat der revolutionären Bewegungen und großen Streikwellen, die ab 1968 die Welt erschütterten, schien für viele demoralisierte Linke die Perspektive einer Revolution durch die Macht der Arbeiterklasse unmöglich. Ohne den Anknüpfungspunkt von großen gesellschaftlichen Kämpfen, die die Arbeiterklasse einen, driftete die Frauen- und Schwulenbewegung Ende der 1970er Jahren in die Identitätspolitik ab und schwenkte immer mehr von radikalen oder sogar revolutionären Ansprüchen auf kleine, lokale Zirkelarbeit um. Es ging um Erfahrungsaustausch, Kultur- und Kunstprojekte, und um die Administration der Errungenschaften der vergangenen Kämpfe, wie den Frauenhäusern und Nottelefonen. Die schrittweise Institutionalisierung der Frauenbewegung auf staatlicher Ebene – in den reformistischen Parteien, durch die Schaffung eigener Frauenministerien und an den Universitäten durch Professuren und Stipendien – führte zu einer Stärkung kleinbürgerlicher Ideen in der Frauenbewegung der 1970er und -80er Jahre.
Feministische Theorien, die den Klassenkampf als zweitrangig gegenüber dem kulturellen Kampf gegen das Patriarchat sahen oder ihn gar ganz verleugneten, gewannen an Einfluss. Nicht die Klassengesellschaft und die in ihr verhaftete Frauenunterdrückung galt es zu bekämpfen, sondern das „transhistorische“, das heißt über verschiedene Gesellschaftssysteme hinweg gleichbleibende, Patriarchat. Nicht die Arbeiterklasse war das revolutionäre Subjekt, sondern die vom Mann unterdrückte Frau. Ausgehend von dieser Prämisse entstand eine Fülle von Texten und Diskussionen, die sich mit der Frage beschäftigten, was das Patriarchat auszeichnet und wie „die Frau” definiert werden kann, die nun das zentrale Subjekt der Auseinandersetzung geworden war. Der Gedanke, dass es einen Unterschied zwischen biologischem und sozialem, anerzogenem Geschlecht (gender) gibt, wurde zentral. Emblematisch ist Simone de Beauvoirs berühmter Ausspruch:
„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Kein biologisches, psychisches, wirtschaftliches Schicksal bestimmt die Gestalt, die das weibliche Menschenwesen im Schoß der Gesellschaft annimmt. Die Gesamtheit der Zivilisation gestaltet dieses Zwischenprodukt zwischen dem Mann und dem Kastraten, das man als Weib bezeichnet. Nur die Vermittlung eines Anderen vermag das Individuum als ein Anderes hinzustellen.” (Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht, S. 265.)
Hier ist bereits angelegt, was später in der Queer Theory eine wesentliche Rolle spielen wird: 1) „Die Frau” als solche gibt es nicht. 2) Sie wird erst von „der Gesellschaft” (was immer diese sei) geprägt und dazu erzogen.
Doch wenn es „die Frau” (die nicht mehr rein biologisch definiert werden soll) nicht gibt, wer ist dann jenes Subjekt, das für die eigene Befreiung kämpfen soll?
Die Suche nach der wirklichen Identität der Frau, nach dem neuen revolutionären Subjekt, dominierte die Anstrengungen der Professorinnen und Schriftstellerinnen jener Zeit. Auf der Suche nach der „weiblichen Essenz” stießen einige auf Hexenverbrennungen und sahen Schamanismus und Hexerei als einen unterdrückten Ausdruck von Weiblichkeit; andere sahen in der Irrationalität der Emotion oder in der Poesie das „Frausein” verborgen, wieder andere befanden, dass nur Lesben wirklich für Frauenbefreiung kämpfen könnten, da sie sich der heteronormativen Beziehung mit einem Mann entzögen usw. Wer und was hatte nun das Recht, die Frauen zu repräsentieren? Die Identitätspolitik inmitten einer Zeit der niedergehenden Klassenkämpfe geriet so zunehmend in eine Krise.
Diese Krise wurde mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch verstärkt. Für Viele verschwand der Glaube daran, dass eine Alternative zum Kapitalismus möglich ist; die Schadenfreude der Bürgerlichen über „das Ende der Geschichte” spiegelte sich in einer Depression in der Linken wider und die Kräfte des Marxismus waren zu schwach, um eine sichtbare Alternative darzustellen.
In diesem Kontext gewannen die Ideen des Postmodernismus, der große Systeme und allgemeine Prozesse ablehnt, die objektive Realität leugnet und stattdessen auf kleine, subjektive Erzählungen baut, an Beliebtheit. Eine ihrer Gemeinsamkeiten besteht in der außerordentlichen Wichtigkeit, die Sprache für sie spielt. „Was sagt uns, dass es überhaupt eine Realität hinter der Sprache gibt? Sprache ist Realität!” – das ist die Devise dieser ProfessorInnen, die mit ihren Gedankenspielen Lehrstühle, Institute an Unis, Buchverträge und mehr für sich gewinnen. Zu diesen Ideen gehört auch die Queer Theory, zu deren Einflüssen der Poststrukturalismus von Foucault, die Psychoanalyse von Lacan und der Dekonstruktivismus von Derrida zählen.
Das vermutlich berühmteste Buch, das der Queer Theory zugeordnet wird, ist Das Unbehagen der Geschlechter von Judith Butler, das 1990 erschienen ist. Die 1956 geborene US-Amerikanerin entspricht als Philosophie-Professorin mit Fokus auf vergleichende Literaturwissenschaft dem typischen sozialen Milieu und theoretischen Background der Queer-Theory. Gleich der erste Satz ihres Buches verortet sich in genau im Kontext der Krise der Identitätspolitik:
„Die feministische Theorie ist zum größten Teil davon ausgegangen, daß eine vorgegebene Identität existiert, die durch die Kategorie ‚Frau(en)’ bezeichnet wird. Diese Identität soll nicht nur die feministischen Interessen und Zielsetzungen in der Welt des Diskurses anleiten, sondern auch das Subjekt bilden, dessen Repräsentation angestrebt wird.” Aber: „Im Grunde herrscht auch kaum Übereinstimmung darüber, was denn die Kategorie ‚Frau(en)’ konstituiert oder konstituieren sollte.” (Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter [künftig abgekürzt als UG], S. 15-16.)
Im Mittelpunkt der Queer Theory steht das Individuum, das Subjekt, das in eine Krise geraten ist. Seine eigene Identität ist ungewiss und widersprüchlich, genauso wie die Welt, in der es lebt – es ist gefangen in einem Netz von Machtverhältnissen und Unterdrückung. Diese Kernstücke der Queer Theory schienen endlich Worte für das gefunden zu haben, was so viele Menschen fühlen: Den permanenten Stress bei dem Versuch, den Ansprüchen des Systems gerecht zu werden. Man soll fleißig, produktiv, der gute und starke Mann, die gute Mutter und Karrierefrau sein, geistig und körperlich fit und immer nach oben strebend. Die Entfremdung von sich selbst, weil man den Erfordernissen nicht entsprechen kann, die Entfremdung von der ganzen Welt, und das Gefühl, alleine zu sein, in einer Welt, in der jeder Ausdruck seiner selbst nur wir eine verzerrte Karikatur erscheint, werden endlich einmal ausgesprochen, genauso wie die Frage, wer man selbst überhaupt noch sein kann, wenn man nur geprägt und gepresst von der Gesellschaft existiert, wie eine Münze mit einem austauschbaren Wert.
Diese Psychologie der Vereinzelung und des diffusen Wunsches nach Widerstand, ohne in Abwesenheit einer Massenbewegung dafür einen Anknüpfungspunkt zu finden, ist ein prägendes Element der 1990er und 2000er Jahre. Die Anziehungskraft der Queer Theory besteht wohl gerade darin, mit ihr eine Sprache zu haben, die das Subjekt bestätigt, die „einzigartige Sichtweise“ eines jeden Selbst als Grundlage heranzieht und das eigene Bewusstsein beschreibt.
Das Hauptargument der Queer Theory und auch Judith Butlers ist, dass das Problem der Identitätspolitik darin liege, nach einer „wahren Identität“ der Frau zu suchen. Jede Frau ist schließlich anders, und wie kann man eine immer gültige Definition von Frau bestimmen, die nicht schon von gesellschaftlichen Vorurteilen beeinflusst und verzerrt ist? Jede Repräsentation von „Frau“ ist somit unvollständig und schließt manche Frauen aus. „Die Frau“, so Butler, gibt es nicht – sie ist nur eine Projektion gesellschaftlicher Vorurteile und Meinungen auf menschliche Körper. Es gibt keine Frau, bevor sie nicht von gesellschaftlichen Machtstrukturen dazu gemacht wird. Die Queer Theory stellt sich aber – wie wir weiter unten noch sehen werden – keinesfalls die Aufgabe, das, was sie „gesellschaftliche Machtstrukturen” nennt, zu verstehen oder gar zu brechen.
Judith Butlers Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ ist das bekannteste Buch der Queer Theorie. Bild: Centre de Cultura Contemporània de Barcelona.
Es lohnt sich, an dieser Stelle einen philosophischen Exkurs zu unternehmen und einen genauen Blick darauf zu werfen, wie Butler zu dem Argument gelangt, „die Frau” bzw. „Geschlechter” gebe es nicht, und was dahinter steckt. Denn ihre Aussagen sind in der Philosophiegeschichte weder neu noch originell; der einzige Unterschied ist, dass sie alte philosophische Schablonen ausschließlich auf die Geschlechterfrage angewandt hat. Tatsächlich haben Marxisten dieselben Argumente, die in Form der Queer Theory aufgewärmt werden, vor über 100 Jahren bereits gründlich beantwortet. Insbesondere Lenins exzellentes Werk Materialismus und Empiriokritizismus liest sich wie eine maßgeschneiderte Kritik an der Queer Theory. Doch der Reihe nach.
Butler nimmt zum Ausgangspunkt ihrer Argumentation den oben beschriebenen Dualismus zwischen biologischem und sozialem Geschlecht (sex vs. gender), den sie kritisiert. Dieser Dualismus repräsentiert dabei nichts anderes als die Gegenüberstellung von Materie und Idee: woher kommt „die Frau” – aus der Natur, der Biologie, der Tatsache, dass sie Kinder gebären kann, oder aus der kulturellen Vorstellung von „Weiblichkeit” – und in welchem Verhältnis stehen diese zwei Aspekte?
Hinter dieser Frage nach dem Verhältnis von biologischem und dem sozialem Geschlecht verbirgt sich die Frage, auf welcher philosophischer Grundlage – dem Idealismus oder dem Materialismus – man die eigene Weltsicht aufbaut, denn wie schon erwähnt blickt die Queer Theory vor allem durch die Geschlechterfrage auf die Welt. Engels beschrieb die zwei gegensätzlichen philosophischen Ansätze so:
„Was ist das Ursprüngliche, der Geist oder die Natur? – diese Frage spitzte sich, der Kirche gegenüber, dahin zu: Hat Gott die Welt erschaffen, oder ist die Welt von Ewigkeit da?
Je nachdem diese Frage so oder so beantwortet wurde, spalteten sich die Philosophen in zwei große Lager. Diejenigen, die die Ursprünglichkeit des Geistes gegenüber der Natur behaupteten, also in letzter Instanz eine Weltschöpfung irgendeiner Art annahmen – und diese Schöpfung ist oft bei den Philosophen, z.B. bei Hegel, noch weit verzwickter und unmöglicher als im Christentum –, bildeten das Lager des Idealismus. Die andern, die die Natur als das Ursprüngliche ansahen, gehören zu den verschiednen Schulen des Materialismus.” (Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, S. 275.)
Die Frage nach der philosophischen Grundlage einer jeden Theorie ist alles andere als Pedanterie. Denn je nachdem, ob man Ideen oder die Materie als grundlegend für die Welt ansieht, fließt daraus auch, wie (und ob) man die Welt grundlegend verändern kann: Kann man Frauenunterdrückung mit Ideen (z.B. durch Sprache, Bildung) oder mittels materieller Veränderung (mit Klassenkampf, indem wir die Art und Weise, wie wir produzieren umkrempeln) beseitigen?
Der Entscheidung zwischen Idealismus und Materialismus kann sich letztendlich niemand entziehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht etliche Philosophen genau das versucht hätten. Neben Idealisten und Materialisten spricht Engels in seiner Broschüre Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie auch noch von „Agnostikern“, jenen, die der Frage, ob die Idee oder die Materie das Ursprüngliche ist, ausweichen, indem sie die Materie und die Idee als zwei voneinander getrennte Sphären behandeln. Die höchste Form dieses Agnostizismus erreichte die Philosophie mit Immanuel Kant (1724–1804), der davon ausging, dass es eine materielle Realität zwar gibt – er nannte sie „das Ding an sich” – aber dass diese Realität nicht wirklich erkannt werden kann. Denn wir würden lediglich unsere vorgefertigten Kategorien auf die Welt pressen, und die Welt „interpretieren“, könnten aber nie feststellen, ob unsere Interpretation auch tatsächlich akkurat ist. Der „Dualismus” von sozialem und biologischem Geschlecht ist ein ebensolcher Agnostizismus: Demnach ist der Körper der Frau eine Sache – die kulturelle Vorstellung über die Frau eine ganz andere. Das Verhältnis dieser beiden Seiten ist mysteriös und unbekannt.
Doch auch das Genie Kant entkam der Frage nicht, ob nun Idee oder Natur das Ursprüngliche sei. Wenn Menschen die Welt gemäß ihrer Kategorien und ihrer Sinnesapparate wahrnehmen – woher kommen dann ebenjene Kategorien, in denen Menschen denken? Leitet das menschliche Gehirn und die Wissenschaft sie aus der vorgefundenen Natur ab, oder entspringen sie einer immateriellen, geistigen Welt, anders gesagt: einem Gott? Kant selbst beantwortete diese Frage mit letzterem und war zwar selbst ein genialer Wissenschaftler und Philosoph, aber dennoch ein Idealist.
Im Gegensatz dazu kennt der Marxismus das Primat der Materie an: Die Materie ist das Grundlegende; unsere Ideen sind Funktionen des Gehirns, unsere Sinnesapparate sind die Verbindung unserer (materiellen) Körper zur materiellen Welt, unsere Kultur ist ein Ausdruck der Menschen in ihrer Interaktion mit der Natur, deren Teil sie sind.
„Die materialistische Beseitigung des ‚Dualismus von Geist und Körper’ (d. h. der materialistische Monismus) besteht darin, daß der Geist nicht unabhängig vom Körper existiert, daß der Geist das Sekundäre, eine Funktion des Gehirns, die Widerspiegelung der Außenwelt ist. Die idealistische Beseitigung des ‚Dualismus von Geist und Körper’ (d. h. der idealistische Monismus) besteht darin, daß der Geist keine Funktion des Körpers ist, daß der Geist folglich das Primäre ist […]. Außer diesen beiden einander direkt entgegengesetzten Arten der Beseitigung des ‚Dualismus von Geist und Körper’ kann es keine dritte Art geben, wenn man von dem Eklektizismus, d. h. der widersinnigen Vermengung von Materialismus und Idealismus, absieht.” (Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus, S. 83.
Die Queer Theory ist in der Frage Idealismus vs. Materialismus nicht neutral. Sie steht sehr entschieden auf einer Seite – nämlich auf der Seite des Idealismus. Butler schreibt:
„Einige feministische Theoretiker/innen haben sich Lévi-Strauss’ strukturalistische Anthropologie, einschließlich der problematischen Unterscheidung Natur/Kultur, angeeignet, um die Unterscheidung anatomisches Geschlecht (sex)/Geschlechtsidentität (gender) zu untermauern und zu erläutern. Sie vertreten damit die Position, daß es zunächst ein natürliches oder biologisches ‚Weibchen’ (female) gibt, das sich später in eine gesellschaftlich untergeordnete ‚Frau’ (woman) transformiert. Daraus folgt, daß das ‚Geschlecht’ (sex) zur ‚Natur’ oder zum ‚Rohen’ gehört wie die Geschlechtsidentität (gender) zur Kultur oder zum ‚Gekochten’.” (UG, S. 65.)
Diese „problematische Unterscheidung’“zwischen anatomischem und kulturellem Geschlecht möchte sie auflösen, den Dualismus beseitigen, und zwar, indem sie das biologische Geschlecht zu einem kulturellen Konstrukt erklärt:
„Werden die angeblich natürlichen Sachverhalte des Geschlechts nicht in Wirklichkeit diskursiv produziert, nämlich durch verschiedene wissenschaftliche Diskurse, die im Dienste anderer politischer und gesellschaftlicher Interessen stehen?” (Ebd. S. 23.)
Biologische Geschlechter sind nicht real – sie werden uns von dem herrschenden Diskurs lediglich vorgegaukelt. Durch regelmäßige Wiederholung und indem wir täglich als ein Geschlecht handeln, performen wir die Geschlechter, die und so einverleibt werden. Deshalb sind unsere menschlichen Körper nicht männlich oder weiblich (oder etwas anderes), sie sind ein völlig Unbekanntes, etwas, das unabhängig von unseren menschlichen Ideen über sie nicht existiert. Allein der Gedanke, sie könnten unabhängig von unserer Kultur existieren, ist unzulässig:
„Dagegen muß jede Theorie des kulturell konstruierten Körpers die Vorstellung von ‚dem Körper’ hinterfragen, der ein Konstrukt fragwürdiger Allgemeinheit ist, solange er als passiv und dem Diskurs vorgängig dargestellt wird.” (Ebd., S. 191.)
Manche Linken behaupten in Verteidigung Butlers, dass sie in Wahrheit die Existenz von biologischen Geschlechtern nicht leugne, dass dies eine bösartig überspitzte Interpretation ihrer Ideen sei. Das stimmt nur insofern, als sie die Biologie eben auch als Sprache, als kulturelles Merkmal auffasst. Bei all ihrer Wichtigtuerei und geschwollenen Ausdrucksweise ist Butler relativ konsequent, wenn es um die Verteidigung ihrer idealistischen Ansichten geht:
„Unsere Voraussetzung besagt, daß das ‚Sein’ der Geschlechtsidentität ein Effekt […] ist. […] Die These, daß die Geschlechtsidentität eine Konstruktion ist, behauptet nicht deren Scheinhaftigkeit oder Künstlichkeit, denn diese Begriffe sind Bestandteile eines binären Systems, in dem ihnen das ‚Reale’ und Authentische gegenüberstehen” Ihre Studie lege dar, „daß bestimmte kulturelle Konfigurationen der Geschlechtsidentität die Stelle des ‚Wirklichen’ eingenommen haben und durch diese geglückte Selbst-Naturalisierung ihre Hegemonie festigen und ausdehnen.” (Ebd., S. 60.)
Übersetzt man diese pompösen Formulierungen in verständliches Deutsch, teilt uns Butler hier mit, dass jede Form des materiellen Seins nur ein Effekt von „Diskursen” (von Sprache) sei, sprich: die Idee, das Wort, die Sprache ist das Ursprüngliche, die Materie ist ein davon abgeleiteter Effekt, eigentlich selbst nur Sprache. Das bedeutet, dass auch die Anatomie, die Biologie, die Naturwissenschaft für sie nur ein sprachliches Konstrukt sind. Daher sind anatomische Geschlechter nicht „künstlich” – denn aus ihrer Sicht existiert eben nichts außerhalb dieser kulturellen Konstruktion! Die materielle Realität für etwas zu halten, das unabhängig von unseren Ideen existiert, bedeutet nur, dass man dem herrschenden Diskurs auf den Leim geht, der uns vormacht, dass es einen Dualismus zwischen „Materie” und „Kultur” gebe. Diese herrschende Meinung („Hegemonie”) lässt uns glauben, dass es ein „wirkliches“ anatomisches Geschlecht und ein „unwirkliches“ kulturelles Geschlecht gebe, doch Butler hat diese Tricks durchschaut: ALLES ist Kultur, alles ist Sprache – alles ist Idee!
„Das ‚Reale’ und das ‚sexuell Faktische’ sind phantasmatische Konstruktionen, Illusionen von Substanz, denen sich der Körper annähern muß, ohne sie jemals zu erreichen”, so Butler.„[D]ieses Scheitern, ‚real’ zu werden und das ‚Natürliche’ zu verkörpern [ist] meiner Ansicht nach eine konstitutive Verfehlung … weil diese ontologischen Orte” (das heißt reales Sein) „grundsätzlich unbewohnbar sind.” (Ebd., S. 214.)
Dieser Idealismus ist nicht eine Eigenheit von Judith Butler, mit der wir uns bisher primär beschäftigt haben. Sie ist ein Grundpfeiler der Queer Theory, nämlich dass Männer, Frauen, aber auch die sexuelle Orientierung gleichermaßen kulturelle Konstrukte sind. Gerne wird in queer-Texten daher Natur, Biologie, Geschlecht, Mann, Frau usw. unter Anführungszeichen gesetzt, um aufzuzeigen, dass die AutorInnen auf den Trick, die reale Welt existiere, nicht länger reinfallen. Um nur einige Beispiele aufzuzeigen:
Annamarie Jagose argumentiert:
„Indem [queer] auf die Unmöglichkeit einer ‚natürlichen’ Sexualität verweist, stellt es sogar so scheinbar sichere Kategorien wie ‚Mann’ und ‚Frau’ in Frage.” (Annamarie Jagose: Queer Theory: Eine Einführung, S. 15.)
David Halperin über die Sexualität als kulturelles Konstrukt:
„In einer sexuellen Kultur vergesellschaftet worden zu sein heißt schließlich genau das: Die Konventionen dieses System erlangen den Status einer sich selbst bestätigenden inneren Wahrheit der ‚Natur’.” (zitiert in: ebd., S. 31.)
Gayle S. Rubin:
„Meine Position zur Verbindung zwischen Biologie und Sexualität ist ein ‚Kantianismus ohne dem transzendenten Libido.‘” [lies: ein Kant, der nicht den unerlaubten Grenzübertritt (=transzensus) von der eigenen Subjektivität zum realen Körper (Libido) macht, also ein „Dualismus“ in dem die materielle Realität weggekürzt wird, das heißt reiner Idealismus. Anm. d. Autorin] (Gayle S. Rubin: Thinking Sex, S. 149.)
Chris Weedon sagt über ihre philosophische Grundlage,
„daß Sprache, weit davon entfernt, eine vorgegebene gesellschaftliche Realität widerzuspiegeln, die soziale Wirklichkeit für uns konstituiert. Weder die gesellschaftliche Realität noch die ‚natürliche’ Welt haben feste inhärente Bedeutungen, die durch die Sprache widergespiegelt oder zum Ausdruck gebracht werden.”„Die Sprache ist nicht … Ausdruck und Benennung der ‚realen‘ Welt. Es gibt keine Bedeutung vor der Sprache.“ (Chris Weedon: Wissen und Erfahrung: feministische Praxis und poststrukturalistische Theorie, S. 36,59.)
Nancy Fraser, eine Professorin und Feministin die im Naheverhältnis zur Queer Theory steht, sich ihrer eigenen philosophischen Grundlagen aber nicht ganz so bewusst ist und daher zwischen einem Kantianischem Dualismus und subjektivem Idealismus schwankt, verteidigt gegenüber Judith Butler zunächst ihren Dualismus, um ihr anschließend zu versichern, dass sie in jedem Fall gegen den „ökonomistischen Monismus des Marxismus” sei und eigentlich keine Differenzen in der philosophischen Grundlage mit Butler habe: „die Unterscheidung zwischen materiell/kulturell ist nicht der grundlegende Streitpunkt zwischen Butler und mir.” (Nancy Fraser: Heterosexism, Misrecognition, and Capitalism, S. 281; 286.)
Und schließlich Michel Foucault, der als „Vater der Queer Theory“ wesentliche Einflüsse auf dieselbe hatte:
„Das Geheimnis des Sexes ist keineswegs die allen Sprechanreizen zugrunde liegende Realität … Eher handelt es sich um […] eine für die grenzenlos wuchernde Ökonomie des Diskurses über den Sex unentbehrliche Fabel.” (Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit, S. 1055.)
Zusammengefasst steht die Queer Theory also auf einer idealistischen philosophischen Grundlage, die besagt, dass sowohl das biologische als auch das soziale Geschlecht kulturelle Konstrukte sind, die ständig „performt” werden.
Wie wir bereits erwähnt haben, sind diese Gedankenspielereien keineswegs originell. Lenin zeigt dies in Materialismus und Empiriokritizismus anhand einer Reihe bekannter idealistischer Philosophen auf. Er paraphrasiert den Bischof George Berkeley aus dem 17. Jahrhundert: „[D]ie Welt erweist sich nicht als meine Vorstellung, sondern als das Resultat einer obersten geistigen Ursache, die sowohl die ‚Naturgesetze’ als auch die Gesetze des Unterschiedes der ‚realeren’ Ideen von den weniger realen usw. schafft.” (Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus, S. 23.)
Oder hier Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) im O-Ton:
„Begehre doch also nicht selbst, über dich selbst hinauszuspringen, und irgend etwas anders zu fassen, als du es eben fassen kannst, als Bewußtsein und Ding, als Ding und Bewußtsein; oder eigentlicher als keines von beiden, sondern als dasjenige, das erst hinterher in beides unterschieden wird, das absolut subjektiv-objektive und objektiv-subjektive.“ (zitiert in: Materialismus und Empiriokritizismus, S. 60.)
Und Bogdanow (der kein idealistischer Philosoph, sondern ein Revolutionär, der sich von idealistischen Ideen beeindrucken ließ, war) (1873–1928):
„Der objektive Charakter der physischen Welt besteht darin, daß sie nicht nur persönlich für mich, sondern für alle existiert … und für alle eine bestimmte Bedeutung hat, meine Überzeugung nach die gleiche wie für mich. … Überhaupt ist die physische Welt die sozial in Übereinstimmung gebrachte, sozial harmonisierte, mit einem Wort sozial organisierte Erfahrung.” (zit. in Ebd. S. 118.)
Zu Recht kommentiert Lenin daher: „[E]s ist immer ein und dieselbe These, derselbe alte Kram mit etwas aufgefärbtem oder übermaltem Aushängeschild.” (Ebd. S. 61.)
Und er weist auch darauf hin, was die Folge dieser philosophischen Ansicht ist. Denn wenn Gedanken und Realität eigentlich dasselbe und nur von Menschen konstruiert sind, so ist nicht unterscheidbar, was eine korrekte Idee (die das Verständnis von der realen Welt hebt) und was eine falsche Idee (die die Welt verzerrt und unrichtig beschreibt) ist – es ist unmöglich festzustellen, was uns hilft, die Welt zu verstehen und daher auch zu verändern, und was Phantasie, ausgemachter Blödsinn ist: Religion ist genauso wahr wie die Physik, das fliegende Spaghettimonster ebenso wirklich wie die Gravitation.
„Wenn die Wahrheit nur die organisierende Form der menschlichen Erfahrung ist, dann ist also auch die Lehre, sagen wir, des Katholizismus eine Wahrheit. Denn es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß der Katholizismus eine ‚organisierende Form der menschlichen Erfahrung’ ist.” (Ebd. S. 118.)
Das heißt aber in weiterer Folge auch, dass man die subjektive Realität von niemandem anzweifeln darf, dass jedeR „für sich“ (in der „diskursiven Realität”) recht hat. Wer sagt, dass Frauen nicht minderwertiger als Männer sind? Warum sollte es nicht stimmen, dass Armut ein Resultat von Faulheit und persönlichem Versagen ist? Wieso ist in einem Arbeitskampf ein Streikbrecher nicht im Recht? Die Tatsache, dass für den subjektiven Idealismus jede Meinung genauso wahr wie jede andere ist, zeigt, welch reaktionäre Rolle er in seiner praktischen Schlussfolgerung spielt.
Die Behauptungen der Queer Theory und des subjektiven Idealismus, dass die gesamte Welt nur ein kulturelles (geistiges) Konstrukt ist, steht an und für sich im Widerspruch zu unserer täglichen Praxis, nämlich dass biologische Geschlechter real sind, was durch die sexuelle Reproduktion täglich bezeugt wird, und dass darüber hinaus auch die physikalische Welt unabhängig von unserer Sprache ihre eigenen Wege geht. Dennoch wird die Queer Theory von einigen Menschen als brauchbar angesehen.
Die Queer Theory lenkt die Aufmerksamkeit auf jenen Aspekt von Geschlechtern, der mit einer starren biologischen Definition nicht erklärt werden kann: In unserer Gesellschaft werden uns Geschlechterrollen auferlegt und anerzogen. Biologisch ist nicht nachvollziehbar, dass Rosarot weiblich ist und Blau männlich, dass Mädchen mit Puppen spielen und Buben mit Lego technic, etc. Von klein auf wird uns beigebracht, dass Frauen emotional und irrational sind, dass sie schlechter in Mathematik sind und in der Politik nichts verloren haben, was verdeutlicht, dass Geschlechter in unserer Gesellschaft mehr als nur biologische Funktionen erfüllen.
Die Kultur ist jedoch kein willkürliches, zufälliges Phänomen, sondern erwächst auf materiellen Bedingungen der Gesellschaft, auf der Interaktion des Menschen mit der Natur:
„In ihrem Anpassungsprozeß an die Natur, im Konflikt mit den feindseligen Kräften der Natur hat die menschliche Gesellschaft die Form einer komplexen Klassenorganisation angenommen. Die Klassenstruktur der Gesellschaft bestimmt in entscheidendem Maße Inhalt und Form der menschlichen Geschichte, der materiellen Lebensverhältnisse und ihrer ideologischen Reflexe. Das bedeutet, daß die geschichtliche Kultur einen Klassencharakter trägt.” (Leo Trotzki: Kultur und Sozialismus, S. 356.)
Für den längsten Teil ihrer Geschichte lebten Menschen jedoch nicht in Klassengesellschaften. Denn eine Klassengesellschaft setzt voraus, dass es einen Überschuss an Produkten gibt, etwas woran sich eine Klasse gegenüber anderen bereichern kann. In diesen Gesellschaften, die Engels urkommunistisch nannte, gab es auch keine Frauenunterdrückung. Dennoch gab es (aufgrund von Geburt, Schwangerschaft) eine gewisse körperliche Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, die jedoch nicht absolut und starr war. Diese Arbeitsteilung bedeutete allerdings nicht, dass Frauen schlechter gestellt waren, im Gegenteil wurden sie als diejenigen, die Kinder gebären, wertgeschätzt. Erst als der Mensch durch die Entwicklung der Produktivkräfte Wege fand, Mehrprodukt herzustellen, führte dies zu Privateigentum und die geschlechtliche Arbeitsteilung zur Unterdrückung von Frauen – in Worten Engels’ war dies Grundlage für „die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts“, das heißt ein geschichtliches, kein „biologisches“ Ereignis. Das bedeutet, dass Frauenunterdrückung zwar in letzter Instanz eine biologische Grundlage (nicht Ursache!) hat, aber keinesfalls ein Naturgesetz ist. Die tiefe Verankerung der Frauenunterdrückung hat sich über tausende Jahre in der Gesellschaft verfestigt und nimmt viele Aspekte und Gestalten an, die nicht direkt aus der Gebärfähigkeit von Frauen abgeleitet werden können und die dem jeweiligen herrschenden System angepasst und dienbar gemacht wurden.
Die Unterdrückung liegt in der Klassengesellschaft begraben, sie drückt sich jedoch in geschichtlich konkreten Verhältnissen unterschiedlich aus. Geschlechterrollen – wie auch der Umgang mit Sexualität – sind im Laufe der menschlichen Geschichte wandelbar, sie verändern sich je nach den herrschenden Notwendigkeiten. Beispiele sind etwa die Päderastie im alten Griechenland oder die Definition dritter Geschlechter in einigen Kulturen, etwa die „Muxes” bei den Zapoteken. Doch auch Männer und Frauen haben im Laufe der Zeit unterschiedliche Attribute zuerkannt bekommen, man vergleiche nur die weiblichen Schönheitsideale in der Renaissance mit heutigen Supermodels.
Die Frauenunterdrückung im Kapitalismus bedient sich der Geschlechterrollen, um die wirtschaftliche Einheit „Familie“, die ein wichtiger Grundpfeiler des Kapitalismus ist, mit all ihren Aufgaben aufrecht zu erhalten. In der Familie soll vor allem die Frau gratis Hausarbeit verrichten, Kinder erziehen und Alte pflegen – notwendige Arbeit, die so kostenlos erledigt wird. Das Bild der Frau als emotionale Stütze und als Mutter wird gehegt und gepflegt, am Arbeitsmarkt werden Frauen schlechter bezahlt und wenn es einen Überschuss an Arbeitskräften gibt, werden sie als erstes zurück an den Herd geschickt. Während homosexuelle Paare in einer wachsenden Zahl von Ländern anerkannt werden, geht das damit einher, dass auch hier die Rolle der Familie (samt aller Arbeit, die dort geschehen soll) aufrecht bleibt. Geschlechterrollen sind daher keine aus dem Reich der Ideen hergeleiteten, rein kulturellen Vorstellungen, sondern entspringen der materiellen Grundlage unserer Gesellschaft – der Klassengesellschaft, die auf Ausbeutung und Unterdrückung aufbaut – sowie biologischen Faktoren.
Die Unterdrückung, die Teil der kapitalistischen Klassengesellschaft ist, ist tiefgreifend und umfasst die Degradierung von Frauen zu Sexobjekten und die häusliche Gewalt. Es gibt einen realen Druck, sich als heterosexueller Mann oder heterosexuelle Frau in der Gesellschaft zu bewegen. Gewalt und Diskriminierung gegen Homosexuelle und Transgender-Personen grassieren trotz der zahlreichen liberalen Kampagnen für LGBT-Rechte. Der Kampf, wenn man sich als Transgender-Person für eine entsprechende Hormontherapie oder Geschlechtsoperation entscheidet, dauert Jahre und ist oft nicht leistbar. Die Diskriminierung bei der Wohnungssuche, am Arbeitsplatz und selbst wenn man sich ganz einfach in der Öffentlichkeit bewegt, hört meist nicht auf.
All diese Aspekte von Diskriminierung und Unterdrückung verursachen selbstverständlich Zorn und den Wunsch nach einem Ausflucht aus diesem Zwangskorsett. Ein Verständnis für den Ursprung von Frauenunterdrückung und den Grund für die Diskriminierung von „abweichenden“ Sexualitäten ist notwendig, um einen Weg aufzuzeigen, wie man sie überwinden kann. Ein fehlendes Verständnis für die materiellen Grundlagen der Unterdrückung verhelfen dabei Ideen wie der Queer Theory, die ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Kultur, die Erziehung und die öffentliche Meinungsmache richten, zu Popularität. Denn es ist durchaus verlockend, aus der Wandelbarkeit von Geschlechterrollen den Schluss zu ziehen, dass es „hinter” diesen kulturellen Aspekten kein „eigentliches”, biologisches Geschlecht gibt.
Dies wird dadurch bekräftigt, dass die Wissenschaft im Kapitalismus nicht frei von den Interessen der Herrschenden und auch in der Geschlechterfrage nicht neutral ist – es sei nur darauf verwiesen, dass die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität noch bis 1992 als Krankheit führte.
Das gängige naturwissenschaftliche Verständnis der Geschlechter ist ausgesprochen abstrakt und rigide (Engels bezeichnete dies in seinem berühmten Buch Anti-Dühring als „metaphysische Denkweise”): Wenn man Geschlechter ausschließlich aufgrund von XX (weiblichen) und XY (männlichen) Chromosomen erklärt, ist der berechtigte Einwand, dass es etwa Menschen mit eindeutigen XX oder XY Chromosomen aber mit untypischem Hormonhaushalt gibt, wie sich an dem skandalösen Umgang mit der Sportlerin Caster Semenya zeigt, die einen laufenden Kampf dagegen führt, sich einer Hormontherapie unterziehen zu müssen, da ihr wegen des hohen Testosteronlevels ein „ungerechter Vorteil“ gegenüber anderen Sportlerinnen vorgeworfen wird. Oder: Wenn man Frauen rein durch ihre Fähigkeit definiert, Kinder zu gebären – sind dann unfruchtbare Frauen keine wirklichen Frauen? Wenn Geschlechter dazu da sind, sexuelle Reproduktion sicherzustellen – wieso gibt es dann Homosexualität? Und wie kann man Transgender-Frauen verstehen, die männliche Geschlechtsorgane haben, sich jedoch als Frauen identifizieren? Genau bei diesem „Graubereich”, bei den Unzulänglichkeiten des metaphysischen, mechanischen Materialismus, hakt die Queer Theory ein.
In seiner Polemik gegen Dühring kritisierte Friedrich Engels den mechanischen Materialismus und entlarvte ihn als Idealismus.
Dieses Problem der absoluten, unveränderlichen Definitionen der Dinge stellt sich allerdings nicht nur bei Geschlechtern, denn die gleichen Fragen könnten wir bei jedem Begriff, den wir verwenden, stellen. Nehmen wir das Wort „Haus”. Ein Haus ist ein Gebäude, das uns ein Dach über dem Kopf bietet, das man betreten kann, in dem man wohnen kann. Aber ist dann ein Haus ohne Dach noch ein Haus? Wie viele Löcher muss ein Dach haben, damit es kein Dach mehr ist? Ab wann ist ein Haus im Zerfallsstadium eine Ruine? Und ab wann ist ein Haus plötzlich ein Schloss?
Hieran sieht man, dass der metaphysische Materialismus durch seine Rigidität und seinen Anspruch auf Unveränderlichkeit notwendig zu Widersprüchen führt, und diesen Widerspruch greift die Queer Theory auf. Dennoch würde normalerweise niemand auf die Idee kommen, abzustreiten, dass es so etwas wie Häuser gibt – schließlich sind ganze Städte voll davon! Doch nach der Logik der Queer Theory wäre genau das die Antwort: Es gibt keine Häuser, da es keine perfekte Definition eines Hauses gibt, die jeden einzelnen Fall akkurat abdeckt. Häuser sind lediglich kulturelle Konstrukte, mit denen wir wahllos Gegenstände benennen.
Das Verhältnis vom Einzelnen und vom Allgemeinen kann von der metaphysischen Denkweise, die in den Naturwissenschaften und im Schulunterricht vorherrscht, nicht gelöst werden. Die Dialektik des Marxismus sieht jedoch in dem Verhältnis zwischen dem Einzelnen (z.B. einem unfruchtbarer Mann) und dem Allgemeinen (es gibt so etwas wie Männer) einen notwendigen Zusammenhang: das Allgemeine existiert nur durch seine konkreten Ausformungen – es gibt kein „ewiges, vollendetes” Haus im Reich der Ideen, sondern nur alle tatsächlichen Häuser auf dieser Welt. Lenin beschreibt dies so:
„Beginnen mit dem Einfachsten, Gewöhnlichsten, Massenhaftesten etc., mit einem beliebigen Satz: Die Blätter des Baumes sind grün; Iwan ist ein Mensch; Shutschka ist ein Hund u. dgl. Schon hierin ist (wie Hegel genial bemerkt hat) Dialektik: Einzelnes ist Allgemeines … ‚denn natürlich kann man nicht der Meinung sein, daß es ein Haus’ – ein Haus überhaupt – ‚gebe außer den sichtbaren Häusern’. Somit sind die Gegensätze (das Einzelne ist dem Allgemeinen entgegengesetzt) identisch: das Einzelne existiert nicht anders als in dem Zusammenhang, der zum Allgemeinen führt. Das Allgemeine existiert nur im Einzelnen, durch das Einzelne. Jedes Einzelne ist (auf die eine oder andere Art) Allgemeines. Jedes Allgemeine ist (ein Teilchen oder eine Seite oder das Wesen) des Einzelnen. Jedes Allgemeine umfaßt nur annähernd alle einzelnen Gegenstände. Jedes Einzelne geht unvollständig in das Allgemeine ein usw. usw. … denn wenn wir sagen: Iwan ist ein Mensch, Shutschka ist ein Hund, dies ist ein Baumblatt usw., so lassen wir eine Reihe von Merkmalen als zufällige beiseite, trennen wir das Wesentliche vom Erscheinenden und stellen das eine dem anderen entgegen.” (Lenin: Zur Frage der Dialektik, S. 340–343, Hervorhebungen im Original.)
Die Suche nach unveränderlichen, allgemeingültigen Definitionen ist hoffnungslos, denn die Welt, in der wir leben, verändert sich ständig. Unsere Wörter und Begriffe nähern sich dieser Realität an, beschreiben bestimmte Aspekte dieser objektiven Realität. Der Fehler des starren, abstrakten (oder „metaphysischen“) Materialismus besteht darin, dass er unsere Definitionen der Welt überstülpen will, und von ihr verlangt, sich nach ihnen zu richten. Die Queer Theory nimmt aber die starren, unveränderlichen Begriffe des mechanischen Materialismus für bare Münze und argumentiert, dass demnach die materielle Welt selbst starr und unveränderlich wäre – und wirft daher die ganze materielle Welt samt der biologischen Geschlechter beiseite, erklärt sie für ungültig.
In ihrer Kritik einer kruden Philosophie schwankt die Queer Theory in das andere Extrem und wird zu deren Spiegelbild. Kein Phänomen stimmt zu 100 Prozent mit den allgemeinen Kategorien, unter denen wir es kennen, überein – weil jede Kategorie nur eine Abstraktion von der unendlich komplexen Wirklichkeit ist. Kein Mann und keine Frau ist eine perfekte Ausführung der Kategorien „Mann“ oder „Frau“. Die Natur drückt sich in Mustern aus, die wir als Menschen lernen können, zu erkennen. Die sexuelle Fortpflanzung funktioniert über den Gegensatz der Geschlechter. Dieses Muster erkennen wir. So entstanden die Kategorien „Mann“ und „Frau“. Unsere Vorstellung von einem Mann oder einer Frau, bereinigt von allen zufälligen oder unwesentlichen Eigenschaften, ist notwendig für unser Verständnis von jedem einzelnen Mann oder jeder einzelnen Frau. Queer-TheoretikerInnen und ihre postmodernen Gefolgsleute leugnen jedoch, dass es so etwas wie Gesetzmäßigkeiten in der Natur gibt. Sie verstehen die dialektische Verbindung zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen nicht, lehnen stattdessen das Allgemeine ab und erheben das Einzelne und Zufällige zum Prinzip.
Anstatt also das Verhältnis zwischen materieller Basis (der Biologie, aber auch der sozialen Reproduktion der Menschen in einer unterdrückerischen Klassengesellschaft) und Kultur zu erforschen, erklärt sie die Materie für nicht existent. Sie verabsolutiert damit einen Teilaspekt der Wirklichkeit und verkommt zu einer „Theorie“, die in keinster Weise erklären kann, woher Geschlechterrollen und Unterdrückung kommen und wie man sie beseitigen kann, kurz: zum subjektiven Idealismus. Lenin beschrieb diese Verabsolutierung einer Teilwahrheit sehr anschaulich:
„Der philosophische Idealismus ist nur Unsinn vom Standpunkt des groben, einfachen, metaphysischen Materialismus: Dagegen ist der philosophische Idealismus vom Standpunkt des dialektischen Materialismus eine einseitige, übertrieben ‚überschwengliche’ Entwicklung (Aufbauschen, Aufblähen) eines der Züge, einer der Seiten, der Grenzen der Erkenntnis zu einem von der Materie, von der Natur losgelösten, vergotteten Absolutum. Idealismus ist Pfaffentum. Richtig. Doch ist der philosophische Idealismus … ein Weg zum Pfaffentum über eine der Schattierungen der unendlich komplizierten (dialektischen) menschlichen Erkenntnis. Die menschliche Erkenntnis ist nicht eine gerade Linie, sondern eine Kurve, die sich einer Reihe von Kreisen, einer Spirale unendlich nähert. Jedes Bruchstück, Teilchen, Stückchen dieser Kurve kann einseitig verwandelt werden in eine selbstständige, ganze, gerade Linie, die … dann in den Sumpf, zum Pfaffentum führt (wo sie durch das Klasseninteresse der herrschenden Klassen verankert wird). Geradlinigkeit und Einseitigkeit, Erstarrung und Verknöcherung, Subjektivismus und subjektive Blindheit, voilà die erkenntnistheoretischen Wurzeln des Idealismus. [Der philosophische Idealismus] ist eine taube Blüte, die wächst am lebendigen Baum der lebendigen, fruchtbaren, wahren, machtvollen, allgewaltigen, objektiven, absoluten menschlichen Erkenntnis.” (Lenin: Zur Frage der Dialektik, 344, Hervorhebungen im Original.)
Indem die Queer Theory konstatiert, dass Geschlechter und sexuelles Begehren konstruiert sind, verstrickt sie sich selbst in Widersprüche. Denn so stellt sich die logische nächste Frage, wieso sich gerade männlich und weiblich als jene Kategorien herauskristallisiert haben, anhand derer Menschen gespalten und unterdrückt werden. An dieser Stelle taucht sie in psychoanalytische und anthropologische Spekulationen ab, wonach einmal das „Gesetz” des Inzestverbots mittels der Sprache und des Ödipuskomplexes und des Penisneids, ein anderes mal Überreste des „Frauentauschs” in historischen Gesellschaften Geschlechter und „Zwangsheterosexualität” erschaffen. Woher die Hetero- und Homosexualität im Tierreich kommt, das keine Sprache kennt, und wie Gesellschaften, in denen es kein Inzesttabu gab, sich fortgepflanzt haben, sind nur zwei der vielen wundersamen Rätsel in dieser Argumentation. Mit der Realität konfrontiert entpuppt sich die Queer Theory als unfähig, sie zu erklären, und stößt an ihre Grenzen, denn als Antwort auf die Frage, „wieso ausgerechnet Mann und Frau?” schreibt Butler letztendlich:
„Wir haben bereits das Inzesttabu und das vorgängige Tabu gegen die Homosexualität als generative Momente der Geschlechtsidentität betrachtet …. Diese Disziplinarproduktion der Geschlechtsidentität bewirkt eine falsche Stabilisierung der Geschlechtsidentität im Interesse der heterosexuellen Konstruktion und Regulierung der Sexualität innerhalb des Gebiets der Fortpflanzung.” (UG, S. 199, eigene Hervorhebung.)
Und nach all den Büchern und Texten, die uns in unverständlicher Sprache erklärt haben, dass Geschlechter fiktiv und kulturell erschaffen sind, hat sich schlussendlich verschämt und so wenig sichtbar wie möglich die Natur doch wieder eingeschlichen: die sexuelle Fortpflanzung ist es, die die Geschlechter bestimmt.
MarxistInnen erkennen an, dass es biologische Geschlechter gibt, und dass diese biologischen Geschlechter die Reproduktion von Menschen ermöglichen. Insgesamt kann eine überwiegende Mehrheit der Menschen dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden. Es gibt das, was in der Dialektik als „qualitativer Sprung” bezeichnet wird; einen Punkt, ab dem eine schrittweise, quantitative Veränderung in eine neue Qualität umschlägt. (Ein oft bemühtes Beispiel ist das kochende Wasser, dass nach einer „quantitativen” Erhitzung schließlich den „qualitativen Sprung” zu Dampf macht). So gibt es auch bei Menschen eine Summe von Faktoren, die uns klar davon sprechen lassen, dass jemand männlich oder weiblich ist.
Das bedeutet jedoch nicht, dass es ausschließlich Männer und Frauen gibt, sondern ebenso Intersexualität. Und es gibt auch Transgender-Personen, die eine geschlechtliche Identität haben, die nicht ihren Geschlechtsorganen entspricht, oder Non-Binary Personen, die weder männlich noch weiblich sind. Es wäre unsinnig, diesen Menschen ein „falsches Bewusstsein” vorzuwerfen, weil ihre Identität nicht ihren Geschlechtsorganen entspricht. Die Identität eines Menschen ist ausgesprochen komplex und eine Kombination aus biologischen, psychischen und sozialen Einflüssen – die letztlich alle materiell erklärbar sind. Die Tatsache, dass das Bewusstsein, das menschliche Gehirn, zu wenig erforscht ist, um genau festzumachen, zu welchem Anteil welche Faktoren unsere geschlechtliche Identität formen, gibt uns jedoch keinen Anlass, sie als rein „kulturelle Fiktion“ abzutun, die nichts mit unseren Körpern zu tun hat.
Im Gegenteil verwischt diese Darstellung von Identität als rein kulturelles Konstrukt die realen Probleme von vielen Transgender-Personen, wenn es beispielsweise um den Kampf zur Ermöglichung einer Geschlechtsumwandlung/Hormontherapie geht. Auch ganz praktische Fragen wie die Forderung nach Abtreibungsrecht für Frauen, nach kostenlosen Hygieneartikeln und nach geschlechtsspezifischer medizinischer Behandlung (Gynäkologie) sind so nicht darstellbar.
Geht man, wie die Queer Theory es tut, davon aus, dass Geschlechter und Sexualität ein kulturelles Konstrukt sind, stellt sich die Frage, wer dieses Konstrukt erschaffen hat – und warum?Judith Butler macht sich über Friedrich Engels und den „sozialistischen Feminismus” lustig, da diese versuchten „Strukturen in der Geschichte oder Kultur anzugeben, die der Geschlechter-Hierarchie zugrunde liegen.” (vgl. UG., S. 65.)
Sie selbst hält die Vorstellung von einer vergangenen Gesellschaft, in dem es keine Frauenunterdrückung gab, für eine „imaginäre Selbstrechtfertigung” (Ebd. S. 64.). Dass es erwiesenermaßen genau solche Gesellschaften gab (Engels nannte sie urkommunistisch), zeigt nur Butlers völlige Ignoranz gegenüber der Realität und ihre Ablehnung von Geschichte.
Statt der für die Queer Theory viel zu „simplifizierenden“ Erklärung des Marxismus präsentiert sie eine andere Erklärung für die „Konstruktion“ von Unterdrückung in der Gesellschaft: Aus der queer-theoretischen Sicht entspringt sie den vielschichtigen, vielseitigen und komplexen Machtverhältnissen und -strukturen in unserer Gesellschaft.
Die von der Queer Theory vertretene Vorstellung von Macht entlehnt sie dem französischen Philosophen Michel Foucault (1926–1984), der in universitären Kreisen oft als Nachfolger oder Weiterentwickler dessen was sich dort „orthodoxer Marxismus“ schimpft gesehen wird. Ein Schüler Louis Althussers, folgte er in seiner Jugend kurz dem Trend, sich im Dunstkreis der Kommunistischen Partei zu bewegen, deren (inaktives) Mitglied er für zwei Jahre von 1950–1952 war, ohne dabei jemals den Marxismus studiert zu haben.1
Michel Foucault gilt als Vordenker der Queer Theorie. Bild: freie Nutzung.
Während den revolutionären Ereignissen rund um Mai 1968 befand sich Foucault als Dozent in Tunesien, wo zu jener Zeit riesige Studentenproteste stattfanden. Dort sah er seine Aufgabe darin, den StudentInnen, die laut seiner eigenen Aussage stark vom Marxismus beeinflusst waren, „etwas anderes” beizubringen.
Der historische Verrat der massenhaften Generalstreikbewegung in Frankreich durch die Führung der Kommunistischen Partei und das Scheitern einer Revolution reflektiert er rückblickend durch die Schädlichkeit eines „Hyper-Marxismus” in Frankreich verschuldet. Er wertet diese Periode des intensiven Klassenkampfes als ein Sprachspiel, eine Suche nach Vokabeln:
„Ich würde sagen, wenn ich an diese Zeit zurückdenke, daß die damaligen Ereignisse nicht ihre richtige Theorie, ihr richtiges Vokabular gefunden hatten. … den Stalinismus, die Politik der Sowjetunion, die Schwankungen der KPF in kritischen Begriffen zu denken, ohne dabei in die Sprache der Rechten zu verfallen – das war keine einfache Sache.” (Michel Foucault: Gespräch mit Ducio Trombadori, S. 1620.)
Trotz seiner schädlichen Rolle in der realen Bewegung und trotz der Tatsache, dass Foucault seine „Philosophie“ bewusst entgegen dem Marxismus entwickelte, kursiert an Universitäten die Vorstellung, dass Foucault ein Naheverhältnis zum Marxismus habe, und dass seine Ideen progressiv und ein guter Anknüpfungspunkt für Widerstand seien.
Auf die Queer Theory hatte sein Werk Sexualität und Wahrheit (ab 1976), in dem er den Versuch unternimmt, eine historische Entwicklung des Sexualitäts-Diskurses in der jüngeren Geschichte nachzuzeichnen und wo sein Machtbegriff eine zentrale Rolle spielt, den größten Einfluss.
Laut Foucault (und der Queer Theory) zieht sich die Macht durch alle Sphären des Lebens und drückt sich immer in Pärchen von Gegensätzen aus: Alt-Jung, Mann-Frau, Homo-Hetero usw. Das wird gerne als eine abendländische Obsession mit Binarität (also Gegensatzpärchen) bezeichnet, die von der westlichen Philosophie kreiert worden sei.
„Die Macht“ hat ein Interesse an der ungerechten Justiz, am medizinisch-wissenschaftlichen „Diskurs“ von Mann und Frau, an Religion und an repressiven Schulsystemen. Sie formt die Klasseninteressen der Herrschenden, den Willen zur patriarchalen Unterdrückung der Männer und staatliche Repression. Sie erschafft auch die Gebote und Verbote für sexuelle Praktiken.
Wir müssen „die juridische Macht neu begreifen, nämlich als Konstruktion, die durch eine generative Macht produziert wird, die ihrerseits die Mechanismen ihrer eigenen Produktivität verschleiert”, sagt Butler. (UG, S. 144.)
Also: Die Macht produziert die Macht und versteckt dann, dass sie von Macht produziert wurde.
Doch die Macht kann noch mehr: sie produziert nicht nur Unterdrückung, sondern sie produziert auch den Widerstand. Unterdrückung und Widerstand sind, genauso wie „Alt-Jung” oder „Mann-Frau” lediglich ein binäres Gegensatzpärchen, das diskursiv ‘konstruiert’ wird, so Foucault & Co.
Die Macht schafft den Diskurs vom Aufbegehren, die Fiktion, dass man etwas gegen Herrschende tun könne, die Illusion, dass es eine Welt ohne Macht geben kann. Aus dieser Logik geht Foucault sogar so weit, den Untergang der Absoluten Monarchien durch die Bürgerlichen Revolutionen als Ergebnis eines Machtdiskurses über Recht und Unrecht zu „analysieren”:
„Seit dem Mittelalter formuliert sich die Macht in den abendländischen Gesellschaften immer im Recht. Eine Tradition … hat uns daran gewöhnt, die absolute monarchische Macht auf die Seite des Unrechts zu setzen.” (Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit, S. 1094.)
Wie lächerlich simplifizierend ist doch die materialistische, marxistische Analyse, dass die aufsteigende kapitalistische Produktionsweise das alte Feudalsystem sprengte! Es war die „Tradition“ die dazu führte, dass die Monarchie plötzlich für ungerecht befunden und gestürzt wurde! Dies ist das Resultat einer „Theorie“, die die Geschichte aus der Konstruktion von Diskursen betrachtet.In diesem selbstreferentiellen Machtkreislauf gibt es jedoch in keinem der Queer-Standardwerke eine kohärente Erklärung darüber, was die Macht denn nun eigentlich ist. Foucault gibt dies im allerersten Einleitungssatz über seine Vorlesungen zur Macht sogar zu: „Die Analyse der Machtmechanismen ist keine allgemeine Theorie dessen, was Macht ist.” (Michel Foucault: Vorlesungen zur Analyse der Macht-Mechanismen 1978, S. 1.)
Um zu vermitteln, wie Foucaults Versuche, Macht näher zu fassen, aussehen, lassen wir ihn für sich selbst sprechen und entschuldigen uns für das ausgedehnte Zitat:
„Unter Macht, scheint mir, ist zunächst zu verstehen: die Vielfältigkeit von Kraftverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern und organisieren; das Spiel, das in unaufhörlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen diese Kraftverhältnisse verwandelt, verstärkt, verkehrt; die Stützen, die diese Kraftverhältnisse aneinander finden, indem sie sich zu Systemen verketten – oder die Verschiebungen und Widersprüche, die sie gegeneinander isolieren; und schließlich die Strategien, in denen sie zur Wirkung gelangen und deren große Linien und institutionelle Kristallisierungen sich in den Staatsapparaten, in der Gesetzgebung und in den gesellschaftlichen Hegemonien verkörpern. Die Möglichkeitsbedingung der Macht …liegt nicht in der ursprünglichen Existenz eines Mittelpunktes, nicht in einer Sonne der Souveränität, …sondern in dem bebenden Sockel der Kraftverhältnisse, die durch ihre Ungleichheit unablässig Machtzustände erzeugen, die immer lokal und instabil sind. Allgegenwart der Macht: … weil sie sich in jedem Augenblick und an jedem Punkt – oder vielmehr in jeder Beziehung zwischen Punkt und Punkt – erzeugt. Nicht weil sie alles umfaßt, sondern weil sie von überall kommt, ist die Macht überall. … die Macht ist nicht eine Institution, ist nicht eine Struktur, ist nicht eine Mächtigkeit einiger Mächtiger. Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt.” (Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit, S. 1098.)
Amen!
Wenn man diese Zeilen liest, überrascht es nicht, dass Foucault „Sexualität und Wahrheit” unter dem Eindruck eines LSD-Trips verfasste.
Engels schrieb einmal, dass Wissenschaftler jedesmal, wenn sie ein Phänomen nicht verstünden, gerne eine neue „Kraft” erfinden, die als Erklärung herhalten soll:
„[…U]m uns die Angabe der wirklichen Ursache einer durch eine Funktion unsres Organismus herbeigeführten Veränderung zu ersparen, schieben wir eine fiktive Ursache unter, eine der Veränderung entsprechende sog. Kraft. Diese bequeme Methode übertragen wir dann auch auf die Außenwelt und erfinden damit ebensoviel Kräfte, wie es verschiedne Erscheinungen gibt.” (Friedrich Engels: Dialektik der Natur, S. 364.)
Treffender könnte man die „Macht” und die „Kräfteverhältnisse” bei Foucault und der Queer Theory nicht beschreiben. Die Macht ist das allumfassende, alles beschreibende Moment, eine quasi-göttliche Entität, die im einen Moment Diskurse erschafft, im nächsten selbst dem Diskurs entspringt. Sie ist der alles durchdringende Geist, dem niemand entkommen kann und der uns auf ewig fesselt – schließlich sind wir selbst nur von Macht geschaffen worden! Die Abstrusität dieser Machtphantasie zeigt abermals auf, wie der Idealismus, und wenn er sich noch so modern verkleidet, in letzter Instanz immer beim Pfaffentum landet, wie Lenin es sagte. Und schließlich: Etwas, das Alles ist, ein widerspruchsfreies, widerstandsloses, immer dagewesenes Sein ist nichts anderes als … Nichts.
Die Queer Theorie sieht die Frage der Binarität als grundlegendes Problem, das man lösen muss. Binaritäten, oder Gegensätze wie MarxistInnen sagen würden, sind jedoch ein fester Bestandteil der Natur. Der griechische Philosoph Heraklit (535–475 v.Chr.) beschrieb dies sinnbildlich so, dass sich alles Widerstrebende in schönster Harmonie zusammenfüge, dass Bogen und Leier sich in spannungsvoller, gegenstrebiger Vereinigung befinden. Heiß und kalt, Anziehung und Abstoßung, Norden und Süden, positive und negative Spannungen, Mann und Frau – all das sind Beispiele für die Verflechtung und Einheit von Gegensätzen, welche die Grundlage für alle Veränderung in der Natur darstellt – Veränderung ist die wesentliche Eigenschaft der Natur. Sich das männliche und weibliche Geschlecht wegwünschen zu wollen, ist wie, wenn man sich den Südpol oder die kalte Luft wegwünscht. Nicht ohne Ironie scheinen Queer-TheoretikerInnen dabei zu übersehen, dass der Wunsch, sich der Binaritäten zu entledigen, selbst ein „binäres Gegenteil” der vorherrschenden, von Binaritäten geprägten, Vorstellung ist.
Verbleibt man im natürlichen Lebensraum der Queer Theory, der Welt der akademischen Aufsätze, scheint die Debatte über sie wie ein intellektueller Nervenkitzel, in dem man sich gegenseitig philosophische Zitate hin- und herpasst. Doch wie zu Beginn unseres Textes geschrieben, folgen aus philosophischen Grundannahmen auch bestimmte praktische Schlüsse.
Die Allgegenwärtigkeit der Macht bei der Queer Theory bedeutet, dass man ihr niemals entfliehen kann, denn jeder Widerstand ist eigentlich selbst nur Ausdruck der Macht und dient letztendlich der Stabilität. Daher kommt auch das relativ bekannte Zitat von Foucault, dass der Widerstand „niemals außerhalb der Macht liegt” und dass es deshalb immer nur „unwahrscheinliche, spontane, wilde, einsame, abgestimmte, kriecherische, gewalttätige, unversöhnliche, kompromißbereite…” usw. Widerstände gibt. (Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit, S. 1100.)
„[D]er Glaube an die Möglichkeit langfristiger gesellschaftlicher Veränderung oder Befreiung insgesamt [wird] von den neueren rund um queer aufgebotenen Erkenntnissen und Praktiken in Frage gestellt.” (Annamarie Jagose: Queer Theory: Eine Einführung, S. 61.)
Dieser völlige Pessimismus gegenüber sozialen Bewegungen, der Glaube, dass jeder Widerstand automatisch zum Scheitern verurteilt ist, zeigt wie wenig diese „PhilosophInnen” den Charakter der revolutionären Bewegungen der 1960er und -70er Jahre und die Gründe ihres Scheiterns verstanden haben. Sie reflektieren die Hoffnungslosigkeit des in die Sackgasse geratenen Feminismus, des Kleinbürgertums, das kein Vertrauen in die Arbeiterklasse – wenn sie diese überhaupt noch als solche anerkennen – hat. Anstatt die Rolle der Führungen dieser Bewegungen zu verstehen und zu kritisieren, suchen sie nach neuen Wegen des „Widerstands”, ohne eine klare Idee, gegen wen oder was sich dieser richten soll und welcher Methoden er sich bedienen könnte. Die Möglichkeit eines Sturzes des herrschenden Systems scheint unerreichbar und unmöglich.
Die Folge dieser Perspektive ist, dass die Queer Theory letztendlich eine Praxis vorschlägt, die selbst den mildesten Reformismus noch radikal erscheinen lässt. Sie zieht sich dabei gänzlich auf das kulturelle und sprachliche Feld zurück. Es soll eine neue „Begrifflichkeit” für Identität geschaffen werden, eine neue „Grammatik” entwickelt werden, oder eine „neue Ethik” (Gayle Rubins) entworfen werden. Um die Illusion des natürlichen Geschlechts zu „entlarven” plädiert beispielsweise Butler dafür, Geschlechteridentitäten zu „parodieren”, etwa indem man sich als butch/femme2 stilisiert, oder durch Travestie3. Darin besteht der einzige praktische Vorschlag in ihrem gesamten Buch Unbehagen der Geschlechter! Und Nancy Fraser ruft erleichtert aus:
„Die gute Nachricht ist, dass wir den Kapitalismus nicht stürzen müssen, um [die ökonomische Benachteiligung von Homosexuellen] zu kurieren – obgleich wir ihn aus anderen Gründen vielleicht stürzen müssen. Die schlechte Nachricht ist, dass wir die existierende Hierarchie transformieren und die Beziehungen der Anerkennung restrukturieren müssen.” (Nancy Fraser: Heterosexism, Misrecognition, and Capitalism, S. 285.)
Die vergleichsweise praktisch veranlagte Fraser stellt hier ihren Reformismus offen zur Schau: Zum Glück muss sie den Kapitalismus nicht stürzen! Sie muss nur das Image von Homosexualität in der Gesellschaft verbessern! Kein Wunder also, dass die Queer Theory mit Freuden von einigen ReformistInnen in den Arbeiterorganisationen aufgegriffen wird, um sich mit Forderungen nach Sprachreformen, Quoten, kulturellen Freiräumen und Regenbogen-Zebrastreifen der Verantwortung entziehen zu können, einen ernsthaften Kampf gegen Unterdrückung und Diskriminierung mit Streiks, Massenprotesten – kurz: den Methoden des Klassenkampfes – zu führen.
Die Aussparung der Klassenfrage in der Queer Theory macht es nicht nur zu einem praktischen Werkzeug in den Händen der Bürokratie der Arbeiterorganisationen, sie hat auch die ideologische Rechtfertigung dafür geliefert, dass sich ein Teil der bürgerlichen, kapitalistischen Kräfte als LGBT-freundlich inszenieren können, um sich ein liberales und progressives Image zu geben. Großkonzerne wie Apple oder Coca Cola, die Millionen von ArbeiterInnen unter miesen Bedingungen ausbeuten, unterstützen LGBT-Kampagnen in ihrem Unternehmen, oder finanzieren auf völlig kommerzialisierten Regenbogenparaden Party-Trucks mit Gratisalkohol. Die neoliberalen NEOS setzen sich für die gleichgeschlechtliche Ehe ein und stimmen im nächsten Atemzug dem 12-Stundentag zu. Um die rege Wissensproduktion von radikal scheinenden, aber in Wahrheit für die Herrschenden völlig harmlosen Ideen zu fördern, fließen abertausende Euros in die Finanzierung von Gender-Studies-Professuren an Unis und Queer-Studies-Stipendien, während linksliberale Medien und Verlage wohlwollend Pro-Queer Artikel und Romane veröffentlichen.
Pride in London. Foto: Camerawalker/wikicommons
Vielen Queer-AktivistInnen ist diese Tendenz bewusst, und sie stellen sich klar gegen diese Kooptierung ihres Widerstands in das herrschende System. Allerdings bietet die Queer Theory mit ihren Ideen keinerlei Ansatzpunkte, um aus dieser Vereinnahmung durch die Herrschenden auszubrechen; im Gegenteil ist sie Teil der herrschenden Ideologie, die Ausbeutung und Unterdrückung individualisiert und verschleiert und den gemeinsamen Kampf dagegen spaltet.
Denn Einheit im Kampf ist der Queer Theory fremd. Obwohl sie ihren Ausgangspunkt in der Kritik an der Identitätspolitik der 1970er und -80er Jahre, die immer mehr in ihrem Zirkelwesen und internen Streitereien zerrieben wurde, nahm, wird sie ihrem Anspruch, diese Identitätspolitik zu überwinden, nicht gerecht. Da man der omnipräsenten Macht in der Gesellschaft niemals entrinnen kann, ist es gemäß der Queer Theory nämlich auch unmöglich, der Identität – obwohl sie nur Fiktion ist – zu entkommen.
Weil „Identifizierungen im Machtfeld der Sexualität ohnehin unvermeidlich sind” (UG S. 57.), und man diese Identitäten höchstens parodieren kann, landet die Queer Theory so nach ihrem Ausgangspunkt, eine Kritik der Identitätspolitik zu formulieren … wieder bei der Identitätspolitik. In der Praxis besteht die alte Streiterei, wer wen repräsentieren darf, genauso wie im Radikalfeminismus (und auch gegen ihn) weiter.
„Offensichtlich kann die politische Aufgabe nicht darin bestehen, die Repräsentationspolitik abzulehnen – als wäre das überhaupt möglich. … Es gibt keine Position außerhalb dieses Gebiets …”, sagt Butler. (ebd., S. 20.)
Jede Form von kollektiver Aktion und einem gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten wird dadurch zu einer Streitigkeit darüber, dass eine „Einheit” automatisch den Ausschluss und die gewaltsame Unterdrückung einer identitären Minderheit beinhaltet; „Einheit wird nur durch gewaltsamen Ausschluss erkauft.” (Judith Butler: Merely Cultural, S. 44.)
Die Folge ist eine Vereinzelung und Individualisierung derjenigen, die die herrschenden Verhältnisse ablehnen. Die Queerfeministin Franziska Haug beklagt zum Beispiel, dass die „Identität der Einzelnen – Herkunft, Kultur, Geschlecht usw. – zum Dreh- und Angelpunkt” der queerfeministischen Debatten wurden, und „das Recht zu sprechen und zu kämpfen, nach der Identität der Sprechenden bestimmt wird.” Es gibt einen Wettstreit darum, wer am Unterdrücktesten ist und daher das Vorrecht hat, zu reden und dem auch nicht widersprochen werden darf. Oft hört man gegen unliebsame Argumente Vorwürfe à: „Du als weißer Mann / du als hetero-Frau / du als weiße Transperson hast nicht das Recht, mir zu widersprechen, mir meine subjektive Sichtweise abzuerkennen!” (Franziska Haug: Queerfeministische Solidarität zwischen Kollektivität und Identität, S. 236.)
In der Bemühung, keine Person durch „brutale Verallgemeinerungen” auszuschließen, entsteht eine schier unendliche Zahl von Identitäten, die alle nur erdenklichen Kombinationen an sexuellen, romantischen und geschlechtlichen Vorlieben abdecken und die in diversen Queer-Cliquen verwaltet werden. Statt einem gemeinsamen Kampf all jener, die gemeinsam das System stürzen wollen, führt diese Logik häufig zu Mobbing und Ausschluss innerhalb der verschiedenen Gruppen, wie beispielsweise Cressida J. Heyes in einem Aufsatz mit dem Titel „Feminist Solidarity after Queer Theory” beschreibt, der sich wie ein verzweifelter und intimer Tagebucheintrag liest:
„Trotz meiner Bedenken über den Begriff ‚bisexuell’ bietet diese Beschreibung mir eine Art Heimat, da sich alles andere noch schlimmer anfühlt. Sowohl heterosexuelle als auch lesbische Räume spenden Frauen Trost, doch ich wurde oft von beiden ausgeschlossen. Mir wurde auch gesagt, dass ich mich ändern müsste, um in diesen Räumen Platz zu finden – indem ich entweder meine wahre Hetero- oder meine wahre Homosexualität annehmen müsse – und ich fühlte, wie diese Aufforderungen gleichermaßen ein Stück Wahrheit, aber auch Heuchelei und Bequemlichkeit in mir hervorriefen. … Es ist gleichermaßen notwendig wie bedrückend, als geschlechtlich und sexuell markierte Person ein Zuhause zu finden: Notwendig, weil Gemeinschaft, Anerkennung und Stabilität wesentlich für das menschliche Wohlbefinden und politischen Widerstand sind, bedrückend, weil dieselben Praktiken nur allzu oft in politische Ideologien und exklusive, machtförmige Gruppenbildung gerinnen.” (Cressida J. Heyes: Feminist Solidarity after Queer Theory: The Case of Transgender, S. 1097, eigene Übersetzung.)
Aus diesen Zeilen spricht das Elend, das die Zwänge und die Unterdrückung in unserer Gesellschaft mit unserer Psyche und unserem Selbstwertgefühl anrichten – doch auch die Festgefahrenheit der Identitätspolitik. Obwohl der Text sich die Aufgabe stellt, eine Form der Solidarität aller FeministInnen herzustellen, kann sich die Autorin keine Einheit vorstellen, die nicht auf Identität basiert.In der Praxis führt Identitätspolitik zu einer Spaltung der Bewegung. In Wien findet so seit mehreren Jahren keine gemeinsame Demonstration zum Frauenkampftag am 8. März, sondern getrennte Märsche statt: Jener der Radikalfeministinnen – an diesem dürfen nur Frauen und in einem eigenen Block auch LGBT-Personen teilnehmen – und jener der mit ihnen zerstrittenen Queer-AktivistInnen, wo zunächst keine heterosexuellen Männer, im Jahr 2019 erstmals alle, die sich als feministisch verstehen, teilnehmen durften. Eine gemeinsame Demonstration wurde von beiden Seiten verweigert. Vor dem Hintergrund der weltweit zunehmenden, massenhaften Bewegungen zum Thema Frauenbefreiung und dem Potenzial, das unter einer rechten, schwarz-blauen Regierung auch in Österreich vorhanden gewesen wäre, bezeugt dieses Beispiel die spalterische Rolle der Identitätspolitik.
Es ist nur natürlich, dass viele Menschen und vor allem junge Menschen die herrschenden Normen in unserer Gesellschaft wie jene betreffend Sexualität und Geschlechterrollen hinterfragen. Als MarxistInnen verteidigen wir das Recht aller Menschen, sich so auszudrücken und zu identifizieren, wie sie es möchten. Problematisch ist jedoch, wenn die persönliche Erfahrung von Individuen theoretisiert und zu einem philosophischen Prinzip erhoben wird, das dann auf die ganze Gesellschaft und Natur angewandt wird. Die Queer Theory erzählt uns, dass es progressiv oder gar revolutionär ist, queer zu sein, während es reaktionär sei, sich der „Binarität“ von Mann und Frau unterzuordnen – was die große Mehrheit der Menschheit betrifft. An diesem Punkt zeigt die Queer Theory ihre reaktionäre Seite, denn trotz allem radikalen Gerede gegen Unterdrückung lehnt sie einen gemeinsamen Klassenkampf ab und fördert die Atomisierung der Individuen auf der Basis von sexuellen und persönlichen Vorlieben. Die Arbeiterklasse wird so in immer kleinere Einheiten geteilt. Indes bleibt das verrottete, ausbeuterische und unterdrückerische System des Kapitalismus unangetastet.
Für MarxistInnen wird die Einheit im Kampf nicht kulturell oder identitär begründet und sie ist auch keine moralische Frage. Stattdessen betonen wir die Notwendigkeit der Einheit der Arbeiterklasse, die als einzige Kraft Ausbeutung und Unterdrückung beseitigen kann.
Die Gesellschaft ist im Wesentlichen durch die Art, wie sie produziert bestimmt. Denn die Produktion von Essen, Häusern, Energie – all das, was wir zum Leben brauchen – legt die Basis dafür, wie wir unser Leben gestalten können: Gibt es genug Essen, um sich abgesehen vom nackten Überleben auch um Wissenschaft und Kultur zu kümmern? Kann die Wissenschaft unsere Produktionsmittel weiterentwickeln, sodass wir unseren Arbeitsaufwand verringern und noch mehr Zeit für Forschung, Bildung usw. haben? Diese ökonomische Basis entscheidet darüber, wie wir in unserer Gesellschaft arbeiten und leben und in weiterer Folge, welche Moralvorstellungen, Gesetze oder Werte vorherrschen (wobei die Verbindung zwischen Ökonomie und Moral nicht mechanisch ist, wie gerne von Marx-GegnerInnen behauptet wird, sondern dialektisch).
Wir stellen fest, dass die Gesellschaft in unterschiedliche Klassen geteilt ist, die nicht kulturell oder einfach durch „arm” und „reich” definiert sind (das ist eine Folge der Klassenzugehörigkeit einer Person), sondern die sich dadurch bestimmen, welche Rolle man im Produktionsprozess einnimmt.
Im Kapitalismus verlaufen die wesentlichen Trennlinien zwischen der Kapitalistenklasse – jenen, die die Produktionsmittel besitzen – und der Arbeiterklasse, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um von ihrem Lohn zu überleben. Der große Widerspruch des Kapitalismus besteht darin, dass die Mehrheit der Menschheit, die ArbeiterInnen, in Fabriken und Firmen in einer weltweiten Arbeitsteilung gesellschaftlich produziert, der Profit aus dieser Arbeit jedoch privat von einer kleinen Minderheit angeeignet wird, was regelmäßig zu Krisen führt. Denn diese Minderheit der KapitalistInnen produziert in Konkurrenz und der Anarchie des Marktes folgend und nur für ihren eigenen Profit, sodass die Ressourcen der Gesellschaft nicht für ein gutes Leben für alle eingesetzt werden können. Diese Ausbeutung ist die entscheidende Basis der Unterdrückung und Diskriminierung. Sozialismus bedeutet, den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung aufzuheben, indem wir die Produktion unseres Lebens auch unter unsere eigene, gesellschaftliche Kontrolle stellen, das heißt die parasitäre Minderheit der KapitalistInnen enteignen.
Es folgt hieraus, dass die Einheit der Arbeiterklasse unabhängig von Herkunft, Weltanschauungen oder Geschlecht besteht, nämlich darin, dass sie als diejenige, die keine Produktionsmittel besitzt – und nichts zu verlieren hat als ihre Ketten – ein gemeinsames Interesse hat. Die Macht der Arbeiterklasse, wenn sie geeint auftritt, ist unaufhaltbar: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will! Das sieht man bei jeder großen Streikbewegung, bei der einige Tausend Menschen in zentralen Wirtschaftssektoren (etwa Transport, Energie oder Telekommunikation) die ganze Gesellschaft zum Stillstand bringen können.
Das gemeinsame Interesse der Arbeiterklasse ist in den Verhältnissen angelegt: es ist objektiv im Interesse der ArbeiterInnen, bessere Löhne, kürzere Arbeitszeiten oder hochwertige soziale Absicherungen zu erhalten; die KapitalistInnen haben gegenteilige Notwendigkeiten, da dies auf Kosten ihrer Profite ginge. MarxistInnen handeln so, dass dieses gemeinsame Interesse der Arbeiterklasse so bewusst wie möglich gemacht wird, um ihre Einheit zu stärken. Denn nur gemeinsam können wir das ausbeuterische System in dem wir leben stürzen. Daher kämpfen MarxistInnen entschlossen gegen jede Form von Spaltung, das heißt gegen rassistische und sexistische Vorurteile von PolitikerInnen genauso wie von den eigenen ArbeitskollegInnen. Wir sind gegen jede Form der Diskriminierung. Doch anders als die Identitätspolitik verstehen wir die Interessen verschiedener Geschlechter, sexueller Orientierungen u.ä. nicht als widersprüchlich und sich gegenseitig ausschließend – ganz im Unterschied zu den unterschiedlichen Klasseninteressen, die sich grundsätzlich unversöhnlich gegenüberstehen (das heißt, eine Seite muss verlieren, wenn die andere gewinnt).
Objektiv ist die Grundlage dafür gegeben, dass wir alle ein gutes Leben führen, nicht hungern müssen und mit stark reduzierter Arbeitszeit immer noch alle notwendige Arbeit dieser Gesellschaft erledigen können. Es gibt auch alle Voraussetzungen dafür , dass die Reproduktionsarbeit (Kochen, Putzen, Kindererziehung, Pflege …), die heute zu einem wichtigen Teil in der Institution Familie erledigt wird, von der Gesellschaft gemeinschaftlich übernommen wird, indem wir Volksküchen, öffentliche Kinderbetreuungsplätze und ein gutes Gesundheits- und Sozialsystem einrichten. Diese Maßnahmen werden der kapitalistischen Kleinfamilie die materielle Grundlage entreißen, der Familie, die für Frauen ein einengender Käfig ist und die auch die wichtigste Grundlage für die Diskriminierung von allem ist, das sie potenziell gefährdet. Ohne die materiellen Zwänge und Abhängigkeitsverhältnisse könnten sich die menschlichen Beziehungen wirklich frei entfalten. Auch Wissenschaft, Bildung, Kultur und Sprache wären befreit von der Profitlogik und den Interessen der Herrschenden, die uns permanent spalten und kleinhalten wollen; die menschliche Kultur könnte so ungeahnte Höhen erreichen. Die bescheidenen Forderungen von queer-TheoretikerInnen, etwa nach neuen Vokabeln und Freiräumen, zeigen, wie sehr sie sich durch die engen Grenzen des unterdrückerischen Kapitalismus beschränken lassen.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass kulturelle Errungenschaften „automatisch” oder „von selbst” allein dadurch erreicht werden, dass die Großindustrie und Banken enteignet werden. Doch wir müssen das Verhältnis von materieller Basis und Kultur, von Revolution und Sprache sehr präzise fassen.
Der Akt der Revolution bedeutet das Eintreten der Massen in die Geschichte, sie ist der Prozess, in dem die Massen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich nicht länger diktieren lassen, wie sie zu leben haben. In allen historischen Revolutionen haben die werktätigen Massen ungeheure Kreativität entfesselt, die den alten Schutt der Gesellschaft beseitigte.In seinem Text Der Kampf um die Sprachkultur beschreibt der russische Revolutionär Leo Trotzki, wie der Kampf gegen herablassende Beschimpfungen nach der russischen Revolution geführt wurde. In einem völlig rückständigen Land, das gerade erst mit der Aufgabe der Umwälzung der Gesellschaft begonnen hatte, zu einer Zeit, als Sprachphilosophie noch nicht mal ein Begriff war, beschlossen die ArbeiterInnen einer Schuhfabrik namens „Pariser Kommune“ in einer Generalversammlung, das Schimpfen in ihrem Betrieb auszurotten und für Beleidigungen Strafen aufzuerlegen.
„Die Revolution ist“, schreibt Trotzki, „das Erwachen der Menschlichkeit, ihr Fortschreiten, die Zunahme der Aufmerksamkeit gegenüber der eigenen und fremden Würde … Kann man aber – wenn auch brocken- und bruchstückweise – in tagtäglichem Mühen ein neues Leben, das auf gegenseitiger Achtung, auf Selbstachtung, auf kameradschaftlicher Gleichheit der Frau, auf der wahren Sorge für das Kind beruht, gestalten, in einer Atmosphäre, in der das nichts und niemanden schonende herrisch-sklavisch altrussische Schimpfen poltert, grunzt, schallt und tönt? Der Kampf gegen die ‘Ausdrücke’ ist eine ebensolche Voraussetzung der geistigen Kultur, wie der Kampf gegen Schmutz und Läuse die Voraussetzung der materiellen Kultur ist.” (Leo Trotzki: Der Kampf um die Sprachkultur, S. 52–53.)
Dieser Kampf ist nicht geradlinig und einfach, denn das Bewusstsein entwickelt sich in Sprüngen, wie Trotzki beschreibt:
„Da ist einer ein aufrichtiger und treuer Kommunist, die Frauen aber sind für ihn ‚Weiberpack‘ (was für ein widerliches Wort!), von dem man gar nicht ernsthaft reden kann.”
Der Kampf um eine genossenschaftliche, menschenwürdige Kultur ist nach der Revolution also keinesfalls erledigt – doch durch sie werden die Bedingungen geschaffen, unter denen der gemeinsame, solidarische Kampf für eine solche Kultur frei und selbstbestimmt geführt werden kann. Dies wurde nach der Russischen Revolution auch aktiv organisiert und Revolutionärinnen im ganzen Land starteten massive Bildungsprogramme (die sogenannte Zhenodtel Bewegung, die von Stalin 1930 abgedreht wurde). In einer Rede auf der „Dritten All-Unions Konferenz zum Schutz der Mütter und Kinder” (1925) sagte Trotzki über die Rolle der Revolutionärinnen, dass sie der „moralische Rammbock” sein müssen, der in der Hand der sozialistischen Gesellschaft den Konservativismus und die alten Vorurteile durchbricht, und dass es die Pflicht eines jeden Kommunisten und einer jeder Kommunistin ist, sie dabei mit aller Kraft zu unterstützen.
„Diese Aufgabe ist wiederum furchtbar kompliziert und nicht allein durch Schul- und Literaturmittel lösbar, denn die letzten Wurzeln der Gegensätze und der psychischen Unstimmigkeit liegen in der Zerrüttung und dem Chaos des Seins: Denn das Bewusstsein wird ja letzten Endes durch das Sein bestimmt. Man muss darum an die Lösung der Aufgabe von verschiedenen Seiten her und unter anderem auch von jener Seite her herantreten, von der aus es die Arbeiter der Fabrik ‚Pariser Kommune‘ taten.” (Ebd. S. 58)
Es liegen Welten zwischen einer vom Management abgesegneten, symbolpolitischen LGBT-Kampagne, bei der die Ausbeutung samt der psychischen Entfremdung von uns selbst fortgeschrieben wird, und den ArbeiterInnen der Schuhfabrik „Pariser Kommune“, die solidarisch über ihre Arbeitsbedingungen – einschließlich der Sprachkultur! – selbst bestimmen. Welche Maßnahme nachhaltiger und gründlicher wirken wird, ist unschwer vorstellbar.
Der Wunsch nach einer menschenwürdigen Kultur und Sprache ist verständlich und richtig – doch die politische Orientierung darauf, eine neue Sprache der Gleichheit zu schaffen und dabei die soziale Ungleichheit unangetastet zu lassen (so wie es beispielsweise Nancy Fraser im oben angeführten Zitat tut) ist eine gefährliche Illusion und eine Sackgasse. Aus dem solidarischen Kampf um die Befreiung, der unser Bewusstsein verändert und unsere Vorurteile zerschlägt, der die monströse Diskriminierung, den Rassismus und Sexismus, die Gewalt und die Degradierung von Frauen und Minderheiten auf den Müllhaufen der Geschichte befördert, entsteht eine neue, eine menschliche und wirklich freie Kultur.
Unsere bisherige Ausführung hat gezeigt, dass angefangen bei dem Verständnis davon, was die Welt ist, über die Frage, wie (oder ob) man die Welt verändern kann, bis zu den praktischen Schlussfolgerungen daraus, die Queer Theory nicht mit dem Marxismus vereinbar ist. Dennoch gibt es immer wieder Versuche, sie miteinander zu verknüpfen und als kompatibel darzustellen.
Selten sind diese Versuche mehr als ein plumper Versuch, sich das Label des Marxismus für ein wenig radikale Glaubwürdigkeit zu stehlen und ihn komplett zu verdrehen. Doch es gibt auch einige Linke, die die Bezeichnung „queer Marxismus” aus einer ehrlichen Überzeugung heraus argumentieren.
Das häufigste Argument dabei ist, dass dem Marxismus „etwas fehlen” würde, weil er die spezifische Unterdrückung von Sexualitäten nicht erfassen könne. Entgegen diesem Vorwurf sollte der bisherige Artikel ausreichend Gegenargumente geliefert haben.
Ein weiteres beliebtes Argument ist allerdings jenes der Taktik: Man will auf festen marxistischen Füßen stehen, aber damit der Marxismus für Menschen aller Identitäten attraktiver wird, und angesichts seines schlechten Rufs, solle man ein deutliches Signal senden, indem man sich als „queerer Marxist” bezeichnet. Im schlimmsten Fall gelte immer noch das Motto: hilft’s nix, schad’s nix.
Eine relativ ausführliche Darlegung dieser Argumentationsweise liefert Holly Lewis in ihrem Buch The Politics of Everybody (2016), auf das wir daher repräsentativ kurz eingehen werden.Holly Lewis schreibt recht verlegen, dass sie den „alten, unmodernen Ansatz des Marx’schen Materialismus” vorschlägt, einschließlich seiner Orientierung auf die Arbeiterklasse, um so die Welt zu verändern (vgl. Lewis: The Politics of Everybody [künftig abgekürzt als ‘Lewis’], S. 91, eigene Übersetzung.).
Ihr Buch hat sie geschrieben, um auch queer- und feministischen AktivistInnen den Marxismus schmackhaft zu machen, und umgekehrt MarxistInnen mit der Politik und den Ursprüngen der feministischen, queer und trans-Politik vertraut zu machen. (Vgl. Ebd. S. 14.)
Queerer Marxismus wirkt auf den ersten Blick vielleicht wie eine gute Idee, um queere Menschen für den Marxismus zu gewinnen und mit in den Kampf gegen Kapitalismus einbeziehen. Doch zwangsläufig führt das Zugeständnis eines „queeren” Marxismus zu dem Bedürfnis, diesen von dem ganz einfachen „nur-Marxismus” abzugrenzen – um eben zu rechtfertigen, warum es einen „queeren Marxismus” braucht. Und hier öffnet sich ein Spalt, und die Tür, durch die klassenfremde Ideen und ideologische Zugeständnisse einsickern, ist geöffnet.
Nachdem Holly Lewis über ein gutes Drittel des Buches die Grundlagen des Marxismus vermitteln möchte, kommt sie schließlich zu genau diesem Punkt. Als feministische queer-Marxistin möchte sie internationale queer, trans und intersex Perspektiven in die materialistische, marxistische Analyse von biologischem und sozialem Geschlecht einfließen lassen. (Vgl. Ebd. S. 107.)
Und was sind diese speziellen Perspektiven, die spezifische Unterdrückungsformen aus ihrer Sicht besser erklären können, als der „stinknormale“ Marxismus? Hier werden die ganzen alten Argumente wieder ausgepackt, dass Marx und Engels als Kinder ihrer Zeit natürlich schon sexistisch gewesen seien, aber Engels sogar noch ein bisschen sexistischer als Marx. Dann konstruiert sie, wie Revisionisten es sehr oft tun, einen angeblichen Widerspruch zwischen Marx und Engels, da Letzterer die Frauenunterdrückung nicht richtig erfasst habe, was sein Buch Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates bezeuge. Sie lehnt das marxistische Verständnis von der Rolle der Familie im Kapitalismus ab und weicht schrittweise die Grundlagen des Marxismus, einschließlich seiner historisch-materialistischen Analyse, auf. Im Bezug auf die Geschlechterfrage landet sie so schließlich bei vagen und unklaren Formulierungen über die (In-)Existenz von Geschlechtern.
Aber selbst auf dieser philosophisch verwischten Basis ist es ihr fast unmöglich, irgendeinen Aspekt der Queer Theory positiv aufzugreifen – doch sie findet einen Strohhalm, nach dem sie greift: das Konzept von der Performance, das besagt, dass Geschlechterrollen durch wiederholte Handlungen internalisiert werden.
„Weit davon entfernt mit der materialistischen Analyse unvereinbar zu sein, lässt sich Butlers Beitrag schön mit Fields* Konzeption von Ideologie als einer Wiederholung von Handlungen vermischen, Handlungen, die ihren Ursprung in sozialen Beziehungen haben, aber durch Gewohnheit, Erfahrung, und die Organisationslogik einer gegebenen Gesellschaft normalisiert werden.” [*Barbara Fields, auf die sich Lewis hier bezieht, ist eine Sozialwissenschaftlerin mit Fokus auf Rassismus-Forschung.] (Ebd. S. 199.)
Und so werden der Marxismus und die Queer Theory nicht als sich gegenseitig ausschließend und unterschiedlichen Klasseninteressen dienend dargestellt, sondern als ein friedliches Miteinander, wo man sich einzelne Zutaten ausborgen und sie wahllos vermengen kann.
Der Marxismus bildet eine Reihe von, aus der Natur abgeleiteten, Gesetzmäßigkeiten ab. Das heißt, je mehr Einblick wir in die Natur gewinnen, desto besser können wir diese Gesetzmäßigkeiten entwickeln. Es ist notwendig, die eigenen Analysen stets an der Realität abzutesten und gegebenenfalls abzuändern, sowie neue Phänomene tiefgehend und gründlich zu erforschen. Doch das ist etwas ganz anderes, als vor bürgerlichen Ideologien zu kapitulieren und Kompromisse mit dem Idealismus einzugehen.
Der größte Fehler Lewis’ ist nicht, dass sie erklärt, dass Ideologien durch Rituale und Performance in den Köpfen der Menschen verfestigt werden (das ist schließlich eine – wenn auch banale – Tatsache), sondern dass sie von diesem Detail ausgehend die Queer Theory als „Bündnispartner” akzeptabel macht. Letztlich liegt der Hund darin begraben, dass sie kein Verständnis von der Auswirkung bürgerlicher Ideologien für die Arbeiterklasse hat, und davon welche Rolle die bürokratische Führung und die Intellektuellen, die diese Ideologien vertreten, in den Bewegungen und Organisationen der Arbeiterklasse spielen.
Die herrschende Klasse hat viele Wege, die Führungen der Arbeiterbewegung einzukaufen und zu korrumpieren und jene Individuen in der Bewegung zu fördern, die (klein-)bürgerliche Ideologien vertreten und verbreiten. Es gibt Posten im Staatsapparat und in der Regierung zu vergeben, es gibt die „Sozialpartnerschaft” zwischen Kapital und Arbeit, in der sich BürokratInnen der Gewerkschaften und Arbeiterparteien auf Augenhöhe mit der Bourgeoisie fühlen. Anstatt die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten, ist die Arbeiterklasse nur die Verschubmasse, die die Bürokratie verwendet, um ihre eigene Position zu verteidigen. Sie dreht Streiks und Arbeitskämpfe auf und ab, wie einen Wasserhahn, um ihre Verhandlungspositionen zu stärken. Kleinbürgerliche Ideologien wie der Feminismus, die vom Klassenkampf ablenken und dabei noch einen linken Anstrich haben, werden von solchen BürokratInnen enthusiastisch aufgegriffen, da sie ihrem eigenen materiellen Interesse sehr gut entsprechen. Die Intellektuellen an Unis, die ihre eigenen Förderungen, Professuren und Forschungsabteilungen verteidigen, entwickeln diese Ideologien, um ihre Tätigkeit zu rechtfertigen, und streuen damit, ob absichtlich oder nicht, AktivistInnen, die nach Antworten suchen, Sand in die Augen.
Im Abstrakten stimmt die Autorin zu, dass Queer Theory & Co reaktionär verwendet werden können und Ausdruck eines ökonomisch in Bedrängnis geratenen Kleinbürgertums sind. Doch welche Rolle diese kleinbürgerlichen Ideologien konkret in der Bewegung spielen, stellt sie nicht dar. Sie dient damit letztendlich als linkes Feigenblatt für den Reformismus und die Bürokratie.
Das zeigt sich, wann immer Lewis über historisch konkrete Ereignisse schreibt, etwa den Verrat der Zweiten Internationale. 1914 stimmten die meisten Arbeiterparteien Europas, die in der damaligen Zweiten Internationale vereinigt waren, in den nationalen Parlamenten den Kriegskrediten für den Ersten Weltkrieg zu und segneten damit den imperialistischen Krieg im Interesse des Kapitals ab. Nur eine Handvoll Revolutionäre, darunter Lenin und Rosa Luxemburg, hielten dieser Welle des Chauvinismus stand. Wie erklärt Lewis diesen historischen Verrat der damaligen sozialdemokratischen Führer?
Die Vertreter der sozialdemokratischen Parteien hätten deshalb dem Ersten Weltkrieg zugestimmt und wären dem nationalistischen Chauvinismus verfallen, weil Eduard Bernstein und Karl Kautsky in ihren Schriften, wie etwa dem Erfurter Programm, die Ideen von Karl Marx politisch verflacht hätten …und „solche Verzerrungen brachten die Mitglieder der Zweiten Internationale schließlich dazu, dafür zu stimmen, dass die sozialistischen Parteien ihre jeweiligen Nationen im Ersten Weltkrieg unterstützen.” (Ebd. S. 63.)
Diese Darstellung stellt jedoch die Realität auf den Kopf, denn sie ignoriert, vor welchem Hintergrund die Entstellung des Marxismus damals stattfand. Damals hatte eine Schicht von Bürokraten es sich im Parlament bequem eingerichtet und angesichts einer längeren Periode des Wirtschaftswachstums die Revolution für überflüssig erklärt. Dieser Verrat war nicht nur ein Missverstehen der reinen Lehre des Kapitals, nicht einfach ein ideologischer Wettstreit auf gleichem Terrain, sondern war der Ausdruck einer bürokratischen Schicht in den Arbeiterparteien, die lieber ein wohlgenährtes Leben als Parlamentarier führen wollten, als einen harten Konflikt bis hin zum revolutionären Krieg gegen „ihre” Kapitalisten zu führen. Das Resultat war nicht ein einfaches ideologisches „Hoppala“, sondern bedeutete die Absegnung der Massenabschlachtung von ArbeiterInnen im Krieg, und in weiterer Folge den Verrat der zahlreichen revolutionären Bewegungen – in Deutschland, Österreich, Ungarn usw. – nach dem Krieg. So wurde die Chance eines internationalen Sozialismus, der zum Greifen nah war, in Blut ertränkt und führte letztendlich Europa in den Faschismus.
Auch in Lewis’ Beschreibung der Gewerkschaften in den 1980er und 1990er Jahren in den USA tritt diese, den Reformismus deckende Haltung, deutlich hervor. Sie will begründen, warum die traditionellen Organisationen der Arbeiterklasse so wenige queer und trans-Personen organisieren konnten, und schreibt:
„Der Fehler liegt vielleicht nicht in der Politik oder Gewohnheit der Gewerkschaften und Organisationen, sondern in der Tatsache begründet, dass der Einfluss von Arbeiter- und sozialistischen Organisationen auf die Arbeiterklasse unter dem Eindruck des Neoliberalismus einen schwindenden Einfluss hatten. Ironischerweise können Queer- und Transpersonen der Arbeiterklasse die Arbeiterklasse-Politik transformieren, indem sie die zerfallenden Strukturen der Arbeitermacht stärken.” (Ebd. S. 165.)
Und:
„Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland führte zu einem Sinken der Gewerkschaftsmitgliedschaft in den 1980er und 1990er Jahren… Bei allen Unzulänglichkeiten der amerikanischen, der Geschäftsführung nahestehenden, Gewerkschaften hätte es eine starke, internationale Gewerkschaftsbewegung gebraucht, um den Neoliberalismus herauszufordern.” (Ebd. S. 208-9.)
Achten wir hier genau auf ihre Argumentation, warum die Gewerkschaften Mitglieder verloren: Laut ihr sei dies aufgrund des Neoliberalismus passiert, der die Gewerkschaften mit Drohungen der Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland unter Druck setzte; als zweites schwerwiegendes Problem wird die schwache internationale Gewerkschaftsbewegung genannt, und erst danach ist irgendwie auch die US-amerikanische Gewerkschaftsführung mit ihrer den Bossen wohlgesinnten Haltung in die Pflicht zu nehmen. Diese Darstellung bedeutet in Wahrheit, dass jeder Kampf sowieso zwecklos ist und schützt die rechte Bürokratie der Gewerkschaften, die in einer Reihe von Angriffen der Bosse und der Regierung stumm danebenstand.
PATCO-Streiik der Fluglotsen 1981. Foto: Georgia State University Library PATCO archives.
Als etwa die Reagan-Regierung 1981 auf skandalöse Weise den PATCO-Streik der Fluglotsen mit Einsatz von StreikbrecherInnen aus dem Militär und darauffolgendem Berufsverbot für 19.000 ArbeiterInnen brach, erwog die Führung der AFL-CIO (der größte Gewerkschaftsdachverband der USA) nicht einmal, Solidaritätsstreiks zu organisieren. 1995 schloss die Führung der AFL-CIO ihre internationale Abteilung und wandelte sie in ein „Solidaritätscenter” um, das 90% ihres Geldes vom Staat erhielt und 2002 den Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Venezuelas, Hugo Chavez, unterstützte – sie trugen also zu dem von Lewis beklagten schlechten Zustand der internationalen Arbeiterbewegung direkt bei! Es flossen in den 1990er Jahren mehr Gewerkschaftsgelder in die Parteimaschinerie der Demokraten in den USA, als in Maßnahmen zur gewerkschaftlichen Organisierung von ArbeiterInnen. Und die Liste ließe sich fortsetzen. Es zeigt sich deutlich: Jede Argumentation, die die spezifische Rolle der Bürokratie ignoriert, deckt damit automatisch deren verräterische Haltung.
Dieses Unverständnis von realen Bewegungen und ihren Führungen, und welchen Hilfsdienst (klein-)bürgerliche Ideologien für konterrevolutionäre Interessen in der Bewegung spielen, führt zu dem Trugschluss, dass es sich bei der Frage „Queer Theory oder Marxismus” um einen fairen Wettstreit von neutralen Ideen handle.
Aber der Druck des Kapitalismus lastet nicht nur auf Diskriminierte und von Unterdrückung Betroffene, sondern auch auf RevolutionärInnen. In den Gewerkschaften werden kritische Betriebsräte isoliert, in den Arbeiterparteien werden MarxistInnen diffamiert oder ausgeschlossen, und im Berufsleben ist es tendenziell kein gutes Empfehlungsschreiben, Mitglied einer revolutionären Organisation zu sein. Standhaft die Ideen des Marxismus zu verteidigen, ist für die Arbeiterklasse mitentscheidend für den Sieg oder die Niederlage einer Revolution – aber dies wird einem von allen Seiten erschwert. AkademikerInnen, die im Namen neuer, trendy Ideen den Marxismus seines revolutionären Inhalts zu berauben versuchen, dienen nicht nur der herrschenden Klasse direkt, indem sie ungefährliche Aspekte z. B. des Feminismus aufgreifen. Auch die reformistischen FührerInnen der Gewerkschaften und Arbeiterparteien haben die Kunst perfektioniert, nach innen radikale Reden zu schwingen, wenn es von ihnen verlangt wird, und nach außen die besten Diener des Kapitals zu sein.
Der gemeinsame Kampf ist die wichtigste Waffe, die die Arbeiterklasse besitzt, und die uns befreien kann. Der Marxismus verteidigt diese Einheit konsequent bis zum Schluss – Marxismus bedeutet daher den Einbezug aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlecht, Identität, Religion usw., in den Kampf gegen die herrschende Klasse, den Kapitalismus und jede Unterdrückung. Jede Ideologie, die zu einer Praxis führt, die diesen Kampf blockiert, verlangsamt oder verunmöglicht, wird von uns jedoch abgelehnt, egal wie „modern“ oder radikal sie sich geben mag. Und die Queer Theory ist eine genau solche Ideologie.
Die „Verbesserung” des Marxismus durch queere oder feministische Zusätze bedeutet die ideologische Durchlöcherung des Marxismus. Das Durchlöchern dient letztlich nicht dazu, Menschen verschiedener Identitäten und sexueller Orientierungen für unsere Bewegung zu gewinnen, sondern dazu, (Klein-)BürgerInnen einen Deckmantel zu geben, den sie sich überwerfen können, um so klassenkämpferische Bewegungen für ihre eigenen Interessen zu missbrauchen.
Für die Befreiung der Menschheit von jeder Ausbeutung und Unterdrückung ist daher eine Verwischung der Trennlinien zwischen der Queer-Theorie und dem Marxismus Gift. Stattdessen ist ein entschiedener Kampf auf der Basis des Marxismus gegen diese karrieristischen, (klein-)bürgerlichen Einflüsse in der Bewegung notwendig. Nur wenn wir mit den Bürgerlichen auf allen Ebenen brechen – in der Ideologie genauso wie in der daraus fließenden Praxis der Klassenkollaboration und der Korruption durch Staatsgelder und -posten können wir den Kapitalismus überwinden und unser Schicksal in unsere eigenen Hände nehmen.
Wir laden alle AntikapitalistInnen dazu ein, sich uns dabei anzuschließen.
[1] „Das Interesse an Nietzsche und Bataille bedeutete für uns keine Distanzierung vom Marxismus oder Kommunismus. Es war vielmehr der einzige Zugang zu dem, was wir vom Kommunismus erwarteten. … Das war der Grund, warum ich mich 1950 – ohne große Marx-Kenntnisse, aus Ablehnung des Hegelianismus und aus einem Gefühl des Unbehagens am Existentialismus – der französischen kommunistischen Partei anschließen konnte.” Michel Foucault: Gespräch mit Ducio Trombadori, S. 1595.
[2] Mit butch und femme ist die Darstellung von ‘maskulinen’ und ‘femininen’ Frauentypen, v.a. in lesbischen Beziehungen, gemeint.
[3] Wenn sich eine Frau als Mann verkleidet und umgekehrt.
Titelbild: DaddyCell
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