Was für ein riesiger Erfolg! Am vergangenen Wochenende nahmen 216 ArbeiterInnen, SchülerInnen oder Studis an der «marxistischen Herbstschule» in Bern teil, um sich im Marxismus zu bilden und auf die Weltrevolution vorzubereiten. Das ist der grösste Event, den die Schweizer Sektion der International Marxist Tendency je organisiert hat. Die Kräfte des Marxismus sind auf dem Vormarsch! Hier findest du die Sessions zum Nachschauen.
Das Motto der diesjährigen Herbstschule lautete: «Marxismus studieren, die Weltrevolution vorbereiten!». Bereits die erste Session machte deutlich, dass dies keine blossen Worthülsen sind. Es trifft den Kern der Sache.
Die tiefe Krise des kapitalistischen Systems führt weltweit zu riesiger sozialer und politischer Instabilität. Das bereitet überall den Boden für die Revolution. Niklas Albin Svensson von der Redaktion von marxist.com in London strich im Eröffnungsplenum die grundlegenden Tendenzen der aktuellen Situation heraus.
Er zeigte eindrücklich, wie die Basis des ganzen Chaos von Inflation, Kriegen und Regierungskrisen wie in Grossbritannien oder Italien in den ökonomischen Widersprüchen des kapitalistischen Systems liegen. Die herrschende Klasse steckt in einer Sackgasse. Um die Inflation zu bekämpfen, wurden die Leitzinsen erhöht und damit das Risiko einer Rezession stark verstärkt. Nun stehen wir vor einer Rezession und die Inflation ist doch noch immer unverändert hoch, wie das Beispiel Grossbritannien zeigt.
Diese Situation bedeutet für die Massen der Arbeiterklasse heftige Angriffe auf ihre Lebenssituation. «Heat or eat» ist die erzwungene Wahl vieler Familien in diesem Winter: Sie müssen sich entscheiden, ob sie ihr Einkommen auf das Heizen der Wohnung oder aufs Essen verwenden.
Diese Entwicklungen haben riesige Auswirkungen auf das Bewusstsein der Massen. In einem Land nach dem anderen tritt die Arbeiterklasse in den Kampf. Sei es in den Streikwellen in Grossbritannien oder Frankreich oder in revolutionären Massenbewegungen wie im Iran.
Der Marxismus ist das einzige Werkzeug, das uns erlaubt, diese Entwicklungen zu verstehen und einen Ausweg zu erkennen. Uns auf die Revolution vorzubereiten heisst, diese mächtigen Ideen zu studieren!
Die Mehrheit der Teilnehmenden war zum ersten Mal an einer marxistischen Herbstschule. Viele haben uns MarxistInnen von der IMT in den vergangenen Monaten bei einer unserer zahlreichen Interventionen in Demos, an den Unis und Schulen kennengelernt.
Die hohe Teilnehmerzahl ist einerseits Ausdruck der intensiven und geduldigen Aufbauarbeit der MarxistInnen. Sie ist andererseits Ausdruck der Tatsache, dass eine ganze Schicht offen ist für die revolutionären Ideen des Marxismus.
Die aktuelle Situation ist schwanger mit revolutionären Entwicklungen. Besonders in der Jugend radikalisiert sich eine ganze Generation. Sie ist dabei, revolutionäre Schlussfolgerungen zu ziehen.
Deswegen diente diese Herbstschule der Klärung der zentralen Grundsatzfragen in dieser Schicht. Welche Ideen brauchen wir, um den Kapitalismus zu stürzen? Mehrere Sessions waren Auseinandersetzungen gewidmet mit den wichtigsten ideologischen Strömungen, die aus gewissen Gründen heute eine Anziehungskraft auf die Jugend ausüben.
Es ist die Auffassung unserer Organisation, dass diese anderen Strömungen Drücke der bürgerlichen Gesellschaft reflektieren. Egal wie gut die Absichten ihrer VertreterInnen sein mögen, bleiben sie doch unfähig, mit dem kapitalistischen System zu brechen. Was wir brauchen, sind die Ideen des Marxismus, der sich bedingungslos auf den Standpunkt der Arbeiterklasse stellt und damit den einzigen Ausweg aus dem Kapitalismus erkennt: die sozialistische Revolution durch die Arbeiterklasse.
Die Queer Theorie hört sich radikal an, weil sie die herrschenden Normen in den Fragen von Geschlecht oder Sexualität grundlegend verwirft. Yola Kipcak vom Funke in Österreich zeigte in ihrem Referat «Marxismus vs. Queer Theorie» jedoch überzeugend auf, dass hinter den radikalen Phrasen wenig Radikales steckt. Sie helfen uns nichts, wenn wir Geschlechterunterdrückung tatsächlich überwinden und in eine Gesellschaft kommen wollen, wo wir selbst über Körper und Sexualität bestimmen können. Diese Ideen beruhen auf der komplett verkehrten philosophischen Methode des subjektiven Idealismus. Sie ignorieren und verschleiern die wirklichen Grundlagen der Unterdrückungsverhältnisse. Entsprechend dankbar werden sie von der herrschenden Klasse aufgenommen, um sich einen progressiven Anstrich zu geben und die einzige Kraft zu spalten, die tatsächlich die Macht hat, jegliche Formen von Unterdrückung zu überwinden: die Arbeiterklasse.
In einer weiteren Session zu «Marxismus und Frauenbefreiung» zeigte Olivia Eschmann dann in der Tiefe auf, wo Frauenunterdrückung herkommt, wie sie mit der Klassengesellschaft zusammenhängt und warum wir zwangsweise den Kapitalismus stürzen müssen, wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Frauenbefreiung. Die Diskussion strotzte nur so von inhaltlich fundiertem Kampfgeist. Sie wurde abgeschlossen mit tosendem Applaus und Standing Ovation.
Eine andere Grundsatzfrage der Arbeiterbewegung lautet seit über einem Jahrhundert «Reform oder Revolution?». Auch wenn sich gerade eine ganze Generation radikalisiert, so ist doch sehr nachvollziehbar, dass eine Revolution vielen noch als «unmöglich» erscheint. Sind schrittweise Reformen des Kapitalismus nicht realistischer als eine sozialistische Revolution? Gestützt auf die theoretische Widerlegung des Reformismus durch die grosse revolutionäre Kämpferin Rosa Luxemburg, legte Sereina Weber ausführlich dar, warum das eine schädliche Illusion ist und wieso der Kapitalismus nicht reformiert werden kann.
Auf der anderen Seite stösst gerade der Verrat der reformistischen Führungen der Arbeiterbewegungen, die es sich gemütlich im bürgerlichen Parlament eingerichtet haben, bei Teilen der sich radikalisierten Jugend auf völlig korrekte Ablehnung. Genau das macht neben dem Marxismus auch den Anarchismus heute wieder attraktiv. Die Session «Marxismus vs. Anarchismus» klärte deshalb eine brennende Frage. Jannick Hayoz zeigte, dass der Anarchismus seinem eigenen revolutionären Anspruch nicht gerecht wird. Letztlich beschränkt er seine ganze Herangehensweise auf eine blosse moralistische Ablehnung des Bestehenden, die ihn in der Praxis daran hindert, seine eigenen Ziele zu erreichen.
Das Plenum am Samstagabend war der hochaktuellen Frage von Krieg und Imperialismus gewidmet. In der Session «Marxismus vs Pazifismus» zeigte Caspar Oertli, dass Krieg eine notwendige Konsequenz des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium ist. Abstrakte Formeln der Ablehnung von Gewalt und Krieg sind nicht nur unzureichend, sie schlagen in den entscheidenden Momenten der Geschichte in ihr reaktionäres Gegenteil um. Das zeigt die aktuelle Unterstützung des westlichen Imperialismus und Militarismus im Ukraine-Krieg durch die pazifistische und reformistische Bewegung. Proletarischer Internationalismus ist die einzige Antwort auf die imperialistischen Kriege. Nur der Sturz des Kapitalismus kann diesen Kriegen ein Ende bereiten!
All jene, die übers ganze Wochenende teilnahmen, konnten einen guten Eindruck davon gewinnen, wie die marxistischen Antworten auf diese verschiedenen grossen Fragen alle Teil einer einzigen einheitlichen und kohärenten Auffassung sind. Das waren keine separaten Sessions zu spezifischen Themen, die unterschiedlichen Ansätzen folgten und sich gegenseitig widersprechen.
Und das ist kein Zufall. Die Stärke des Marxismus kommt daher, dass ihm eine einheitliche und systematische philosophische Methode zugrunde liegt. Nur mit einem tiefen Verständnis der marxistischen Theorie sind wir fähig, den bürgerlichen Drücken nicht zu verfallen. Das ist der Grund, warum die International Marxist Tendency der theoretischen Bildung so eine zentrale Bedeutung beimisst.
Deswegen durften auch einführende Sessions zu den philosophischen und ökonomischen Grundlagen des Marxismus nicht fehlen. Beide wurden gut besucht und zeigten den Durst nach der marxistischen Theorie.
Dank der fleissigen Arbeit des Organisationskomitees und der Mithilfe der ganzen Schweizer IMT-Sektion, lief der Event organisatorisch reibungslos ab – so reibungslos, dass sich alle Anwesenden, Organisationskomitee inklusive, während den Sessions voll auf die politischen Inhalte konzentrieren konnten.
Auch die Pausen wurden rege genutzt, um die politischen Punkte gleich zu verarbeiten und mit den vielen Menschen zu diskutieren, die man neu kennenlernen konnte. Auch am Samstagabend, nach Ende des ersten Tages, wurde noch bei einem Getränk gemütlich weiterdiskutiert und Arbeiterlieder gesungen.
Die gesamte marxistische Herbstschule war geprägt von einer beeindruckenden Entschlossenheit. Der Wille, die mächtigen Ideen des Marxismus zu erlernen, zeigte sich in der konzentrierten Stimmung. Alle hatten ihre Notizbücher dabei und notierten sich, was sie lernten. Das ist der Spirit von echten RevolutionärInnen, die sich auf die Weltrevolution vorbereiten!
Der riesige Enthusiasmus kulminierte am Sonntag im Abschlussplenum zur revolutionären Bewegung im Iran und zu unseren Aufgaben hier in der Schweiz. Die Bewegung, die nach dem Mord von Jina Amini, ausbrach, hat das Potenzial, sich zu einer Revolution zu entwickeln.
Alle waren beeindruckt von den weit fortgeschrittenen Schlussfolgerungen, zu denen diese Bewegung der Frauen, Jugend und ArbeiterInnen bereits gelangt ist. Das ist Inspiration pur für uns alle. Und das ist die Kraft, auf die wir MarxistInnen uns stützen: die Einheit der Arbeiterklasse, die nichts stoppen kann, wenn sie sich organisiert und in Bewegung kommt!
Die Diskussion zeichnete den langen historischen Bogen, um den Charakter des reaktionären iranischen Regimes zu verstehen. Ein Schlüsselmoment in dieser Geschichte war die iranische Revolution 1979. Die Lektionen dieser Bewegung sind absolut entscheidend für die heutige Bewegung und unsere Aufgaben weltweit: Die heroischen Massen der Arbeiterklasse können unzählige Regimes stürzen, aber wenn im entscheidenden Moment der Machtübernahme keine Führung da ist, die ein revolutionäres Programm in die Bewegung trägt, wird diese Revolution scheitern.
Am Ende wurde das Referat von Dersu Heri von der Funke-Redaktion immer wieder unterbrochen von Ausbrüchen des Applauses. Sie endete mit einer langen Standing Ovation unter tosendem Applaus, der ins gemeinsame Singen der «Internationalen» und schliesslich in laute Sprechchöre «Hoch die internationale Solidarität!» übergingen. Wir alle brennen vor Inspiration durch den heroischen Kampf der Massen und der Arbeiterklasse im Iran.
Was im Iran geschieht, ist Ausdruck der gleichen Krise des Kapitalismus, die die ganze Welt erfasst. In jedem einzelnen Land, auch in der Schweiz, ziehen immer mehr Menschen revolutionäre Schlussfolgerungen – allen voran die Jugend! Es ist kein Zufall, dass wir von der IMT heute die einzigen Optimisten in einer niedergehenden Gesellschaft sind. Der Schlüssel liegt in der marxistischen Theorie. Wir haben vollstes Vertrauen in die mächtige Kraft der Arbeiterklasse und erkennen, dass der Weg zum Sozialismus heute weit offen steht.
Wir sind in eine Periode der Weltrevolution eingetreten – und wir müssen uns vorbereiten! Niemals war es klarer, dass wir in den heutigen Zeiten der organischen Krise des Kapitalismus in unserem Leben nichts Wichtigeres zu tun haben, als die Kräfte des Marxismus aufzubauen. Sozialismus zu unseren Lebzeiten! Das ist es, wofür wir stehen und kämpfen!
Noch vor Ort haben 19 angehende MarxistInnen ihren Willen erklärt, sich der IMT und dem Aufbau des Marxismus anzuschliessen! 15 weitere werden an Sitzungen von Ortsgruppen teilnehmen, um unsere alltägliche Arbeit besser kennenzulernen. Weitere 35 werden sich in Lesekreisen treffen, um gemeinsam mit der IMT die Grundlagen des Marxismus zu erlernen, die wir brauchen für den Aufbau der revolutionären Organisation!
Die marxistische Herbstschule 2022 war ein Meilenstein für den Marxismus in der Schweiz. Es war der wichtigste Event für den Aufbau der marxistischen Kräfte in der Deutschschweiz im gesamten Jahr 2022. Er wird nur übertroffen werden von den vielen Events in der nahen Zukunft. Der Marxismus ist auf dem Vormarsch!
Vorwärts Genossinnen und Genossen!
«Die Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!»
Die Redaktion, Der Funke
12.11.2022
Am Wochenende vom 26. & 27.11. wird in Genf das französischsprachige Pendant zur «marxistischen Herbstschule» stattfinden: Die «Ecole marxiste internationale». Sie wird gemeinsam organisiert von den französischsprachigen Sektionen der IMT (Schweiz, Frankreich, Belgien, Kanada). Jetzt anmelden unter www.ecolemarxiste.com!
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