Wir erklären, warum die heute so dominante «Identitätspolitik» Frauen, LGBT oder Schwarze nicht von der Unterdrückung befreien kann – egal wie radikal ihre Rhetorik manchmal sein mag. Was wir brauchen, sind die Methoden des revolutionären Klassenkampfes.
Die Krise des Kapitalismus gibt uns 1001 Gründe, in den Kampf zu treten gegen dieses verrottete System und seine schlimmsten Auswüchse. Dazu gehören all die verschiedenen Formen von Unterdrückung, die tief in der Klassengesellschaft verwurzelt sind: Frauenunterdrückung, Rassismus, Unterdrückung und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und viele mehr.
In den letzten Jahren haben wir weltweit ein Aufblühen der Kämpfe gegen verschiedene Formen der Unterdrückung gesehen, teils mit einem echten Massencharakter. Das ist eine unglaublich inspirierende und gesunde Entwicklung! Sie birgt ein grosses revolutionäres Potenzial in sich. Insbesondere in der Jugend gibt es auch in der Schweiz einen breit verankerten Willen, gegen Frauenunterdrückung und alle Unterdrückung zu kämpfen. Es versteht sich von selbst, dass wir diesen Anspruch bedingungslos unterstützen.
Aber wir müssen auch die folgende Tatsache feststellen: In den Kreisen, die heute in den Bewegungen gegen Unterdrückung den Ton angeben, dominieren Ideen und Methoden, die diese heroischen Kämpfe in eine Sackgasse führen. Wir sprechen von der sogenannten «Identitätspolitik».
Seien wir ganz klar: Wir lehnen diese Ideen nicht deshalb ab, weil wir gegen den Kampf für die Befreiung sind. Ganz im Gegenteil! Gerade weil wir es wirklich ernst meinen mit der Befreiung, ist es unsere absolute Pflicht, all jene Ideen zu bekämpfen, die den Unterdrückten im Kampf für die eigene Befreiung nicht nur nichts zu bieten haben, sondern diesem schaden.
Als Marxisten kämpfen wir gegen alle Formen der Unterdrückung. Aber wir tun das von einem Klassenstandpunkt aus. Wir sagen: Der Kampf gegen Unterdrückung kann nur als Teil des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse siegreich sein. Für den Sturz des Kapitalismus und für den Aufbau des Sozialismus!
Die Identitätspolitik als Mittel zur Bekämpfung von Unterdrückung setzt bei der «Identität» eines Individuums auf der Grundlage von gemeinsamen Erfahrungen der Unterdrückung an: Frauen, Homosexuelle, Transmenschen, Schwarze und People of Colour etc.
Ihre typischen Forderungen sind «Repräsentation» und «Sichtbarmachung» durch Methoden wie Quoten zur Bevorzugung unterdrückter Gruppen («positive Diskriminierung»), gendergerechte Sprache und Ähnliches.
Das Grundproblem der Identitätspolitik kommt von ihrer verkehrten Methode, die wir in der Philosophie als «subjektiven Idealismus» kennen. So basiert die Identitätspolitik auf der Vorstellung, dass nur wer eine bestimmte Unterdrückung selbst erfährt, sie auch verstehen kann: Nur Frauen können Frauenunterdrückung verstehen. Und nur wer sie selbst erfährt, kann auch gegen Frauenunterdrückung kämpfen oder darf darüber sprechen, wie der Kampf geführt werden soll. Doch das ist theoretisch schlicht falsch und hat praktisch extrem schädliche Konsequenzen für den Kampf gegen Unterdrückung.
Es ist falsch zu sagen, dass man Unterdrückung nur verstehen kann, wenn man sie selbst erfährt. Wäre dem so, wie könnte ein Arzt dann eine Krankheit diagnostizieren, die er nicht selbst erfahren hätte? Ein guter Arzt mit einem wissenschaftlichen Verständnis der menschlichen Anatomie kann – auf der Grundlage der Schilderung der Symptome, Labortests etc. – ein Urteil fällen, mit welcher Krankheit wir es zu tun haben, und wie man sie bekämpfen kann. Umgekehrt kann ich an einer Krankheit leiden und weiss genau, wie es sich anfühlt, krank zu sein. Aber ohne wissenschaftliches Medizinstudium habe ich nicht die geringste Ahnung, was für eine Krankheit den Symptomen zugrunde liegt – geschweige denn, wie ich sie bekämpfen kann.
Wenn die Unterdrückung auf die subjektive Erfahrung reduziert wird, ist keine Analyse und kein Verständnis der objektiven, materiellen Ursachen dieser Unterdrückung möglich. Damit ist es offensichtlich auch unmöglich zu wissen, wie wir die Ursachen der Unterdrückung bekämpfen können. Die notwendige Konsequenz ist die absolute Ohnmacht.
Die Stärke des Marxismus liegt dagegen darin, dass er in der Klassengesellschaft die materielle Grundlage und Ursache der Unterdrückung erkennt – und mit ihr die Mittel zur wirklichen Befreiung. Das ist die mächtige theoretische Waffe, die wir brauchen!
Der Marxismus erklärt erstens, dass jede spezifische Form der Unterdrückung nur auf ihrer Klassengrundlage verstanden werden kann. Und zweitens, dass der Sieg im Kampf gegen Frauenunterdrückung nur möglich ist als Teil des Kampfes der ganzen Arbeiterklasse für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus.
Die Gründe dafür sind in ihrer Essenz simpel. Jede Unterdrückungsform hat ihre Eigenheiten und ihre eigenen historischen Ursachen, die wir spezifisch analysieren müssen. Das hat der Marxismus immer getan und hier ist nicht der Platz dafür, die verschiedenen Unterdrückungsformen einzeln anzuschauen. Aber alle Formen der Unterdrückung haben ihre Wurzel und die Gründe für ihre Fortexistenz in der Klassengesellschaft. Menschen unterdrücken einander nicht einfach so.
In allen Klassengesellschaften in der Geschichte lebt eine herrschende Klasse von der Ausbeutung der Arbeit der Massen. Während Erstere im Überfluss leben, haben Letztere kaum das Nötigste zum Überleben. Dieser Mangel und Armut bilden den Nährboden für die Unterdrückung: der Kampf gegeneinander um die Krümel.
Die herrschende Klasse braucht diese Spaltung. Solange es den Kapitalismus gibt, gibt es künstlichen Mangel, der die Menschen spaltet und in die gegenseitige Konkurrenz treibt. Solange die Kapitalisten an der Macht sind, werden sie diese Spaltung aktiv fördern und uns gegeneinander ausspielen, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten. Keine einzige Form der Unterdrückung kann an ihrer Wurzel bekämpft werden innerhalb des Kapitalismus. Das macht aus dem Kampf gegen jede einzelne Unterdrückung eine revolutionäre Frage zum Sturz des Kapitalismus.
Und das stellt direkt die Folgefrage: Welche gesellschaftliche Kraft hat objektiv die Fähigkeit, den Kapitalismus zu stürzen? Darauf gibt es nur eine einzige korrekte Antwort: die Arbeiterklasse. Sie schafft den gesamten Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft und hält dieses System am Laufen. Sie hat deshalb als Kollektiv die potenzielle Macht, sowohl die kapitalistische Profitmacherei zum Halt zu bringen als auch die Produktion ohne die Kapitalisten weiterzuführen und neu zu organisieren: für die Bedürfnisse der Menschen und nicht den Profit!
Deshalb betonen wir die Einheit der Arbeiterklasse. Nur die vereinte Arbeiterklasse kann den Kapitalismus stürzen, der die Massen ausbeutet und in Unterdrückung hält.
Klasse ist damit auch nicht einfach eine weitere «Identität» neben anderen Identitäten. Sie steht weder analytisch noch praktisch auf der gleichen Ebene wie andere Unterdrückungsformen. Sie ist grundlegend für sie. Die Klassenlinien sind die wesentlichen Trennlinien in der Gesellschaft: Sie geben überhaupt erst den Rahmen, in dem sich der Kampf gegen Unterdrückung abspielt.
Natürlich sind die Linien der Unterdrückung nicht identisch mit den Klassenlinien. Einerseits wird beispielsweise die Frauenunterdrückung auch innerhalb der Arbeiterklasse durch Sexismus oder Gewalt reproduziert. Andererseits betrifft Frauenunterdrückung nicht nur Frauen der Arbeiterklasse, sondern Frauen aller Klassen, genauso wie Imperialismus oder Rassismus alle Klassen einer unterdrückten Nation betreffen.
Aber die Bedingungen, unter denen die Menschen verschiedener Klassen leben, sind sehr verschieden – und damit auch ihre objektiven Interessen, Ziele und Kampfmethoden.
Auf der einen Seite haben Männer der Arbeiterklasse objektiv kein Interesse an der Frauenunterdrückung, egal was sie sich selbst einbilden mögen. Sie haben wie die Frauen ein Interesse an der Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Deswegen können und müssen sie auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Klasseninteressen vereint werden. Sexismus und Frauenunterdrückung schaden den männlichen Arbeitern dabei nur selbst.
Auf der anderen Seite haben Frauen der herrschenden Klasse überhaupt kein Interesse am Sturz der Klassengesellschaft. Sie profitieren von ihr. Bürgerliche und kleinbürgerliche Frauen haben denn auch immer in erster Linie für rechtliche Gleichstellung und ihre eigenen «Karrieren» gekämpft. Als Marxisten unterstützen wir jeden Kampf für gleiche Rechte und Freiheiten.
Aber der Kampf der proletarischen Frauen, d.h. der grossen Mehrheit, kann nicht bei solchen rechtlichen Veränderungen stehen bleiben. Ein Recht auf dem Papier bedeutet wenig, wenn man nicht die materiellen Mittel hat, davon Gebrauch zu machen. Was verbessert wirklich die Stellung der arbeitenden Frau in der Gesellschaft? Was reduziert ihre Abhängigkeit vom Mann? Es sind höhere Löhne, Jobsicherheit, die Zurücknahme von Sparmassnahmen, ein kostenloses Gesundheitssystem, längerer Elternurlaub, Kitas, bezahlbarer Wohnraum, etc.
Doch das sind alles Klassenfragen! Die Kapitalistenklasse ist nicht bereit, diese Kosten zu tragen und damit ihre Profite zu schmälern. Und genau das ist der entscheidende Punkt. Sobald es um solche handfesten materiellen Verbesserungen geht, die wirklich die Lebensbedingungen der lohnabhängigen Mehrheit der Frauen verbessern, oder sobald der Kampf mit den proletarischen Methoden von Massenbewegungen, Streiks, Fabrikbesetzungen etc. geführt wird, wollen die bürgerlichen Frauen sehr schnell nichts mehr vom Kampf mit anderen Frauen wissen. Sie entblössen ihr wirkliches Gesicht und zeigen, auf welcher Seite sie stehen: auf der Seite ihrer Klasse – nicht auf der Seite der Mehrheit der Frauen aus der Arbeiterklasse.
In den entscheidenden Fragen und Momenten des Kampfes sind die Klasseninteressen entscheidend und trumpfen immer über die Zugehörigkeit zu einer unterdrückten Gruppe.
Deshalb haben wir nicht das geringste Vertrauen in bürgerliche und kleinbürgerliche Frauen im Kampf gegen Frauenunterdrückung! Wir unterstützen alle Forderungen nach demokratischen Rechten, gegen Sexismus, Gewalt an Frauen und allen Angelegenheiten, die alle Frauen betreffen. Aber wir sind niemals bereit, die Frauenbewegung der Führung bürgerlicher und kleinbürgerlicher Frauen und deren Methoden wie der Identitätspolitik zu unterwerfen.
Der Kampf gegen Unterdrückung kann nur siegreich sein, wenn er mit dem Programm und den Methoden der sozialistischen Arbeiterbewegung geführt wird. Genau in diesem Sinne sagen wir mit voller Überzeugung: Der Kampf gegen die Unterdrückung ist der Klassenfrage immer untergeordnet.
Diese «Unterordnung» bedeutet nicht eine Geringschätzung der Anliegen spezifisch unterdrückter Gruppen. Ganz im Gegenteil! Nur indem wir die Frauenunterdrückung als Teil des grösseren Ganzen der Klassengesellschaft sehen, nehmen wir den Kampf gegen Frauenunterdrückung wirklich ernst und sind fähig ihn zu führen.
Ob es einem gefällt oder nicht, die Wahrheit ist: Frauen können sich nicht als Frauen befreien, Schwarze nicht als Schwarze, LGBT nicht als LGBT – sondern nur als Teil der Arbeiterklasse im gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus, für den Sozialismus.
Die spezifische Unterdrückung losgelöst von der Klassenfrage anzuschauen oder Identität über die Klasse zu stellen, führt dagegen direkt in die hoffnungslose Sackgasse der Identitätspolitik.
Nehmen wir als Beispiel die Gewalt gegen Frauen. Als Marxisten leugnen wir keine Sekunde, dass Frauen von Männern geschlagen werden – auch in der Arbeiterfamilie. Blenden wir den grösseren Zusammenhang der Klassengesellschaft jedoch einfach aus, dann bleibt notwendigerweise nichts anderes übrig, als bei dieser Feststellung stehenzubleiben: Es ist ein Konflikt zwischen der unterdrückten Frau und dem unterdrückenden Mann, Mann gegen Frau.
Aber die Grundlage der Frauenunterdrückung liegt in den gesellschaftlichen Verhältnissen ausserhalb der Beziehungen zwischen den Geschlechtern: Es sind die Armut, Konkurrenz, Ausbeutung und Überbelastung der kapitalistischen Verhältnisse, die ein von Grund auf menschenfeindliches Klima und giftige zwischenmenschliche Beziehungen schaffen. Männer und Frauen der Arbeiterklasse haben ein gemeinsames Interesse, gegen diese miserablen Bedingungen anzukämpfen. Es sind die Kapitalisten, die diese Verhältnisse aufrechterhalten wollen, um weiter ihre Profite zu machen.
Das grundlegende Problem bei allen Fragen der Identitätspolitik ist letztlich das Folgende: Indem Unterdrückung von Standpunkt der subjektiven Erfahrung angegangen wird, wird die objektive Klassengrundlage aller Formen von Unterdrückung systematisch ausgeblendet. Als notwendige Konsequenz davon werden die Konfliktlinien in der Gesellschaft falsch gezogen.
Statt die Konfliktlinie zwischen den Herrschenden und den Unterdrückten, zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse in all ihrer Vielfalt zu ziehen, wird die Konfliktlinie zwischen verschiedenen Identitäten gezogen. Statt zu betonen, was die Arbeiterklasse vereint im Kampf gegen die Herrschenden, betonen sie mit ihrem Fokus auf Identität, was uns voneinander unterscheidet.
Die Konsequenzen davon sind für den Kampf gegen Unterdrückung absolut verheerend, wie wir gleich ausführen werden: Erstens lenkt es davon ab, wer wirklich von der Unterdrückung profitiert und gegen wen wir kämpfen müssen: die Kapitalisten und ihr System. Stattdessen wird der Konflikt in die Bahn einer völlig oberflächlichen Symbolpolitik geleitet, die der herrschenden Klasse sogar noch die Möglichkeit gibt, sich einen fortschrittlichen Anstrich zu geben. Zweitens wird die einzige Kraft, die tatsächlich gegen Unterdrückung kämpfen kann, entlang von Linien der Identität gespalten: die Arbeiterklasse.
Wenn die Klassengrundlage ausgeblendet wird, dann kann kein effektiver Kampf gegen die materielle Grundlage der Unterdrückung geführt werden. Und wenn kein effektiver Kampf gegen die materielle Grundlage geführt werden kann, dann bleibt notwendigerweise nur völlig oberflächliche und nutzlose Symbolpolitik übrig.
Statt für materielle Verbesserungen zu kämpfen, soll die unterdrückte Gruppe einfach «repräsentiert» werden. Entsprechend fordern sie Quoten auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, damit unterdrückte Gruppen repräsentiert werden, oder «gendergerechte Sprache», um die Unterdrückten in der Sprache «sichtbar» zu machen.
Die Wahrheit ist, dass das überhaupt kein Kampf gegen Unterdrückung ist. Unterdrückte einfach zu repräsentieren ist schlicht ein anderes Ziel als wirklich gegen Unterdrückung zu kämpfen. Zu glauben, es sei ein Mittel gegen Unterdrückung, stellt die Realität auf den Kopf: Unterdrückte Gruppen sind nicht unterdrückt, weil sie unterrepräsentiert oder unsichtbar sind. Sie sind unterrepräsentiert, weil sie unterdrückt sind! Die Lebensbedingungen der Unterdrückten werden nicht einmal angetastet, wenn sich das Geschlecht, die Hautfarbe oder die Sexualität einer Person in irgendeiner x-beliebigen Position (oder in der Sprache) verändert.
Als in den USA die «Black Lives Matter»-Proteste gegen die Polizeigewalt gegen Schwarze zum ersten Mal ausbrachen, forderten viele Aktivisten die Einstellung von mehr schwarzen und weiblichen Polizisten. Fast zehn Jahre sind seither vergangen. Vielerorts wurde diese Forderung erfüllt. Mit welchem Resultat? Die fünf Polizisten, die den Afroamerikaner Tyre Nichols vor wenigen Wochen brutal ermordet haben, sind allesamt schwarz. Die Vorsteherin des zuständigen Polizeidepartements ist eine schwarze Frau.
Solche «Veränderungen» bringen das Unterdrückungssystem der Herrschenden nicht nur keineswegs ins Wanken – sie schaden! Erstens lenken sie vom wirklichen Feind und vom Klassencharakter der kapitalistischen Institutionen ab. In diesem Fall: Sie lenken davon ab, dass die Polizei als Institution notwendigerweise rassistisch ist, weil ihre Funktion die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse ist. Sie schüren die Illusion, dass sich etwas verändert, wenn nur unterdrückte Gruppen «repräsentiert» würden.
Damit geben sie der herrschenden Klasse zweitens sogar noch die Möglichkeit, sich als fortschrittlich zu präsentieren, ohne auch nur das geringste echte Zugeständnis zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Unterdrückten machen zu müssen! Banken und Grosskonzerne werben mit lächelnden Personen unterschiedlicher Geschlechter und Hautfarbe, benutzen gendergerechte Sprache und hängen Regenbogenflaggen auf. Joe Biden’s Kapitalistenregierung prahlt mit ihrer «Diversität» – während sie an der Spitze des reaktionärsten kapitalistischen Staates auf dem Planeten steht, der die Massen weltweit ins Elend treibt.
Was wir brauchen ist nicht «Repräsentation» verschiedener Identitäten in den Institutionen, die das System aufrechterhalten, das tagtäglich die Bedingungen der Unterdrückung produziert. Was wir brauchen, ist ein Kampf gegen diese Bedingungen und gegen die kapitalistischen Institutionen! Was wir brauchen sind mehr Menschen, die Teil einer revolutionären Organisation sind, die ein inhaltliches Programm hat, wie man gegen Unterdrückung kämpfen kann und das auch tatsächlich tut!
Unter den Vertretern der Identitätspolitik gibt es natürlich auch eine radikalere, anti-kapitalistische Schicht. Für sie ist bereits klar, dass wir nicht Repräsentation in Verwaltungsräten von Konzernen oder in kapitalistischen Regierungen fordern sollten.
Doch auch sie übernehmen die genau gleiche Repräsentations-Logik: Innerhalb der Bewegung gegen Unterdrückung sollen Führungen aus unterdrückten Individuen zusammengestellt sein. Die Identität wird über das inhaltliche Programm gestellt, wie wir gegen Unterdrückung kämpfen. Wer selbst eine bestimmte Unterdrückung erfährt, wird automatisch für fortschrittlich erklärt – egal was für ein Programm die Person vertritt. Wer sich hingegen einsetzen will im Kampf gegen Unterdrückung und Verantwortung übernehmen will, aber nicht das richtige Geschlecht oder Hautfarbe hat, wird mit einem Shitstorm konfrontiert.
Den spaltenden Charakter dieser Logik sehen wir exemplarisch in jenen Teilen der Frauenbewegung, die cis-Männer von ihren Events und Demonstrationen ausschliessen. Statt den cis-Männern der Arbeiterklasse zu erklären, dass sie ein gemeinsames Interesse mit den Frauen ihrer Klasse haben, und Frauenfeindlichkeit ihnen nur selber schadet, wird ihnen vermittelt: «Ihr habt keinen Platz und keine Stimme in unserem Kampf, weil ihr Frauenunterdrückung sowieso nie verstehen könnt (oder gar an ihr Schuld seid)». Statt die Einheit der Klasse im Kampf zu schaffen, drängt die Identitätspolitik einen Teil der Klasse in die Passivität.
Als Marxisten sagen wir: Wir brauchen den aktiven Kampf der gesamten Arbeiterklasse. Wichtig ist, welchen Standpunkt die Person vertritt: ob sie sich auf die Seite der Arbeiterklasse stellt und den Kampf gegen Unterdrückung aufnimmt. Für uns stehen die Ideen und der Klassenstandpunkt, den diese Idee vertreten, immer über der Identität.
Der spaltende Charakter der Identitätspolitik wird umso deutlicher bei der Auffassung der sogenannten «Privilegien». Wir haben bereits erklärt: Wenn die Klassengrundlage weggestrichen wird, muss die Konfliktlinie notwendigerweise zwischen verschiedenen Teilen der Arbeiterklasse gezogen werden. Indem sie die Unterdrückung auf die subjektive Erfahrung reduzieren, sind notwendigerweise alle, die eine bestimmte Unterdrückung nicht selbst erfahren, «privilegiert» und profitieren von dieser Unterdrückung. In dieser Logik wird die gesamte Arbeiterklasse in verschiedenem Mass zu Unterdrückern.
Das ist nicht nur analytisch komplett falsch, es ist vor allem auch äusserst schädlich für den Kampf. Weisse cis-Männer der Arbeiterklasse sind nicht privilegiert. Es ist kein «Privileg», wenn für einen lohnabhängigen Mann zusätzlich zu seiner miserablen Existenz in der Lohnsklaverei nicht noch eine geschlechtliche, eine ethnische oder eine sexuelle Unterdrückung dazukommt! Ein lohnabhängiger Mann profitiert nicht davon, dass die lohnabhängigen Frauen noch härter ausgebeutet werden. Die Überausbeutung und zusätzliche Unterdrückung bestimmter Schichten der Arbeiterklasse ist vielmehr das Mittel der herrschenden Klasse, uns alle unten zu halten und die Lebensbedingungen von allen zu drücken. Die einzigen, die davon profitieren, ist die herrschende Kapitalistenklasse!
Statt zu zeigen, dass es im Interesse der gesamten Arbeiterklasse ist, sich gegen die Kapitalisten zu vereinen, erklären die Vertreter der Identitätspolitik den «weissen cis-Männern», sie seien Schuld, dass es anderen noch schlechter geht. Das ist die grösste Hilfe für die Kapitalisten, die man sich denken kann: Während verschiedene unterdrückte Teile der Arbeiterklasse sich gegenseitig die Schuld zuweisen, sind die Kapitalisten fein raus. Sie schauen ruhig lächelnd zu, wie sich die Arbeiterklasse gegenseitig die Köpfe einschlägt.
Die Arbeiterklasse ist die einzige Kraft, die den Kapitalismus und damit die Grundlage für die Aufrechterhaltung aller Unterdrückung stürzen kann. Deshalb führen Marxisten den Kampf gegen Unterdrückung vom konsequenten Standpunkt der ganzen Arbeiterklasse.
Wir heben immer und überall hervor, dass die gesamte Arbeiterklasse objektiv das gemeinsame Interesse hat, gegen die miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Kapitalismus anzukämpfen.
Wir sagen: Fortschrittlich ist alles, was die Einheit der Arbeiterklasse fördert, das Bewusstsein ihrer kollektiven Stärke und ihren Organisationsgrad hebt. Rückschrittlich ist alles, was die Arbeiterklasse spaltet und die Klassenlinien vernebelt.
In genau diesem, absolut entscheidenden Sinn, ist die gesamte Identitätspolitik nicht nur nutzlos im Kampf gegen Unterdrückung. Sie ist schädlich und reaktionär, weil sie den Kampf der Arbeiterklasse behindert. Identitätspolitik und Klassenpolitik sind inkompatibel und einander direkt entgegengesetzt.
Wir bauen eine revolutionäre marxistische Organisation auf, die den Kapitalismus bekämpft. In dieser Aufgabe ist es uns völlig egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Herkunft oder sexuelle Orientierung jemand hat. In unseren Reihen haben alle ihren Platz, die bereit sind, mit den Ideen und Moralvorstellungen der Klassengesellschaft zu brechen und den Standpunkt der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Kapitalismus einzunehmen. Und ausnahmslos alle in diesen Reihen haben die Pflicht, den Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung als Teil unseres gemeinsamen Kampfes zu verstehen und ihn zu führen.
Nur eine sozialistische Gesellschaft kann die Unterdrückung ein für alle Mal beenden: Weil es keine herrschende Klasse mehr geben wird, die zur Aufrechterhaltung ihres Ausbeutungssystems ein Interesse an der Spaltung der Unterdrückten hat, um sie niederzuhalten. Und weil eine sozialistische Planwirtschaft problemlos alle grundlegenden Bedürfnisse aller Menschen wird befriedigen können, die die Menschen heute geknechtet halten. Damit wird der Nährboden entzogen werden für die Konkurrenz und all die vergifteten menschlichen Beziehungen, die uns heute gegeneinander aufreiben. Eine Welt von freien Menschen ohne Unterdrückung wird Wirklichkeit.
Das ist unser Standpunkt. Wir sind überzeugt: Das ist das beste und mächtigste, was irgendjemand der gesamten globalen Arbeiterklasse, den rund 3,8 Milliarden Frauen und jedem einzelnen Unterdrückten dieses Planeten anbieten kann.
Die Redaktion, Der Funke
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Kunst & Kultur — von Sylvain Bertrand, Genf — 14. 10. 2024
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
Nah-Ost — von Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) — 09. 10. 2024