Anfang Mai wurde die Basler Steuerfront publik: Alle Parteien mit Ausnahme der links-alternativen BaStA! wollen sich gemeinsam für eine Umsetzung der anstehenden Unternehmenssteuerreform (USR) unter dem Namen Steuervorlage 17 (SV17) einsetzen (siehe Kasten). Ähnlich wie 2015 im Kanton Waadt liess sich die Linke ihre Zustimmung mit dem Versprechen nach einer sogenannten Kaufkraftstärkung abluchsen. Namentlich geht es um eine Erhöhung der Prämienverbilligungen und der Familienzulagen und höheren Steuerabzügen für die Gesundheitskosten. Dafür müssen jedoch Steuererleichterungen in Kauf genommen werden, die zu jährlichen Ausfällen von 130 Millionen Franken führen werden. Der Gewinnsteuersatz für Firmen soll auf 13% (von heute 15-22%) gesenkt werden – Defizite sind die logische Folge davon. Die Zückerchen sind also nicht ewig haltbar, sondern werden sich bald in Sparmassnahmen wandeln müssen.
Eigentlich müsste es bei diesen Aussichten klar sein, dass SP und Gewerkschaften auf Fundamentalopposition gehen. Doch die Staatsräson in der traditionellen Linken wiegt zu schwer. Statt die bürgerliche Krisenpolitik als Angriff auf die ArbeiterInnenklasse zu entlarven, sie auf Grund laufen zu lassen und sie hart anzugreifen, versuchen die reformistischen FührerInnen aus der Konterreform einen Kompromiss zu machen.
Das Präsidium der Basler SP besteht seit einiger Zeit aus drei vormaligen VertreterInnen der Parteilinken. Ihr aktuelles Einknicken ist letztlich die direkte Konsequenz ihres Reformismus: Sie haben weder eine langfristige Zielsetzung noch das Vertrauen, dass sich im Kampf gegen die Austerität Stärke für kommende Kämpfe aufbauen lässt. Was dann noch bleibt, ist der beschämte Verweis auf das unvorteilhafte Kräfteverhältnis im Parlament und den Weg des geringeren Übels.
Ähnlich läuft es auf Bundesebene: Das Oppositionsgeplapper von SP-Präsident Christian Levrat zu Beginn der Legislaturperiode ist längst vergessen. Jetzt geht es ihm um Kompromisse. Doch genau das ist der falsche Weg. Das aktuelle Steuerregime ist die Schuld der Bürgerlichen. Sie sollen ihre Suppe selber auslöffeln und die stinkende Brühe nicht der Linken in die Schuhe kippen. Die SP hilft aber gar noch mit, die Vorlage mit unverkennbar sozialdemokratischer Handschrift zu versehen. Wie soll sich die SP denn glaubwürdig von der Konterreform distanzieren, wenn sie das Paket mitschnürt?
In einer Stellungnahme schrieb die SP Schweiz, dass «eine unsoziale Steuervorlage untragbar» sei. Doch was heissen diese Floskeln? Die SP-Kantonalsektionen sind bereit, über Steuersätze zu verhandeln, die direkt zu Ausfällen führen. Das einzige, was sie dafür fordern, sind einige kleine Zugeständnisse. Die beste Strategie für die SP wäre eine Reform ohne Ausfälle zu fordern und alles andere mit dem Referendum zu bekämpfen. Ein Mindeststeuersatz von 16% (der die aktuellen Steuereinnahmen sicherstellen würde, Quelle: Solidarités) müsste dafür als rote Linie dienen. Doch die Parteiführung, zusammen mit dem Gewerkschaftsbund, diskreditiert sich lieber.
Der zweite Fehler der SP ist ihre Zustimmung zum Vorschlag der Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerates, die Steuerreform mit der AHV zu kombinieren. Zwei Reformen, die nichts miteinander zu tun haben und beide wegen ihres unsozialen Charakters vom Volk abgeschmettert wurden. Damit soll eine Mogelpackung am Stimmvolk vorbeigedrückt werden, ohne die Schattenseiten rechtfertigen zu müssen. Da von der Erhöhung des Frauenrentenalters abgesehen wird, hoffen WAK und SP auf Zustimmung zum Steuerdumping. Die SP-Führung rührt bereits die Werbetrommel und verbaut sich sämtliches Potential der Situation. Eine solche Verknüpfung verschiedener Fragen ist ein Symptom für die Krise der bürgerlichen Herrschaft. Ihre bewährten Methoden ziehen nicht. Doch statt diese Situation für sich zu nutzen, eilt die Linke zu Hilfe.
Wenn man in zehn Jahren Krise eines lernen konnte, dann, dass man mit den Bürgerlichen keine guten Kompromisse machen kann. So nett sie auf dem Papier auch scheinen, immer gibt es offene oder verdeckte Fallstricke. Es gibt kein Anzeichen für eine annehmbare Version der SV17. Die JUSO muss sich darauf vorbereiten, in der SP dagegen Front zu machen. Falls es nicht gelingt, das Referendum mit der SP zu ergreifen, dient der interne Kampf dem Sammeln der Kräfte der Opposition.
In Basel hat die JUSO-Führung korrekt reagiert und der SP vorsichtig die rote Karte gezeigt. Das kantonale Referendum wurde mit BaStA! und den jungen Grünen ins Auge gefasst. Es ist nicht die Sache der Lohnabhängigen und ihrer politischen Vertretung, die kriminellen Praktiken des Schweizer Steuerregimes auszubaden. Die OECD macht Druck auf den Schweizer Wirtschafts- und Steuerstandort. Es ist höchste Zeit, dass noch eine zweite Front Druck macht: eine von links. Und die linke Front darf keine faulen Kompromisse machen!
Seit 2012 wird die Schweiz international unter Druck gesetzt, ihre Steuerpraktiken anzupassen. Holdinggesellschaften geniessen heute krasse Privilegien und zahlen weit weniger Steuern als normale Unternehmen. Erstere sind typischerweise multinationale Konzerne, die so massiv Steuern sparen. Damit wird der internationale Steuerwettbewerb angeheizt. Die OECD verlangt, dass bis 2019 eine neue Regelung vorliegt, die «normal» besteuert. Sonst wird die Schweiz sanktioniert.
Der erste Versuch ist im Februar 2017 gescheitert: Die USR III wurde klar abgelehnt. Nun steht die Schweizer Bourgeoisie unter Zeitdruck, eine neue Vorlage auszuarbeiten. Aus Angst davor, dass das Stimmvolk den neuen Vorschlag mit der gescheiterten USR III assoziiert, wurde der Name angepasst: Steuervorlage 17.
Wie die neue Regelung aussehen wird, ist unklar. Letztlich gibt das nationale Gesetz nur den Rahmen vor, in welchem die Kantone die Reform dann anwenden müssen. Vorgegeben werden die Minimal-/Maximalsätze für verschiedene Abzüge oder die Besteuerung von Dividenden. Das heisst, die effektive Ausgestaltung verschärft den interkantonalen Steuerwettbewerb. Die stärkeren Kantone können ärmere in den Boden konkurrenzieren. Basel-Stadt, Zürich oder Genf können mit ihren grossen Budgets die Folgen kurzfristig viel besser verkraften als kleine, finanzschwache Kantone wie Baselland oder das Aargau.
Es läuft aber alles auf eine allgemeine Steuersenkung hinaus. Was die Schweiz den Multis nehmen muss, sollen diese dann auf anderem Weg wieder zurückerhalten. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Gemeinsam ist den verschiedenen Vorschlägen nur, dass die Lohnabhängigen letztlich für die Sicherstellung der Profite zahlen müssen. Der Rattenschwanz der SV17 wird zu Sozialabbau führen.
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