Zwischen der Wahl Trumps und seiner Amtseinsetzung tendierte die politische Linke zu einem Gefühl genereller politischer Ernüchterung. Zurecht befürchtete man eine massive Offensive gegen die Rechte breiter Schichten der US-Bevölkerung. Ebendiese Angriffe sorgten nun jedoch für eine Welle an oft spontanen Reaktionen der Jugend in den Städten: Demonstrationen, Versammlungen, politische Veranstaltungen und sogar Streiks sind nun auf dem Programm. In diesem Artikel kommt zunächst ein Erfahrungsbericht, in dem der Autor seine Eindrücke von den Protesten während Trumps Amtseinsetzung in Washington DC wiedergibt. Anschliessend geht der Artikel der widersprüchlichen Wirkung der reaktionären Politik Trumps nach, um am Schluss zu zeigen, dass Spontaneität die Notwendigkeit der revolutionären Organisation nicht mindert.
Ein gelungener Auftakt – Eindrücke von der Amtseinsetzung Trumps
Der 20. Januar, Tag der Amtseinsetzung Trumps, sollte ein millionenschweres Fest werden. Eine militarisierte Innenstadt, leere Zuschauerränge und regenschwere Wolken prägten dann jedoch die Route der Parade in Washington DC. Die Smoking und Abendkleid tragenden Trump-Fans eilten zum nächsten Ball. Sie wirkten fehl am Platz in der heruntergekommenen Metro dieser politisch fortschrittlichen und von AfroamerikanerInnen und demokratisch geprägten Stadt. Sie strahlten dennoch die Arroganz und ein wiedergewonnenes Selbstbewusstsein der Herrschenden aus.
Ganz anders das Bild ausserhalb des Sicherheitsparameters. Trotz extremer Präsenz der Sicherheitskräfte fanden zahlreiche Demonstrationen, Versammlungen und Blockaden mit mehreren Tausend TeilnehmerInnen statt. Hier demonstrierten bereits die bewusstesten und kämpferischsten Schichten der Jugend und der ArbeiterInnenklasse. Am Abend kündigten verschiedene, von Tausenden besuchte, eher agitatorische Massenmeetings in DC den Tenor der Linken für die Präsidentschaft Trump an: Widerstand!
Am Tag nach der Amtseinsetzung wurde die erwähnte Arroganz der Mächtigen bereits erschüttert. In Washington war der Women’s March derart massiv, dass wir trotz frühzeitiger Ankunft nicht näher als zwei Kilometer an den Ausgangspunkt des Marsches herankamen. Die Demonstration selbst strömte in zahlreiche Seitenstrassen, umzingelte das Weisse Haus und war geprägt von kämpferischen und humoristischen Parolen. Gross schien der Anteil an den rund einer Million TeilnehmerInnen, der zum ersten Mal an einer Demo war. Auch noch Stunden nach der Demo solidarisierten sich DemonstrantInnen in Lebensmittelgeschäften, Restaurants oder in Bars.
Der Women’s March war wohl die grösste synchrone Demonstration der US-Geschichte. In über 650 Ortschaften fanden Proteste statt, von Massendemonstrationen bis zu Protestversammlungen mit wenigen Leuten in den Dörfern. Die „beste Schätzung“ liegt bei insgesamt an die 4.2 Millionen TeilnehmerInnen. Hier wurde der US herrschenden Klasse von Beginn weg deutlich gemacht, was das Programm der fortschrittlichen Kräfte sein wird: Massenmobilisierung gegen die reaktionäre Politik.
Die Peitsche der Reaktion
Der Gegenschlag des Weissen Hauses folgte prompt. In einer Art Rundumschlag lancierten Trump und sein reaktionäres Kabinett der Milliardäre mittels Dekreten Angriffe gegen Frauenrechte, gegen MigrantInnen, gegen die Rechte der amerikanischen UreinwohnerInnen und gegen Umweltschutz. Diese Dekrete stellen einen Versuch Trumps dar, das republikanische Establishment mit relativ einfachen Mitteln um sich zu scharen und Teilen seiner WählerInnen einen Eindruck von Entschlossenheit zu vermitteln. Doch auch hier ging der Schuss nach hinten los.
Besonders der sogenannte Muslim Ban, also die Einreisesperre gegen Menschen aus einer Reihe muslimisch geprägter Länder, rief unmittelbar spontane Demonstrationen an allen grösseren Internationalen Flughäfen hervor. In New York schlossen sich die Taxifahrer dem Protest mit einem politischen Proteststreik an und in Philadelphia kam es zu einer wilden Arbeitsniederlegung der Angestellten des Kabelanbieters Comcast mit anschliessender Demo durch die Stadt. Die Protestwelle ergriff auch unzählige Universitäten und High Schools. Auch wenn unter dem Druck der Proteste ein Bundesgericht die Einreisesperre vorläufig suspendiert hat, wird Trumps Kabinett ohne Zweifel weitere Angriffe gegen MigrantInnen, besonders auch solche aus Zentralamerika, lancieren. Deren Mobilisierung hat bereits begonnen – mit einem von 10’000 ArbeiterInnen besuchten Streik in Wisconsin und dem vor Redaktionsschluss stattfindenden Day Without Immigrants.
Politik im Sinne des Kapitals
Während diesen Massenmobilisierungen distanzierten sich auch einige Grossunternehmen öffentlich vom Muslim Ban. Diese stehen jedoch keineswegs auf der Seite der Arbeitenden und MigrantInnen. Auf der einen Seite brauchen sie ausländische Arbeitskräfte in ihrer Produktion. Zum anderen benötigen die KapitalistInnen stabile gesellschaftliche Verhältnisse, um eine möglichst reibungslose Akkumulation sicherzustellen. Mit der ehrlichen Solidarität der tausenden DemonstrantInnen mit ihren muslimischen FreundInnen, NachbarInnen und KollegInnen hat dies wenig zu tun. Für die KapitalistInnen lohnt es sich nicht, auf Basis einer solchen Frage die Stabilität der herrschenden Ordnung zu untergraben.
Trump versprach den UnternehmerInnen jedoch, ihre Profitbedingungen für die Produktion in den USA massiv zu verbessern. Zentrales Element davon ist eine Senkung der Unternehmensgewinnsteuern von aktuell 35% auf 15%. Zudem kündigte Trump unter Anwesenheit der Topmanager der grossen US-Finanzinstitute eine Deregulierung des Finanzsektors an. Wie wir dies in vergangenen Artikeln betonten, ist die Administration Trump die direkte Exekutive der herrschenden Klasse. Von diesen KapitalistInnen haben US-Jugend und ArbeiterInnenklasse nichts zu erwarten.
Angriffe gegen die ArbeiterInnenklasse
Trotz seinem selbst stilisierten Einsatz für die Workers, zeigt sich Trumps Politik im Sinne des Kapitals als direkter Angriff gegen die ArbeiterInnen. Unter seinen ersten Massnahmen war das Einfrieren von Neuanstellungen beim Bundespersonal, was in erster Linie eine erhöhte Ausbeutung der aktuellen Angestellten bedeutet. Zudem wird die Macht der Gewerkschaften durch den Vorschlag einer nationalen Right to work-Gesetzgebung direkt angegriffen. Diese bereits in vielen Bundesstaaten geltende Regel hebt die obligatorische Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft in einem Betrieb mit einer Mehrheit hinter diesen auf. Die Erfahrungen mit diesen Gesetzen auf Staatenebene zeigen, dass durch diese die Löhne beachtlich gedrückt werden. Diese erhöhte Ausbeutung der Arbeitenden würde direkt die Profitbedingungen der UnternehmerInnen verbessern. Steuersenkungen, Dregulierung und erhöhte Ausbeutung: so sieht Trumps Wirtschaftsprogramm aus. Er ist alles andere als ein Freund der Arbeitenden, sondern ihr erbitterter Feind.
Der Grossteil der US-Gewerkschaftsapparate ist jedoch kein wirkliches Kampfvehikel für die Arbeitenden, sondern eigentlich eine Blockade und Stütze der herrschenden Ordnung. Bereits bevor die rechtesten Gewerkschaftsbosse im Januar zu Besuch im Weissen Haus waren und sich von Trump für einen gut inszenierten PR-Gag einspannen liessen, ging der Chef des grössten US-Gewerkschaftsbundes, der AFL-CIO, zu einem privaten tête-à-tête in den Trump Tower. Über den Inhalt dieses Gesprächs hinter verschlossenen Türen wurde nichts bekannt. Während die Gewerkschaftsbonzen auf möglichst stabile Beziehungen zu den Herrschenden setzten, kämpfen die Taxifahrer von New York und die migrantischen ArbeiterInnen vehement gegen Trump und seine Politik.
Die Grenzen der Spontaneität
Die Radikalisierung von tausenden von Jugendlichen und von fortgeschrittenen Schichten der ArbeiterInnenklasse drückt sich demnach auch nicht in diesen Gewerkschaften aus. Unter dem Eindruck der Trump-Präsidentschaft wird spontane revolutionäre Energie in den Strassen freigesetzt. Solche Kämpfe sind Ausdruck der Bewusstwerdung breiterer Schichten der ArbeiterInnenklasse für ihre Lebensbedingungen und für die diesen zugrunde liegende Herrschaftsform, die bürgerliche Gesellschaft. Es sind die ersten Erfahrungen der kollektiven Stärke und der Möglichkeit einer radikalen politischen Umwälzung. Es sind die ersten Regungen einer sich konstituierenden Klasse und dementsprechend natürlich begrüssenswert, bieten sie doch die Möglichkeit von qualitativ und quantitativ noch bedeutenderen Kämpfen in der Zukunft.
In solchen spontanen Kämpfen wird jedoch die revolutionäre Organisation umso wichtiger. Spontaneität nützt nur soviel, als sie einen organisierten Ausdruck erhält und eine revolutionäre Organisation macht nur soviel Sinn, als dass sie in diesen Bewegungen intervenieren kann. Während eine relativ unkoordinierte Massenbewegung momentane Erfolge erzielen kann, ist das eigentliche Zerlegen der kapitalistischen Macht- und Herrschaftsstrukturen dadurch nicht möglich. Ohne die Einbettung der Kämpfe in eine programmatische Orientierung besteht die Gefahr der Verzettelung der einzelnen Kämpfe und schliesslich auch der Desillusion im „Kampf gegen Windmühlen“.
Basis für noch grössere Explosionen
Die Möglichkeit der organisatorischen Offensive der amerikanischen Linken im Rahmen der Bewegung gegen Trump und seine reaktionäre Politik wird durch das beachtliche Wachstum von Organisationen wie den Democratic Socialists of America deutlich. Zwar ist diese Organisation mit 16’000 Mitgliedern noch klein in Bezug auf die Grösse des Landes. Dennoch zeigt die mehr als Verdoppelung ihrer Anzahl AktivistInnen in weniger als einem Jahr klar in Richtung eines Aufschwungs der Linken. Dieser Aufstieg drückt nicht nur den wachsenden Unmut gegenüber einer reaktionären Politik aus, sondern entspringt ebenso der materiellen Basis einer zutiefst ungleichen Gesellschaft mit obszönem Reichtum auf der einen Seite und bitterer Armut auf der anderen
Nach einem paradenhaften Auftakt der Proteste gegen die Regierung wurde nun die Dringlichkeit von kontinuierlichem Widerstand deutlich. Das politische Potential für einen Aufschwung des Klassenkampfes, das sich im Vorwahlkampf von Bernie Sanders ausgedrückt hatte, wird nun unter den Hieben der reaktionären Trump-Administration weitergetrieben. Weder Resignation, noch Zynismus stehen auf der Traktandenliste der US-Jugend, sondern Kampfeswille. Die Bedingungen für den geduldigen aber beharrlichen Aufbau einer starken marxistischen Strömung in der Jugend und unter den Lohnabhängigen sind so gut wie nie zuvor in unserem Leben.
Magnus Meister
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