Die Logik in der Situation im Nahen Osten treibt seit über einem Jahr auf einen regionalen Krieg zu. Alle Versuche, diesen Prozess aufzuhalten, liefen nach demselben Muster ab: Die Amerikaner sagen, sie wollen keine Eskalation; Netanjahu eskaliert trotzdem, weil er weiss, dass die USA immer auf Israels Seite stehen werden.
Nach den iranischen Angriffen auf Israel haben die USA leistungsfähigere Verteidigungssysteme nach Israel geschickt, zusammen mit 200 Militärs, die sie bedienen sollen. Sollten US-Truppen getötet werden, wird es für die USA äusserst schwierig sein, eine direkte Konfrontation mit dem Iran zu vermeiden. Die USA in den Krieg zu ziehen, ist das, was Netanjahu von Anfang an wollte.
Die Situation bewegt sich in einer Abwärtsspirale in Richtung Krieg, selbst wenn sowohl der US-Imperialismus als auch der Iran es vorziehen würden, einen grösseren regionalen Krieg zu vermeiden.
Netanjahu hat behauptet, die Invasion im Libanon werde eine schnelle chirurgische Operation sein. Israel ist es jedoch nicht gelungen, die Hisbollah zu vernichten. Auch wenn die Hisbollah jüngst schwere Verluste erlitten hat, ist sie doch eine weitaus stärkere und professionellere Kampfkraft als die Hamas.
Trotz aller Waffen und der Unterstützung durch die westlichen imperialistischen Mächte: Wenn Israel regelmässig mit Raketenangriffen konfrontiert wird, werden ihnen die Waffenvorräte ausgehen. Israel ist nicht in der Lage, einen langen Krieg zu führen. Doch im Südlibanon verstrickt sich die israelische Armee genau in einen langen Zermürbungskrieg.
Netanjahus Angriffe auf die Hisbollah sind eine klare Provokation mit dem Ziel, den Iran in den Krieg hineinzuziehen. Ungeachtet der internen Spaltungen in ihrem Regime war der Iran gezwungen, gegen Israel zurückzuschlagen. Und nun bereitet sich Israel darauf vor, wiederum härter zurückzuschlagen.
Sollte es zu einem totalen Krieg kommen und die Iraner ihre gesamte Feuerkraft einsetzen, wird Israels Raketenabwehrsystem Iron Dome nicht alle Raketen aufhalten können. Das wiederum würde die Amerikaner zwingen, sich in viel grösserem Umfang einmischen zu müssen. Es gibt im gesamten Nahen Osten amerikanische Militärstützpunkte: In der Türkei, in Saudi-Arabien, Kuwait, Syrien und im Irak. Diese wären sehr anfällig für Angriffe pro-iranischer islamischer Milizen.
Die herrschende Klasse der USA ist seit langem gespalten darüber, ob sie den Iran offen angreifen soll. Jetzt könnte die Stimmung in der herrschenden Klasse der USA einmal mehr zugunsten der Unterstützung eines israelischen Angriffs auf den Iran kippen.
Die USA wollen nicht, dass Israel wichtige iranische Infrastrukturen angreift. Aber wir haben bei jedem Schritt das Gleiche gesehen. Die USA werden alles mitmachen, was Israel tut. Diese Schwäche ist ein Ausdruck des langjährigen Niedergangs der USA und der Krise des Systems.
Der Krieg im Nahen Osten verbindet sich zunehmend mit dem Krieg in der Ukraine, da in beiden Konflikten die gleiche Grossmacht involviert ist: die USA. Der Iran und Russland werden vom Westen in ein De-facto-Bündnis gedrängt. Wenn die Amerikaner Russland über die Ukraine bedrohen, hat Putin die Möglichkeit, im Nahen Osten zurückzuschlagen. Er könnte denken: «Ihr stört mich in meinem Hinterhof, ich werde in eurem Hinterhof ein grosses Chaos anrichten.» Auch China mischt im Hintergrund mit. Es war an der Aushandlung des Abkommens beteiligt, das die Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien normalisierte.
Wir sehen also, wie sich eine globale Front auftut, die von der Ukraine bis zum Nahen Osten reicht. Auf der einen Seite haben wir die USA mit ihren NATO-Verbündeten. Auf der anderen Seite Russland und Iran, mit China im Hintergrund.
In einer Situation, in der die Weltwirtschaft bestenfalls stagniert oder nur langsam wächst, könnte eine plötzliche Wendung im Nahen Osten die Weltwirtschaft in einen Abschwung stürzen. Sollte es zu einem totalen Krieg kommen, werden höchstwahrscheinlich wichtige Handelsrouten abgeschnitten werden. Dies wäre für die Weltwirtschaft katastrophal.
Die andere Seite der Medaille sind die sozialen Auswirkungen im gesamten Nahen Osten. Die Menschen in dieser Region leiden massiv unter den Folgen der weltweiten Krise des Kapitalismus. Die arabischen Regime wie Ägypten und Jordanien sind in einer höchst delikaten Lage. Die Destabilisierung der gesamten Region, die Netanjahu provoziert, könnte zum Sturz mehrerer dieser Regime führen.
Doch die Folgen des Krieges werden weit über den Nahen Osten hinausgehen. Sie werden die Radikalisierung der Arbeiter und Jugendlichen in den reicheren Ländern weiter vorantreiben. All die jungen Menschen, die an den Besetzungen und Demonstrationen teilgenommen haben, werden sehen, dass der Krieg trotz allem weitergeht.
Als Kommunisten richten wir unseren Kampf gegen diese Kriegstreiber. Unser Hauptfeind steht im eigenen Land. Die Imperialisten haben einen Weg eingeschlagen, der die Ausbreitung von Barbarei und Schrecken in der Region und darüber hinaus beinhaltet. Heute ist es klarer denn je: Kapitalismus und Imperialismus müssen sterben, damit die Menschheit leben kann.
Das ist eine stark gekürzte Version. Ganze Analyse auf Englisch findest du hier!
Europa — von Jack Halinski-Fitzpatrick, marxist.com — 11. 11. 2024
Nah-Ost — von der Redaktion von marxist.com — 07. 11. 2024
Nordamerika — von Revolutionary Communists of America — 05. 11. 2024