Das Ergebnis der Europawahlen und die Auflösung der Nationalversammlung haben wie ein Katalysator auf die politische Situation in Frankreich gewirkt. Was latent vorhanden war und langsam reifte, ist schlagartig an die Oberfläche getreten.
Die wichtigste traditionelle bürgerliche Partei, Les Républicains, ist gespalten und zusammengebrochen. Ihre Rhetorik gleicht zunehmend derjenigen der erzreaktionären Rassemblement National (RN), die in den Europawahlen deutlich zulegte.
Unterdessen steuern die Abgeordneten der Macronisten hilflos auf eine Niederlage ungeahnten Ausmasses zu. Sollte sich am Ende des zweiten Wahlgangs keine parlamentarische Mehrheit ergeben, bewegt sich das Land auf eine schwere Krise der Regierungsinstitutionen zu.
Dem Staatschef blieb keine andere Option, als die Nationalversammlung aufzulösen. Doch damit hat er die Möglichkeit einer neuen und sehr gefährlichen Verschärfung der Krise des kapitalistischen Regimes in Frankreich eröffnet.
Wie wir voraussagten, hat die Auflösung der Nationalversammlung sofort die ehemalige Nupes (ein Bündnis von Mélenchons La France Insoumise mit der Sozialistischen Partei (PS), der Kommunistischen Partei (PCF), den Grünen und anderen) in Form von Le Nouveau Front Populaire (die neue Volksfront) wieder aufleben lassen.
Die Nupes-Koalition brach letzten Dezember auseinander, nachdem Mélenchon von mehreren Koalitionspartnern für seine Pro-Palästina-Position des Antisemitismus bezichtigt worden war. Nach dieser Erfahrung werden sich nur wenige täuschen lassen. Viele Arbeiter, vor allem die ärmsten und am stärksten ausgebeuteten, beobachten die Entwicklung mit Misstrauen, sogar mit tiefer Skepsis. Die Aufstellung des unpopulären ehemaligen sozialistischen Präsidenten François Hollande als Kandidaten wird sie kaum beruhigen.
Es gibt aber auch Millionen junger Menschen und Lohnarbeiter, die Le Nouveau Front Populaire (NFP) unterstützen, weil sie in ihr die einzige konkrete Alternative zur extremen Rechten sehen. Sie hegen keine grossen Illusionen über den Wert und die Stabilität des neuen Bündnisses, aber sie sehen kein anderes Mittel, um zu versuchen, die RN von der Macht fernzuhalten.
Révolution, die französische Sektion der Revolutionären Kommunistischen Internationale (RKI), ruft dazu auf, die Rechte und die extreme Rechte an den Wahlurnen zu besiegen. Vor allem aber rufen wir die jungen Menschen und die Arbeiterbewegung auf, sich auf grosse soziale Kämpfe nach dieser Wahl vorzubereiten, egal wie sie ausgeht.
Die Führung der CGT (der grössten Gewerkschaft Frankreichs) sollte sofort ankündigen, dass im Falle eines Wahlsiegs der RN am 7. Juli kurzfristig ein 24-stündiger Generalstreik organisiert wird – und dass dies die erste Phase einer Massenmobilisierung sein wird, um Bardella, den Vorsitzenden der RN, und seine Handlanger von der Macht zu stürzen. Die Mobilisierung unserer Klasse muss unverzüglich vorbereitet werden!
Das Programm der NFP ist noch gemässigter als jenes der Nupes. Es sieht z. B. keine Verstaatlichungen vor: Der vorgeschlagene «Bruch» berührt das kapitalistische Grosseigentum nicht, d. h. die Grundlagen der bestehenden Ordnung bleiben unangetastet. Auch die Interessen des französischen Imperialismus bleiben gewahrt, wie die Verpflichtung zu Waffenlieferungen an das Regime von Wolodymyr Selenskyj zeigt – und das im Namen des «Friedens»!
Trotzdem prophezeien kapitalistische Politiker und Journalisten eine wirtschaftliche Apokalypse in Frankreich, wenn die in diesem Programm enthaltenen progressiven Massnahmen – darunter ein Mindestlohn von 1’600 Euro und die Rücknahme der letzten Rentenreform – umgesetzt werden. Natürlich ist es ihr Ziel, die Wähler davon abzuhalten, für die NFP zu stimmen. Aber diese Aufschreie sind auch ein Vorgeschmack auf den enormen Druck, den die Bourgeoisie vom ersten Tag an auf eine neue NFP-Regierung ausüben würde, die progressiven Massnahmen ihres offiziellen Programms aufzugeben und Sparpolitik zu betreiben.
Am 15. Juni demonstrierten Hunderttausende in den Strassen gegen die RN. Sollte diese gewinnen, werden noch massivere Mobilisierungen an der Tagesordnung sein. Aber auch im Falle eines Sieges der NFP werden wir mobilisieren müssen, denn wir können nicht darauf vertrauen, dass ihre Abgeordneten – insbesondere die des rechten Flügels – dem enormen Druck der Bürgerlichen standhalten.
Wir dürfen die Erfahrungen mit der «sozialistischen» Regierung von François Hollande (und seinen grünen Ministern) zwischen 2012 und 2017 nicht vergessen. Anstatt die «Finanzwelt» anzugreifen, wie er es versprochen hatte, griff Hollande unsere Renten, unsere Rechte, unseren öffentlichen Dienst und unsere Arbeitsbedingungen an. Generell spielt die Serie der Vertrauensbrüche der «linken» Regierungen seit 1981 eine zentrale Rolle beim Aufstieg der RN, die deren Wählerschaft in der Arbeiterklasse weiter vergrössert hat.
Die Rechtsextremen leben einerseits von der Krise des Kapitalismus und andererseits vom Verrat der grossen Parteien der reformistischen Linken. Indem sie sich weigerten, das kapitalistische System zu bekämpfen, wurden die Regierungen von Mitterrand, Jospin und Hollande nacheinander zu Verwaltern dieses Systems. Sie verteidigten die Macht, die Interessen und Privilegien der Grossbourgeoisie.
Millionen von Arbeitern haben jahrzehntelang erlebt, wie der Wechsel zwischen der Rechten und der «Linken» absolut nichts an ihren zunehmenden Schwierigkeiten geändert hat. Unter beiden wurden sie von Arbeitslosigkeit, Unternehmensschliessungen, der Zerstörung öffentlicher Dienstleistungen, zunehmender Arbeitsplatzunsicherheit und vielen anderen Übeln geplagt, während eine Handvoll reicher Parasiten immer mehr ungehörige Vermögen anhäufte. Dies gilt insbesondere seit der Krise von 2008, von der sich die französische Wirtschaft nie erholt hat.
Wir müssen den Kapitalismus selbst angreifen. Dieses System ist heute ein monströses Hindernis auf dem Weg zum sozialen Fortschritt, und es kann nicht reformiert werden. Von einem «Bruch» zu sprechen, ohne das Eigentum der Grosskapitalisten anzutasten, wie es das Programm der NFP tut, ist ein Lippenbekenntnis zur Idee des «Bruchs», während sie neue Kapitulationen vorbereiten.
Die herrschende Klasse und ihr System müssen gestürzt werden. Die Bourgeoisie muss enteignet werden und die Produktionsmittel müssen unter die Kontrolle der Arbeiter selbst gestellt werden. Wir müssen die Wirtschaft im Interesse der grossen Mehrheit demokratisch planen. Kurz gesagt, wir brauchen ein kommunistisches Programm. Und um es umzusetzen, brauchen wir eine echte kommunistische Partei.
In einigen Monaten wird Révolution, die französische Sektion der RKI, eine solche Partei gründen: die Revolutionäre Kommunistische Partei. Sie wird die Ideen und das Programm des Marxismus verteidigen, wie die RKP in der Schweiz. Hilf uns beim Aufbau und schliess dich uns an!
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