Das Ergebnis der 20. Bundestagswahl vom 26.09.2021 zeigt, dass die Polarisierung der Gesellschaft weiter zu nimmt. Noch nie war die öffentliche Meinung so unbeständig, die Wähler so unentschieden und das Parlament so fragmentiert. Das bürgerlich-demokratische politische System der Bundesrepublik ist in der Krise, aber keine klassenkämpferische Alternative war bei dieser Wahl auffindbar.
Herausragender Verlierer dieser Wahl ist die konservative CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Die CDU hat ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl (BTW) erreicht. Sie landete bei 18,9 Prozent. Die CSU nahm mit 5,2 Prozent nur knapp die 5-Prozent-Hürde. CDU/CSU vereinigen 24,1 Prozent (-8,9 Prozent) der Stimmen auf sich.
Die SPD konnte sich gegenüber der Vorwahl um 5,2 Prozent steigern aber fuhr ihr drittschlechtestes Ergebnis bei der Bundestagswahl ein. Sie hat die Möglichkeit nach vier Legislaturperioden wieder einen Kanzler zu stellen. Auch die Grünen konnten stark hinzugewinnen, auch wenn sie nicht in die Nähe ihrer zeitweisen Höhenflüge von 28 Prozent kamen. Mit 14,8 Prozent (+5,8 Prozent) der Stimmen sind sie drittstärkste Kraft. Daneben geht auch die FDP mit 11,5 Prozent leicht gestärkt aus der Wahl hervor.
Verluste haben neben der CDU auch die AfD und die LINKE. Die AfD erreicht 10,3 Prozent (-2,3 Prozent), konnte aber eine Wählerbasis stabilisieren. Die LINKE verfehlte mit 4,9 Prozent die 5-Prozent-Hürde. Sie halbierte ihr Wahlergebnis beinahe im Vergleich zu letzten BTW. In den Bundestag konnte sie nur dank drei Direktmandaten wieder in Fraktionsstärke einziehen.
8,7 Prozent wählten andere Parteien, die nicht in den Bundestag einzogen. Die Wahlbeteiligung war mit 76,6 Prozent in etwa so hoch wie bei der letzten BTW. Fast 15 Millionen Wahlberechtigte haben nicht gewählt. Die Nichtwähler sind damit die größte „Partei“. Hinzu kommen noch 9,5 Millionen Menschen im wahlberechtigten Alter mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Staatenlose in Deutschland, die nicht wählen durften.
Der Wahlkampf war dieses Mal so unpolitisch wie nie zuvor. Dabei gab es viele Themen, die diskutiert werden müssten, z.B. Klimawandel, Corona-Pandemie, Wirtschaftskrise. Im Vordergrund stand ein Persönlichkeitswahlkampf aller Parteien, weil keine der Parteien der Bevölkerung eine wirkliche Lösung anbieten konnte. Ihre Programme unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander. So war die Beliebtheit der Kanzlerkandidaten in der öffentlichen Meinung ausschlaggebenden für das Abschneiden der Parteien.
Nachdem es lange so aussah, als ob es ein Rennen zwischen Grünen und CDU/CSU werden würde, stellten sich verschiedene Fraktionen des Kapitals hinter diese Parteien. Es folgte ein schmutziger medialer Schlagabtausch um den ersten Platz. So wurden zum Beispiel der Lebenslauf und das Buch von der grünen Spitzenkandidatin Baerbock oder das Lachen von Laschet während der Rede des Bundespräsidenten Steinmeier (SPD) nach der Unwetterkatastrophe im Juli in den Medien herauf und herunterdiskutiert. Doch die bürgerlichen Strategen überschätzten offensichtlich, wie stabil die Unterstützung für Grüne und CDU/CSU war. Diese mediale Kampagne traf auf den generellen Unmut und das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den Parteien und Politikern, die von Jahren falscher Versprechen genährt wurden. So wurden Laschet und Baerbock beide medial verbrannt.
Olaf Scholz (SPD) konnte im selben Zeitraum an Beliebtheit gewinnen und dadurch die SPD stärken. Er profitierte davon, dass er nicht die anderen beiden Kandidaten war und davon, dass nach vier Legislaturperioden mit der CDU an der Spitze, die allgemeine Stimmung darauf gerichtet war, eine weitere CDU geführte Regierung zu verhindern. Scholz war dabei das kleinere Übel mit den größten Aussichten.
Das bedeutet aber nicht, dass die SPD mit diesem Aufschwung bei der Wahl eine Trendumkehr der Krise geleistet hat, in der sie seit Jahrzehnten steckt. Scholz gewann nicht wegen des Programms der SPD. Es gab keine Bewegung hin zur SPD in Form von stärkeren Parteieintritten. Es gab keine enthusiastische Stimmung wie z.B. bei der Kampagne von Martin Schulz 2017 als sozialpolitischen Fragen im Mittelpunkt standen. Dieser kleine Höhenflug ist nur ein kurzes Verschnaufen der SPD in ihrer Krise.
Jetzt steht wahrscheinlich eine längere Phase der Regierungsbildung bevor. Die beiden liberalen Parteien, Grüne und FDP wollen „vorsondieren“, nachdem 2017 ihre Uneinigkeit verhindert hatte, dass sie am Regierungskuchen mitnaschen konnten. Für sie kommt es jetzt darauf an ihre „Kernthemen“ nach außen zu stärken und Ministerposten auszuhandeln. Da Scholz auf eine Ampelkoalition setzt und die SPD als Gewinner der Wahl formal den Anspruch auf den Kanzler hat, aber theoretisch auch eine Koalition der beiden Parteien mit der CDU/CSU möglich wäre, werden Grüne und FDP in einer starken Verhandlungsposition sein.
Die CDU/CSU schließt ihrerseits nicht aus, auch eine Regierung führen zu können. Sie liebäugelt mit einer Jamaika-Koalition. Aber tatsächlich ist eine CDU geführte Regierung sehr unwahrscheinlich: Noch eine Legislaturperiode mit unliebsamen Maßnahmen würde die Union in eine noch viel tiefere Krise stürzen. Aus Sicht des Kapitals wäre es besser, dass die Partei Zeit erhält, sich in der Opposition zu „erholen “.
Zudem würde es einer Jamaikakoalition nicht gelingen gesellschaftlichen Fortschritt auszustrahlen. Das würde es sowohl den beteiligten Parteien als auch für die Kapitalistenklasse erschweren, den notwendigen gesellschaftlichen Rückhalt für die anstehenden Kürzungsprogramme zu sichern. So eine Koalition würde vom ersten Tag an äußerst unbeliebt und unglaubwürdig sein.
Sehr wahrscheinlich wird die nächste Regierung eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP sein. Nach außen werden sie sich als „sozial-ökologisch-liberaler“ Block verkaufen, der die drängenden gesellschaftlichen Probleme angehen würde. In der Realität wird diese Regierung wie rot-grün Anfang der 2000er zu Kürzungspolitik greifen.
Zu Beginn würde es einer Ampelkoalition aber leichter fallen die Illusion zu wahren, die Maßnahmen würde dem Klimaschutz, der Sozialreform und dem technologischen Fortschritt dienen. Das ist was die herrschende Klasse jetzt braucht, weshalb Vertreter des deutschen Bürgertums wie der Chef des Textilunternehmens Trigema, Wolfgang Grupp, der SPD die Führung überlassen wollen und davon ausgehen, dass sie „verantwortungsvoll“, das heißt im Interesse der Unternehmer handeln wird. Insbesondere die FDP wird als direkteste Vertretung des Kapitals dafür sorgen, dass eine Ampelkoalition jede substanzielle Verbesserung für die Arbeiterklasse aus dem Koalitionsprogramm streicht.
In der CDU/CSU nimmt derweil der Konflikt, der bereits mit dem Machtkampf zwischen Laschet und Söder vor wenigen Monaten einen Höhepunkt erreicht hatte, wieder Fahrt auf. Verschiedene Gerüchte kommen auf. So wurde die Idee geäußert, dass Söder Koalitionsverhandlungen führen und Kanzler werden sollte. Wiederum Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) spricht sich gegen jeden Regierungsanspruch der CDU aus. Norbert Röttgen macht Anspielungen auf personelle Erneuerungen. Wie lang sich Laschet als CDU- Bundesvorsitzender halten kann und wie lange es dauert, bis der latente Machtkampf aufbricht, hängt von der Länge der Koalitionsverhandlungen ab und davon, wie realistische überhaupt eine Koalition mit Beteiligung der CDU ist. Eine Vertiefung der Krise der CDU ist angelegt.
Die AfD konnte sich insgesamt konsolidieren und einen Stamm von Wählern um sich scharen, der den demagogischen und rassistischen Kurs der Partei gutheißt. Im Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt konnte sie insgesamt 16 Direktmandate gewinnen. Aber auch die AfD hat Verluste erfahren und das verstärkt die Konflikte zwischen den verschiedenen Flügeln der Partei. Der Richtungsstreit wird sich fortsetzen und die Partei schwächen. Jörg Meuthen hat bereits bei einer Pressekonferenz mit dem Spitzenkandidaten-Duo Alice Weidel und Tino Chrupalla hinter vorgehaltener Hand Kritik am Kurs der beiden geäußert. Zudem zeigt das Ergebnis der AfD, das sie außer Demagogie und Rassismus nichts anzubieten hat und damit aktuell keine Erfolge vergleichbar mit der FPÖ in Österreich oder dem Rassemblement National in Frankreich erzielen kann.
FDP & Grüne konnten vor allem bei der Jugend und bei Neuwählern gewinnen. Für einen großen Teil der Jugend ist die Klimakrise ein wahlentscheidendes Thema. Viele haben noch Hoffnungen und Illusionen in die Grünen. Aber die Grünen werden mit ihrem Programm die Klimakrise nicht aufhalten können. Die FDP konnte hingegen mit ihrem Schwerpunkt auf „Freiheit“, „Digitalisierung“ und „Innovation“ bei vielen jungen Wählern und Neuwählern punkten. Die Corona-Pandemie hat offengelegt, welche Probleme allein an Schulen und Universitäten existieren. Die FDP wird daran nichts ändern, denn sie setzt auf Steuererleichterungen für Unternehmen und steht gleichzeitig für die Schwarz Null ein. Zu Investitionen im nötigen Umfang, z.B. in Bildung wird sie nichts beitragen. Die Illusionen der jungen Generationen in diese beiden Parteien werden nicht von langer Dauer sein und die Wahlerfolge der Parteien keinen Bestand haben.
Das Parlament ist noch stärker fragmentiert als nach der letzten BTW. Betrachtet man die Wählerwanderung zwischen den Parteien, so sieht man, dass die Basis der sogenannten „Volksparteien“ CDU/CSU und SPD schwindet. Ein Großteil der Stimmen der SPD setzt sich aus Wählerwanderungen von anderen Parteien zusammen. Die CDU/CSU hingegen hält einen noch etwas größeren Teil an Stammwählern, während sie stark an andere Parteien verloren hat. Beide Parteien haben zudem eine überalterte Wählerschaft, was ihre soziale Basis zusätzlich untergräbt.
Bis zu den 1990ern konnten CDU/CSU und SPD über 80 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Koalitionen wurden hauptsächlich mit der FDP gebildet, ob von Seiten der CDU oder der SPD. Erst auf die BTW 1998 folgte eine Koalition zwischen SPD und Grünen. Der Fragmentierungsprozess der sogenannten politischen Mitte beginnt in Deutschland besonders ab den 2000er Jahren.
Die steigende Wählerwanderung zeigt, dass die Gesellschaft sich politisiert und Antworten auf gesellschaftliche Probleme nicht mehr nur bei CDU/CSU und SPD sucht. Aber auch die anderen Parteien, die derzeit hinzugewinnen konnten, Grüne und FDP, werden nicht die nötigen Antworten liefern auf die Krise des Kapitalismus.
Mögen die sogenannten „Ränder“ insgesamt bei dieser Wahl verloren haben, wurde damit aber nicht die Mitte gestärkt. AfD und LINKE konnten sich beide nicht als Alternativen für den Status Quo beweisen. Die Mitte aber zerfällt. Während SPD und CDU/CSU einen Niedergang durchmachen, sind FDP, Grüne nur Zwischenstationen im Prozess der gesellschaftlichen Politisierung und Polarisierung.
Die Grundlage der Krise des politischen Systems ist die allgemeine weltweite Krise des Kapitalismus und ihre sozialen Folgen. Diese Krise hat in der 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen und sich langsam vorwärtsgewühlt. Ab den 70ern begann die Arbeitslosigkeit zu wachsen und erreichte 2005 mit 11 Prozent die bisher höchste Arbeitslosenquote in der BRD. Gleichzeitig nahmen die Investitionen anteilsmäßig zum Bruttoinlandsprodukt ab. Die Kapitalistenklasse in Deutschland und ihr Staat setzen auf Kürzungspolitik, um ihre Interessen zu schützen, die Krise der Überproduktion abzudämpfen und ihre Profite zu steigern.
Ein entscheidender Wendepunkt war dabei die Agenda 2010 und andere Konterreformen Anfang der 2000er Jahre, die unter der damals von Gerhard Schröder angeführten rot-grünen Regierung durchgesetzt wurden. Diese Angriffe hatten einschneidende Konsequenzen für die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Arbeiterklasse und vor allem steigerten sie die Ausbeutung.
In der Folge wuchs der Niedriglohnsektor, der seit 2011 einen konstanten Umfang von 24 Prozent der abhängig Beschäftigten betrifft. Atypische Beschäftigungen haben zugenommen: Über 8 Millionen der versicherungspflichtig Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Weitere 7 Millionen sind geringfügig beschäftigt. Leiharbeit, Werkverträge, Scheinselbstständigkeit und befristete Beschäftigungen haben enorm zugenommen. Über 60 Prozent der Beschäftigten unter 35 Jahren sind befristet beschäftigt.
Durch die Ausweitung dieser atypischen Beschäftigung ist die Arbeitslosigkeit zwar gesunken – 2019 gab es eine Rekordbeschäftigung von 45 Millionen – aber die Lohnquote bewegte sich auf dem Stand von 2000. Das heißt der Anteil der Löhne am BIP war trotz deutlich gestiegener Beschäftigtenzahl nicht größer als Anfang des Jahrtausends. Die Ausbeutung hat drastisch zugenommen.
Die Konsequenz ist steigende Ungleichheit. In Deutschland ist die Ungleichheit, gemessen am Gini-Koeffizienten, zwischen 2010 und 2019 um 19,3 Prozent gewachsen und liegt nach dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht bereits bei 0,81. Der Gini-Koeffizient gibt den Grad der Gleich- oder Ungleichverteilung zwischen den Werten 0 (vollständige Gleichverteilung) und 1 (eine Person besitzt alles, alle anderen nichts) an. Deutschland gehört damit zu den Ländern mit der größten Ungleichheit.
Diese Klassenpolarisierung zwischen der Arbeiterklasse, die immer weniger hat, obwohl sie immer mehr arbeitet und produziert, und der Kapitalistenklasse, die immer reicher wird, weil die Ausbeutung so zunimmt, ist die Grundlage für die soziale und politische Instabilität, die nun auch in Deutschland endgültig angekommen ist. Die Klassenpolarisierung führt auch zur politischen Polarisierung, denn die Menschen beginnen das bestehende in Frage zu stellen und nach einer Lösung für ihre persönlichen und gesellschaftlichen Probleme zu suchen.
Krisen gab es seit den 2000ern viele, auch wenn die Ära Merkel normalerweise als Phase der Stabilität dargestellt wird. Seit 2005 ist sie Bundeskanzler. Die größten Krisen waren die Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise und die Coronapandemie. Ausstehen konnte sie diese nur, weil sie sehr wendig ihre Positionen in verschiedenen Fragen den Umständen und vor allem den Interessen und Bedürfnissen der Kapitalisten anpasste.
In der Eurokrise war die Bundesregierung besonders darauf versetzt an Griechenland ein Exempel zu statuieren, um die politische Dominanz Deutschlands zu festigen und die EU zusammenzuhalten. In der Flüchtlingskrise stimmte sie plötzlich humanistische Töne an und sprach sich für die Rettung eines Teils der Geflüchteten aus, weil die Solidarität in der Bevölkerung mit den Flüchtenden sehr groß war und Flüchtlinge für das Kapital als potenzielle Lohndrücker in der Zeit des relativen Aufschwungs auch durchaus gelegen kamen. Vorher hatte Merkel noch die Position vertreten, dass „die multikulturelle Gesellschaft gescheitert“ sei, dass Muslime nicht gewillt seien sich zu integrieren und setzte daher auf „Leitkultur“. Nachdem die Flüchtlingskrise vorläufig ausgestanden war, änderte sie ihren Ton zwar nicht, aber führte eine ausländerfeindliche Politik fort.
Mit den anstehenden großen Umwälzungen in der internationalen Politik; den Wirtschaftskonflikten zwischen USA, China und EU; der Konkurrenz um Industrie 4.0 und Digitalisierung; den steigenden Spannungen in der EU; der Klimakrise aber auch den wirtschaftlichen Konsequenzen der Coronapolitik, wird die kommende Bundesregierung weniger stabile Grundpfeiler vorfinden. Das bedeutet auch, dass die Persönlichkeiten an der Spitze der Regierung und die Parteien immer mehr an „Profil“, das heißt an Unterscheidbarkeit, verlieren werden. Dieser Umstand wird die Krise sowohl der „Volksparteien“ als auch der anderen bürgerlichen Parteien nur zuspitzen.
So lange kein Bruch mit dem Kapitalismus erfolgt, werden die Krise dieses Systems und die Interessen der Herrschenden die Richtung vorgeben. Die Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Jugend werden zunehmen. Die Corona-Politik hat diese Entwicklung nur bestärkt. Der größte Teil der Gelder, die von den Zentralbanken und der Regierung ausgeschüttet wurden, ging an große Konzerne und retten ihre Profite. Die Maßnahmen haben bisher einen Umfang von bis zu 39 Prozent des BIP. Das wird die Arbeiterklasse zu bezahlen haben. Ganz zu schweigen von den Kosten der Klimakrise.
Die Lösung kann nur in der Überwindung des Kapitalismus liegen. Aber das wollen die großen Organisationen der Arbeiterbewegung nicht. Die Führungen der DGB-Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahrzehnten diesen Krisenprozess mitverwaltet. In Deutschland wird kaum gestreikt. Arbeitsplatzabbau, Werksschließungen, Tarifflucht und andere Angriffe der Kapitalistenklasse und der Regierungen werden kaum bekämpft.
Während der Corona-Pandemie ist diese Kampfschwäche der Gewerkschaften besonders deutlich geworden. Die Gewerkschaftsführung hat kaum merkliche Kritik an den Maßnahmen der Regierung geäußert und keine Alternativen aufgezeigt, die im Interesse der Arbeiterklasse währen und vor allem ihre Spaltung überwunden hätten. In der Phase des Wahlkampfes haben sie sich zu keiner Partei bekannt und auch nicht erklärt, wie sie die Forderungen, die sie an die kommende Regierung stellen, durchsetzen wollen.
So haben auch die Gewerkschaften des DGB ihren Anteil an diesem Wahlausgang. Ohne Perspektive und ohne klassenbasierte Kampfansage der Gewerkschaften, hat sich die Polarisierung der Gesellschaft vor allem entlang der bürgerlichen Parteien der sogenannten „Mitte“ entfaltet.
Eine ähnliche Rolle hat auch die LINKE gespielt und deshalb ihr katastrophales Ergebnis eingefahren. Die Co-Vorsitzende der LINKEN Susanne Hennig-Wellsow kommentierte das Ergebnis der LINKEN, als Folge von Fehlern der Vergangenheit. Dieser Einschätzung können wir uns anschließen. Auch dass Frau Hennig-Wellsow an der Spitze der Partei steht, ist Ausdruck solcher Fehler. Mit ihr an der Spitze wurde der Anbiederungskurs der LINKEN deutlich beschleunigt.
Die Niederlage der LINKEN ist die Folge der stark geschwächten Verankerung in der Basis der Arbeiterbewegung und speziell den Gewerkschaften. Das ging einher mit einer konsequenten Anbiederung an SPD und Grüne, und sorgte für die Rechtsverschiebung des Parteiprogramms. Besonders deutlich macht dies das „Sofortprogramm“ der beiden Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch und Janine Wissler. Die Führung stellte sich nur noch gegen die Sanktionen von Hartz-IV, nicht mehr gegen Hartz-IV als solches. Auch andere Alleinstellungsmerkmale wie die Ablehnung der NATO wurden von Dietmar Bartsch und Gregor Gysi im Wahlkampf bis zur Unkenntlichkeit weichgespült. Der Kurs auf Rot-Rot-Grün war ausschlaggebend für die Niederlage der LINKEN.
Stellt sich nun die Frage, wie diese Wahlniederlage an der Basis diskutiert und bewertet wird. Die Krise der LINKEN wird sich nach dem Wahldebakel zuspitzen und es zeichnet sich vorläufig kein realer Anknüpfungspunkt ab, diese Krise im Interesse der Arbeiterklasse und sozialistischer Programmatik zu lösen. Die Basis der Partei ist weitgehend inaktiv und perspektivlos. In der Führung und im Apparat tummeln sich ausschließlich reformistische Strömungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Die Grabenkämpfe werden sich vertiefen. Manche geben Sarah Wagenknecht die Schuld für das Wahlergebnis, die andere Seite sieht die Identitätspolitik in der Schuld. Wieder andere verweisen auf die SED-Vergangenheit, die der Partei nachhängen würde, oder darauf, dass viele Wähler taktisch gewählt hätten, um die CDU oder AfD zu verhindern. Mögen alle Seiten auch oberflächlich einleuchtende Erklärungspunkte anführen, liegt keine der Seiten richtig. Das Wagenknecht-Lager, genauso wie die verschiedenen Vertreter der Identitätspolitik, sind alle Mitverantwortlich für das Ergebnis. Eine LINKE, die darauf verzichtet als ernsthafte radikale Alternative aufzutreten und sich programmatisch der größeren Sozialdemokratie annähert ist überflüssig und deshalb nicht überzeugend.
Notwendig ist ein sozialistisches Programm, eine feste Orientierung auf die Arbeiterklasse und ihre Kämpfe sowie der Aufbau von echten Strukturen in Betrieben, Gewerkschaften und Stadtteilen. Nur eine Partei, die wirklich für soziale Verbesserungen, gegen Sparpolitik und Angriffe von Kapital und Regierung auftritt, also eine Alternative ist, kann auch als Alternative gesehen werden und es schaffen Mehrheiten für sich zu gewinnen.
Möglichkeiten gibt es dafür viele. Eine der wichtigsten ist der erfolgreiche Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Aber auch die Folgen der Coronakrise und der Klimawandel. Sie alle erfordern eine revolutionäre Lösung. Über 40 Prozent der Bevölkerung wünschen sich einen grundlegenden Wandel, sie haben Angst vor dem Klimawandel, sie haben Angst, dass ihr Lebensstandard sinkt. Der Großteil findet, dass die Verteilung in Deutschland ungerecht ist. Ein Sozialistisches Programm hat Lösungen für diese Probleme.
Die nächste Regierung wird eine Krisenregierung sein. Sie hat die Aufgabe, eine Mehrheit der Bevölkerung hinter einem Krisenprogramm zu vereinen, dass gegen die Interessen der Arbeiterkasse gerichtet sein wird. Die Parteien sind bereits unbeliebt oder genießen nur geringes Vertrauen in der Bevölkerung. Das wird zu Protest führen und die Regierung, die bürgerlichen Parteien und das politische System insgesamt untergraben.
Deshalb wird in der nächsten Periode der Klassenkampf zunehmen und viele werden antikapitalistische Schlussfolgerungen ziehen. Wir laden alle ein, die die Notwendigkeit einer klassenkämpferischen Alternative sehen, uns beizutreten und mit uns die Internationale Marxistische Tendenz aufzubauen. Wir bauen eine starke marxistische revolutionäre Strömung in der Arbeiterbewegung und Jugend auf, um dieses System tatsächlich überwinden zu können.
Der Funke Deutschland, Die Redaktion
28.09.2021
Bildquelle: Die Linke
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