Die Abwertung des chinesischen Yuan am 11. August und der Crash des chinesischen Aktienmarktes sowie der zentralen ausländischen Börsen sind Symptome eines kränkelnden chinesischen Kapitalismus, der wiederum ein Zeugnis der allgemeinen Krise des Kapitalismus auf globaler Ebene darstellt.

 

Erschienen am 12. September 2015.

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Der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise von 2008 stellte in der ökonomischen Entwicklung Chinas der 00er-Jahre eine scharfe Zäsur dar. Während das chinesische BIP 2007 noch um 14,2% wuchs, sank das BIP-Wachstum 2008 auf nur noch 9,6%, im zweiten Quartal 2015 sogar auf nur noch 7%. Der Ausbruch der Krise führte zu sinkenden Profiten, ausbleibenden Investitionen sowie Angriffen der Bourgeoisie auf die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnenklasse in Europa und den USA, was wiederum die Nachfrage dieser beiden zentralen Märkte massiv drückte. Dies hatte einen starken Rückwirkungseffekt auf die chinesische Wirtschaft. China kann nur solange exportieren, wie Europa und die USA konsumieren. Das Resultat waren sinkende Exporte und folglich Überproduktion in zentralen chinesischen Industriesektoren. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beträgt die durchschnittliche Auslastung der Industrieproduktion in China gerade mal noch 70%. Die Folge davon ist ein Rückgang des Wachstums von produktivem Kapital in Form von Maschinen, Produktionsanlagen usw. von 21% im Jahr 2007 auf 11% im zweiten Quartal 2015, was ein signifikanter Rückgang der Investitionen bedeutet.

 

Spekulation statt Investition

Die chinesische Regierung lockerte in den letzten Jahren kontinuierlich die Kriterien für die Kreditvergabe an Private und Unternehmen. Der Zugang zu den Finanzmärkten wurde erleichtert. Der Binnenmarkt sollte durch eine Ausdehnung des Kreditwesens angekurbelt werden, um die sinkenden Exporte zu kompensieren und ganz allgemein weniger abhängig von diesen zu werden. Dies führte einerseits zu Blasenbildungen im Immobilienbereich, andererseits zu einer völligen Überhitzung der chinesischen Börsen, insbesondere der Aktienmärkte. Für das Kapital wurden kurzfristige spekulative Geschäfte interessanter als langfristige Anlagen in die Industrie. Wichtige Industriekonzerne wie die Jinxi-Axle-Company begannen sich grosse Investment-Banking-Abteilungen aufzubauen. Die gehandelten Werte am chinesischen Aktienmarkt hatten sich seit Juni 2014 um 150% vergrössert, obwohl sich das tatsächliche Wirtschaftswachstum erheblich verlangsamt hatte. Um die Gefahr einer „harten Landung“ am chinesischen Aktienmarkt zu entschärfen, griff die chinesische Regierung mit einschneidenden Regulierungen ein, was am 12.Juni zu einer abrupten Talfahrt am chinesischen Aktienmarkt führte. Innerhalb einer Woche verlor der Shanghai Composite Index einen Drittel seines vorherigen Wertes. Nachdem im Juli ausserdem das Wachstum der Industrieproduktion und insbesondere der Exportinustrie einmal mehr bedeutend gefallen war, mussten die chinesischen Behörden die Wachstumsprognosen Chinas einmal mehr nach unten korrigieren. Als Reaktion intervenierte die chinesische Zentralbank am  Devisenmarkt und wertete den Yuan gegenüber dem Dollar am 11. und am 12. August in der Hoffnung auf höhere Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Exportindustrie durch Währungsvorteile um gesamthaft 3,5 % ab.

 

Auswirkungen auf die Weltwirtschaft

Die verzweifelten Versuche der chinesischen Regierung, die Konjunktur Chinas durch eine Währungsabwertung wieder in Gang zu bringen, schlug seine Wellen weltweit. Alle grösseren Börsen wurden erschüttert. 5 Milliarden Dollar wurden seit dem 11. August weltweit an den Börsen an „Wert“ vernichtet. Der Einbruch der chinesischen Aktienindexe um 7% in der Folgewoche zog auch den Swiss Market Index (SMI) um 6% und am 24. August zusätzlich um 2,8% herunter. Auch andere zentrale Leitindexe wie der deutsche DAX oder der japanische Nikkei wurden beträchtlich heruntergedrückt. Dies ist kaum erstaunlich, haben doch alle bedeutenden kapitalistischen Länder und ihre Konzerne bedeutende Verknüpfungen mit China, entweder über ausgelagerte Produktion oder Beteiligungen an dortigen Unternehmen, so dass jetzt verzweifelte Investoren versuchen, ihre zu riskanten Anteile abzustossen. Dieser erneute Einbruch könnte die Weltwirtschaft einmal mehr in eine Rezession treiben – ein Fallen der Börsenkurse zeigt, dass die Kapitalisten das Vertrauen in ihr eigenes System verlieren.

 

Julian Scherler
Juso Stadt Bern