«Alle Preise steigen, aber die Löhne nicht! Kapitalisten enteignen! Kommunismus erkämpfen!» Mit diesem Slogan intervenierte der Funke an der Lohn-Demo in Bern im September. Resultat: Wir haben 150 Leute an den kämpferischsten Block mobilisiert, mehrere Arbeiter vor Ort organisiert und 500 revolutionäre Zeitungen verkauft.
«Ich komme einfach nicht mehr über die Runden», sagt Sarah am Besammlungsort der Lohn-Demo in Bern Mitte September. Sie ist Mutter zweier Kinder, arbeitet so viel sie kann. Ende Monat bleibt ihr eine Wahl, die keine ist: Entweder die Rechnungen bezahlen oder ihre Kinder ernähren. Niemand muss ihr erklären, dass der Kapitalismus nur noch Verschlechterungen bis zum Elend zu bieten hat. Darum ist sie hier, dagegen will sie kämpfen.
Sie ist nicht alleine. Die Inflation ist der grösste Angriff auf die ganze Arbeiterklasse seit über 70 Jahren. Alle Preise steigen, aber die Löhne nicht. Das kommt auf Jahre von Sparmassnahmen, intensiverer Arbeit und Burnouts obendrauf. Resultat: In der Schweiz ist laut der neusten SRF-Umfrage die finanzielle Situation bei einem Drittel der Bevölkerung «eher oder sehr stark belastend».
Das ist erst der Anfang: 2024 explodieren die Krankenkassen-Prämien. Eine Durchschnittsfamilie wird allein deshalb nochmals 1’000 CHF ärmer. Gleichzeitig streichen Grosskonzerne in der Pharma und in anderen Branchen Rekordgewinne ein. Was sagen die Kapitalisten, ihre Politiker und ihre Zeitungen zu der Situation? «Schweizer Angestellten geht es trotz Stress gut» (Blick). Das ist eine blanke Lüge. Ein Schlag ins Gesicht für Sarah und die ganze Arbeiterklasse.
Kein Wunder haben nur vier Prozent vollständiges Vertrauen in die Politik. Die Inflation ist der schmerzlichste Ausdruck der allgemeinen Sackgasse des Kapitalismus. Das spürt und lernt die ganze Arbeiterklasse zunehmend. Viele der 20’000 an der Demo stimmen uns zu, dass es für gute Löhne einen fundamentalen Bruch mit dem System braucht. Von unserer Zeitung mit dem entsprechenden Artikel verkaufen wir rund 500 Stück.
Eine Schicht geht bereits einen Schritt weiter: «Ich hab euren kommunistischen Block gesehen und gehofft, dass mich jemand anspricht», sagt ein 30-jähriger Koch. Er ist kein Einzelfall – 150 Leute zieht es in oder an unseren Block. Mit kämpferischen Slogans, kommunistischen Schildern und Bannern wird der Block rasch zum Anziehungspunkt der kämpferischsten Demo-Teilnehmer. Das Video auf Tiktok erreicht rasch über 20’000 Views. Zwei Schüler, die nicht an der Demo sind, sehen das Video nachher zuhause und fragen uns, ob sie mitmachen können.
Mehrere Arbeiter an der Demo freuen sich, dass sie auf richtige Kommunisten treffen. So ein junger Uhrenarbeiter, den wir im Zug von Genf nach Bern kennenlernen. Er fragt sofort: «Wie kann ich euch bei der Demonstration helfen?». Anders gefragt: Was ist die Aufgabe von Kommunisten im Klassenkampf?
Marx und Engels geben uns im kommunistischen Manifest die Anleitung dazu. Zunächst mal haben Kommunisten «keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennte Interessen». Wir kämpfen Schulter an Schulter mit unseren Klassen-Geschwistern gegen jeden Angriff auf unsere Lebensbedingungen. Denn die Arbeiterklasse kann ihre Interessen nur im kollektiven Kampf verteidigen.
So haben wir vor der Demonstration jede Gelegenheit genutzt, um für den Kampftag zu mobilisieren. Schüler-Genosse Nils berichtet: «Ich spreche immer mit allen Leuten, egal ob Lehrpersonen, Putzkräfte, Verkäufer oder Bauarbeiter, ob sie an die Demo kommen. Was mich negativ überrascht: Kaum jemand weiss Bescheid. Was mich positiv überrascht: Bis auf einmal kam immer die Antwort: Ja, ich will für mehr Lohn kämpfen. Den Verkäufer von der Tankstelle nebenan, habe ich direkt an unseren Block eingeladen.»
Damit ist die Arbeit für Kommunisten nicht erledigt. Wir mobilisieren nicht einfach an eine Demo und laufen wütend mit. Marx und Engels schreiben weiter: «Die Kommunisten sind praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil» der Arbeiterbewegung. Was treibt einen Kampf vorwärts? Eine Organisation mit richtigen Ideen! Was für Ärzte bei Krebs gilt, gilt auch für Kommunisten bei Inflation: Wer eine Krankheit erfolgreich bekämpfen will, braucht ein korrektes Verständnis. Deshalb haben unsere Mitglieder vor der Demo in den Ortsgruppen das Thema inhaltlich geklärt – auf Grundlage unserer Analyse in der Zeitung.
Diese theoretische Vorbereitung ist der Schlüssel zu unserem praktischen Erfolg. Mit unserer Zeitung als Werkzeug organisieren wir mehrere Kommunisten vor Ort. Der 30-jährige Koch beispielsweise diskutierte zuerst 2 Stunden lang mit uns all seine Fragen und verkaufte dann selbst seine erste revolutionäre Zeitung. Zwei andere Junge kaufen uns sofort einen Stapel Zeitungen ab, um sie selbst zu verkaufen. Ein älterer Verkäufer ist derart begeistert von unserer kämpferischen Energie und unseren Ideen, dass er drei Stunden lang im Block das Transpi mithält und unsere Parolen mitschreit.
Eine Putzfrau aus Bern schreibt uns am Tag nach der Demo: «Die Begegnung mit euch und das gemeinsame Handeln haben mich sehr hoffnungsvoll gemacht. Ich habe die Informationen gelesen und stimme zu. Unter euch zu sein, gibt mir Kraft. Ich grüsse euch als Genossin». Sie und weitere Kommunisten, die wir an der Demo getroffen haben, helfen uns ab sofort mit, die nächsten zu organisieren. Das ist die wichtigste Aufgabe. Denn solange wir in diesem kaputten System leben, nehmen Krisen zu. Die Arbeiterklasse kann und muss dieses System stürzen. Dazu braucht sie eine revolutionäre Führung. Diese müssen wir jetzt aufbauen.
Die Führungen der Massenorganisationen der Arbeiterklasse (Gewerkschaften und SP) werden dieser Aufgabe überhaupt nicht gerecht. Als Reformisten sind sie nicht bereit, mit dem Kapitalismus zu brechen. Deshalb tragen sie die kapitalistischen Krisenmassnahmen mit. Reformist sein heute bedeutet zum Beispiel, Lohnabschlüsse unter dem Inflationsniveau hinter dem Rücken der Arbeiter abzuschliessen. Es heisst, ohne Weg vorwärts für eine Demo aufzurufen und dann pessimistisch und wütend zu sein, dass nur ein paar Tausend (darunter fast keine Jungen!) auftauchen. Das ist das Gegenteil von dem, was die Arbeiterklasse braucht.
Es ist dringend nötig, den Kampf gegen alle Angriffe der Kapitalisten und ihr System aufzunehmen. Unsere Intervention beweist, dass dies heute voll und ganz möglich ist. Schüler-Genosse Nils hat mit all seinen Nachbarn diskutiert, dass wir nur gemeinsam für mehr Lohn kämpfen können. An der Demonstration haben wir mit allen diskutiert, dass dieser Kampf zum Sturz des Kapitalismus führen muss. Viele der Demo-Teilnehmer waren einverstanden.
Was heisst das? Es ist heute möglich, Tausende Arbeiter in der Schweiz in einer revolutionären Kampforganisation zu vereinen. Mit jedem Tag in diesem Krisen-System werden es mehr. Diese Arbeiter jetzt zu organisieren, ist die dringendste Aufgabe von Kommunisten. Ein Kommunist alleine ist machtlos gegen Inflation und Kapitalismus. Tausende Kommunisten organisiert um die gleichen Ideen könnten heute einen Unterschied machen: Wir hätten Hunderttausende Arbeiter an die Demonstration mobilisiert, sie mit einem Kampfprogramm ausgerüstet, um so die Gegenoffensive gegen die Kapitalisten und ihr System in jedem Betrieb aufzunehmen.
Die Schweizer Sektion der IMT hat das Rennen gegen die Zeit aufgenommen. Wir haben die Lohn-Demo genutzt, um dem Kommunismus praktisch einen Schritt näher zu kommen. Das heisst, um die Führung aufzubauen, die die Arbeiterklasse zur Revolution braucht. Wir haben Schulter an Schulter mit der Arbeiterklasse für ein revolutionäres Programm gekämpft und dabei die besten Kämpfer um die Ideen des Marxismus herum organisiert – mit revolutionärem Verständnis, Begeisterung und Tatendrang.
Dario Dietsche, Der Funke
29.09.2023
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