Die „Image-Kampagnen“ von Konzernen und Regierungen für LGBT-Rechte nehmen in den letzten Jahren zu. Gleichzeitig grassieren soziale und gesundheitliche Diskriminierung und Gewalt. Der „Regenbogen-Kapitalismus“ wird uns nicht befreien – der Kampf für Gleichberechtigung ist untrennbar mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verknüpft.
In diesem Monat im Jahr 1990 wurde Homosexualität von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen. Das scheint vielleicht ein Schritt nach vorne gewesen zu sein, doch die Diskriminierung gegen LGBT+-Personen hat damit nicht aufgehört. Sexuelle und gewalttätige Übergriffe, finanzielle und rechtliche Probleme, psychische Probleme: All das gehört noch immer zum Alltag.
Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass mehr als die Hälfte der jugendlichen LGBT-Personen an Suizidgedanken, selbstverletzendem Verhalten und psychischen Problemen leidet. Der Alkoholmissbrauch ist doppelt so hoch als bei heterosexuellen Personen, auch der Drogenkonsum ist siebenmal höher. Transpersonen sind überproportional von Armut, Gewalt, fehlendem Zugang zu ärztlicher Versorgung und fehlender Bildung betroffen.
Der Trans-Report aus Großbritannien (2018) zeigt: 25% der Transpersonen waren in ihrem Leben schon einmal von Obdachlosigkeit betroffen, 41% waren im vorherigen Jahr Opfer von Hassverbrechen. Laut einer Studie von Lambda Legal werden in den USA 56% der homosexuellen und 71% der Transpersonen bei der medizinischen Behandlung diskriminiert. Im Bundesstaat Arkansas wurde im März 2021 ein Gesetz erlassen, dass es Ärzten erlaubt, jegliche Behandlungen (außer Notfällen) aufgrund von „religiösen, moralischen oder ethischen“ Gründen zu verweigern.
Der Profitlogik des Kapitalismus entsprechend, wird an allen Ecken gespart. Unterdrückte und von Diskriminierung betroffene Teile der Gesellschaft trifft das besonders hart. So z.B. auch die Transgender-Ambulanz am AKH Wien, die größte in Österreich, an der u.a. Hormontherapie und geschlechtsangleichende Operationen angeboten werden. Trotz steigendem Bedarf berichtete der Leiter der zuständigen Abteilung 2019, dass aufgrund von Einsparungen im Gesundheitswesen ein Drittel der Ambulanzzahlen gestrichen werden müssten; die nächste große Ambulanz ist in München.
Hier ist schnell zu erkennen, dass LGBT-Personen, trotz der Rechte die sie über die Jahre gewonnen haben, immer noch stark strukturell benachteiligt werden. Die Präsenz von LGBT-Personen in den Medien und im Alltag steigt, doch warum scheint sich so wenig zu ändern, wenn doch so viel darüber gesprochen wird?
Als MarxistInnen verstehen wir, dass Ideen, einschließlich moralischer Vorstellungen und Haltungen zur Sexualität, ihren Grund in materiellen Umständen haben. In unterschiedlichen Gesellschaftsformen der Geschichte gab es verschiedene Haltung zu Sexualität, Liebe und Geschlecht. Die Frauenunterdrückung und die Unterdrückung von sexuellen Minderheiten waren in verschiedenen Klassengesellschaften ein Mittel, um die Massen zu spalten und zu kontrollieren.
Diese Unterdrückungsformen hat der Kapitalismus übernommen, weil sie profitabel sind. Der Kapitalismus baut wesentlich auf dem Familienmodell von Vater, Mutter Kind auf, wobei der Haushalt, die Erziehung usw. im privaten Haushalt verrichtet werden soll. Alles was diese Kernfamilie bedroht, wird gesellschaftlich ausgegrenzt. Die Institution Familie wurde über die Geschichte mit diskriminierenden Gesetzen zur Sexualität verstärkt. Viele davon finden sich heutzutage auch in Österreich, wie beispielsweise, dass Schwule nicht Blutspenden dürfen. Doch Diskriminierung ist nicht einfach nur eine rechtliche Frage.
Die überwältigende Mehrheit der LGBT-Personen sind Teil der Arbeiterklasse. Auch wenn zum Beispiel homosexuelle Paare in manchen Ländern seit kurzem heiraten dürfen, müssen sie sich dem vorherrschenden Familienkonzept unterordnen. Wenn sie etwa die vielen Hürden, rechtlich wie finanziell, bestehen und ein Kind adoptieren, stehen sie trotzdem vorm Problem des Arbeitsmarktes. Wer gibt seinen Job auf, um das Kind zu betreuen? Diese Probleme der „bürgerlichen Familie“ können nicht durch „alternative Familienmodelle“ aufgelöst werden, man muss ihr die wirtschaftliche Grundlage des Kapitalismus entziehen.
Zudem werden aller LGBT-Kampagnen zum Trotz Sexismus, Homo-, Transphobie u.a. gezielt genutzt, um die Arbeiterklasse zu spalten. LGBT-Personen sind oft unterbeschäftigt oder arbeitslos und werden sowohl als ArbeiterInnen ausgebeutet als auch durch ihre Identität und sexuelle Orientierung diskriminiert. KapitalistInnen profitieren von Sexismus und Homophobie, da so der gemeinsame Kampf der ArbeiterInnen geschwächt wird.
Ein Teil der KapitalistInnen scheinen heutzutage Homosexualität und Transpersonen zu akzeptieren. Dahinter steht aber knallhartes Profitkalkül, wobei man wohlhabende LGBT-freundliche KundInnen ansprechen will. Netflix baut mehr homosexuelle Charaktere ein, Burger King und Ronald McDonald küssen sich für die Pride.
Aber das Forbes-Magazin deckte 2019 auf: „Neun der größten LGBTQ-unterstützenden Konzerne in Amerika gaben im letzten Wahlkampfzyklus 1 Mio. $ oder mehr für Wahlkampagnen von anti-gay Politikern aus.“ Das zeigt die Heuchelei hinter diesem Phänomen des „Regenbogen Kapitalismus“ oder „Pink Capitalism“.
Doch der „Regenbogen-Kapitalismus“ ist nicht nur ein Marketing-Gag. Oberflächliche LGBT-Kampagnen und die ideologisch-theoretischen Konzepte der Identitätspolitik, der Intersektionalität und der Queer Theory werden von der herrschenden Klasse gezielt benützt, um ihrer reaktionären Politik einen „progressiven“ Anstrich zu geben. Weil diese Theorien den Kapitalismus nicht überwinden wollen, ist das auch ohne Probleme möglich.
Was früher noch ein lustiges Meme war, ist jetzt Realität: Die US-Navy unter dem „Regenbogen-Präsidenten“ Joe Biden kündigte dieses Jahr im Mai die erste offizielle homosexuelle Helikopter-Crew an. Vier Männer posieren vor dem Helikopter mit einer Regenbogenflagge in den Händen.
Auch die deutsche Bundeswehr produzierte unlängst ein Promo-Video, in dem sie einen schwulen und einen trans-Mann, eine Lesbe, einen Muslim und zwei Schwarze als Teil der Streitkräfte in Szene setzen.
Dass imperialistische Armeen nun Raketen und Geschoße von LGBT-Personen und in Regenbogen-Farben auf Zivilisten in Kriegsgebieten feuern lassen, hilft den Opfern kein Stück. Die Herrschenden probieren sich von ihrer „progressiven“ Seite zu zeigen, ihre Verbrechen an der Menschheit können sie jedoch nicht hinter Regenbogenflaggen verstecken.
Man sieht: Der Kampf gegen Unterdrückung und Diskriminierung von LGBT-Personen ist untrennbar mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden. Gegen den „Regenbogen-Kapitalismus“ brauchen wir den revolutionären Antikapitalismus. Die Pride-Demonstrationen, die jedes Jahr stattfinden, haben ihren Ursprung in den Stonewall-Riots, in denen sich die schwule Community in der New Yorker Christopher Street der Polizeigewalt widersetzte. Dieser kämpferische Ursprung wird in jüngster Vergangenheit verwischt. Doch wirkliche Befreiung werden wir nur mit einem gemeinsamen Klassenkampf aller ArbeiterInnen gegen das herrschende System erkämpfen können.
Many colours – one working class – für die Revolution!
Gabriela Stefanova
Der Funke Österreich
(Funke Nr. 194/26.5.2021)
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
Nah-Ost — von Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) — 09. 10. 2024
Imperialismus, Kolonialismus & Nationale Frage — von Jorge Martín, April 2024 — 03. 10. 2024