Ein Jahr nach dem historischen 14. Juni 2019 sind die Lebensbedingungen arbeitender Frauen stärker denn je bedroht. Wie kann man gegen diese Unterdrückung ankämpfen?
Die Corona-Pandemie hat die Frauenunterdrückung genau da verstärkt, wo sie bereits zuvor brutal war. Ärgster Ausdruck davon ist die Tatsache, dass Frauen 20% mehr Infektionen erlitten als Männer (laut BAG). Dies zeigt die Verwundbarkeit arbeitender Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft: In den “feminisierten” Sektoren waren sie dem Virus stark ausgesetzt, sei es im Gesundheits- oder Detailhandelssektor. Da sie vor allem Teilzeit- oder Stundenlohnangestellte sind, waren während des Lockdowns auch für Aufgaben ausserhalb des Haushalts (Einkäufe, Altenpflege usw.) verfügbarer und so wiederum stärker dem Virus ausgesetzt.
Im Allgemeinen zementierte der Lockdown diskriminierende und unterdrückende Strukturen. Eine Studie des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann besagt, dass Frauen unter dem Strich über weniger Zeit für Lohnarbeit verfügen, da sie während des Lockdowns mehr häusliche Pflichten übernehmen müssen. Das untermauert die benachteiligte Stellung der Frau in der «traditionellen» Familie. Zur Prekarisierung arbeitender Frauen einerseits und der verstärkten Ausbeutung andererseits stossen noch steigende Fallzahlen häuslicher Gewalt (nach Schätzungen diverser Organisationen und Frauenhäuser). Die psychische und körperliche Last von COVID-19 ruht auf den Schultern der Arbeiterinnen!
Diese Probleme werden durch das Ende des Lockdowns nicht gelöst. Der Schweizer Wirtschaft blüht die grösste Krise ihrer Geschichte. Bereits jetzt sehen wir Massenentlassungen und steigende Arbeitslosenzahlen. Mit Verschlimmerung ist zu rechnen. Die Lohnabhängigen werden für die kapitalistische Krise zur Kasse gebeten werden, und nach wie vor werden Frauen an vorderster Front stehen.
Momentan zählen rund 350’000 Personen in der Schweiz als unterbeschäftigt, davon 75% Frauen. Bis Ende Jahr könnte diese Zahl auf 900’000 ansteigen. Die ersten Betroffenen sind Teilzeit- und Stundenlohnangestellte – grösstenteils also Frauen. Zugleich steigen die Anforderungen an das Sozialhilfesystem rasant an. Auch hier gehören Frauen zu den ersten Betroffenen.
Dazu gesellen sich die informellen Sektoren ohne Zugang zu sozialen Hilfeleistungen, wie etwa der Haushaltshilfe-Sektor, einem sehr feminisierten Bereich, in dem drei Viertel der Arbeiterinnen während des Lockdowns ihre Stelle verloren. Und schliesslich muss das Rettungspaket von 60 Milliarden Franken, das der Bund für diverse Konzerne und Banken sprach, über kurz oder lang zurückbezahlt werden. Aktuell rechnen bürgerliche Experten für die nächsten 15 Jahre mit Kürzungen im Sozialbereich. Nochmals sind Frauen, die oft von Dienstleistungen wie Krippen abhängig sind oder selber im sozialen Sektor arbeiten, als Erste direkt betroffen.
Also muss die Arbeiterklasse und insbesondere die Frau für die Krise aufkommen. Das ist inakzeptabel! Kämpfen wir jetzt dagegen an! In diesem Kampf kann den Chefs und Kapitalisten logischerweise kein Vertrauen entgegengebracht werden. Sie liessen uns während einer Pandemie arbeiten, sie kündigen uns, sie bedrohen unsere Lebensgrundlage. Ebensowenig dürfen wir vom Staat erwarten, dass er uns gegen kapitalistische Angriffe zu Hilfe kommt. Es ist gerade der Staat, der die Banken mit 60 Milliarden Franken stützt, während er unsere Renten kürzt und das Frauenrentenalter erhöht. Trotz aller letztes Jahr vom Schweizer Staat hochgelobten Fortschritte in Sachen Gleichheit sehen wir: Die Krise enthüllt, wie wenig der Kapitalismus, seine Krisentendenz und sein Staat der Arbeiterklasse zu bieten hat, insbesondere den arbeitenden Frauen. Deshalb dürfen wir, die Lohnabhängigen und die Jugend, nur mit uns selbst rechnen!
Am 14. Juni 2020 forderten die Komitees des Frauenstreiks, die Gewerkschaften und die SP zurecht “Respekt, Zeit, Geld – mehr denn je!” Ohne Zweifel sind diese Forderungen im Interesse der Frauen und jungen Arbeiterinnen. Die zentrale Frage jedoch ist, wie sie erreicht werden sollen.
Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass weder Staat noch Bosse uns irgendwas zugestehen werden, nur weil wir sie darum bitten – umso weniger während einer tiefen Wirtschaftskrise. Allerdings stellen wir, die Klasse der Lohnabhängigen, die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Wir halten die Gesellschaft am Laufen, wir sind die wahren Produzenten, Pflegenden und Erzieherinnen. Ist unsere Klasse gegen die Kapitalisten vereint und ausgerüstet mit Streiks und Massenmobilisierung, kann sie tiefe Veränderungen erzwingen.
Um das zu tun, müssen wir lohnabhängige Männer und Frauen unbedingt kampffähig werden. Genau das ist die Aufgabe der Gewerkschaften in Bezug auf den Frauenstreik: Die Arbeiterinnen und Arbeiter am Arbeitsplatz zu organisieren, so dass wir selber für mehr Respekt, Zeit und Geld kämpfen können. Die Organisierung der Lohnabhängigen als solche ist eine direkte Vorbedingung, um Verbesserungen erzielen zu können.
Die Gewerkschaftsführungen und Feministinnen haben 2020 einmal mehr entschieden, einen einzigen Kampftag am 14. Juni zu organisieren, der darüber hinaus auf einen Sonntag fiel. Die Idee dahinter ist es, die Frauenunterdrückung «sichtbar» zu machen, so dass eine Veränderung möglich wird. Wer aber ist die treibende Kraft hinter diesen Veränderungen? Mit dieser Herangehensweise der «Sichtbarmachung» überlässt man die Aufgabe, Veränderung herbeizuführen, einer anderen Instanz, tatsächlich dem bürgerlichen Staat. Also genau der Regierung und dem Parlament, die seit Jahrzehnten keine Verbesserung der Lebensumstände für arbeitende Frauen umsetzt! So werden arbeitende Frauen (und Männer) in eine sehr passive Rolle gedrückt. Sie sollen – ausser an einem Tag im Jahr – warten und hoffen, dass das Parlament sich ihrer Probleme annimmt. Man lässt uns vergebens warten.
Jedoch ist das Potenzial für eine mobilisierte und kämpferische ArbeiterInnenklasse grösser denn je. Die Massenmobilisierung vom 14. Juni 2019 als Ausdruck von Frauen, die die Schnauze voll haben, zeigt sehr deutlich, dass Frauen wie Männer dazu bereit wären, gegen ihre Unterdrückung zu kämpfen. Mit dem Klimastreik und der starken Black Lives Matter-Bewegung erleben wir aktuell eine wahre Radikalisierungswelle gegen Ausbeutung und systematische Unterdrückung im Kapitalismus. Unter dem Druck der Krise des Kapitalismus und seiner Angriffe gegen immer grössere Schichten der ArbeiterInnenklasse werden nur noch mehr Jugendliche und ArbeiterInnen die politische Bühne betreten.
Die Pandemie hat aufgezeigt, wie unverzichtbar viele Berufe für die Gesellschaft sind. Dadurch haben viele Frauen enorm an Selbstbewusstsein gewonnen. Dieses Selbstbewusstsein gerät mit den Angriffen der Kapitalisten in einen fundamentalen Konflikt. Riesige Kämpfe kommen auf uns zu. Es ist höchste Zeit, Teil einer revolutionären Organisation zu werden!
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