Die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien in Österreich, Frankreich oder Deutschland sowie das erneute Ansteigen rassistisch motivierter Gewalttaten und das freche Auftreten der „Neuen Rechten“ in den letzten Jahren konfrontiert die Linke einmal mehr mit der Frage, welchen Charakter unser antifaschistischer und antirassistischer Kampf haben sollte. Wie können wir verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt? Von Fred Weston, aktualisiert von Natalie Ziermann.
Der Aufstieg faschistischer Bewegungen spiegelte in der Vergangenheit die Verzweiflung der kleinbürgerlichen Massen, der politisch rückständigsten Schichten der Arbeiterklasse und einer perspektivlosen Jugend wider.
Genau dies ist auch heute die soziale Basis für rechtsextreme und neofaschistische Gruppen und Parteien. Die Tatsache, dass sich die FührerInnen der Massenorganisationen der Arbeiterbewegung, der sozialdemokratischen und „kommunistischen“ Parteien in aller Regel mit dem Kapitalismus und seinen Sachzwängen abgefunden haben und sich weigern, das Schicksal der Gesellschaft in die eigene Hand zu nehmen, treibt Teile der Mittelschicht und politisch orientierungslose ArbeiterInnen und Arbeitslose in Richtung rechter, reaktionärer Parteien. Seit Ausbruch der Systemkrise 2008 erlebt der Rassismus in vielen Ländern einen neuen gesellschaftlichen Boom. Nicht nur, dass rechte Parteien und Personen mit fremdenfeindlichen Parolen um sich werfen und in vielen Ländern massiv an WählerInnen gewinnen, auch sozialdemokratische Parteien werben mit Obergrenzen für Flüchtlinge, verschärften Asylgesetzen und Notstandsverordnungen.
Aber auch faschistische und neonazistische Organisationen haben sich gewandelt. Während in den 1980er und 1990er Jahren noch die biologistisch-rassistische White-Power-Bewegung dominiert hat, geht der Trend jetzt in Richtung (neo-)faschistischer Banden (die „Neuen Rechten“) die dem verstaubten Image von Faschisten durch ihren Hipster-Charakter einen neuen Schwung geben wollen. In Österreich sind die bekannteste Gruppierung dieser Art die sogenannten Identitären.
Die Identitären nahmen ihren Ausgang in Frankreich, wo sich nach dem Verbot der neonazistischen Unité radicale 2002 die Gruppe Jeunesses identitaires gründete. Daraus ging ein Jahr später der Bloc identitaire unter dem ehemaligen Front-National-Kader Fabrice Robert hervor. Im Oktober 2012 trat die mittlerweile in Génération identitaire umbenannte Gruppierung mit der Besetzung der noch in Bau befindlichen Moschee in Portiers in eine grössere Öffentlichkeit. Als Symbol übernahmen die Identitären das Λ, von dem manche seit dem bluttriefenden Fantasyfilm „300“ glauben, dass es die Schilde der heldenhaften Spartaner zierte. In Österreich etablierten sich die Identitären nach der Zerschlagung der neonazistischen Alpen-Donau-Gruppe um Gottfried Küssel. So bewegte sich Martin Sellner, Obmann der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), im Umfeld des berüchtigten Neonazis. Die Herkunft mancher IBÖ-Kader aus dem organisierten Neonazismus wird gar nicht geleugnet, sondern vielmehr als „Irrweg“ abgetan. Neben ehemaligen Nazi-Cliquen kommen Identitäre auch aus dem deutsch-völkischen Studentenverbindungsmilieu, was sich in ihrem ausgeprägt männerbündischen Charakter und geringem Frauenanteil widerspiegelt. Ideologisch speisen sich die Identitären aus der „Neuen Rechten“, einer modernisierten Form des Rechtsextremismus. Diese wurde für das Überleben der extremen Rechten Europas notwendig, da nach NS-Terror und der industriellen Massenvernichtung der Juden (der Shoa) ein offener biologistischer Rassismus politisch untragbar wurde. Zentrales Element der Neuen Rechten ist der Ethnopluralismus. Er geht von einem wissenschaftlich nicht haltbaren Konzept unvermischter Völker aus, die ihre „alte, traditionelle“ Kultur durch Abschottung bewahren müssten, sich „ungestört“ und „natürlich“ entfalten sollten, da ein „Eindringen“ anderer Kulturen zu Konflikten, ja sogar zu ihrem „Untergang“ führen könnte. Legitimiert wird das anhand historischer Beispiele. Grosses Vorbild ist dabei die Reconquista, die Vertreibung der MuslimInnen und JüdInnen aus Spanien während Mittelalter und Früher Neuzeit. Unverblümt rufen die Identitären immer wieder zu dieser auf, um die „Islamisierung“ Österreichs und Europas aufzuhalten, um den „Austausch“ – das „Eindringen“ anderer Kulturen – zu verhindern. Daneben kämpfen sie gegen weitere Feindbilder, die dem klassisch-(neu)rechten Dunstkreis entnommen sind: „Multikulti“, „Gutmenschen“, EU, „amerikanischer Kulturimperialismus“, Political Correctness, „Gleichmacherei und Gender-Terror“, „manischer Antifaschismus“.
Als Agitationsformen sind unkonventionelle Auftritte angesagt, ein „frecher, offener Aktivismus“, verbunden mit „Schock-Aktionen“. Dabei nützen sie bekannte Elemente der Popkultur: Flashmobs, Harlem Shake, Guy-Fawkes-Masken, Filmzitate aus 300 oder Avatar. Eifrige Web-Aktivitäten (z. B. V-Logs) und ein professioneller Facebook-Auftritt gehören ebenso dazu. Alles für ihre wichtigste Zielgruppe – Jugendliche, vor allem aus dem bürgerlich-akademischen Milieu. Man distanziert sich daher offiziell von schlägernden Nazi-Skins und anderen „Prolos“, man gibt sich intellektuell, man liest Heidegger oder Nietzsche und strebt die ideologische Oberhoheit im geistig-kulturellen Überbau der Gesellschaft an. Dabei betonen die Identitären immer wieder, dass sie gegen Antisemitismus, Faschismus und Nationalsozialismus seien. Angesichts der Tatsache, dass man einen historischen Prozess (Reconquista) gutheisst, der mit Judenvertreibungen verbunden war, offen zur ethnischen Säuberung Europas aufruft und eine „organische österreichische Demokratie“ – offensichtlich eine Anknüpfung an die NS-Volksgemeinschaftsideologie – einfordert, ist das eine reine Schutzbehauptung. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich auf ihren Facebook-Seiten Neonazis wie der verurteilte Franz Radl oder Werner Königshofer als Fans outen. Auch Robert Faller, Führerfigur der aufgelösten Nationalen Volkspartei und wegen NS-Wiederbetätigung bedingt verurteilt, und sein ehemaliger Parteikollege Christian Hayer zählen dazu.
Diese neofaschistischen Schlägertrupps sind aber unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen relativ schwache Kleingruppen. Beispielsweise dürften die Identitären nicht mehr als 150 bis 200 AktivistInnen österreichweit haben. So wichtig es ist, ihnen entgegenzutreten und ihren Aufstieg durch militante Massenmobilisierungen ihm Keim bereits zu ersticken, so muss doch klar sein, woher die wirkliche Gefahr von rechts ausgeht. Dies führt uns von der Strasse in die Parlamente, in die etablierte bürgerliche Politik. Es sind Parteien wie die FPÖ, die AfD, die Front National oder andere, die mittlerweile mit konservativen oder sogar sozialdemokratische Parteien Regierungsverantwortung tragen, einen festen Bestandteil des bürgerlichen Systems darstellen und zu den Trägern des „neoliberalen Systemumbaus“ einer rechtskonservativen Wende geworden sind. Auch wenn diese Parteien leicht nachvollziehbare Beziehungen ins faschistische Eck haben, offen einen Schlupfwinkel für Nazis darstellen oder teilweise sogar einen offen faschistischen Flügel haben, so charakterisieren wir diese Parteien nicht als faschistisch. Der Grund ist einfach: die Führungen und Apparate dieser Parteien wollen nicht die demokratischen Institutionen mittels Strassenkampf und Bandenterror abschaffen, sondern vielmehr einen möglichsten grossen Anteil von Mandaten und Posten innerhalb der bestehenden Institutionen erreichen.
Die FPÖ ist aus dem VdU (Verband der Unabhängigen) – einem Zusammenschluss von (ehemaligen) Nationalsozialisten und anderen Reaktionären hervorgegangen und konnte klar als rechtsextreme Partei eingestuft werden. Der Bedeutungsverlust der ehemals grossen Volksparteien SPÖ und ÖVP erlaubte der FPÖ seit den 1990er Jahren, aus ihrem traditionell engen Lager in breite Wählerschichten vorzudringen. Um dies zu erreichen, musste sie auch einen entsprechenden äusseren Wandel durchmachen (das Innere der Partei wird nach wie vor von einem deutschnationalen Kern von Burschenschaftern, die den Apparat der Partei weitgehend kontrollieren, dominiert). Im Aussenauftritt wird daher von „abendländischer Kultur“ oder von der „österreichischen Identität“ die man verteidigen müsse gesprochen und symbolhaft werden immer wieder Mitglieder, die rechtsextreme oder antisemitische Aussagen tätigen (z.B.: Susanne Winter), ausgeschlossen. Der FPÖ EU Abgeordnete Andreas Mölzer charakterisiert seine Partei folgendermassen: „Man muss vom Stil her die Mitte ansprechen, aber von der Sache her hart bleiben. Die FPÖ ist deshalb eine Systemalternative, weil sie für die autochthone Bevölkerung, für die Erhaltung der österreichischen Identität, gegen Massenzuwanderung, gegen Sozialmissbrauch eintritt. Würde sie da aufweichen, wäre sie historisch obsolet. Sie wird es vom Stil her moderat machen müssen.“
Die Wahlerfolge rechter DemagogInnen vom Schlag eines H. C. Strache oder einer Marine Le Pen sind zwar ernst zu nehmen, bedeuten aber noch längst nicht, dass eine faschistische Machtübernahme bevorsteht. Das Grosskapital hat seinerzeit Hitler und Mussolini die Macht übergeben und die Erfahrung gemacht, dass sich diese „Führer“ mit ihren faschistischen Massenbewegungen zu sehr verselbständigt hatten. Hitlers „totaler Krieg“ lag nicht mehr im Interesse seiner Förderer im Grosskapital – daher auch der Versuch konservativer Militärs am 20. Juli 1944, die aus den Fugen geratene Hitlerdiktatur durch eine „ordentliche“ Militärdiktatur zu ersetzen und den innerimperialistischen Krieg rasch zu beenden.
In der heutigen Zeit ist es ausgeschlossen, dass die herrschende Klasse wieder den faschistischen Spinnern die alleinige Macht übergibt. Allerdings kann sie die Faschisten nach wie vor gebrauchen: als Hilfstruppen für rechte Militär- und Polizeidiktaturen. In Griechenland (1967), Chile (1973) und Argentinien (1976) hat die Erfahrung gezeigt, dass solche Militärregimes auch vor faschistischen Methoden nicht zurückschrecken. Allerdings besitzen diese heute nicht mehr die gleiche aktive Massenbasis wie der herkömmliche Faschismus – siehe Hitler oder Mussolini – und sind deshalb nicht in der Lage, die Arbeiterorganisationen auf längere Zeit völlig zu zerstören.
Leo Trotzki erklärte in den 30er Jahren, dass die herrschende Klasse den Faschismus nur als letztes Mittel benutzt, wenn die Arbeiterbewegung eine Reihe entscheidender Niederlagen erlitten hat. Noch lange bevor die Bourgeoisie sich der bonapartistischen oder faschistischen Reaktion zuwendet, wird die Arbeiterklasse viele Chancen haben, die Gesellschaft zu verändern. Es zeigt sich jedoch, dass die herrschende Klasse in Europa kein prinzipielles Problem damit hat, rechtsextremen Parteien die Mitverantwortung an der Regierungsarbeit anzuvertrauen. Gemeinsam mit den traditionellen bürgerlichen Parteien treiben sie Sozialabbau und rassistische Gesetzgebung voran, schränken sie demokratische Freiheiten ein und verhelfen sie einer reaktionären ideologischen Wende zum Durchbruch. Wo Nazis offen und gewalttätig auftreten, sorgen sie dafür, dass der Polizeiapparat am rechten Auge weitgehend blind ist. Dies alles sind ernsthafte Warnschüsse gegen die Arbeiterbewegung. Dass rechtsextreme Parteien in ganz Europa diese Rolle übernehmen konnten, ist nur dadurch zu erklären, dass die herrschende Klasse auf der Suche nach einem dauerhaften Ausweg aus der Krise des Kapitalismus, der sich eindeutig in einer Phase des Niedergangs befindet, eine schärfere Gangart fordert. Der Kampf gegen diese rechten Parteien kann daher nur ein Kampf gegen die kapitalistische Krise in all seinen Ausformungen sein.
Der Kampf gegen den Faschismus und Rassismus ist letzten Endes eine Klassenfrage. Linke und GewerkschafterInnen sollten nie die Führung in der antifaschistischen Bewegung den Mittelschicht-PolitikerInnen, Liberalen, Geistlichen etc. mit ihren pazifistischen und moralisierenden Phrasen überlassen. Eine solche Politik wäre fatal und in der Praxis wirkungslos, weil prokapitalistische Kräfte nichts zum wirklichen Kampf gegen die Faschisten beitragen und die Arbeiterklasse durch solche Bündnisse eingebläut bekommen, dass man dem Klassenfeind in dieser Frage trauen könne.
In den 20er und 30er Jahren appellierten die sozialdemokratischen Führer an den Staat, gegen die Faschisten einzugreifen („Staat, greif zu!“). Dies war ein fataler Fehler, der sich auf die falsche Auffassung stützte, dass der bürgerliche Staat eine unparteiische Instanz sei, der über den Klassen steht. In Wirklichkeit ist der Staat ein Instrument der Klassenherrschaft; er vertritt die Interessen der Banken und Grosskonzerne und wird von ihnen völlig beherrscht. Der bürgerliche Staat greift nur dann gegen faschistische Banden ein, wenn die herrschende Klasse ihre Dienste nicht benötigt und sie befürchtet, dass durch deren Aktionen eine Gegenbewegung der Arbeiterklasse provoziert würde. Im April 1932 ordnete z.B. der deutsche Innenminister General Gröner das Verbot von Hitlers SA an. Der SA-Führer Röhm beschrieb später in seinen Memoiren, dass dies nichts bewirkte:
„Aber nur die Uniformen und Abzeichen verschwanden. Nach wie vor übte die SA auf dem Truppenübungsplatz Döberitz sowie auf anderen reichseigenen Plätzen. Nur trat sie jetzt nicht mehr als SA auf, sondern als Verein Deutscher Volkssport.“
Trotzki stellt hierzu fest:
„Zu ergänzen ist noch, dass General Gröner nicht nur Reichsinnenminister, sondern auch Reichswehrminister war. In seiner ersteren Eigenschaft erliess er aus Gründen des parlamentarischen Opportunismus das ‚SA-Verbot‘, in seiner letzteren Eigenschaft dagegen bot er der SA von Staats wegen alle Möglichkeiten zu ihrer weiteren Entwicklung.“
Trotzki, Tagebuch im Exil, 1935
MarxistInnen müssen in der Arbeiter- und Jugendbewegung systematisch dahingehend arbeiten, die Natur des Faschismus und die von ihm für die Arbeiterbewegung ausgehende Gefahr deutlich zu machen. Sie müssen in der Arbeiterbewegung darauf hinwirken, dass sie sich nur auf die eigene Organisation, Stärke und Klassensolidarität bei der Lösung ihrer Probleme verlassen können. Dies gilt auch dann, wenn sich die Bourgeoisie unter gewissen Umständen gezwungen sieht, antirassistische Gesetze zu erlassen. Wenn solche Gesetze auch nur im Geringsten fortschrittlich wären, würden MarxistInnen sie natürlich nicht ablehnen. In einzelnen Fällen kann eine begrenzte Wirkung durchaus möglich sein, wenn solche Gesetze von Polizei und Justiz tatsächlich befolgt werden. Die Erfahrung lehrt uns jedoch, dass wir uns auf keinen Fall darauf verlassen dürfen.
Abgesehen davon, dass die Polizei und die Gerichte zu einem nicht gerade geringen Prozentsatz mit rechten, rassistischen Elementen durchzogen sind, kann dieses blinde Vertrauen in den bürgerlichen Staat das Problem auch dadurch verschlimmern, indem sich die Arbeiterklasse und die Minderheiten in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiegen und sich somit selbst entwaffnen, während gleichzeitig rassistische Banden ihr Spiel weitertreiben.
Faschisten müssen dort geschlagen werden, wo es darauf ankommt: in Betrieben und Wohnvierteln und auf der Strasse. Wenn beispielsweise die Nazis durch ein Verbot ihre aus dem Parteienstatus erwachsenen finanziellen und rechtlichen Privilegien verlieren, ist dies natürlich zu begrüssen. Allerdings: die dann mehr vom Untergrund, von ausländischen Einsatzzentralen oder aus dem Schoss anerkannter rechtsextremer Parteien und Organisationen wie den Burschenschaften aus operierenden Nazis wären nicht aus der Welt und würden sich einfach anderswo organisieren. Ausserdem beschränkt sich die rassistische und ausländerfeindliche Propaganda nicht auf offene Faschisten, sondern wird längst auch von bürgerlichen Politikern wie Strache, Kurz oder Sobotka bzw. von SozialdemokratInnen, die „Obergrenzen“ fordern, salonfähig gemacht. Wenn sich die Unternehmerverbände derzeit „antifaschistisch“ geben und manche sogar Nazis aus ihren Betrieben entlassen wollen, so haben sie dabei vor allem Geschäftsinteressen, ihre Exportchancen und ihr Prestige in aller Welt im Kopf. „Nie wieder Auschwitz“ lautete eine Parole zur Rechtfertigung des NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien 1999. Doch das erbärmliche Gerangel um die Entschädigungszahlungen für die wenigen noch überlebenden NS-Zwangsarbeiter zeigte, wie die Unternehmerschaft – die überwiegend Hitler finanziert und von seinem Regime profitiert hat – ihre eigene Geschichte „bewältigt“. Wir müssen den ArbeiterInnen und unterdrückten Minderheiten erklären, dass Gesetze nicht das Problem des Rassismus lösen, der letztlich ein Produkt der kapitalistischen Gesellschaft ist.
In vorkapitalistischen Zeiten war Rassismus nicht nötig, da diese Gesellschaftsformen auf der Ausbeutung unfreier Arbeit basierten, egal, ob in Form der Sklaverei oder hörigen Bauernschaft. Sie benötigten keine Ideologie, die behauptet, dass die Menschheit in Rassen geteilt sei, die auf klaren biologischen und daraus abgeleiteten psychologischen Merkmalen basieren, woraus sich eine Rassenhierarchie ergibt und damit die Ausbeutung von „beherrschten, unterentwickelten Rassen“ durch „herrschende, hoch entwickelte“ legitimiert wird. Die kapitalistische Produktion fusst jedoch im Gegensatz zur vorkapitalistischen auf der Ausbeutung von freier (Lohn-)Arbeit. Die LohnarbeiterInnen sind, wie Karl Marx sagt,
„frei im doppelten Sinne, frei von den alten Beziehungen der Abhängigkeit, von Fesseln und Knechtschaft und zweitens frei von allem Hab und Gut in jeder objektiven, materiellen Form, frei von allem Eigentum“.
Es ist nicht die rechtliche und politische Unterordnung der ArbeiterInnen unter die KapitalistInnen, die die Basis der kapitalistischen Ausbeutung ausmacht, sondern ihr Ausschluss von den Produktionsmitteln und der daraus resultierenden Notwendigkeit des Verkaufes ihrer Arbeitskraft.
Mit der Entwicklung des Kapitalismus und der mit ihm verbundenen bürgerlichen Gesellschaft wurde Sklavenarbeit immer mehr zu einer widersprüchlichen Ausnahme, die eine Erklärung erforderte. So etablierte sich die Idee, dass Schwarze (oder andere „Rassen“) „Untermenschen“ (oder gar keine richtigen Menschen) seien und deshalb nicht den gleichen Status verdienten, wie er zunehmend als Menschenrecht anerkannt wurde. Der Rassismus diente dabei vor allem zur Delegitimierung von kolonialen Sklavenaufständen. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Haitianische Revolution. Diese begann 1791 mit einem Aufstand der Sklaven, die sich in der damaligen französischen Kolonie Haiti auf das Konzept der Menschenrechte der Französischen Revolution beriefen. Mit dem Verbot der Sklaverei (z. B. Grossbritannien 1807, Frankreich 1848) kam es jedoch zu keinem Ende des Rassismus. Er blühte sogar immer mehr auf. Zwischen 1840 und 1940 kam es zu einer wahren publizistischen Explosion einer Rassenmythologie in den imperialistischen Nationalstaaten. Sie vermengte sich mit einer pseudo-wissenschaftlichen Rassenbiologie, die eine vulgäre Version von Darwins natürlicher Selektion darstellte. Diente der Rassismus ursprünglich zur Legitimierung von Sklaverei im aufkommenden Kapitalismus, bekam er mit ihrer offiziellen Abschaffung die Funktion, die Beherrschung der Welt durch den westlichen Imperialismus als Produkt der „innewohnenden Überlegenheit“ der „weissen Rasse“ zu rechtfertigen. Das zentrale Motiv war der Gedanke, dass die biologische und psychische Konstitution der AfrikanerInnen, AsiatInnen und UreinwohnerInnen anderer Kontinente es erfordere, dass sie von den Weissen geführt werden, deren Pflicht es sei, die Welt im Namen ihrer Untertanen zu regieren. Rassismus legitimierte also äusserst ausbeuterische Lohnarbeitsverhältnisse sowie Rohstoff- und Landraub zugunsten des Kapitals in den Kolonien. Heute bedient sich der Imperialismus nicht mehr eines offen biologistischen Rassismus. Die globalen imperialistischen Raubzüge werden nun mit dem „Export von Demokratie, Rechtstaat und den europäischen Werten der Aufklärung“ in noch nicht so „weit entwickelte“ Gesellschaften gerechtfertigt. Die „unterentwickelten“, vor allem muslimisch geprägten Kulturen sind zu „zivilisieren“ und vom islamistischen Terrorismus zu „befreien“. Besonders die Interventionen der USA und ihrer Verbündeten in Irak und Afghanistan, beide äusserst rohstoffreich, standen unter dem Banner dieser Propaganda.
Rassismus dient jedoch nicht nur zur Rechtfertigung der (tatsächlichen oder geforderten) globalen Vorherrschaft der nationalen Kapitalfraktionen der einzelnen imperialistischen Mächte. Er hat auch eine stabilisierende Funktion im Inneren dieser. Karl Marx erkannte das am Beispiel Englands als Erster:
„Alle industriellen und kommerziellen Zentren Englands besitzen jetzt eine Arbeiterklasse, die in zwei feindliche Lager gespalten ist, englische proletarians und irische proletarians. Der gewöhnliche englische Arbeiter hasst den irischen Arbeiter als einen Konkurrenten, welcher den standard of life (Lebensstandard, d. Ü.) herabdrückt. Er fühlt sich ihm gegenüber als Glied der herrschenden Nation und macht sich eben deswegen zum Werkzeug seiner Aristokraten und Kapitalisten gegen Irland, befestigt damit deren Herrschaft über sich selbst. Er hat religiöse, soziale und nationale Vorurteile gegen ihn. Er verhält sich ungefähr zu ihm wie die poor whites (armen Weissen, d. Ü.) zu den niggers in den ehemaligen Sklavenstaaten der amerikanischen Union. Der Irländer pays him back with interest in his own money (zahlt es ihm mit gleicher Münze heim, d. Ü.). Er sieht zugleich in dem englischen Arbeiter den Mitschuldigen und das stupide Werkzeug der englischen Herrschaft in Irland. Dieser Antagonismus wird künstlich wachgehalten und gesteigert durch die Presse, die Kanzel, die Witzblätter, kurz, alle den herrschenden Klassen zu Gebot stehende Mittel. Dieser Antagonismus ist das Geheimnis der Ohnmacht der englischen Arbeiterklasse, trotz ihrer Organisation. Er ist das Geheimnis der Machterhaltung der Kapitalistenklasse. Letztere ist sich dessen völlig bewusst.“
Marx führt hier die ökonomische Konkurrenz der ArbeiterInnen im täglichen Kampf um Lohn, Brot und Arbeitsplätze als materielle Grundlage für Rassismus an. Im Kapitalismus gibt es spezielle Muster der Kapitalakkumulation, also unterschiedliche Produktionszweige und -phasen mit unterschiedlicher Arbeitsintensität und unterschiedlichen notwendigen Qualifikationsniveaus der Arbeiterschaft. Das erfordert eine spezielle Anpassung der ArbeiterInnen, die vom Arbeitsmarkt durch unterschiedliches Einkommen reflektiert wird. Speziell in Perioden der Kapitalerneuerung, wenn die Arbeitskräfte herabgestuft werden, tendieren KapitalistInnen dazu, die gelernten durch ungelernte und damit billigere ArbeiterInnen zu ersetzen. Oft werden auch hoch qualifizierte und damit teure ausländische Arbeitskräfte von den staatlichen Behörden als unterqualifiziert eingestuft, was deren Ausbeutung durch die UnternehmerInnen profitabler macht. Die mühsamen Nostrifizierungsverfahren, die z. B. in Österreich zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen nötig sind, dienen als besonders anschauliches Beispiel für diesen Prozess. Kurz gesagt, das Kapital braucht wegen der gut bezahlten, sozial abgesicherten und damit teuren Beschäftigten auch solche, die die anstrengenden, mies bezahlten, schlecht sozial abgesicherten und gering angesehenen Arbeiten erledigen und besonders in Krisenzeiten als Druckmittel zur Durchsetzung eines allgemeinen Lohndumpings und Sozialabbaus instrumentalisiert werden können.
Wenn dann diese zwei Gruppen von ArbeiterInnen, die gut und die schlecht bezahlten, eine unterschiedliche Nationalität und/oder Hautfarbe haben, deshalb auch vielleicht verschiedene Sprachen und Traditionen, existiert das Potenzial für die Entwicklung rassistischer Spaltungen zwischen ihnen. Dazu muss der Rassismus nicht einfach eingetrichtert werden, so als würden einige schlimme PropagandistInnen reichen, um RassistInnen heranzuziehen. Vielmehr drängt er sich den Beschäftigten jeden Tag auf: Im Betrieb und auf der Arbeitssuche herrschen Konkurrenz und Ausdifferenzierung zwischen den ArbeiterInnen, verbunden mit einer permanenten Furcht vor einer möglichen Verschlechterung der materiellen Lebensverhältnisse. Das begünstigt den Rassismus.
Der Kapitalismus mit seiner Lohnkonkurrenz bietet zwar die materielle Basis für den Rassismus unter den ArbeiterInnen, jedoch muss betont werden, dass er nicht ein Produkt der Arbeiterbewegung selbst ist. Alle rassistischen TheoretikerInnen waren Adelige oder (Klein)Bürgerliche mit einem klaren antiproletarischen Klassenstandpunkt. Sie sind es auch heute noch wie z. B. der Ex-Banker Thilo Sarrazin, der Verlagsinhaber und Publizist Götz Kubitschek oder der ehemalige Diplomat und Universitätsprofessor Tomislav Sunic. Vor allem die revolutionären Teile der Arbeiterbewegung positionieren sich seit ihren Anfängen klar gegen jegliche Spaltung der Arbeiterschaft. Schon Marx erkannte, dass die herrschende Klasse den Rassismus bewusst benutzt, um die ArbeiterInnen voneinander zu trennen, sie dadurch in den Klassenauseinandersetzungen des Kapitalismus zu schwächen und so politisch kontrollierbarer zu machen. Kein Wunder also, dass der Rassismus besonders in Krisenzeiten boomt. Seit Beginn der schwersten Krise des Kapitalismus mit dem Jahr 2007 kommt es in einigen Ländern zu einer wahren Explosion dieser Ideologie, besonders dort, wo es an linken politischen Alternativen mangelt.
Es schwächt den Antifaschismus, antirassistische und antifaschistische Organisationen, Demonstrationen und Kampagnen ohne den Versuch der Einbeziehung der ArbeiterInnen-Massenorganisationen zu organisieren. Nur die Massenmobilisierung kann letztlich systematische faschistische Angriffe erfolgreich abwehren. Die Gewerkschaftsspitzen hätten die Möglichkeit, durch Mobilisierung ihrer Basis mit minimalem Aufwand die Faschisten und RassistInnen zu schlagen.
MarxistInnen arbeiten systematisch darauf hin, die Basis der Arbeiterorganisationen über die faschistische und rassistische Bedrohung aufzuklären und dagegen zu mobilisieren. Wir müssen von den Gewerkschaftsspitzen verlangen, dass sie eine Massenbewegung gegen diese Bedrohung initiieren. Wo immer Faschisten und RassistInnen sich in Betrieben regen, müssen dagegen Massenversammlungen einberufen werden. Gewerkschaften sollten ihre Mitglieder dazu bringen, dass sie die Zusammenarbeit mit Faschisten am Arbeitsplatz ablehnen. Wo immer es möglich ist, sollten Proteststreiks gegen rassistische Angriffe ausgerufen werden. Wie wichtig diese antifaschistische Mobilisierung ist, zeigt das historische Beispiel der berühmten Schlacht in der Londoner Cable Street 1936. Eine halbe Million ArbeiterInnen verhinderte einen Aufmarsch der Faschisten, von dieser Niederlage konnte sich der englische Faschismus nicht mehr erholen. Der englische Marxist Ted Grant, der damals aktiv dabei war, berichtet darüber Folgendes:
„Trotz dieser Massnahmen des Staates wurde der faschistische Aufmarsch besiegt. Eine halbe Million Arbeiter versammelten sich in den Strassen unter dem Slogan: ,Sie kommen nicht durch!´, die Arbeiter bildeten eine Menschenmauer auf der Route, die Mosley (der Führer der faschistischen Bewegung Grossbritanniens, Anm.) nehmen wollte. Vom frühen Morgen an, versuchte die berittene Polizei mit Schlagstockeinsätzen gegen die Arbeiter den Faschisten einen Weg zu bahnen. Aber der entschlossene Widerstand der Arbeiter machte das unmöglich. Die Polizei versuchte in der Cable Street die Massen auseinander zu treiben. Aber wiederum bauten die Arbeiter neue Barrikaden aus Möbeln, Holz, Geländer, Türen aus den umliegenden Häusern, und allem was half den Marsch der Faschisten aufzuhalten. Diese grossartige Massenaktion – die von allen Strömungen der Arbeiterklasse getragen wurde, der Labour Party, der Communist Party, der Independent Labour Party, den Trotzkisten – zwang den Kommissar der Polizei, Sir Philip Game, Mosley und seinen Schlägern den Befehl zu geben, die Route zu verlassen. Die vereinte Aktion der Arbeiter hat Mosley besiegt! Die Niederlage in der Cable Street 1936 hat Mosley einen schweren Schlag versetzt. Aus Angst vor der organisierten Macht der Arbeiterklasse, die sich so kämpferisch gezeigt hat, erlebte die faschistische Bewegung im East End einen Niedergang. (…) In dieser Pause machte sich eine weit verbreitete Verzweiflung und Demoralisierung unter den Basisaktivisten der Faschisten breit, der Sieg über die Faschisten erfüllte die Arbeiter aber mit neuem Selbstvertrauen. Diese vereinte Aktion der Arbeiter brachte eine neue Lehre: Nur der entschlossene Gegenschlag verhindert den Aufstieg der faschistischen Bedrohung.“
Laut Trotzki bestehen die faschistischen Banden aus „menschlichem Staub“, Lumpenproletariern und Schlägern. Sie sind feige und greifen nur kleine Gruppen oder wehrlose Einzelpersonen an. Treffen sie auf den organisierten Widerstand der Arbeiterbewegung, so bröseln sie aber schnell auseinander. Bei drohender handfester Störung von Versammlungen und Demonstrationen durch faschistische Kräfte spielt eine gut geschulte Ordnertruppe daher eine zentrale Rolle. Die Aufgabe einer solchen Ordnertruppe liegt nicht darin, die Polizei anzugreifen. Diese öfters von Ultralinken eingeschlagene Taktik ist völlig kontraproduktiv und würde den Faschisten und der Polizei in die Hände spielen. Oftmals treten bei Demos deshalb auch gezielt als DemonstrantInnen verkleidete AgentInnen und ProvokateurInnen auf, um Krawalle mit der Polizei zu provozieren und somit der Polizei einen Vorwand zu liefern, Antifa-Demos aufzulösen.
Schliesslich lässt sich der antifaschistische Kampf auf die Frage der Verteidigung der Arbeiterorganisationen wie auch der physischen Unversehrtheit einzelner ArbeiterInnen hin zuspitzen. Die faschistischen Mordanschläge gegen ImmigrantInnen und andere Minderheiten bedrohen die ganze Arbeiterklasse. Minderheiten lassen sich am besten verteidigen, wenn alle ArbeiterInnen dies kollektiv bewirken. Organisationen zur Selbstverteidigung sollten gegründet werden, die sowohl die Angehörigen der unterdrückten Minderheiten als auch die der gesamten Arbeiterorganisationen umfassen. Wir müssen die Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Status potentielle Opfer der rechten Gewalttäter sind, schützen. Wie? Indem wir, wo immer das nötig ist, gefährdete Personen, Wohngemeinschaften, Versammlungsstätten unter unseren Schutz stellen. Indem wir – über das zahlenmässig beschränkte Personal der alternativen Gruppen hinaus – an die Arbeiterbewegung, an die normale Wohnbevölkerung appellieren, den Terror der rechten Menschenjäger bei sich nicht zu dulden, antifaschistische Verteidigungskomitees zu organisieren, Flüchtlingsheime, türkische Läden, Synagogen und Moscheen zu adoptieren, Tag- und Nachtwachen zu stellen, Telefonketten zu bilden. Wenn man uns nach dem Leben trachtet, rufen wir nach der Polizei. Wenn die Polizei nicht kommt (oder nichts tut), müssen wir unsere Selbstverteidigung organisieren, oder bei Unterlegenheit fliehen.
Durch die stark zunehmenden rassistisch motivierten Gewalttaten der „Neuen Rechten“ werden hin und wieder BerufspolitikerInnen, Presse und Öffentlichkeit auf die „Gewalt von rechts“ aufmerksam. Ihr „Antifaschismus“ reduziert sich jedoch auf Aufklärungsarbeit über die Verbrechen des Nationalsozialismus, vor allem des Holocausts, Gedenkarbeit, multikulturelle Feste und ein Moralisieren in der „Ausländerfrage“. Natürlich ist es wichtig, gerade der Jugend ein Verständnis über die historische Rolle des Faschismus zu geben. Es ist beschämend genug, wie lange dieses Thema in den Schulen und in den Medien totgeschwiegen wurde. Natürlich ist es uns wichtig, den Opfern des Faschismus und vor allem den aktiven AntifaschistInnen zu gedenken und ihr Vermächtnis weiterzuführen, ihren Kampf zu Ende zu führen. Natürlich können antirassistische Stadtteilfeste in Kombination mit Antinazidemos in den Siedlungen, wo sich Skinheads und Nazis zusammenrotten, eine wichtige Aktionsform sein, um das Bewusstsein der Bevölkerung zu heben und den Faschisten eine konkrete Niederlage zuzufügen. In vielen Teilen der Linken ist jedoch die traditionelle (links-)liberale Sichtweise verankert, dass Rassismus ausschliesslich eine Frage der Einstellung sei. Sie versuchen, ihn mit moralischen Appellen zu bekämpfen. Eng damit verbunden ist die Ansicht, dass Rassismus ein Bildungsproblem sei. Beides stimmt nicht. Denn einerseits ist in immer mehr Schichten der „einfachen“ ArbeiterInnen das Bewusstsein vorhanden, dass „die da oben” ihre Gegner sind, besonders in der heutigen Periode der Systemkrise mit ihrer immer stärker werdenden Offensive des Kapitals gegen den Lebensstandard der lohnabhängigen Massen.
Gleichzeitig gibt es aber rassistische Vorurteile in der Arbeiterschaft. Diese werden jedoch zurückgedrängt, wenn sich soziale Konflikte entwickeln. Die Streiks und Demonstrationen der letzten Jahre in Spanien, Griechenland, Portugal oder Italien, in denen in- und ausländische, hell- und dunkelhäutige ArbeiterInnen gemeinsam auf die Strasse gingen und Seite an Seite in den Betrieben kämpften, sind die jüngsten Beispiele dafür. Andererseits sind ein hoher formaler Bildungsabschluss bzw. das Betreiben eines Universitätsstudiums keine Garantien dafür, antirassistisch zu sein. So schockierten vor Kurzem eine anonyme Umfrage an der Universität Köln, in der sich mehr als 50 Prozent der Studierenden rassistisch äusserten, und ein Konzert in der Kölner Philharmonie, das aufgrund rassistischer Pöbeleien der KonzertbesucherInnen gegen den iranischen Cembalisten Mahan Esfahani abgebrochen werden musste. Die Zugehörigkeit zum (Bildungs-)Bürgertum führt nicht zum Antirassismus, sie führt lediglich dazu, dass man rassistische Vorurteile redegewandter, argumentativ schlüssiger formulieren kann. Rassismus ist also keine „Kopfsache“, er ist keine Angelegenheit der Ideen oder eine Frage der Bildung. Das Aufzeigen seiner Unwissenschaftlichkeit oder Bildungsarbeit zum Abbau von Vorurteilen sind zwar im Kampf gegen ihn hilfreich, zu seiner Überwindung jedoch nicht ausreichend. Um diese zu erreichen, müssen seine tatsächlichen Ursprünge und sozialen Funktionen benannt und bekämpft werden: Rassismus dient der Unterdrückung und gleichzeitigen Spaltung der Unterdrückten.
Für MarxistInnen bedeutet der Kampf gegen Faschismus und Rassismus mehr als nur Aufklärung. Wir verbinden ihn mit einem politischen und ökonomischen Kampf zur Beseitigung der sozialen Ursachen des Faschismus. Deshalb treten wie auch in der Jugend und Arbeiterbewegung gegen die Anpassung an bürgerliche und moralisierende „AntifaschistInnen“ auf. Und da es die historische Mission des Faschismus ist, die Arbeiterbewegung und die Linke auch physisch zu zerschlagen, bekommt unser Antifaschismus noch eine weitere Dimension. Der Kampf gegen den Faschismus ist nicht mit Appellen an die „Mitmenschlichkeit“ zu gewinnen. Wenn Menschen getötet werden, dann ist die begrenzte Wirksamkeit von Reden deutlich sichtbar. Ausserdem können RassistInnen und Faschisten nicht durch isolierte Gewaltaktionen, sondern nur durch Massenaktionen der Arbeiterbewegung geschlagen werden. Die erfolgreiche Verteidigung derer, die zu Zielscheiben rechter Gewalt geworden sind, würde zeigen, dass wir aus der Geschichte der Zwischenkriegszeit und des „Dritten Reiches“ wirklich etwas gelernt haben. In der Kombination geduldiger Überzeugungsarbeit und konkreter Erfahrungen im Kampf lernt die Arbeiterklasse, angefangen mit den fortgeschrittensten Schichten, allmählich, wie der Kampf am wirkungsvollsten geführt werden kann. In letzter Konsequenz kann die Arbeiterklasse den Faschismus jedoch nur durch einen offensiven Kampf um die Macht und die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft entscheidend schlagen. Nur so wird es möglich sein, die sozialen Bedingungen zu beseitigen, die diesen Schreckgespenstern Auftrieb geben, die wir jetzt allenthalben wie Unkraut aufblühen sehen. Letzten Endes steht nach Karl Marx die Menschheit vor der Wahl „Sozialismus oder Barbarei“.
Von Fred Weston, aktualisiert von Natalie Ziermann
der Funke Österreich
8. November 2018
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Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
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Imperialismus, Kolonialismus & Nationale Frage — von Jorge Martín, April 2024 — 03. 10. 2024