Dem seit Mitte Oktober andauernden Kampf im Genfer öffentlichen Dienst scheint die Luft auszugehen. Einige der Angriffe auf MitarbeiterInnen wurden zurückgeschlagen, die meisten bleiben bestehen. Wir müssen Schlussfolgerungen für zukünftige Kämpfe ziehen.
Inmitten der zweiten Welle scheint dem langen Kampf der Angestellten des öffentlichen Dienstes in Genf (vgl. Der Funke Nr. 96) die Luft auszugehen. Die letzte Mobilisierung vom 3. Dezember brachte kaum 1000 Personen zusammen. Doch die Probleme sind nicht gelöst, im Gegenteil: Der Genfer Staatsrat kündigt bereits neue Angriffe an, die ab Januar 2021 ausgearbeitet werden sollen. In der Zwischenzeit geht es darum, sich vorzubereiten. Wir müssen die Lehren aus den vergangenen Mobilisierungen ziehen und daraus eine Perspektive des Kampfes ableiten. Der Staatsrat, der Garant der Interessen des Kapitals, hat in den letzten Jahren ein Steuergeschenk nach dem anderen an die KapitalistInnen gemacht, um deren Profite zu sichern. Gleichzeitig wälzt er die aktuelle Krise auf die ArbeiterInnen ab: In Form von Lohnkürzungen und dem Einfrieren der Lohnstufen aller öffentlichen Angestellten, deren Arbeitsbedingungen sich in den letzten Jahren – vor allem im Pflegebereich – ohnehin nur verschlechtert haben. Diese Massnahmen sind in der Tat nur die ersten in einer langen Reihe, angesichts des Haushalts 2021, bei dem ein neues Defizit von 846 Millionen einberechnet wurde. Die Kapitalistenklasse wird diese Schulden ebenfalls versuchen auf die ArbeiterInnen abzuwälzen.
Einer der Gründe für das Scheitern des Kampfes der öffentlichen Bediensteten in diesem Herbst besteht in der jüngsten Entscheidung der SP-Führung. Die historische Arbeiterpartei, bzw. ihre VertreterInnen im Staatsrat, haben sich mit den bürgerlichen Parteien auf ein Budget für 2021 geeinigt. Dieser «Kompromiss» ist zwar mit der Rücknahme der Lohnkürzungen verbunden, allerdings bei gleichzeitiger Beibehaltung der Renten- und Lohnstufenkürzungen, was immer noch einem Realeinkommensverlust von 5-8% entspricht. Dieser Kompromiss ist gleichbedeutend mit der Aufgabe jeder Hoffnung auf einen Sieg. Angriffe auf die ArbeiterInnen können abgewehrt werden, jedoch nur im Kampf gegen die Kapitalisten. Dieser Verrat zeigt uns vor allem den verhängnisvollen Charakter der Beteiligung der SP an der bürgerlichen Regierung. So ist die SP gezwungen, den Kapitalismus in Zeiten der Krise zu verwalten, anstatt eine Bewegung kämpfender ArbeiterInnen zu ermutigen und voranzutreiben. Dies hat berechtigte Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Parteibasis hervorgerufen. Es ist die Aufgabe linken Kräfte in Genf, insbesondere der JUSO, gegen diesen schlechten Kompromiss zu kämpfen, mit einem radikalen klassenkämpferischen Programm als Werkzeug.
Parallel zu diesem Verrat durch die SP-Führung beschlossen die Gewerkschaften, die Mobilisierung aufrechtzuerhalten. Sie verstehen die Notwendigkeit, den Kampf fortzusetzen, indem sie sich weigern, Kompromisse mit dem Staat einzugehen. Das widerspiegelt sich auch in ihrem Slogan: «Wir bezahlen nicht für eure Krise». Die seit Oktober durchgeführte Streikserie hatte sich bereits bewährt, denn nur durch den dadurch ausgeübten Druck wurde die direkte Lohnkürzung im November vom Staatsrat zurückgenommen. Die Gewerkschaftsführung will nun einen Teil des Kampfes auf die politische Ebene verlagern, und zwar in Form einer Volksinitiative (Solidaritätssteuer auf grosse Vermögen). Die Forderung zeigt in die richtige Richtung. Es stimmt, dass wir nicht aus der Krise herauskommen, indem wir einfach die Staatsverschuldung erhöhen. Das hätte nur zur Folge, künftige Budgetkürzungen vorzubereiten. Das Geld ist da, konzentriert in den Händen einer privilegierten Minderheit: Die 300 grössten Kapitalisten in der Schweiz besitzen 700 Milliarden, das ist so viel wie das BIP des ganzen Landes! All dies zeigt, dass die Forderung der Initiative richtig ist. Allerdings muss die Initiative unbedingt genutzt werden, um eine Kampagne zur Verankerung der Gewerkschaften in den Unternehmen durchzuführen. Wenn das nicht gelingt, verlagert sie den Kampf auf die parlamentarische Ebene und weg von einem wirklich politisch wirksamen Terrain: dem Streik am Arbeitsplatz.
Die Forderung, die Reichen für die Krise zahlen zu lassen, ist richtig, aber sie muss in ein breiteres Programm gegen Sparmassnahmen und für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Staatsbediensteten eingebettet werden. Um in Zukunft Sparmassnahmen abwehren und Verbesserungen erkämpfen zu können, ist die Verankerung dieses Programms unter den kämpfenden ArbeiterInnen entscheidend. Die bewusstesten ArbeiterInnen, die bereits organisiert sind und an den bisherigen Kämpfen teilgenommen haben, sollten ihre Kolleginnen und Kollegen um dieses Programm herum organisieren können. Als marxistische Strömung unterstützen wir bedingungslos die Kämpfe des öffentlichen Dienstes. Aber der Kampf braucht ein revolutionäres Programm, um zu gewinnen!
Kasimir M.
ASEMA Genf
Bild: Der Funke
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