Das Initiativprojekt für die 25 Stunden Woche fordert eine drastische Reduktion der Arbeitszeit bei gleichbleibender Entlohnung.Der Vorschlag wird immer wieder als Antwort auf die Digitalisierungsentwicklungen an vielen Arbeitsplätzen genannt, wo durch Arbeitszeitverkürzungen ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit verhindert werden soll. In vielen Kontexten ist die Verkürzung von Arbeitszeit eine richtige und wichtige Forderung. Der Ruf nach einer Verkürzung der Zeit, die für Lohnarbeit drauf geht, war schon früh eine zentrale Forderung der politischen Linken. Des Weiteren ist die Verkürzung von Arbeitszeit ein Mittel, dass im Übergang zu einer demokratisch geplanten Wirtschaft zur Erreichung von Vollbeschäftigung genutzt werden könnte. Insofern rückt die Initiative nicht nur die Frage danach, ob man lebt um zu arbeiten oder umgekehrt in den Vordergrund, sondern auch die Frage danach, wie auf den Arbeitsmarkt eingewirkt werden soll, wenn Arbeitslosigkeit droht. Dem kann unter Umständen entgegengehalten werden, dass Arbeitslosigkeit in der Schweiz im gesamteuropäischen Vergleich kein Problem sei. Zwar mag die „offizielle“ Arbeitslosigkeit sich bei 3,6% befinden, was im Vergleich mit den Staaten der EU heilig wirkt. Doch ist der Wert zum einen steigend und zum andern wird bei der Statistik gerne in der Form beschissen, dass jene, die nicht mehr Arbeitslosenhilfe, sondern Sozialhilfe beziehen, schlicht nicht mehr als „Arbeitslose“ erfasst werden. Ebenfalls schwierig gestaltet sich die Einschätzung der Erwerbslosigkeit bei Jungen, da auch jene, die noch nicht gearbeitet haben und deshalb nicht bezugsberechtigt für Unterstützung vom RAV sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass etwa jedeR 10. Jugendliche ohne Arbeit ist. Aber bei der gesamten ArbeiterInnenschaft ist der Druck des Arbeitsmarktes und die damit verbundene Angst vor Arbeitslosigkeit allgegenwärtig.
Obwohl also die Themen, die mit der Initiatividee angesprochen werden können, aktuell sind, steht die 25-Stunden-Initiative etwas quer in der Landschaft: Die Forderung nach einer 25-Stunden-Woche wirkt willkürlich. Wie man auf die 25 Stunden kam, geht aus dem Initiativvorschlag nicht hervor. Sinnvoll wäre es hier wohl gewesen konkreter und zielgerichteter zu argumentieren: z.B. indem die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung in die Forderung nach einer geplanten Lenkung des Arbeitsmarktes integriert wird. Denkbar wäre eine Initiative, die Vollbeschäftigung in jeder Branche als Ziel festlegt, die über die jeweiligen Verkürzungen der Arbeitszeit erreicht werden sollen.
Die Hauptargumentation des Initiativ-Vorschlags, der Arbeitszeitverkürzung als Antwort auf die Digitalisierung ist zwar eine gute Antwort auf die Ängste vieler Werktätigen vor der zunehmenden Ersetzung ihrer Arbeitsplätze durch Maschinen, klammert aber wesentliche Aspekte aus. Als SozialistInnen soll es uns nicht bloss um das Ausgleichen der Digitalisierung gehen, sondern um den direkten Angriff auf die Ausbeutung und Profitmacherei des kapitalistischen Systems. Ein Kampf für eine radikale Arbeitszeitverkürzung muss als Teil des Kampfes gegen die Lohnarbeit verstanden werden.
Ein weiteres Manko des Initiativvorschlags ist die Frage der Unterstützung durch andere Teile der organisierten ArbeiterInnenbewegung, insbesondere der Gewerkschaften, die sich grundsätzlich als Hauptverbündete bei einer arbeitsrechtlichen Frage anbieten würden. Vor einigen Jahren erlitt der ArbeitnehmerInnenverband TravailSuisse mit der Initiative für 6 Wochen Ferien im Jahr Schiffbruch, nachdem eine ähnliche Argumentation ins Feld geführt wurde, wie von den Sektionen, die die Initiative für die 25-Stunden-Woche vorschlagen. Auch dort sollte die Frage im Zentrum stehen, wie viel wir vom Leben haben sollen. Zudem stand die Forderung für 6 Wochen Ferien damals vollkommen im luftleeren Raum und schaffte es nicht an bestehende Kämpfe anzuknüpfen. Eine Gefahr, die auch bei der 25 Stunden Woche sehr gross ist. Obwohl die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung grosses Potential hat und auch schon immer eine zentrale Forderung der ArbeiterInnenbewegung war, ist es mehr als fraglich ob wir in dieser Form die Verbindung zu bestehenden Kämpfen herstellen können.
Ohne eine dementsprechende Modifizierung des Projekts insofern, als dass die Arbeitszeitverkürzung nicht Selbstzweck, sondern gezielte Massnahme zur planwirtschaftlichen Steuerung des Arbeitsmarkts sei, ist das Projekt nicht ideal.
Auch die Forderung nach der Schaffung einer neuen Besteuerungskategorie für Einkommen aus Kapitalgewinnen kommt nicht so neu daher, wie es sich die Juso Kanton Zürich wünscht. Im Formular wird zwar ausgeführt, dass eine derartige Unterscheidung von Lohneinkommen und Kapitaleinkommen nicht bekannt sei und es auch keine vergleichbaren Projekte gegeben habe, doch tatsächlich existiert eine solche Unterscheidung in Deutschland und wurde dort von den Bürgerlichen eingeführt, um Steuergeschenke auf Zinseinkommen zu verteilen. Eine solche Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkommen forderte die Economiesuisse bereits 2004. So gesehen verfällt man mit der Initiative auf die defensive Haltung schlicht das Gegenteil der Bürgerlichen zu tun. Ironischerweise wurde gerade durch die ausserparlamentarische Linke, wie die NGO Attac, gefordert diese Aufteilung von Kapitaleinkommen und Lohneinkommen im deutschen Steuerrecht wieder rückgängig zu machen.
Was tatsächlich neu ist, ist die Verbindung von Einkommenssteuer und Kapitaleinkommenssteuer. Damit soll ein umverteilender Effekt vom Kapital hin zur Arbeit geschehen. Zwar müssen wir die von der Juso Kanton Zürich aufgeführte Kapitalismuskritik loben, doch sind wir von den vorgeschlagenen Mittel leicht enttäuscht. « Geld arbeitet nicht. Menschen arbeiten.» proklamieren die InitiantInnen korrekterweise. « Die Superreichen erhalten Renditen, die letztlich bei den Löhnen fehlen. Diese Umverteilung von unten nach oben gleichen wir jetzt wieder aus. » Doch auch wenn mit Begriffen wie „Kapital“ und „Arbeit“ herumgeworfen wird, zeigt sich hier, das der Veränderungshorizont der VertreterInnen der „Verteilungsgerechtigkeit“ eben doch dort aufhört, wo die von Marx inspirierte Analyse angefangen hat.
Denn wenn man schon von „Enteignung der Lohnabhängigen“ spricht, sollte man diesen Gedankengang auch zu Ende bringen. Die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital bedeutet, dass der oder die Angestellte, welche ihre Arbeitskraft an den Arbeitgeber verkauft, „Mehrwert“ produziert. Dieser Mehrwert, wird aber vom Kapitalisten angeeignet – bzw enteignet. Das ist im Kapitalismus nicht ein Fehler, sondern die Basis dieses Systems (der Kapitalakkumulation). Oder wie die InitiantInnen sich ausdrücken: „ihr Profit [wird] durch die Arbeit der restlichen 99% der Bevölkerung erzielt.“!
Wir werfen nun die Frage auf: Doch wieso sollten sie von diesem Diebstahl nur einen kleinen Bruchteil wieder zurückgeben?
Auch wenn wir jeden Kampf für relative Verschiebung des Ausbeutungsgrades zu Gunsten der Lohnabhängigen unterstützen, glauben wir nicht, dass es unsere Partei sein soll, welche so eine graduelle Herangehensweise lancieren soll. Die Juso hat die Möglichkeit frecher, provokativer und – was am wichtigsten für uns als Sozialist*innen ist – radikaler aufzutreten, als dies beispielsweise die Sozialdemokratie kann. Wir können die drängenden Fragen ansprechen und Lösungen präsentieren, die wirklich den Kern des Systems angreifen statt Pflästerlipolitik zu betrieben. Anstatt also eine Initiative zu lancieren, die ebenso gut von der SP selbst stammen könnte und die zusätzlich noch massive Illusionen in die Lösung der Verteilungsfrage mit den legalistisch-technischen Mitteln des bürgerlichen Staates schürt, sollten wir eine Initiative ins Auge fassen, die uns zum Anziehungspunkt für die bewusstesten Teile der Jugend macht.
Unsere Kritik gilt einerseits der „prozentualen“ Herangehensweise („Deswegen müssen sie uns jetzt einen kleinen Bruchteil wieder zurückgeben“) andererseits der Darstellung der Steuerlichen Umverteilung als „Lösung“ und nicht als Teil des Aufbaus einer starken, radikalen Linken. Darüber hinaus ist die Initiative völlig ungeeignet überhaupt Umverteilung im Sinne der Werktätigen für sich zu beanspruchen aber dazu später mehr.
Was uns stutzig macht, ist, dass die Vergangenheit gezeigt hat, dass Steuerinitiativen breite Debatten über den Charakter der kapitalistischen Produktionsweise nicht zugelassen haben und sich die antikapitalistische Rhetorik solcher Initiativen auf personalisierte Kritik an „Bonzen“ erschöpfte. Die Erfahrungen aus den vielen kantonalen Steuerinitiativen, die in mehreren Kantonen die Agenden von Juso-Sektionen prägten, zeigen, dass es nicht genügt eine Initiative zu starten, egal wie technisch sie daherkommt, um tatsächlich an die Erfolge einer 1:12-Initiative anzuknüpfen.
Ein klares Problem der vorliegenden Initiative im Vergleich zur Bonzensteuerinitiative, die vor einigen Jahren von der Juso Kanton Zürich lanciert wurde, ist etwas, das im Initiativformular noch als Vorteil der Initiative genannt wird: Es wird ein Faktor vorgeschlagen, mit welchem Arbeit im Vergleich zu Kapital besteuert würde. Die Mehreinnahmen aus der höheren Kapitalbesteuerung würden damit rückverteilt. Es ist gar die Rede von einem „gewaltigen Umverteilungseffekt“. Dabei würde die Rückverteilung aber gemäss dem Formular nicht direkt verlaufen und ermöglichen, dass Menschen mit sehr kleinem Einkommen stärker profitierten, sondern würde über eine Steuersenkung auf Arbeitseinkommen verlaufen. Generelle Steuersenkungen als Entlastungen zu verkaufen, die allen zugleich zu Gute kämen, ist ein Trick, den wir vor allem aus dem jungfreisinnigen Milieu kennen. Doch tatsächlich profitieren von solchen Steuersenkungen, nicht diejenigen, die am Existenzminimum leben und sowieso schon kaum Steuern zahlen, sondern vor allem jene, die hohe Steuern auf ihr Einkommen zahlen, weil sie beispielsweise als Verwaltungsrat eines multinationalen Konzerns im sechsstelligen Bereich verdienen. Die sowieso schon nicht besonders attraktiven Steuerinitiativen, die wir immer wieder von kantonalen Juso Sektionen sahen, wurden, was diesen Punkt angeht verschlimmbessert um zu suggerieren, dass diese Steuerinitiative etwas ganz Neues sei. Die Initiative ist damit nicht nur nicht geeignet einen besonders starken Umverteilungscharakter für sich zu reklamieren – zwar würden tatsächlich „gewaltigen“ Mengen an Geld herumschoben, diese würden dann aber schlicht von jenen mit hohen Kapitaleinkommen in die Hände jener mit hohem Lohneinkommen wandern. Darin sehen wir keine sinnvolle Umverteilung im Sinne sozialistischer Politik.
Wir müssen uns bewusstmachen, dass die momentane Lage in wirtschaftlicher Sicht eine Situation schafft, in der wir Jungsozialist*innen uns mit den Massen verbinden müssen. Unsere Forderungen müssen radikal sein, da nur radikale Lösungen, die den Kapitalismus und seine zugrundeliegenden Besitz- und Produktionsverhältnisse im Kern angreifen an der Misere kapitalistischer Misswirtschaft, an sozialem Elend, an Austerität und Angriffen auf unsere Lebensbedingungen etwas ändern können. Nicht die vage Hoffnung darauf mit einer moderateren Initiative einen Achtungserfolg zu erzielen, egal wie technisch unsere Forderungen sind, sondern der Kampf für den Aufbau unserer Organisation muss im Zentrum stehen.
Die beiden vorliegenden Initiativen enthalten durchaus spannende und interessante Aspekte und vor allem bei der Initiative zur Verkürzung von Arbeitszeiten hätte es viel gebracht nicht einen willkürlichen Wert zu wählen, sondern die Arbeitszeitverkürzung als Mittel zu einem zu erreichenden Ziel und nicht als Selbstzweck zu konzipieren.
Auch der Grundgedanke der Initiative zur höheren Besteuerung von Kapitaleinkommen gegenüber Lohneinkommen enthält einen durch das Aufgreifen des Widerspruchs von Arbeit und Kapital einen durchaus attraktiven Charakter. Leider ist die Initiative nicht gut durchdacht und propagiert eine „Lösung“, die letztlich vor allem Gutverdienenden zu Gute käme, wobei jene bei denen eine Umverteilung am drängendsten wäre, praktisch leer ausgingen. Zudem greift es die Ausbeutungsmechanismen, welche eine solche Umverteilung überhaupt nötig machen in keiner Weise an und ist somit reine Symptombekämpfung. Im Gegensatz dazu greift unser Vorschlag zur Kostenmiete direkt einen zentralen Ausbeutungsmechanismus des kapitalistischen Systems an.
Florian S., JUSO Thurgau
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