Am Flughafen Zürich wird auch nach den Pandemie-Massnahmen die ganze Krise auf die Swissport-ArbeiterInnen abgeladen. Die Verhandlungen über einen neuen GAV sind jedes Mal gescheitert. Es bleibt kein anderer Weg als der Kampf mit Streiks. Wie wird das gemacht?
Wir haben alle die chaotischen Zustände an Flughäfen diesen Sommer gesehen oder darüber gelesen. Kofferchaos, tagelange Verspätungen, Flugumbuchungen etc. Bei einigen Airlines oder Abfertigungsfirmen kam es auch zu Streiks, die fast immer erfolgreich waren. Das Feriengeschäft rettet ihnen nach Corona die Profite, da kommt es sie billiger, die Löhne zu erhöhen, als tagelang den Betrieb ruhen zu lassen (siehe Easy-Jet Artikel).
Am Flughafen Zürich und allgemein bei Swissport in der Schweiz spitzt sich die Situation ebenfalls immer stärker zu. Der Blick titelte nach der letzten ergebnislosen Verhandlungsrunde: «Streik bei Swissport immer wahrscheinlicher». Swissport weigert sich, auf die Forderungen (Rückkehr zum GAV19 und ein griffiges Modell für einen Teuerungsausgleich) einzugehen. Die Argumente: Dies sei unfinanzierbar und realitätsfern. Auf der anderen Seite verdeutlichen die Pressecommuniqués der Gewerkschaften, dass diese keinen Schlachtplan haben.
Nun sind die Sommerferien vorbei. Die ArbeiterInnen haben alles geschultert und das zu den Krisenbedingungen, die ihnen während Corona aufgezwungen wurden. All das geht nicht spurlos an den Lohnabhängigen vorbei. In der Belegschaft kocht es. Viele sagen, wenn nicht der alte Vertrag wieder eingesetzt wird, kündigen sie.
Ganz anders die Flughafenkapitalisten von Swissport: Sie können recht zufrieden sein mit dem ersten Sommer ohne Corona-Einschränkungen. Dennoch zerstäuben sie alle Zweifel. Die höheren Profite reichen ihnen nicht aus, vielmehr sollen diese noch steigen – dafür bezahlen müssen wie immer die ArbeiterInnen. Bisher lief das reibungslos, die Bosse hatten keinen Anlass zur Sorge. Die gewerkschaftlichen Aktionen haben den Betrieb nie gefährdet. Wie kam es zu dieser Situation?
2020 wurde gedroht, Swissport gehe Konkurs, wenn die Angestellten nicht einem Krisen-GAV zustimmen würden. Sie haben «ihr» Unternehmen gerettet mit weniger Lohn, mehr Arbeit und massiv gesteigerter Flexibilität. Die Lohnabhängigen haben also die gesamte Krise bezahlt. Diesen GAV haben die Gewerkschaften SEV und vpod nun im Juni gekündigt. Er läuft auf Jahresende aus.
Die Arbeit unter diesem Vertrag ist bei voller Auslastung unerträglich: Arbeitspläne sind erst am Vorabend bekannt und beinhalten völlig zerstückelte Schichten, die Split-Touren genannt werden. Man ist 14 Stunden am Flughafen und bezahlt sind davon gerade mal sechs. Was mal das Wochenende war, besteht noch aus einem einzelnen Freitag und kehrt jeweils sechs Arbeitstage später wieder. Schlimm genug, dass überhaupt ein GAV unterzeichnet wurde, der solche Zustände erlaubt. Doch offensichtlich sind bei hohem Flugaufkommen solche Bedingungen nicht auszuhalten.
In der gesamten Auseinandersetzung bei Swissport, die sich seit Jahren hinzieht, war die Kündigung des Krisen-GAV bisher der konsequenteste Schritt. Aber damit ist noch nichts gewonnen. Es fällt kein besserer Vertrag vom Himmel. Die Bosse geben nichts kampflos her und sie verstecken sich hinter der Friedenspflicht (absolutes Streikverbot, das im GAV steht), die gleich lange besteht, wie die Kündigungsfrist läuft – bis Ende Jahr. Bis dahin ist ein Streik eine juristische Herausforderung, da er unter normalen Bedingungen Vertragsbruch bedeutet und damit Strafzahlungen nach sich ziehen kann. Aber unmöglich ist nichts, wie uns 2017 das Genfer Beispiel aus der Industrie bei ABB Sécheron zeigte. In dieser Situation ist es die Aufgabe der Gewerkschaftssekretäre, den legalen Spielraum auszuloten und aus den Erfahrungen vergangener Kämpfe das Beste zu schöpfen.
Schon vor den Verhandlungen vom 19. August sagte SEV-Sekretärin Pauli: «Wir haben uns fünf Mal getroffen und fünf Mal festgestellt, dass wir uns nicht näherkommen». Nach den neusten Verhandlungen hat sich daran auch nichts geändert. Am Verhandlungstisch ist von den Kapitalisten nichts zu erhoffen, wir müssen uns jedes Zugeständnis erkämpfen!
In der gegenwärtigen Situation zeigt sich unverblümt, wie reaktionär die Rolle der Friedenspflicht ist, dem Herzstück der Sozialpartnerschaft. Die Bosse bereiten sich vor und versuchen die Belegschaft zu spalten, indem sie Einzelnen bessere Arbeitsbedingungen anbieten. Durch Akzeptanz der Friedenspflicht stellen sich die Gewerkschaften auf die Seite der Bosse und hemmen den Kampf der ArbeiterInnen. Wenig erstaunlich verweist Swissport ständig auf die Sozialpartnerschaft. Sie haben Angst, dass es zu einem Streik kommt, der sehr teuer wäre. Doch solange vpod und SEV keine konkreten Kampfvorbereitungen treffen, können die Bosse auf sie zählen, die Friedenspflicht und damit ihre Profite zu verteidigen.
Anders die Stimmung in der Belegschaft: Anscheinend kursiert eine Petition für einen Streik. Das ist die natürliche Schlussfolgerung. Nach monatelanger, resultatloser Verhandlung benötigt es viel Ignoranz gegenüber der Realität, um nicht zu diesem Schluss zu kommen. Die alltägliche Ausbeutungserfahrung impft die Arbeiterklasse mit gesundem Instinkt gegen die Illusionen in sozialpartnerschaftliche Verhandlungen.
Wie kommt man aus der aktuellen Situation zu einem erfolgreichen Streik? Das wichtigste Mittel dazu sind Vollversammlungen der Belegschaft, an denen über die Verhandlungen mit den Bossen diskutiert und bestimmt wird. Diese müssen als nächstes über ein Ultimatum an Swissport mit einer Streikdrohung abstimmen. Wird die Frage offen und ehrlich gestellt, steht die Zustimmung ausser Frage. Dieser Entscheid kann nicht auf morgen verschoben werden.
Dann muss jeder Schritt im weiteren Kampf dazu genutzt werden, die Bosse zu entlarven als reine Kapitalvertreter, die nichts mit den ArbeiterInnen gemeinsam haben und deren Interessen sich direkt gegenüberstehen.
In den Verhandlungen darf nichts beschlossen werden, bevor nicht eine Vollversammlung beispielsweise einen neuen Vertrag oder eine Streikpause abgesegnet hat. Versuchen die Bosse die ArbeiterInnen zu verarschen, wird das deren Kampfeseifer weiter steigern.
Sobald wie möglich wird dann ein Streiktag angesagt werden müssen. Dieser muss politisch, organisatorisch und juristisch makellos geplant werden, um einen Misserfolg zu vermeiden. Dieser Streik braucht die Solidarität des ganzen Flughafen Zürichs (Airlines, Gategourmet, etc.), auch der Passagiere. Dazu müssen die Bosse schonungslos als Schuldige gebrandmarkt werden. Wenn sie nicht nachgeben, kann und muss der Kampf ausgeweitet werden auf den ganzen Flughafen, die Flughäfen Basel und Genf sowie ausländische.
Das klingt alles wie ferne Zukunftsmusik, doch es führt kein Weg daran vorbei, Kämpfe so zu führen. Swissport ist der aktivste Brennpunkt des Klassenkampfes in der Schweiz. Hier heisst es wie überall: Es sind ihre Profite oder unsere Löhne, d. h. unsere Existenz. Die Sozialpartnerschaft ist das grösste Hindernis für die Arbeiterklasse, um die eigene Existenz zu sichern. Freiwillig geben die Kapitalisten nichts her, nur mit Kampf sind Verbesserungen möglich.
Michael Wepf, VPOD Basel
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