Vergangene Woche traten die Lieferanten bei Smood gegen miserable Arbeitsbedingungen in den Streik. Seitdem haben sich ihre KollegInnen in Neuenburg und Nyon (inzwischen zudem noch Sion und Martigny) ihnen angeschlossen. Wir sprachen mit Giorgo Mancuso, dem Verantwortlichen des Dienstleistungssektors der UNIA Waadt, und berichten vom Beginn dieser Streikwelle der Smood-Beschäftigten.
Funke: Was ist bisher geschehen und wie hat sich der Streik auf andere Städte ausgeweitet?
Mancuso: Der Streik ist ursprünglich in Yverdon ausgebrochen, sprang dann auf Neuenburg über und am Montag auf Nyon. Angesichts des Streiks in Yverdon haben LieferantInnen an andere Orten miteinander zu diskutieren begonnen, sie haben uns kontaktiert, um mehr über diesen Streik und seine Forderungen zu erfahren. Viele Smood-LieferantInnen konnten sich den Forderungen aus Yverdon anschliessen und beschlossen dann, ebenfalls in den Streik zu treten und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Wegen des Streiks in Yverdon und anderen Städten setzten die Patrons von Smood LieferantInnen aus Lausanne und Genf ein, um für die andern einzuspringen. Doch mit der Ausbreitung des Streiks fällt es dem Betrieb immer schwerer, die Lücken zu schliessen.
Immer mehr Lohnabhängige aus anderen Orten möchten von uns wissen, was sie tun können, um sich dem Kampf anzuschliessen. Wir können also damit rechnen, dass Aktionen oder Streiks in weiteren Städten und Kantonen folgen werden.
Funke: Was fordern die ArbeiterInnen?
Mancuso: Es gibt zwei Hauptstossrichtungen. Erstens die Art und Weise, wie die Arbeit verteilt wird: Im Moment erhalten die Angestellten Schichten, indem sie sich am selben Tag für Zeitfenster eintragen. Das erste Fenster beginnt um 4 Uhr morgens. Wer zuerst kommt, trägt sich zuerst ein – die LieferantInnen stehen ständig in Konkurrenz zueinander, um die Zeitfenster zu erhalten, die am besten zu ihren sonstigen Verpflichtungen passen (andere Jobs, Studium usw.). Deswegen gibt es Angestellte, die um 3 Uhr morgens aufstehen, bevor die ersten Fenster freigeschalten werden, oder auch Studierende, die während der Vorlesungen ständig die Fenster prüfen müssen, damit sie eine Schicht erhalten, die ihnen passt.
Zweitens wäre da die Bezahlung der LieferantInnen. Aktuell erhalten LieferantInnen mit eigenem Fahrzeug 2 Franken pro Stunde für die Benutzung dieses Fahrzeugs, für den Benzinverbrauch etwa. Selbstverständlich reicht das nicht aus, wenn die Angestellten in dieser Zeit zahlreiche Kilometer zurücklegen. Hinzu kommt ein Strafsystem: Auch wenn die Lieferung vor der Haustüre deponiert und ein Beweisfoto gemacht wird, wird der Lieferant gebüsst, wenn Kunden behaupten, die Bestellung nicht erhalten zu haben. Ebenso verschwinden Arbeitsstunden von den Stundenabrechnungen und somit natürlich von den Lohnabrechnungen. Die Angestellten von Smood haben ihrerseits hohe Ausgaben, wie den Fahrzeugunterhalt, die Pflege ihrer Kleidung oder Schutzmaterial wie Desinfektionsmittel und Masken, die zu Beginn der Pandemie noch zur Verfügung gestellt wurden. Dabei muss man berücksichtigen, dass der Lohn von 19 Franken pro Stunde schon sehr mager ist. Einige der ArbeiterInnen sind am Ende; sie müssen etwas unternehmen, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Es gibt noch einen kleinen Unterschied bei den Arbeitsbedingungen zwischen jenen, die direkt bei Smood angestellt sind, und jenen, die beim Subunternehmer Simple Play arbeiten. Letztere sind temporär angestellt und nur die effektive Arbeitszeit wird bezahlt. Sie erhalten also nicht für ihre ganze Schicht Lohn, sondern nur für die Zeit, in der sie tatsächlich ausliefern. Die Streikenden fordern also ebenso, dass auch bei ihnen die ganze Arbeitszeit bezahlt wird.
Funke: Was sind die nächsten Schritte?
Mancuso: Wir bearbeiten derzeit zahlreiche Anfragen von ArbeiterInnen aus anderen Städten und Kantonen, die sich engagieren wollen. Der nächste Schritt ist es deshalb, die Angestellten an anderen Orten zu organisieren und eine Aktion oder Streikpiketts zu halten. Momentan macht Smood völlig dicht und ist zu keinerlei Gesprächen bereit. Allerdings steckt Smood da nicht alleine drin: Anderen Firmen wie die Migros, welche zwei Sitze im Verwaltungsrat belegt, und grosse Restaurantketten wie McDonalds tragen ebenfalls eine gewisse Verantwortung.
Wir hoffen, dass Verhandlungen über Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die LieferantInnen stattfinden können. Solange wir Kraft haben, werden wir so lange durchhalten, wie es nötig ist. Die ArbeiterInnen haben nicht unbedingt Lust darauf zu streiken, aber sie möchten sich Gehör verschaffen. Und angesichts der mangelnden Verhandlungsbereitschaft von Smood ist der einzige Ausweg, die Arbeit niederzulegen. Die Forderungen der LieferantInnen, wie etwa angemessen für die Verwendung ihrer Fahrzeuge entschädigt zu werden, sind ja wirklich minimal. Einige können nicht mehr arbeiten, weil sie sich das Benzin im Tank nicht mehr leisten können. Das sind keine aussergewöhnlichen Forderungen; sie möchten weiterarbeiten, aber dafür bezahlt werden – aktuell kostet sie die Arbeit mehr, als sie dadurch verdienen.
Geführt von Seraina, die Redaktion
12.11.2021
Bildquelle: https://www.unia.ch/de/aktuell/aktuell/artikel/a/18575
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