Diesen Herbst haben die Bauarbeiter gestreikt. Während sie auf die Strassen gingen, hat die UNIA-Führung mit den Baumeistern einen katastrophalen «Kompromiss» ausgehandelt. Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen ist noch nicht beendet. Wie gewinnen wir ihn?
Der Bau steht still. Im Oktober und November haben die Bauarbeiter über die Schweiz verteilt an fünf Tagen gestreikt. 15’000 Bauarbeiter gingen auf die Strasse. Die Stimmung war kämpferisch. So forderten Bauarbeiter härtere Kampfmethoden, wie einen unbefristeten Streik im Sommer. Sie verlangten klare Verbesserungen wie massiv höhere Sicherheit, Arbeitsbedingungen, die auch Freizeit und ein Familienleben ermöglichen etc. Der Funke unterstützte ihren Kampf. Wir waren auf den Streikposten, um mit den Streikenden die Baustellen zu schliessen.
Nun hat UNIA-Bauchef Nico Lutz einen neuen LMV ausgehandelt. Dieser ist völlig ungenügend. Er ist ein Kompromiss zwischen Kampfforderungen der Baumeister und Defensivforderungen der UNIA. So bleibt der Stress bestehen, die Sicherheit auf den Baustellen wird nicht erhöht, die «Lohnerhöhung» liegt unter der Teuerungsrate, ist also de facto eine Lohnreduktion, und die Löhne sind für die nächsten Jahre festgelegt, auch wenn die Preise weiterhin explodieren. UNIA-Lutz gibt zu: «Bei vielen waren die Erwartungen auf Verbesserungen grösser – denn die Bauarbeiter brauchen mehr Schutz und weniger Stress.» Was sind die Lehren aus diesem Kampf?
Im Kapitalismus geht jeder Franken entweder an uns ArbeiterInnen oder er geht an unsere Bosse. Entweder bekommen wir ihn als Lohn oder die Kapitalisten als Profit. Die Baumeister müssen die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter angreifen, um selbst Profite zu scheffeln. Dass diese Angriffe heute zunehmen, ist kein Zufall: Der Kapitalismus steckt in seiner tiefsten Krise. Umso härter müssen die Bosse angreifen, um ihre Profite zu sichern. Dies auf dem Rücken der Arbeiter. Das sind die Gesetze des Kapitalismus.
Dazu nutzten sie, dass Ende 2022 der Landesmantelvertrag (LMV) für das Bauhauptgewerbe ausläuft. Der LMV regelt die Arbeitsbedingungen, Löhne usw. Mit anderen Worten: Er legt den Rahmen fest, in dem die Bauarbeiter Lohnarbeit leisten, sprich ausgebeutet werden. In den Verhandlungen um einen neuen LMV griffen die Baumeister hart an. Sie verlangten v. a. mehr «Flexibilität». Für die Arbeiter hiesse dies mehr Nachtschichten und im Sommer 58-Stunden-Wochen. Familie und Freizeit wären noch weniger mit dem Berufsleben vereinbar gewesen. Auch die Löhne wollten die Baumeister individuell festlegen. Ihre «Flexibilität» ist also nichts anderes als das Abschaffen jeder geregelten Arbeit. Denn individuell und unorganisiert sind wir Arbeiter unseren Bossen völlig ausgeliefert.
Diese Attacke ist kein Einzelfall. Bei jeder Vertragserneuerung greifen die Baumeister an. Mit der steigenden Arbeitsintensität nehmen auch Druck, Stress und Gefahren zu. So ist die Anzahl Arbeitsunfälle auf dem Bau in den letzten 30 Jahren um 18% gestiegen.
Dieses System bedeutet für die Arbeiter ständigen Überlebenskampf. Gerade auf dem Bau gilt das wortwörtlich: Es ist eine der Branchen mit den meisten tödlichen Arbeitsunfällen. Solange es den Kapitalismus gibt, müssen die Bosse angreifen, um ihre Profite zu erzielen. Aber für die Bauarbeiter ist das Fass schon voll, sie müssen und sie wollen kämpfen. Die Frage ist, wie die Wut organisierte Form bekommt.
Der Druck der bürgerlichen Medien auf den Baustreik war gewaltig. Es wurde versucht, den Streik zu delegitimieren, illegal zu erklären und die einzelnen Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen, um die Einheit der Bauarbeiter zu brechen. Mit Spaltung will uns die Bourgeoisie schwächen. Unsere Waffe dagegen ist die Solidarität der Klasse, auf dem Bau und darüber hinaus.
Dieser Kampf findet klar entlang der Klassenlinien statt. Denn der Kampf der Bauarbeiter ist der Kampf um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Gegen die Baumeister. Jede Verbesserung muss erkämpft werden.
Unsere schärfste Waffe in diesem Kampf ist der Streik. Während eines Baustreiks wird nichts gebaut. Das verhindert den Profit der Baumeister und setzt sie unter Druck, den Forderungen der Bauarbeiter nachzukommen. Schliesslich ist weniger Profit besser als gar kein Profit. Das funktioniert aber nur, wenn alles still steht. Niemand darf mehr arbeiten gehen. Es müssen alle Bauarbeiter für diesen Kampf gewonnen werden.
Die Bauarbeiter wollen offensiv für ihre Sicherheit und Arbeitsbedingungen kämpfen. Im Gespräch mit uns verlangten viele eine Lohnerhöhung, die mindestens auf Höhe der Inflation ist. Alles andere ist in Wahrheit eine Lohnreduktion. Diese fortschrittlichen Forderungen müssen mit kämpferischen Methoden verteidigt werden. Darum forderten viele Bauarbeiter statt eines Protesttages mindestens eine Streikwoche. Sie haben absolut recht! Nur mit einem längeren, härteren Streik geht’s den Bossen an die Profite, nur so knicken sie ein, nur so setzen wir unsere Forderungen durch.
Der Kampfeswille der Bauarbeiter muss bestärkt und organisiert werden. Es müssen Basisgruppen aufgebaut werden, die sich selbst tragen und den Kampf kontrollieren. Dass in Zürich eine neue solche Gruppe gegründet wurde, ist der wohl grösste Erfolg dieses Jahres auf dem Bau.
Ein erbitterter Kampf, der die Forderungen der Bauarbeiter durchsetzt, kommt nicht um den Aufbau solcher Gruppen herum. Dafür reicht ein Jahr nicht aus und vor allem muss der Aufbau und die Stärkung der Gruppen weitergehen, auch wenn in den nächsten zwei Jahren kein neuer Vertrag verhandelt wird.
Die Unia-Führung betrachtet die Basis wie einen Wasserhahn, der nach Bedarf am Verhandlungstisch auf und zu gedreht werden kann. Doch genau diese Praxis schwächt die Arbeiter, es zerstört die aktive Basis, verhindert demokratische Kontrolle der Gewerkschaft und führt letztlich zu miesen Verträgen. Warum bremsen die Gewerkschaftsführungen die Basis?
Die materielle Grundlage für die Politik der Unia-Führung ist die Sozialpartnerschaft. So erhält die Unia durch den LMV Vollzugskosten im zweistelligen Millionenbereich. Dieses Geld finanziert einen grossen Teil des Apparates der Unia. Für die Gewerkschaftsführung ist es also essentiell, dass sie GAVs wie den LMV abschliessen und erneuern kann.
Mit der Sozialpartnerschaft geht einher, dass der Fokus der Gewerkschaften auf Verhandlungen mit den Bossen statt auf aktiven Betriebsgruppen liegt. Daraus folgt, dass die Mitglieder nicht aktiv sind. Sie haben keine Kontrolle über die Gewerkschaft und die Abschlüsse von Verhandlungen. Das hat die Mobilisierung für den Baustreik geschwächt.
Das Resultat dieser Gewerkschaftspolitik ist der neue LMV. Während er für die Arbeiter Stress, mangelnde Sicherheit und Lohnreduktionen mit sich bringt, schreibt die Unia: «Die Gewerkschaft Unia zeigt sich erfreut, dass mit dem Resultat ein entscheidender Schritt gemacht werden konnte, um den Vertrag zu erneuern und einen vertragslosen Zustand zu verhindern.» Die Worte eines Bauarbeiters treffen den Nagel auf den Kopf: «Die Gewerkschaftsführung ist den Bossen viel näher als uns.» Eine Streikwoche statt dieser letzten Verhandlungsrunde: Der neue LMV sähe ganz anders aus.
Die Sozialpartnerschaft ist eine Fessel im Klassenkampf. Der Baustreik hat das in der Praxis (erneut) bewiesen. Die Bauarbeiter müssen selbst die Kontrolle über den Kampf übernehmen. Je demokratischer der Kampf aufseiten der Arbeiter geführt wird, desto mehr Verantwortung bekommen die Bauarbeiter, desto mehr organisieren sie sich, um an den Entscheidungen teilzuhaben, die ihr Leben beeinflussen. So werden der Organisationsgrad und die Schlagkraft der Arbeiter erhöht. So machen die Arbeiter die Gewerkschaften wieder zu dem, wozu sie geschaffen wurden: eine Waffe im Klassenkampf.
Auf den ersten Blick hat sich das Kräfteverhältnis zwischen Bauarbeitern und Baumeistern nicht verändert. So haben gleich viele Bauarbeiter gestreikt wie vor drei Jahren, bei den letzten LMV-Verhandlungen. Die Gewerkschaftsführungen sind eine Bremse, aber der Kampf geht weiter. Mit der Inflation und dem neuen LMV sinkt der Lohn der Bauarbeiter Tag für Tag. Spätestens in drei Jahren bei den nächsten LMV-Verhandlungen werden die Baumeister wieder angreifen. Damit die Bauarbeiter materielle Verbesserungen erkämpfen können, braucht es eine klare Perspektive.
Wie kann diese Niederlage als Schritt vorwärts zum Sozialismus dienen? Die Bauarbeiter und die Schweizer Arbeiterklasse als Ganzes machen wertvolle Erfahrungen, die ihr Klassenbewusstsein schärfen. Einige ziehen bereits die Schlussfolgerung, dass der Kapitalismus das Problem ist. Aber vereinzelt, ohne Organisation und ohne revolutionäre Theorie ist der Kampf hoffnungslos, was nur allzu oft zu Pessimismus, Frustration und Inaktivität führt.
Unsere Aufgabe ist es also, alle zu finden, die die Notwendigkeit der Revolution verstehen. Wir müssen sie für den Marxismus gewinnen. Gemeinsam bauen wir die Organisation auf, welche dieses Programm in den Gewerkschaften verteidigen und verankern kann. So können die Bauarbeiter die Baumeister mit der schärfsten Waffe besiegen: dem Marxismus. So bauen wir mit diesen Kämpfen die Organisation auf, welche die Arbeiter zum Sturz des Kapitalismus und damit der Befreiung der Bauarbeiter von ihrem Überlebenskampf führen wird.
«Viele Bauarbeiter forderten statt eines Protesttages mindestens eine Streikwoche. Sie haben absolut recht!»
Von der Redaktion
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