In der ganzen Schweiz sind gestern hunderttausende auf die Strassen gegangen. Mehrfach wurde der Frauenstreik als die grösste Mobilisierung der jüngeren Geschichte bezeichnet. Der Funke war in verschiedenen Städten vor Ort und nahm aktiv am Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und den Kapitalismus teil. Einige Eindrücke von unseren Aktivitäten.
Bild: Demo in Bern
Zürich: eine echte Massendemonstration
Der Zürcher Frauenstreik wird allen noch lange als beeindruckende Veranstaltung in Erinnerung bleiben! Die Innenstadt war gespickt mit Aktionen. Von den Buchhändlerinnen und Autorinnen, die am Stadelhofen ihren Streikzmittag mit Lesungen unterlegten (und dann zum Protest vor dem Orell Füssli zogen), über die Blockade des Centrals ab dem Mittag bis zum Streikpark des Vpod auf der Bäckeranlage. Dort trafen sich ab dem Morgen streikende Frauen jeden Alters. Im Gespräch erzählten Veteraninnen des Streiks von 1991 und den Veränderungen seither. Gymischülerinnen machten an den Holzbänken Hausaufgaben (bis die Tacos ready waren). Sie erfahren Diskriminierung anders als ihre Vorkämpferinnen. Ab Mittag trafen immer mehr ganze Belegschaften von Kitas, Gemeinschaftszentren und Schulen ein. Einige sogar in Formation und mit Fronttranspi!
Sie erzählten von den Vorbereitungsdiskussionen in ihrem Betrieb und der Unmöglichkeit, ihre Arbeitsorte einfach stillzulegen. Dort werde der Betrieb an diesem Tag oft von den männlichen Kollegen aufrecht erhalten. Für fast alle war es die erste Streikerfahrung. Viele von ihnen verstanden instinktiv, dass die Klasse der Lohnabhängigen als Ganzes gegen die Frauenunterdrückung kämpfen muss.
Die Demo war der phänomenale Höhepunkt dieses eindrücklichen Tages. So etwas hatten wir noch nie zuvor gesehen. Aus allen Himmelsrichtungen strömten die Demonstrantinnen zum Central, so dass bereits vor Demobeginn die Strassen der ganzen Innenstadt blockiert waren. Laut Organisatorinnen demonstrierten 160’000 Leute. Die Stimmung brodelte und die Menschen sprühten nur so vor Begeisterung über den gemeinsamen Kampf. Bis am späteren Abend verweilten die Massen auf dem Helvetiaplatz und den umliegenden Strassen, welche noch weit nach Mitternacht besetzt blieben. Wir verkauften an unserem Stand noch alle unsere Zeitungen und unsere Broschüre „Frauenstreik 2019 – wie weiter“, bis wir völlig ausverkauft waren!
Allen Leuten war klar, dass der Kampf für die Frauenbefreiung nicht mit diesem einen Streik endet, sondern dass er weitergeht. Der 14. Juni war der Startschuss für diesen Kampf und unser Frauenstreik-Programmvorschlag zeigt klar auf, wie er weitergehen muss.
Thurgau und Ostschweiz
Im Thurgau gab es zwei grösserer Versammlungen mit je 200 Teilnehmenden. In Frauenfeld kam es zur Übergabe eines Forderungskataloges an die Kantonsregierung, Regierungspräsident Jakob Stark (SVP) wurde aufgrund seiner Beschwichtigungsversuche von der Menge ausgebuht.
In Weinfelden gab es über Mittag einen Streikposten mit Mittagstisch, Kinderbetreuung und Redebeiträgen. Viele kamen zum ersten Mal an eine politische Aktion, die Frauen aus verschiedenen Milieus verbreiteten eine heitere Stimmung.
Alle Ostschweizer Versammlungen reisten gemeinsam an die grosse Frauendemo in St.Gallen, welche um 15:24 mit rund 5500 Teilnehmenden startete. Bei diversen Reden vor und nach dem Demonstrationszug wurde vor allem klargemacht, dass sich in den vergangenen Jahren viel zu wenig bewegt hat in Sachen Gleichstellung. Die Stimmung unter den Demonstrantinnen war folglich zwar fröhlich, aber durchaus kämpferisch und geprägt von Ungeduld und Tatendrang.
Basel
In einer Stadt von keinen 200’000 nahmen sich 40’000 Menschen, grösstenteils Frauen, die Strasse. Der öffentliche Verkehr brach völlig zusammen. Die Stimmung war kämpferisch, ausgelassen und friedlich. Nebst Reden, Essensständen und Musik gab es auch Aktionen wie das Beschmeissen eines Transparents voller frauenverachtenden Sprüchen mit roten Tampons.
Es zeigte sich klar, der Bewegung geht es um den Kampf gegen eine umfassende, teils diffuse Unterdrückungserfahrung. Klar war vielen, dass nach dem heutigen Tag der Kampf erst richtig losgehen muss – wie wusste jedoch niemand so recht. In Gesprächen zeigte sich die ganze Heterogenität der Bewegung, von geschundenen, alleinerziehenden Arbeitermüttern bis zu gut ausgebildeten Akademikerinnen, welche sich über ihre Benachteiligung und Diskriminierung am Arbeitsplatz beschweren – Frauen in jedem Alter. Interessant war auch, dass sich auch viele Männer beteiligten, nicht einfach als passive «Allies» im hinteren Drittel, sondern klar als Mistreiter und Gefährten.
Bern
Dass etwa 50’000 Menschen auf dem Berner Bundesplatz der Rede von JUSO-Präsidentin Funiciello tosend applaudieren, ist kein Zufall. Sie fand (ohne jedoch einen politischen Ausweg aufzuzeigen) einen gemeinsamen Nenner einer mannigfaltigen Masse: die Frauenunterdrückung muss aufhören! Bis zu 70’000 Frauen und Männer nahmen an den verschiedenen Aktionen während des ganzen Tages teil: die grösste Mobilisierung der letzten Jahrzehnte, geprägt von einer eindrücklichen Euphorie.
Am Morgen organisierte die Unia eine Streikaktion: über 150 Angestellte strömten simultan aus den Läden auf die Marktgasse, was für Gänsehautstimmung sorgte. Der Funke hat mit Verkäuferinnen ausführlich über Wege zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen diskutiert. “Man sollte so Streikaktionen gesetzlich erlauben, dass wir alle zusammen auf der Strasse stehen können und keine Angst vor der Kündigung haben müssen”, fand eine Angestellte.
Auf dem Bundesplatz versammelten sich ab 14:00 all die Menschen. Die Einzelnen begannen ihre kollektive Kraft zu ahnen: die euphorische Stimmung schaukelte sich hoch. Der Programmvorschlag des Funke stiess auf Interesse insbesondere dadurch, dass er die Frage aufwirft: wie weiter nach dem Frauenstreik?
Winterthur
Der Frauenstreik begann in Winterthur um 11:00 Uhr auf dem Kirchplatz mit einer Eröffnungsrede, welche die Stimmung für den Streiktag das erste Mal anheizte. Mehrere Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen legten die Arbeit nieder, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Viele Transparente zierten die Schulhäuser in der Stadt, um ihre Ansprüche auf besseren Lohn und Gleichberechtigung öffentlich zu machen. Auf dem Kirchplatz gab es die Möglichkeit, Forderungen aufzuschreiben, die später an die Regierung übergeben wurden. Im Verlauf des Tages kam ein grosser Katalog zusammen, was auch den Tatendrang der Bewegung aufzeigt. Nach einigen Reden, Poetry Slams und musikalischer Unterhaltung, zogen um die 4’000 Menschen durch die Altstadt, um diese Forderungen auf die Strasse zu tragen. Die Stimmung in der Masse war zu jeder Zeit sehr gut und ausgesprochen kämpferisch
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