Kämpfen lohnt sich, das haben die ArbeiterInnen des öffentlichen Verkehrs in Genf deutlich gemacht. Mit einem 24-stündigen Totalstreik und der Ankündigung einer unbefristeten Weiterführung, zwangen sie die Direktion zum Rückzug auf voller Linie.
Die Stimmung in Genf radikalisierte sich innert wenigen Wochen. Mobilisierungen der Angestellten des öffentlichen Dienstes häufen sich und nehmen qualitativ und quantitativ zu. Am 04.12. entschieden sich 300 VertreterInnen verschiedenster Sektoren an einer Vollversammlung dafür, am 16.12. die Arbeit niederzulegen. Zentral in diesem Prozess ist der Streik beim Transport Public Genevois (TPG).
Vorgeschichte
Der TPG ist seit den 90ern eine öffentlich rechtliche Aktiengesellschaft. Er wird also wie ein Privatunternehmen geführt, ist jedoch zu 100% in Besitz des Kantons. 2015 hätten laut TPG-Direktion und Regierungsrat 131 Stellen (über 7%) abgebaut werden sollen, darunter 63 Entlassungen. Der Vorwand: im Frühling wurde eine kantonale Initiative angenommen, welche die Billetpreise für den öffentlichen Verkehr senkt. Dadurch, so die Direktion, fehlten 15 Millionen in den Kassen der TPG, welche die Regierung nicht kompensieren will.
Das Verhältnis zwischen TPG und Regierung wird in einem Leistungsvertrag festgeschrieben, der auch die Höhe der Subventionen festhält. Trotz mehrmaliger Aufforderung der Belegschaft, wurden sie systematisch aus den Verhandlungen zu diesem 4-jährigen Vertrag, der Ende 2014 ausläuft, ausgeschlossen. Kein Wunder: die TPG-ArbeiterInnen sind bereits jetzt am Limit, werden regelmässig von ihren Freitagen einberufen, haben kaum Pausen, etc. Sie machen sich Sorgen um ihre Sicherheit und die der PendlerInnen. Seit mehreren Monaten beginnen sie sich zu aktivieren und stehen bei den Mobilisierungen der öffentlichen Angestellten jeweils an vorderster Front. Der Kanton hingegen will den vermeintlichen Verlust aus den reduzierten Billetpreisen von 15 Millionen Franken per se nicht kompensieren, geschweige denn den öV ausbauen. Das kantonale Budget soll bereits heute fit gemacht werden für die Unternehmenssteuerreform III. Alleine im Kanton Genf brächte diese eine halbe Milliarde Franken an Ausfällen im Budget mit sich. Die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit im Verkehr werden also direkt den Profitinteressen der Kapitalisten geopfert.
Bratwurst zum Frühstück
Im Vorfeld machte die TPG Geschäftsleitung massiv Druck, die Regierung hetzte gegen den Streik und 2 Minderheitsgewerkschaften (transfair und ASIP-TPG) riefen ihre Mitglieder dazu auf, den Streik zu brechen. Am 19.11. wurden ab 4 Uhr Morgens alle 3 Depots blockiert, kein Bus und kein Tram fuhr raus, zum Frühstück gab’s Bratwurst. Der Streik war total. Führend war der SEV, welcher über 60% der ArbeiterInnen organisiert. Konfrontiert mit den starken Streikposten schlossen sich die ArbeiterInnen der anderen Gewerkschaften dem Streik an. Die Einheit wurde durch das konkrete Kräfteverhältnis in der Aktion hergestellt. Seitdem war die Front, unterstützt durch die gesamte Gewerkschaftsbewegung und die Linke, ungebrochen.
Die Bourgeoisie droht – vergebens
Derweil drehte der CVP-Regierungsrat Luc Barthassat offensichtlich durch. Er drohte am Morgen des Streiks, die Posten mit Polizeigewalt zu räumen. Er zog sogar die Möglichkeit eines Militäreinsatzes zum Streikbruch in Erwägung. Das Ziel dieser Drohungen war, neben der offensichtlichen Hetze und Einschüchterung, die Aufrechterhaltung eines Minimalservice.
Die ArbeiterInnen liessen sich nicht einschüchtern und hielten den Totalstreik 24h lang aufrecht. Der Genfer Gewerkschaftsbund (CGAS) leistete auch vorbildliche Schützenhilfe gegen die Drohungen. In einem offenen Brief an die Regierung hielt sie fest, dass wenn die Polizei intervenieren sollte, die CGAS „die Solidarität der Lohnabhängigen anderer Branchen anrufen“ würde. Die Führer der Polizistengewerkschaft ihrerseits gaben zu verstehen, sie sähen keinen Grund gegen die Streikenden vorzugehen und zeigten sich in den Depots solidarisch, sind sie doch auch von Sparmassnahmen betroffen.
Manchmal reicht die Streikdrohung
Der Regierung entglitt offensichtlich die Kontrolle. Das Kräfteverhältnis lag zugunsten der TPGler. Die Direktion und die Regierung zeigten sich jedoch weiterhin nicht zu Verhandlungen bereit. Die ArbeiterInnen beschlossen also, ihre Forderung nach Rücknahme der Kündigungsdrohung und Aufnahme von Verhandlungen mit einem zweiten, unbefristet Streik zu untermauern, den sie auf den 04.12 ankündigten.
Die TPG-Direktion und der Staat versuchten, diesen mit allen Mitteln zu verhindern. Sie aktivierten die Schlichtungsbehörde, was laut Kantonalverfassung die Sistierung aller Kampfmassnahmen erzwingt. Diese Behörde ist dem Kanton unterstellt, der seinerseits voll in den Konflikt involviert ist. Dieses Manöver zeigt den Charakter solcher „neutralen“ Schlichtungsorgane: Verteidigung der Unternehmerinteressen und Knüppelung der ArbeiterInnenrechte. Unbeeindruckt davon hielten die TPGler an ihrer Mobilisierung fest und gingen nicht auf die Forderung eines Minimalservices ein.
Gegenüber dieser Entschlossenheit musste die TPG-Direktion einlenken, wollte sie nicht nochmals einen Totalstreik erleiden. 2 Tage vor Streikbeginn zeigte sich die TPG-Direktion zu Verhandlungen bereit. Sie musste ihre Abbauversuche auf voller Linie zurückziehen. Dank der kämpferischen Einheit und demokratischen Solidarität der TPGler konnte der Angriff zurückgeschlagen werden. Dies ist ein wichtiger Sieg für die ArbeiterInnenbewegung. Er zeigt: Streiken lohnt sich! Die Belegschaft muss jedoch weiterhin auf der Hut sein, denn die Regierung und die bürgerliche Mehrheit im Parlament machen keine Anstalten, die Subventionen zu erhöhen. Über kurz oder lang wird es also wieder zu Angriffen kommen, die es mit derselben Entschlossenheit zu bekämpfen gilt.
La lutte continue!
Die Bedeutung dieses Arbeitskampfes geht über den TPG hinaus. Er reiht sich ein in eine all-out Attacke der Genfer Bürgerlichen gegen den öffentlichen Dienst. Der Kampf der TPGler zeigt den übrigen öffentlichen Angestellten, dass sich Kämpfen lohnt und er baut Druck auf die anderen Gewerkschaften auf. Besonders die LehrerInnen, denen mindestens 300 Entlassungen drohen, zeigen sich kampfbereit. Der Zenit des Kampfes gegen das Sparbudget in Genf ist noch keineswegs überschritten. Mit einer Eskalation der Kampfmassnahmen, mit einer koordinierten Streikbewegung des gesamten öffentlichen Dienstes kann die Regierung zum einlenken gezwungen werden. Ein erster Schritt in die Richtung wurde nun mit der Streikankündigung für den 16.12. getan. Die Stimmung im öffentlichen Dienst bleibt explosiv.
Diese Erfahrungen sind von grosser Bedeutung für die öffentlichen Angestellten im ganzen Land. In der ganzen Schweiz versuchen die Bürgerlichen Stellen zu streichen, Löhne zu kürzen, die Arbeitszeit zu erhöhen, etc. Die Bedingungen sind also grundsätzlich überall dieselben. Für eine erfolgreiche Bewegung gegen die Austerität, muss diese aus der sektorialen und regionalen Isolation ausbrechen. Dafür ist das Potenzial vorhanden, wie die grossen Mobilisierungen in Neuchatel, aber auch in Deutschschweizer Städten zeigen. Die Rezepte für das erfolgreiche Zurückschlagen sind klar: grossangelegte und eskalierende Kampfmassnahmen bis hin zum Streik!
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