Die nordsyrische Stadt Kobane an der türkischen Grenze steht in Flammen. Hunderttausende Jesiden und andere Verfolgte sind auf der Flucht. Es herrschen Chaos und Verwirrung, es droht eine humanitäre Katastrophe. Die Westmächte schauen derweil zu. Doch was ist die Lösung für die Kurdenfrage sowie für die Frage aller anderen unterdrückten Völker im Nahen Osten, die sich im Moment akut, doch eigentlich schon seit mehreren Jahrzehnten stellt?
Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los
Die Berichterstattung im Westen ist erschütternd. Bilder von geköpften Menschen, von Leichenbergen und durch die barbarischen Attacken des IS (Islamischer Staat, ehemals ISIS) hunderttausenden von Flüchtlingen, zuerst aus dem Irak, nun auch aus Syrien. Doch wie bereits in der letzten Ausgabe des Funke berichtet, ist der Aufstieg und die militärische Stärke des IS eng mit den imperialistischen Interventionen der USA verbunden. Zusammen mit lokalen Mächten wie Saudiarabien und der Türkei bauten sie den IS in Syrien mehr oder weniger direkt mit auf, während die durch den US- Imperialismus eingesetzte schiitische Maliki-Regierung die sunnitische Minderheit unterdrückte und sie so in die Arme des sunnitischen IS trieb. Dieses Spiel wurde im Nahen Osten nun schon mehrmals durchgespielt. Wie der Zauberlehrling wurde auch der westliche Imperialismus die Geister, die er rief, nicht mehr los. Obwohl Obamas Wahlversprechen und der Grund seines Wahlsieges die Beendigung des Irakkrieges war, hat er in seinen 5 Jahren Amtszeit bereits in sieben Ländern militärisch interveniert. Es war wohl klar, dass eine weitere direkte Intervention im Irak und erst recht in Syrien ihm keine Lorbeeren bescheren würde. Doch durch den barbarischen Feldzug des IS wurde der öffentliche Druck zum Handeln immer stärker. Als das Blutbad und die Misere in Kobane anhielten und Zehntausende im Nahen Osten, vor allem in der Türkei, aber auch im Westen, auf die Strasse gingen und Hilfe für die kurdischen KämpferInnen forderten, musste die US-Regierung konkretere Unterstützung bieten (koordinierte Angriffe und direkte Waffenlieferung). Doch ist Kobane nur die Spitze des Eisbergs und es stellt sich weiterhin die Frage, wo die Fronten sind und wie dieser Kampf gewonnen werden kann.
Die Kurdenfrage – historisch
Das als Kurdistan definierte Gebiet erstreckt sich über die Türkei, Syrien, Irak und Iran. Nach dem Zerfall des osmanischen Reiches in der Folge des 1. Weltkriegs teilten die französischen und britischen Mächte die Einflusssphären auf und zogen die nationalstaatlichen Grenzen mitten durch das kurdische Gebiet. Als eine der weltweit grössten ethnischen Minderheiten (um die 30 Millionen Menschen) ohne eigenen Staat wurden die Kurden in allen vier Ländern immer wieder unterdrückt und verfolgt. Jahrzehntelang war es ihnen untersagt, ihre Sprache zu sprechen, ihre Kultur zu leben und sich überhaupt als Kurden zu definieren. Noch heute werden die Kurden in der Türkei nicht als Minderheit anerkannt. Durch diese Unterdrückung gab es immer wieder Autonomiebestrebungen der Kurden, die in mehreren Aufständen und jahrzehntelangen bewaffneten Kämpfen gipfelten, welche aber immer wieder blutigst niedergeschlagen wurden.
Die radikalisierten Kurden schlossen sich zu verschiedenen Parteien zusammen, die sich durch ihre Klassenbasis grundlegend unterschieden und sich bekämpften. Die bürgerlichen Parteien, heute vor allem durch die KDP (demokratische Partei Kurdistan) im Nordirak repräsentiert, stellten ihre Klasseninteressen (Profit und Handel) vor die Interessen der kurdischen Arbeiterklasse und Jugend, während die Arbeiterparteien wie die PKK eine Lösung der Kurdenfrage nur in der Verbindung mit einer sozialistischen Perspektive sahen.
Die hauptsächlich in der Türkei verwurzelte PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) mit ihrem von der AKP-Regierung seit Jahren inhaftierten Parteiführer Abdullah Öcalan hat ihren Ursprung in den 70er Jahren. Durch die Türkei verfolgt und kriminalisiert (bis zu 35 000 PKK-Aktivisten wurden seit den 80ern von der türkischen Armee und Geheimdienst ermordet oder offiziell hingerichtet) hat sie sich vor allem als bewaffnete Untergrundpartei formiert. Dazu kommen die an seinen Ideen orientierten Parteien, die PYD in Rojava (Nordsyrien) sowie ihr nahestehende Parteien im Iran und Nordirak. Öcalan lehnt eine nationalstaatliche Lösung – also ein unabhängiges Kurdistan – heute ab und strebt stattdessen die Demokratisierung dieser Länder an. Der Ansatz zur Lösung der kurdischen Frage stellt den demokratischen Inhalt, die Selbstorganisation, Frauenbefreiung sowie eine nicht am kapitalistischen Profitprinzip, sondern den Bedürfnissen der Menschen und der Natur orientierten Ökonomie in den Mittelpunkt. Leider kann hier Öcalans ideologische und strategische Ausrichtung nicht einer marxistischer Analyse unterzogen werden, dies würde einen eigenen Artikel füllen. Doch schauen wir konkret die Umsetzung in Nordsyrien an.
Syrische Kurden der PYD
Als die Arabische Revolution in Syrien ankam und ArbeiterInnen und Jugend gegen das korrupte Assad-Regime auf die Strasse gingen, wurde das Fehlen einer sozialistischen Perspektive dieser Kämpfe durch reaktionäre Elemente ausgenutzt. Diese verschiedenen sektiererischen Gruppen, unterstützt vom Ausland, bekämpften sich nun gegenseitig und so endete die syrische Revolution in einem konterrevolutionären Bürgerkrieg. In diesem Chaos begann die PYD (Partei demokratische Einheit) Komitees zur Versorgung und Verteidigung der Bevölkerung aufzubauen und durch praktische Dienstleistungen das Vertrauen der Menschen in Nordsyrien zu gewinnen. Im Sommer vor zwei Jahren nutzte die PYD dann die Schwäche der weitgehend aus der Region zurückgezogenen Regierungstruppen aus, um in einer Volkserhebung die Kontrolle der drei Kantone (Cazire, Kobani, Afrin) durch Volksräte zu ergreifen. Diese arbeiteten bald den „Gesellschaftsvertrag“ aus, der die Verfassungsgrundlage für die drei Kantone darstellte. Unter dem Recht auf Religionsfreiheit, der Emanzipation der Frauen, dem Streikrecht und dem Recht auf Meinungsfreiheit findet sich auch Artikel 40: „In den demokratisch-autonomen Verwaltungen gehört jeglicher Grundbesitz und Boden der Bevölkerung. Nutzung und Aufteilung werden durch Gesetze geregelt.“, sowie Artikel 42: „Das wirtschaftliche System in den demokratisch-autonomen Verwaltungen basiert auf gesellschaftlicher Entwicklung, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Produktion sowie den wissenschaftlich-technologischen Möglichkeiten (…) Wirtschaftliches Horten in einer Hand (Monopolbildung) ist verboten. Nationale Produktionsmittel werden geschaffen, BürgerInnen-, ArbeiterInnen- und Umweltrechte werden geschützt. Die nationale Souveränität gestärkt.“ Die Produktionsmittel und der Boden werden also durch die Räte verwaltet und gehören der ganzen Bevölkerung. In einem „Hort der Reaktion“ kann also durch einen völlig unblutige Machtübernahme durch die Volksräte eine gerechtere und progressivere Verfassung entstehen als im ach so viel zivilisierteren Westen in 150 Jahren bürgerliche Demokratie?
Ulla Jelpke (die Linke- Abgeordnete), welche im August in Rojava war, beschreibt die Volksräte folgendermassen: “Die demokratische Selbstverwaltung in Rojava versteht sich zwar als ein Lösungsansatz für die kurdische Frage nach jahrzehntelanger Unterdrückung der Kurden als größter ethnischer Minderheit in Syrien durch den arabischen Nationalismus. Doch gleichzeitig ist diese demokratische Selbstverwaltung kein kurdisch-nationalistisches oder separatistisches Modell. Es geht vielmehr darum, alle in der Region lebenden Bevölkerungsgruppen einzubinden. Kurden machen rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Daneben leben in Rojava Araber, christliche Minderheiten wie Assyrer und Aramäer, Turkmenen, Tscherkessen und andere. Viele dieser Bevölkerungsgruppen standen anfangs dem Modell der Selbstverwaltung und den Räten skeptisch gegenüber. Doch inzwischen beteiligen sie sich immer stärker daran.“ Und weiter: „Die Volksverteidigungseinheiten YPG sind anders als in deutschen Medien oft dargestellt keine Parteimiliz der PYD. Die YPG verstehen sich selber als multiethnische und multireligiöse Verteidigungseinheiten der Völker in Rojava. Innerhalb der YPG gibt es Mitglieder verschiedener Parteien wie der PYD oder sozialdemokratischer Parteien, neben Kurden beteiligen sich auch viele Araber an den YPG und Milizen der christlichen Assyrer und Aramäer haben sich ebenfalls den YPG angeschlossen. Rund 40 Prozent der YPG-Mitglieder sind Frauen, die auch ihre eigenen Frauenverteidigungseinheiten YPJ besitzen. Auch innerhalb der Polizei- Milizen Asyis (Sicherheit) stellen Frauen fast die Hälfte der Mitglieder.“ Volksbewaffnung, Rätedemokratie und Frauenbefreiung und alles unter den schwersten Bedingungen des Bürgerkrieges. Doch genau diese Massnahmen waren notwendig, um die Bevölkerung eine Perspektive zu geben für die es sich lohnt zu kämpfen und so die heroische Verteidigung Kobanes über Wochen aufrecht zu erhalten.
Irak – die DPK
Dem antikapitalistischen und internationalistischem Konzept steht die konservativ-nationalistische DPK (Demokratische Partei Kurdistans) mit dem heutigen Präsidenten der Autonomieregion im Nordirak Masud Barzani und seiner Parteimiliz Peschmerga mit der Forderung nach autonomen Kurdengebieten innerhalb nationalstaatlicher Grenzen gegenüber. Doch was heisst dies in der Realität?
Bereits unter Sadam Hussein wurde das irakische Kurdengebiet in den 70ern als autonome Region mit eigener Verfassung anerkannt. Diese konnten im Zuge des Aufstiegs der ISIS (heute IS) und damit der Zersetzung der schwächelnden irakischen Armee ihr Gebiet durch die Ölregion Kirkuk erweitern. Die Regierung stellt die DPK unter Barzani, die in Koalition steht mit der PUK (Patriotische Union Kurdistans). Die Führung der DPK als auch der PUK hat einen klar kapitalistischen Charakter und gilt allgemein als korrupt. Schon seit Jahrzehnten wurden sie von den verschiedensten Mächten, wie dem Iran, S. Hussein oder der USA finanziert und aufgerüstet und gegeneinander aufgehetzt. Sie stellen ihre materiellen Interessen offensichtlich vor die der kurdischen ArbeiterInnen und Jugend.
Stattdessen entwickelten sie einen regen Handel mit der imperialistischen türkischen Regierung (va mit Öl), dem grössten Unterdrücker der türkischen KurdInnen, und begaben sich so in immer grössere Abhängigkeit. Heute sind sie der wichtigste Verbündete der Türkei, ein quasi-Protektorat. Dies zeigt sich auch in ihrer Haltung der PKK und ihren sympathisierenden Parteien gegenüber. Statt sich mit den Kämpfern im syrischen Kurdistan zu solidarisieren, folgt Barzani der Linie Erdogans und hat genau wie die Türkei ein Embargo Rojava gegenüber aufgestellt. So unterstützte er seit 2012 die Strategie Ankaras, die syrischen Kurdengebiete auszuhungern. Dies zeugt von der völligen korrupten Elite in Erbil (Nordirak), die ihre Interessen über das Schicksal ihrer Brüder und Schwestern hinter der Grenze stellt und damit auch ihr erklärtes Ziel eines unabhängigen Kurdistans begräbt. Mit diesem Kniefall vor der Türkei verfolgt Barzani jedoch auch seine eigenen Ziele, die PKK und ihre sozialistischen Ideen zu begraben, die seinen materiellen Interessen völlig entgegengesetzt sind.
Rolle und Interessen der Türkei
Heute (21.10.14) wurde nun bekannt, dass der türkische Präsident Erdogan endlich die Grenze zur umkämpften Stadt Kobane öffnet und Peschmerga- Kämpfer aus dem Nordirak zur Verstärkung der YPG- Milizen hinüberlässt. Hier wird offensichtlich, wie heuchlerisch die Politik Erdogans tatsächlich ist. Nachdem nun wochenlang die 20 Kilometer lange Grenzen zu Kobane von der Türkei verschlossen blieb und das Embargo gegen die Bevölkerung Kobanes anhielt (obwohl es an den grundlegendsten Nahrungsmittel und medizinischer Versorgung mangelte), Öffnen sie die Grenze nur für Peschmerga Kämpfer. Doch schon seit Beginn des IS-Angriffs warten hunderte freiwillige Kämpfer, welche ihren Brüdern und Schwestern zu Hilfe eilen wollen, doch diese wurden und werden immer noch nicht über die Grenze gelassen (als angebliche PKK-Sympathisanten). Doch schaut man die völlig verbrecherische Rolle der Türkei in diesem Konflikt an, ist ein solches Verhalten nicht weiter erstaunlich. Die Türkei ist mit ihrer Blockade von Rojava und dem bestenfalls passiven, wenn nicht feindlichen Verhalten der Flüchtlingsströmen gegenüber direkt am Massensterben in Syrien mitverantwortlich.
Kommt hinzu, dass bereits allgemein bekannt ist, dass die Türkei nicht nur den IS als Gegenmacht zum Assad-Regime mit aufgebaut hat, sondern dass sie diese bis zum heutigen Tag offen unterstützt. Nicht nur ist die türkische Grenze gleich neben Kobane für die IS offen, wodurch sie Waffen und neue Kämpfer aus der Türkei beziehen können, die IS ist in der Türkei, ganz im Gegensatz zur PKK und ihren Sympathisanten, auch nicht verboten. So wird in den Strassen Istanbuls und anderen Grossstädten offen auf der Strasse für das IS geworben. Ausserdem erzählte T.Y. (Name der Redaktion bekannt), ein türkischer Abgeordneter von der SYKP/HDP, die IS oder türkische Sympathisanten werben auch in den Armenvierteln der Grossstädte neue Kämpfer, indem sie den Familien 500 Euros Sold (doppelt so hoch wie der Mindestlohn in der Türkei) und dem Märtyrer das Paradies nach dem Heldentod versprechen. Um ein solche Nachschub zu verhindern, haben die HDP bereits eigene Leute mobilisiert, die solche Anwerber vertreiben und ihre Strassenstände zerstören.
Es ist klar, die Türkei schätzt die Gefahr eines selbstverwalteten Gebietes der Kurden in Syrien als gefährlicher ein als eine massenmörderische Terrormiliz. Erdogan hatte auch bereits öffentlich gesagt, dass er keinen Unterschied mache zwischen Kurden-Milizen und dem IS. Doch eigentlich ist ihm der IS sogar lieber, denn den braucht er noch um das verhasste Assad-Regime loszuwerden, während die Kurden mit ihrer multiethnischen Arbeitermilizen ein Dorn im Auge sind. Seine Angst beruht vor allem darauf, dass die rund 20 Mio Kurden im eigenen Land sich diese autonome Rätedemokratie zum Vorbild nehmen könnten und damit auch andere Unterdrückte auf den Plan rufen könnte, was eine direkte Gefahr nicht nur für Erdogans Macht, sondern für die Macht des Kapitals im ganzen Land und weit darüber hinaus darstellt. Und wenn man sich an die riesen Taksim-Bewegung vor einem Jahr erinnert, wo sich die Wut der unterdrückten Jugendlichen und ArbeiterInnen gegen das Regime entladen hat, so kann man die Angst Erdogans verstehen, der seinen Thron wackeln sieht.
Vorher bestand die Taktik der türkischen Regierung im Aushungern und Austrocknen der Vorräte, Munition und Kämpfer in Rojava, während daneben das IS mehr oder weniger offen Unterstützung fand. Gleichzeitig trat die Türkei scheinheilig der Koalition des Westens, die von den USA gegen das IS gegründet wurde, bei und nickte die gemeinsame Strategie ab, ohne in der Realität irgendetwas zu tun. Die Bodentruppen und Panzer, die die USA in Syrien wollten, wurden bloss an der Grenze von Kobane aufgestellt, ohne jedoch zu intervenieren. Stattdessen wartete die türkische Armee lieber bis sich die IS und die Selbstverteidigungsmilizen selbst zerfleischt haben, um dann am Schluss als Sieger einzumarschieren und die Sicherheits- oder Pufferzone um die türkische Grenze einzurichten (was de facto eine Besetzung Nordsyriens wäre).
Indem Erdogan nun die Peschmerga-Kämpfer wohlwollend nach Kobane lässt und auch Barzani und die PYD-Führer an einen Tisch setzt, hofft er die PYD und YPG vom Einfluss der PKK und ihren sozialistischen Gesellschaftsvorstellungen zu entziehen. Bereits erreicht hat Erdogan die Zusicherung der YPG/PYD- Hilfe im Kampf gegen das Assad-Regime. Diese Zustimmung birgt grosse Gefahren für die Rätedemokratie in Rojava. Mit – nur seinen Machtinteressen ergebene – AKP-Regierung zusammen das Assad-Regime zu bekämpfen (womöglich zusammen noch mit Jihadisten), wird nur ein kurzes Ziehen am selben Strang. Schnell werden sich die wahren Interessen der Türkei wieder bemerkbar machen: Die Kurden zu entwaffnen und mundtot zu machen.
Was tun?
Das bedeutet jedoch nicht, dass die PYD/YPG das korrupte und verbrecherische Regime unter Assad nicht bekämpfen soll. Im Gegenteil kann ihr alternatives Gesellschaftsmodell in Rojava nur bestand haben, wenn sie den Kampf gegen die Macht des Kapitals auf Syrien und die benachbarten Grenzen ausweiten. Ein solcher Kampf kann jedoch nur mit den ArbeiterInnen und Jugend dieser Länder geführt werden, angefangen im bereits bröckelnden Erdogan-Regime in der Türkei und nicht mit einer Allianz mit diesem verbrecherischen Regime selbst.
Weder die PKK noch die PYD/YPG darf sich Illusionen über die Interventionen der Westmächte und schon gar nicht der Türkei machen. In den letzten Jahrzehnten hat die Türkei immer und immer wieder bewiesen, dass alle Friedensgespräche nur Farce waren und ihre Absicht, die PKK zu vernichten, nicht wegdiskutiert oder verhandelt werden kann. Auch nun ist vor einer Woche wieder ein Friedensangebot der türkischen Regierung an Öcalan (und dies nach Monate langem hin und her mit aufgestellten Ultimaten der PKK) öffentlich geworden. Darin verlangt Erdogan den Abzug aller PKK-Aktivisten aus der Türkei und ihre Entwaffnung vor einer internationalen Kommission. Dann könnten sie ins Land zurückkommen und man werde zwar keine Amnestie aussprechen, doch zumindest mildernde Umstände walten lassen. Ein solches Angebot ist nichts weiter als ein zynisches Schulterklopfen mit der einen Hand, während die andere mit dem Dolch wartet. Dies haben auch die blutigen Angriffe von Polizei und Militär bei den Solidaritätsdemonstrationen für Kobane in den türkischen Grossstädten gezeigt, die bereits mindestens 33 Todesopfer forderten.
Sowohl die Türkei, als auch USA haben in den letzten Jahren schon unzählige Male bewiesen, dass den imperialistischen Interventionen unter dem Deckmäntelchen von Menschenrechten und Demokratie nicht zu trauen ist. Diese Interventionen entsprechen immer Partikularinteressen. Das einzige beständige gemeinsame Interesse ist die Erhaltung des Kapitalismus und die Bekämpfung jeglicher Alternative. Im Gegensatz dazu haben die YPG/PYD gezeigt, wie eine wahre Demokratie und die tatsächliche Umsetzung der Menschenrechte aussehen kann. Dies muss und kann nur die Ausgangslage für eine langfristige und friedliche Lösung, sowohl für die Kurden als auch für die ArbeiterInnen und Jugend im Nahen Osten sein. In Rojava sind die ethnischen, religiösen und kulturellen Unterschiede hinweggewischt worden auf der Grundlage eines Gesellschaftssystems, dass nicht die Eigentumsinteressen und die Profite einer kleinen Minderheit schützt, sondern diese der Allgemeinheit unterstellt.
Was die Region tatsächlich braucht, ist also eine zweite Arabische Revolution mit einer klaren internationalistischen Position, die die verschiedenen Bewegungen vereinigt und auf Basis des Klassenkampfes nationale, ethnische oder religiöse Teilungen überwindet, um die reaktionären Regime und den Kapitalismus hinter sich zu lassen. Die Jugend und die ArbeiterInnen dürfen weder der imperialistischen noch der arabischen (und auch nicht der kurdischen) Bourgeoisie Glauben schenken, da sie für die heutige Barbarei hauptsächlich verantwortlich sind. Die Solidaritätsdemonstrationen im ganzen Nahen Osten, von der Türkei, Iran über den Libanon bis Afghanistan haben gezeigt, was für eine Inspiration die Revolution in Rojava für die ArbeiterInnen und Jugend darstellt. Und dass es für die Menschen dort zwischen Krieg und Hunger zur Frage der Existenz geworden ist. Im Nahen Osten hat sich dies jetzt auf furchtbare Weise bewahrheitet: Kobane oder IS- Sozialismus oder Barbarei!
Der Artikel ist aus „der Funke“, Ausgabe 37 welche Ende Oktober erschienen ist.
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