Der schweizweite Frauenstreik rückt näher und so stellen sich feministische Intellektuelle in die Startlöcher. Eine davon ist Franziska Schutzbach: Ihr Artikel «Jetzt die Utopie» bietet radikalisierten Frauen aber weder eine Analyse noch ein Programm.
Weltweit fordern Frauen immer energischer die herrschenden Verhältnisse heraus. Sie kämpfen an gegen ein System, das sie tagtäglich ausbeutet, unterdrückt und zum sexuellen Freiwild degradiert. Seit letztem Jahr hat sich diese Wut zunehmend kanalisiert – in einem Mittel des Klassenkampfes, dem Streik. In Spanien gingen am Frauenkampftag 2018 und 2019 jeweils über sechs Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Strasse. Viele davon legten ihre Lohnarbeit auf Eis, um ihre Stärke am Schalthebel der Wirtschaft für ihre Forderungen auszunutzen. Zwar stellt sich die Basler Soziologin Schutzbach in ihrem Artikel «Jetzt die Utopie» vordergründig in diese kämpferische Tradition der Frauen in Spanien, doch ihr Beitrag ist in Wahrheit ein Plädoyer für den Status Quo.
Die Frauenunterdrückung im Kapitalismus hat verschiedene Gesichter, gemein ist ihnen die Isolierung und Atomisierung der Frau, nicht nur im Haushalt, sondern auch am Arbeitsplatz: Typische Frauenberufe wie im Care-Sektor charakterisieren sich durch flexible Arbeitszeiten, tiefe Löhne und eine niedrige gewerkschaftliche Organisierung. Die geschlechtliche Rollenverteilung und der Sexismus legitimieren und zementieren die isolierende Stellung und unterwandern systematisch das Selbstvertrauen der arbeitenden Frau. Was müssen wir tun, um dies zu ändern?
Franziska Schutzbach argumentiert für eine reine Symbolpolitik. Die Frauen sollen «ein Zeichen setzen» und in einem symbolischen Streik «die Grenze zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit auflösen wie jene zwischen […] entlohnter und nicht entlohnter Arbeit». Nach Schutzbach ist es eine zentrale Aufgabe, den «Streikbegriff auszuweiten». So könne die Grenze zwischen Lohn- und Hausarbeit überwunden werden.
Hier erkennt man klar den reaktionären Charakter ihrer Analyse. Ein Streik ist eben nur dann ein effektives Kampfmittel, wenn er die Profite der KapitalistInnen angreift. Mit ihrem Plädoyer für einen symbolischen Streik schwächt sie das Bewusstsein in der Bewegung. Bei der Frau liegt die gesellschaftliche Macht in erster Linie in ihrer Rolle als Arbeiterin am Schalthebel der Wirtschaft, nicht in ihrer isolierten Rolle in der Kleinfamilie. Ihre potentielle Macht als Produzentin müssen wir deshalb ins Zentrum unseres Kampfes stellen. Ein effektiver Streik, der die Wirtschaft lahmlegt, setzt das Kapital real unter Druck und zeigt uns Frauen gleichzeitig, welche gesellschaftliche Macht wir eigentlich haben.
Das heisst nicht, dass wir die Reproduktionsarbeit in Haushalt und Familie vernachlässigen. Aber neue «Begriffsdefinitionen» schaffen keine neuen Realitäten, höchstens in Schutzbachs Kopf. Wollen wir die Frau von der unbezahlten Hausarbeit befreien, müssen wir diese vergesellschaften. Nur wenn wir flächendeckend Kantinen, Kinder- und Altenbetreuung und Wäschereien aufbauen, die umsonst zugänglich sind, und die allgemeine Arbeitszeit drastisch reduzieren, kann die Frau tatsächlich von dieser Arbeit befreit werden. Nicht Schutzbachs Definition, sondern die aktive und revolutionäre Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse überwindet die Grenze zwischen Lohn- und Hausarbeit.
Mit der Aufgabe der Befreiung der Frau geht die Notwendigkeit der Erkenntnis einher, dass die kapitalistischen Verhältnisse dieser Aufgabe direkt im Wege steht und deshalb überwunden werden muss. Schutzbach argumentiert genau gegenteilig: Sie propagiert für «kleinteilige emanzipatorische Sprünge sowie langwierige Transformationsprozesse» und definiert dies sogar als «weiblich». Das Ziel des Sozialismus hingegen sei eine «männliche Utopie», welche «revolutionäre (Helden-)Taten fetischisiert». Sie verneint sogar den kollektiven Kampf für ein geeintes Ziel: «Die feministisch artikulierten Utopien arbeiten nicht auf ein bestimmtes, einheitliches politisches Programm hin». Nicht nur verteidigt Schutzbach damit die bestehenden Verhältnisse der Frauenunterdrückung, sie spricht den Frauen der Arbeiterklasse eine revolutionäre Rolle ab.
Wenn wir ernsthaft die Frauenunterdrückung überwinden wollen, brauchen wir eine Analyse über die systemischen Zusammenhänge dieser Unterdrückung. Daraus leiten wir unser Programm ab, wie wir dieses Ziel erreichen. Diese Forderungen und die Frauenbefreiung als Ganzes können nur gegen die Interessen der KapitalistInnen und im härtesten Kampf gegen diese errungen werden. Das ist kein einfacher Weg. Doch nichts führt an einer geduldigen Aufbau- und Organisierungsarbeit vorbei. Es ist der einzige Weg und wir sind entschlossen: Frauenbefreiung zu unseren Lebzeiten – in der Schweiz und international!
Olivia Eschmann
JUSO Basel-Stadt
(C) Foto: istock, Communist Party of India
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