«Die Jugend verachtet offiziell den Kapitalismus!» titelt das Vice-Magazin. Wir von der International Marxist Tendency wenden uns direkt an dich: Wenn du den Kapitalismus verachtest, solltest du heute noch der kommunistischen Organisation der Funke beitreten.
Eine grosse Mehrheit der Jugend hasst den Kapitalismus. Die Erklärung dafür ist sehr einfach: Seitdem wir die Welt bewusst wahrnehmen, kennen wir nur den Kapitalismus im Niedergang. Unser ganzes Leben ist geprägt von Krisen, Kriegen und Klima-Katastrophen.
Eine Studie aus Deutschland belegt, dass nur 8 % (!) der Jugendlichen glauben, dass es ihren Kindern besser gehen wird als ihnen selbst. In Grossbritannien sagen sieben oder gar acht von zehn jungen Menschen, dass der Kapitalismus Schuld sei an der Klimakrise oder der Wohnungsnot. Die radikalsten Jugendlichen heute wollen nicht mehr nur dieses oder jenes spezifische Problem angehen. Das System als Ganzes muss weg.
Doch der Kapitalismus wird nicht einfach von selbst kollabieren. Er muss bewusst gestürzt und bewusst mit einer neuen, menschlichen Gesellschaft ersetzt werden. Dafür braucht es klare Analysen, klare Ideen und eine revolutionäre Organisation.
Jene, die den Kapitalismus verachten, müssen drei Punkte verinnerlichen: Erstens die Notwendigkeit der kommunistischen Revolution durch die Arbeiterklasse. Zweitens, dafür braucht es eine revolutionäre Organisation, die wir heute aufbauen müssen. Und drittens müssen wir uns mit der marxistischen Theorie bewaffnen.
Der Kapitalismus hat sich historisch erschöpft. Einerseits sehen wir Produktion im Überfluss, andererseits breitet sich die Misere auf allen Ebenen aus. Aktuell leiden 850 Millionen Menschen an Hunger, doch die weltweite Getreideproduktion würde ausreichen, um alle Menschen auf der Welt zweimal zu ernähren. Jeder zehnte Mensch auf der Welt ist von Armut betroffen. Gleichzeitig wurden allein im Jahr 2021 drei Billionen Dollar in Kryptowährungen und NFTs investiert, was nur riesige Spekulationsprofite für Einzelne aber keinen gesellschaftlichen Wert schafft. Die technischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Gesellschaft wären vorhanden, doch die Zerstörung des Planeten durch die Kapitalisten und ihre Regierungen geht ungehindert weiter.
Der Kapitalismus hat vor langer Zeit aufgehört, ein fortschrittliches und innovatives System zu sein. Anstatt die Lebensbedingungen zu verbessern, bietet er den grossen Massen nur unsichere Zukunftsaussichten. Ein solches System kann nicht «reformiert», sondern muss revolutionär gestürzt werden. Die Arbeiterklasse – die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung – muss die Macht ergreifen. Der bürgerliche Staat muss zerschlagen und durch einen Arbeiterstaat ersetzt werden, in dem die arbeitende Bevölkerung in demokratischen Gremien (wie Räten) in den Betrieben und Quartieren selbst regiert. Die Produktionsmittel müssen den Händen der Kapitalisten entrissen und unter Kontrolle und Leitung der wirklichen Produzenten gestellt werden. Die anarchische, profitgetriebene kapitalistische Produktionsweise muss durch eine sozialistische Planwirtschaft ersetzt werden.
Auf der Grundlage eines rationalen Plans könnten wir alle Menschen mit den lebensnotwendigen Dingen versorgen. Durch Automatisierung und technologische Innovationen könnten wir unsere Arbeitslast verringern, unsere Freizeit verlängern und sinnvoll einsetzen. Wissenschaft und Kultur würden sich zu unvorstellbaren Höhen entwickeln.
Diese sozialistische Revolution ist die erste Stufe auf dem Weg zum Kommunismus. Das heisst eine klassenlose Gesellschaft, wo erstmals gilt:
«Alle nach ihren Fähigkeiten, alle nach ihren Bedürfnissen!» – Karl Marx
Der Kommunismus ist kein utopisches Wunschbild, sondern die reale Entwicklungstendenz der Menschheitsgeschichte. Der Kommunismus ist total realistisch, weil die materiellen Bedingungen für ein gutes Leben für alle heute vorhanden sind. Und der Kommunismus ist total realistisch, weil die Arbeiterklasse existiert: Jene soziale Kraft, welche den Kapitalismus tatsächlich stürzen und den Kommunismus tatsächlich aufbauen kann.
Viele politische Strömungen erkennen korrekt im Kapitalismus das Grundübel der Welt. Doch was die MarxistInnen grundlegend von allen anderen Linken unterscheidet, ist unser unerschütterliches Vertrauen in die Arbeiterklasse. Nur die Arbeiterklasse kann den Kapitalisten die Macht entreissen, denn nur die ArbeiterInnen haben jeden Tag die gesellschaftlichen Produktionsmittel (Maschinen, Computer, etc.) in ihren Händen.
Doch das grösste Vertrauen in die Arbeiterklasse ziehen wir aus ihrer eigenen Geschichte. In den letzten 200 Jahren haben die ArbeiterInnen immer und immer wieder bewiesen, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem die ArbeiterInnen erkennen, dass «sie nichts zu verlieren haben, ausser ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen» (Marx und Engels, Manifest). Ab diesem Punkt kann sie nichts mehr aufhalten, kein Polizeiapparat, kein Spaltungsmechanismus, keine Angst.
Wer ernsthaft für die Revolution einsteht, muss sich auf die Arbeiterklasse stützen! Selbstverständlich sind die grossen Massen nicht jederzeit zum revolutionären Aufstand bereit. Im Gegenteil, Menschen sind eher konservative Wesen, die gerne am bereits Bekannten festhalten. Doch wer seriös die Geschichte der Menschheit und der Arbeiterklasse studiert, kann daraus unmöglich in Pessimismus bezüglich der sozialistischen Weltrevolution verfallen.
Die Gesellschaft, genau wie die Natur, kennt lange Perioden von nur sehr langsamem, kaum merklichem Wandel. Doch ab einem gewissen Punkt, wenn sich die Spannungen aufgeladen haben, werden die langsamen Phasen abgelöst von explosiven, revolutionären Entwicklungen. Tatsächlich sind Revolutionen die wahre Lokomotive der Geschichte.
Die Grundursache aller Revolutionen der Geschichte ist die Tatsache, dass sich ein spezifisches System historisch erschöpft hat. Dass es nicht mehr fähig ist, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Und zwar bis zu jenem gewissen Punkt, an dem die Angst der Massen, so weiterleben zu müssen wie bisher, grösser ist als die Angst, gegen das scheinbar übermächtige System und für eine neue Welt zu kämpfen.
Die Arbeiterklasse steuert heute auf diesen Punkt zu. Die revolutionäre Massenbewegung in Sri Lanka, die historische Streikwelle in Grossbritannien und auch die massive Radikalisierung der Jugend weltweit sind deutliche Anzeichen dafür.
Revolutionen finden statt, völlig unabhängig von den Kommunisten. Die Krise des Kapitalismus zwingt die Massen in den Kampf. Im 20. Jahrhundert gab es in jedem Jahrzehnt mindestens eine revolutionäre Bewegung. Gerade aktuell findet in Sri Lanka eine Revolution statt, die am Anfang einer regelrechten Revolutionswelle der nächsten Jahre und Jahrzehnte steht.
Doch eine erfolgreiche sozialistische Revolution kann es nur geben, wenn die revolutionäre Kampfkraft der Arbeiterklasse in Richtung des Sturz des Kapitalismus und des Aufbaus des Kommunismus geführt wird. Es braucht den Sturz der Bourgeoisie, den Aufbau eines Arbeiterstaats sowie die sozialistische Planwirtschaft.
Das Beispiel Sri Lanka (siehe Editorial) beweist überdeutlich, dass das Fehlen einer revolutionären Führung immer dazu führt, dass sich der Kapitalismus von jeder Krise und jeder Revolution wieder aufrichten kann.
Das einzige Mal in der Geschichte, als es der Arbeiterklasse gelang, die Macht zu ergreifen und zu behaupten, war die Russische Revolution von 1917. Der entscheidende Faktor war die Präsenz der marxistischen Bolschewiki. Die bolschewistische Partei hat die revolutionäre Bewegung weder ausgerufen noch ausgelöst. Doch die revolutionäre, kommunistische Organisation von Lenin und Trotzki hat den kämpfenden russischen Massen den Weg vorwärts gezeigt. Der einzige realistische Weg aus der Krise des Kapitalismus war und ist in Richtung Kommunismus. Die Aufgabe der revolutionären Führung ist es, den unbewussten Willen der Arbeiterklasse bewusst zu machen.
Anfang des Jahres 1917 zählten die Bolschewiki knapp 8’000 Mitglieder, im Juli waren es bereits 177’000 und im Oktober, bei der revolutionären Machtübernahme durch die Arbeiterklasse, war die bolschewistische Partei auf überwältigende 650’000 Mitglieder angewachsen.
Der Grund dafür war, dass die Bolschewiki sich über Jahre und Jahrzehnte unablässig im Marxismus ausgebildet hatten. So waren sie während des Jahres 1917 fähig, in einer extrem turbulenten Phase jederzeit hochflexibel die nächsten Schritte der Arbeiterklasse in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus anzuleiten. Wie Victor Hugo sagte: «Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.»
Heute steuern wir direkt auf eine längere Periode von Kriegen, Revolutionen und Konterrevolutionen zu. Es wird immer deutlicher, dass die Ideen des Marxismus den einzigen Weg vorwärts darstellen. Wer es ernst meint mit der Revolution, muss sich auf die reichen Erfahrungen der Bolschewiki stützen. Denn ihre Methoden sind die einzigen, die sich als effizient und erfolgreich erwiesen haben.
Dies ist genau, was wir in der International Marxist Tendency tun: Wir bilden uns zu Bolschewiki, sozusagen zu Spezialisten der Revolution, aus. Mach bei uns mit!
Im Aufbau einer bolschewistischen Partei gibt es keine Abkürzungen. Wir können uns nicht darauf beschränken, auf die Strasse zu gehen und laut «Anti-Kapitalismus» zu schreien. Wir brauchen ein tiefes wissenschaftliches Verständnis des «molekularen Prozesses der Revolution» (Trotzki), der Menschheitsgeschichte, der Arbeiterklasse und des Kommunismus.
Wir können nicht in Hyperaktivismus verfallen und versuchen, jedes kapitalistische Problem (oder ein besonders schlimmes) eigenhändig zu lösen. Wir müssen uns geduldig zu Bolschewiki ausbilden. Denn dies ist die grösste Hilfe, die wir der Arbeiterklasse in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus liefern können.
Der Marxismus macht den Kommunismus zu einer Wissenschaft. Es ist jene Theorie, die uns erlaubt zu verstehen, wie die Menschheit dahin gekommen ist, wo sie heute steht. Und vor allem, wie die Menschheit aus der Sackgasse des Kapitalismus kommen kann. Deshalb ist der Marxismus nicht einfach eine interessante Idee neben vielen anderen. Der Marxismus ist genau die Theorie, die wir brauchen, um den Kapitalismus zu stürzen und den Kommunismus aufzubauen.
Heute, in der tiefsten Krise des Kapitalismus, ist der Marxismus die aktuellste Theorie überhaupt. Wir haben hier leider nur den Platz für ein Beispiel aus dem Manifest der kommunistischen Partei von Karl Marx:
«Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? (…) Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.» Dies ist heute wahrer denn je. Die historische Krise von 2020 folgte sehr kurz auf die historische Krise von 2008. Und die aktuelle Krise – geprägt vom Ukraine-Krieg, der Inflation und dem Energiemangel – folgt noch viel schneller. Krisen sind heute nicht mehr «Jahrhundertereignisse», sondern werden immer häufiger und schlimmer. Der Kapitalismus befindet sich in seinem zähen und langwierigen Todeskampf.
Dies ist nur ein Beispiel. Alle, die den Kapitalismus heute bekämpfen wollen, sollten das Kommunistische Manifest und allgemein den Marxismus studieren. Am besten geht das, indem man mit den Kommunisten vom Funke diskutiert. Es ist schlicht umwerfend, wie viele Punkte und Tendenzen heute noch viel wahrer sind, als sie 1848 bereits waren.
Dies liegt daran, dass der Marxismus einen tiefen Einblick in die inneren Tendenzen des Kapitalismus und der Menschheitsgeschichte allgemein ermöglicht. Der Marxismus ist kein Dogma, kein Rezept, das man auswendig lernt und repetiert. Sondern es ist eine dynamische Methode, welche ständig neu auf eine sich verändernde Welt angewendet werden muss.
Dies bedeutet auch, dass der Marxismus nie nur von einem gemütlichen Sessel von der Universität aus als reine akademische Theorie erlernt werden kann. Es ist eine Anleitung zur Aktion. Marxismus heisst, die Welt zu verstehen, damit wir sie verändern können.
Es ist nicht möglich, den Marxismus und den Bolschewismus alleine Zuhause oder im Internet zu lernen. Dies geht nur als Teil einer kommunistischen Organisation, in der wir zusammen den Marxismus auf die reale Welt anwenden. Was für die Arbeiterklasse gilt, gilt auch für die Kommunisten: Allein sind wir nur ein Rädchen, aber gemeinsam sind wir eine Maschine – eine Kampfmaschine für eine lebenswerte Welt.
Du brauchst uns MarxistInnen, um wirklich für den Sturz des Systems kämpfen zu können. Aber wir brauchen auch dich. Die kommenden Jahre werden den Kommunisten viele Möglichkeiten bieten. Doch um diese wahrzunehmen, müssen wir unbedingt mehr revolutionäre AktivistInnen sein.
Für jene, die den Kapitalismus «offiziell verabscheuen», ist heute die wichtigste Aufgabe der Aufbau einer bolschewistischen Organisation in der Schweiz und weltweit. Dies bedeutet unermüdliche theoretische Bildung und ständiges Verbinden mit der Arbeiterklasse und der Jugend.
Niemand wird uns diese absolut entscheidende Aufgabe abnehmen. Wenn DU den Kapitalismus stürzen willst, dann musst DU heute noch der International Marxist Tendency beitreten. Nur so können wir die Ideen des Marxismus an breitere Schichten bringen.
Wir müssen völlig ehrlich sein: Niemand wird als Marxistin geboren und niemand wird an einem Tag zum Bolschewisten ausgebildet. «Kommunist sein» ist kein Hobby, es ist keine Lifestyle-Entscheidung. Es ist die Verpflichtung, für die Befreiung des bisher unterdrückten, riesigen menschlichen Potenzials zu kämpfen.
Um bei uns Mitglied zu sein ist es völlig egal, welche Hautfarbe du hast, welche Sprache du sprichst oder mit welchem Geschlecht du dich identifizierst. Wir MarxistInnen wehren uns mit aller Kraft gegen jegliche identitätspolitischen Spaltungen. Die einzige Frage, die wir stellen, ist: Bist du bereit, dich ernsthaft mit den Ideen des Marxismus auseinanderzusetzen – der mächtigsten Waffe der Arbeiterklasse in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus?
Unser ganzes Leben wird von Krisen, Kriegen und Katastrophen geprägt sein. Die Menschheit steht heute vor der Entscheidung «Kommunismus oder Barbarei». Es ist nicht vorbestimmt, welches es sein wird. Es hängt davon ab, ob die Bolschewiki fähig sein werden, der Arbeiterklasse zum Sieg zu verhelfen.
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
Nah-Ost — von Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) — 09. 10. 2024