Basel ist eine gespaltene Stadt: Arm und Reich stehen sich auf engstem Raum gegenüber. Das führt zu Konflikten. Weshalb in der gegenwärtigen Situation nur eine selbstbewusste und offensive Herangehensweise zum Erfolg führen kann.
In der Stadt von Roche und Novartis scheint die Sozialpartnerschaft in der Politik und der Wirtschaft noch intakt zu sein. Um im eigenen Betrieb und in dessen Umfeld eine angenehme Ruhe vor dem Klassenkampf zu haben, verteilt das Kapital in Basel gerne Almosen. Statt offener Angriffe gibt es versteckte: Deals in den Hinterzimmern des Parlaments und faule Kompromisse prägen die städtische Politik. Paternalistisches Zuckerbrot statt Peitsche. Die städtische Linke gibt sich allzu oft damit zufrieden. Dabei sind Sparmassnahmen auch in Basel harte Realität. Die Mieten werden immer teurer und es findet ein brutaler Verdrängungskampf statt. Auch die Krankenkasse kostete 2020 nach Genf am meisten. Die Armut eines Teils der Bevölkerung wird immer grösser und niemand tut etwas dagegen.
Dabei gibt es in Basel krassen Reichtum. Bereits 2010 besassen 0.29% der Bevölkerung über die Hälfte des gesamten Vermögens in Basel. Seitdem hat die Ungleichheit weiter zugenommen – in den Jahren seit der Krise von 2008 sind vor allem die grossen und sehr grossen Vermögen gewachsen. In den drei wohlhabendsten Quartieren liegt das Durchschnittsvermögen heute jeweils über einer Million Franken.
Und auch dem Staat geht es gut. Der Kanton hat trotz einer eher zurückhaltenden Steuerpolitik haufenweise Geld: Die Pharma, Chemie, Versicherungen und Banken machen es möglich. Allein 2019 war in der Staatskasse ein Überschuss von mehr als 700 Mio. CHF – letztes Jahr war der Überschuss trotz Pandemie, Kurzarbeit und Notkrediten immer noch grösser als 130 Mio. CHF.
Doch Basel hat auch eine andere Seite: Seit einigen Monaten sind sichtbar mehr obdachlose BettlerInnen auf den Strassen unterwegs. Viele von ihnen kommen aus Osteuropa – in ihrer Heimat sind sie rassistischer Diskriminierung ausgesetzt, Arbeit gibt es keine. Mit ihnen werden auch in Basel die Schattenseiten des globalen Kapitalismus deutlich spürbar.
Das sind die zwei Seiten derselben Medaille. Doch das Kapital und seine VertreterInnen im Parlament begegnen den Armen mit Arroganz, Menschenfeindlichkeit und Rassismus: «Geht doch woanders hin und seid dort arm!».
Nach langem Hin und Her, eiskalten Nächten und systematischer Drangsalierung durch die Polizei «dürfen» sie nun endlich in die Notschlafstelle. Einheimische Obdachlose werden in leerstehenden Hotels untergebracht. Gelöst ist damit kein einziges Problem: Bleiben können sie nur, solange es draussen kalt ist; bezahlen müssen sie den Schlafplatz auch. Es soll halt schon niemand erfrieren müssen – nicht mehr und nicht weniger. Ursachenbekämpfung sieht anders aus, die Armut soll einfach nicht mehr sichtbar sein. In einer Stadt, in der einige der reichsten Familien der Schweiz wohnen, ist jede Person, die unter diesen Umständen leben muss, eine zuviel!
Obdachlosigkeit ist in der Regel keine freie Entscheidung. Wer sich die Miete nicht mehr leisten kann, hat schnell keine Wohnung mehr: In Basel kennt man das gut. Schon lange sind steigende Mieten ein grosses Problem. Menschen mit tiefen Einkommen, Auszubildende, Studierende und RentnerInnen werden aus ihren Wohnungen geschmissen, um diese zu sanieren und teurer weiterzuvermieten. Besonders stark betroffen davon sind die ehemaligen Quartiere der ArbeiterInnen. Genau die Menschen, die diese Stadtteile zu lebendigen und lebenswerten Quartieren machen, müssen nun weg. An ihre Stelle kommen elitäre Galerien, Co-Working-Spaces und hippe, überteuerte Cafés.
Regelmässig hört man von neuen Massenkündigungen, ausgesprochen von den Versicherungen Zurich und Baloise, der Credit Suisse oder Pensionskassen – auch im vergangenen Jahr, als die Dramatik der Wirtschaftskrise schon längst abzusehen war. Und als sich im vergangenen Jahr in einem Haus zwei ältere Menschen aus Verzweiflung deshalb das Leben nahmen, blieb das lediglich eine Randnotiz; das Haus gehört der Credit Suisse.
Dabei wurden doch 2018 aufs Mal vier Initiativen zum Ausbau des MieterInnenschutzes angenommen. Viele Menschen sind sich also darüber im Klaren, dass etwas dagegen unternommen werden muss. Doch angesichts der Tatsache, dass der bürgerlich dominierte Grosse Rat deren Umsetzung sabotiert wo nur möglich, müssen wir uns fragen, ob wir dem bürgerlichen Parlament vertrauen können, wenn es um unsere Interessen geht. Vergangenen November wurde das besonders deutlich: In einem neuen «Wohnraumfördergesetz» wurde der Bevölkerung ein fauler Kompromiss untergejubelt: Scheinbarer Schutz auf der einen, offene Hintertüren auf der anderen Seite.
Ein weiteres Lehrstück bietet die Debatte um den kantonalen Mindestlohn. Die links-grüne BastA! und der Basler Gewerkschaftsbund haben vor einem Jahr eine Initiative eingereicht. Ein kantonaler Mindestlohn von 23.- nach Genfer Vorbild soll her. Grundsätzlich befürworten wir einen Mindestlohn entschieden. Doch kann dieser die Lösung sein?
Jede Lohnerhöhung – und dazu zählen insbesondere auch Mindestlöhne – bedeutet einen Einschnitt in die Profite der KapitalistInnen. Zu einem solchen Zugeständnis sind sie freiwillig nur selten bereit, in der gegenwärtigen Krise ganz bestimmt nicht. Das haben sie in zwei offenen Briefen an den Grossen Rat vor der Debatte um die Initiative auch offen zugegeben. Im Grossen Rat wurde schliesslich ein Gegenvorschlag verabschiedet – mit den Stimmen einiger weniger Bürgerlicher. Ihr Kalkül: Der Initiative durch einen «Kompromiss» den Wind aus den Segeln nehmen. Das Resultat: 21 statt 23 Franken; zudem sind GAVs, Personen in Arbeitsintegrationsprogrammen und Normalarbeitsverträgen ausgeschlossen. So soll einer direkten Konfrontation aus dem Weg gegangen werden. Die Bürgerlichen mögen sich zwar selbst nicht einig sein, doch keine ihrer Lösungen sind in unserem Interesse!
Einmal mehr wird deutlich, dass wir uns weder auf die KapitalistInnen, noch auf ihre Lakaien im Parlament verlassen können, wenn es um unsere Interessen geht! Es bringt also nichts, den KapitalistInnen zu erklären, weshalb ein Mindestlohn angeblich auch gut für sie ist. Eine solche Herangehensweise offenbart das Misstrauen in diejenigen, für die die Linke zu kämpfen vorgibt. Dabei haben Forderungen wie der Mindestlohn durchaus das Potential, Lohnabhängige zu organisieren – gerade die, die im Tieflohnsektor arbeiten. Doch dazu müssen die Gewerkschaften aktiv auf sie zugehen, ihnen Wege aufzeigen, wie sie dafür kämpfen können: Speziell im Tieflohnsektor müssen die Lohnabhängigen endlich für einen offensiven Kampf gewonnen werden – schliesslich beruht die gesamte Kraft der ArbeiterInnenklasse auf der eigenständigen Organisation und der Fähigkeit, sämtliche Räder stillstehen zu lassen. Haben wir also in diesem Sinne Vertrauen in unsere eigene Stärke – in Basel und darüber hinaus!
von Fabian B.
Der Funke Basel
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