Bei einer Protestaktion gegen die Ermordung eines kolumbianischen Gewerkschafters in einem Tochterunternehmen von Nestlé, wurden Studenten der Uni Basel, Juso Aktivisten und Gewerkschafter in Polizeigewahrsam genommen und vom Unigelände vertrieben. Zudem wurden Nestlé kritische Flugblätter beschlagnahmt.
Ein Polizeiaufgebot von rund fünfzig Beamten darunter auch mehrere Zivilpolizisten, umstellten am 18. November kurz nach halb sechs das Kollegienhaus der Universität Basel. Grund für diesen gewaltigen Aufmarsch der „Gesetzeshüter“ war ein Vortrag von Paul Bulcke, CEO von Nestlé, zur „Rolle der Nahrungsindustrie in der Gesellschaft“. Etwa zur gleichen Zeit versammelten sich rund 30 AktivistInnen, darunter kritische StudentInnen der Uni Basel , Jusos und GewerkschafterInnen, um mit Flugblättern auf den Mord an einem Gewerkschafter in einer kolumbianischen Tochterfirma von Nestlé aufmerksam zu machen. Mit Rechaud Kerzen und einem Bild des erschossenen Kollegen wollte man den Besuchern des Vortrags auch jenes Gesicht des Nahrungsmittelkonzerns vor Augen führen, welches Herr Bulcke in seinen Vorträgen mit Sicherheit nicht erwähnt: Die skrupellose Brutalität eines gewinnorientierten Grosskonzerns, bei dem die Profitmaximierung auch den gewaltsamen Tod von Gewerkschaftern rechtfertigt.
Von Seiten der Aktivisten ging keinerlei Aggression aus, im Gegenteil, die Stimmung war gut und die Besucher des Vortrags reagierten gelassen und zum Teil interessiert auf die Flugblätter. Der Polizei oder wahrscheinlich eher dem Puppenspieler hinter diesen staatlichen Marionetten, war die Wahrheit jedoch unangenehm. Zwei Unterstützer der marxistischen Strömung, welche in der Eingangshalle Flugblätter verteilten, wurden kurzerhand durch sehr aggressive Polizisten gepackt und in einen Raum gesperrt. Auf die wiederholte Frage, warum sie festgehalten würden, antworteten die Beamten: „Wir haben den Auftrag euch davon abzuhalten Flugblätter zu verteilen. Ihr dürft hier nicht Eure Meinung verbreiten!“ Fünfzig bewaffnete Polizisten also, welche den Auftrag haben dreissig friedliche Jusos und GewerkschafterInnen auf Staatskosten daran zu hindern ihre Meinung zu sagen. Wer diesen Polizeieinsatz angeordnet hat ist noch nicht bekannt.
Nachdem die Aktivisten knapp eine halbe Stunde festgehalten worden waren, wurden sie von der Polizei aus der Uni „begleitet“ und des Geländes verwiesen. Die Flyer wurden beschlagnahmt. Dass es sich bei den zwei Weggewiesenen um Studenten der Uni Basel und Mitglieder der Studentischen Körperschaft (SKUBA) handelte, welche das Recht haben auf dem Unigelände Flugblätter zu verteilen, wurde ignoriert. Bei einem weiteren Aktivisten blieb es nicht bei einer Wegweisung, er wurde kurzerhand auf den Polizeiposten verschleppt mit der Begründung, dass er halt so aussehe und eine grosse Tasche bei sich trüge.
Nicht das erste Mal
Schon knapp eine Woche zuvor, hat die Basler Polizei AktivistInnen weggewiesen, welche vor einem Nespresso Laden Flugblätter zum gleichen Thema verteilten. Mit der Begründung, dass Flyer verteilen in Basel illegal sei. Eine offensichtliche Lüge. Aufgelöst wurde die Aktion trotzdem, auch hier 8 Beamte auf 8 friedliche GewerkschafterInnen.
Es scheint so als sei in Basel das Image von Nestlé höher gewichtet als das Recht auf Meinungsfreiheit. Überraschend ist diese Tatsache zwar nicht, aber sie zeigt wieder einmal in aller Klarheit den Charakter des bürgerlichen Staates mit seinen Repressionsorganen, deren Hauptaufgabe darin besteht das Privateigentum und die Kapitalverwertungsbedingungen in diesem Land zu schützen, und dabei auch gerne Mal mit schweren Polizeistiefeln über unsere Grundrechte trampelt.
Es ist nichtsdestotrotz eine Schweinerei, dass StudentInnen der Uni Basel daran gehindert werden, in der Uni auf Gräueltaten an Gewerkschaftern aufmerksam zu machen, nur damit ein Paul Bulcke den Anschein einer weissen Weste wahren kann und kritiklos einen Abend lang einen Saal voller Leute belügen kann. Der CEO, der in seiner Firma ein Lohnverhältnis von 1:238 geniesst, scheint zudem auch 238-mal mehr Rechte zu haben.
Nestlé und die toten Gewerkschafter
Am 9. November ermordeten paramilitärische Truppen im kolumbianischen Bugalagrande den Gewerkschafter Oscar López Triviño. Der 61-jährige ist bereits der 15. Nestlé-Gewerkschafter, der in den letzten Jahren von Paramilitärs ermordet wurde. Der Nestlé-Standort in Bugalagrande ist eine der grössten Lebensmittelfabriken Lateinamerikas. Seit einem Jahr kämpfen hier die ArbeiterInnen für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrags. Mit mehreren Streiks versuchte die Gewerkschaft Sinaltrainal, ihre Forderungen durchzusetzten. Der Nestlé-Kolumbien Chef Manuel Andrès Kornprobst reagierte auf den Arbeitskampf mit einer Plakate-Kampagne, welche die Gewerkschaft der Sabotage bezichtigt. Solche Beschuldigungen, setzten die Gewerkschafter unmittelbar der Gefahr aus, zur Zielscheibe von Paramilitärs zu werden. So wurden von diesen auch Droh-SMS an die Gewerkschafter verschickt, in denen sie als Hurensöhne bezeichnet wurden, welche immer noch Nestlé belästigen würden, und dass es jetzt kein Pardon mehr gäbe. Vier Arbeiter traten daraufhin in den Hungerstreik und die Schweizer Organisation Multiwatch, die die Situation in Kolumbien schon seit Jahren beobachtet, lancierte eine Petition, in der Nestlé aufgefordert wurde, die Sicherheit der Sinaltrainal Gewerkschafter zu gewährleisten. Auch 20 Schweizer Parlamentarier von SP und Grünen unterzeichneten den Apell.
Die Antwort des Pressesprechers von Nestlé Christian Frutiger: „Die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Arbeiter und ihrer Familien ist eine Top-Priorität von Nestlé.“ Am nächsten Tag wurde Oscar López Triviño mit vier Schüssen niedergestreckt. Solche Akte des Terrors gegen Gewerkschafter, mit dem Ziel Angst und Schrecken zu verbreiten und die Gewerkschaften zu zerschlagen, sind in Lateinamerika weit verbreitet und werden von den Konzernchefs und Grossgrundbesitzer toleriert und zum Teil sogar aktiv unterstützt. Widerstand gegen solche Angriffe braucht die aktive Unterstützung der Internationalen Arbeiterbewegung. Im Fall Nestlé sind deshalb gerade auch die Schweizer Gewerkschaften in der Pflicht, Widerstand gegen die mörderische Politik des hier ansässigen Konzerns zu organisieren.
Die marxistische Strömung verurteilt deshalb die Polizeiaktion an der Uni Basel aufs schärfste und fordert, dass anstelle der Repression gegen Jusos und GewerkschafterInnen, Paul Bulcke und Peter Brabeck zur Rechenschaft gezogen werden, für ihre Mitverantwortung an der Ermordung von Oscar López Triviño und den 14 weiteren, in den letzten Jahren bei Nestlé ermordeten Gewerkschaftern.
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