Die SP Baselland hat eine historische Niederlage erlitten. Das erste Mal seit 90 Jahren ist sie nicht mehr in der Regierung des Kanton Baselland vertreten. Die SP gibt sich schwer enttäuscht und will in Zukunft Oppositionspolitik machen. Ob sie dies aber auch wirklich konsequent tun wird, bleibt fraglich.
Wie konnte es dazu kommen? Was bedeutet Oppositionspolitik genau? Und was muss nun getan werden? Eine Analyse der Wahlen und der aktuellen Situation.
Die SP hatte im Baselland in den letzten Jahren einen schweren Stand. Die SP stellte jeweils eine/n von fünf RegierungsrätInnen und war auch im Parlament immer klar in der Minderheit. Trotzdem schieben die Bürgerlichen, die finanziellen Probleme des Kantons immer wieder auf die Linken. Das strukturelle Defizit des Kantons wurde jedoch nicht von der Linken verursacht. Steuergeschenke an die Besitzenden haben hauptsächlich dazu geführt. Der Regierungsrat sagst selbst, dass mit den „Unternehmenssteuerreformen I und II […] die im Kanton ansässigen Betriebe steuerlich und administrativ spürbar entlastet.“[1]
Wer nach dem Ausscheiden der SP aus der Regierung darauf hofft, dass nun Schuldzuweisungen für die finanziellen Probleme des Kantons in Richtung der Linken aufhören, wird bitter enttäuscht. Die Bürgerlichen werden weiterhin versuchen, die Schuld auf die Linke zu schieben, um dabei somit ihre Politik für die Besitzenden weiter durchführen zu können. Nur so können sie die Bevölkerung täuschen, dass sie im Grunde eine Politik nur für sich selbst und ihre Freunde, die Reichen und Besitzenden, machen.
Was stellte die SP dem entgegen?
Während die Bürgerlichen versuchen, die Finanzen mit Sparen und einer so genannten Wirtschaftsoffensive ins Lot zu bekommen, erhält man von der SP diesbezüglich nur mangelnde Antworten. Auf der einen Seite bekämpfte sie zwar Teile des Sparpaketes der Regierung, auf der anderen Seite traute sie sich aber nicht, die die Steuergeschenke konsequent zurückzufordern. Bei der Wirtschaftsoffensive stieg die SP sogar mit an Bord und kritisierte die Regierung hauptsächlich dafür, dass sie sich zu wenig aktiv für deren Umsetzung stark macht. Von einer wirklichen Alternative also keine Spur.
Analysiert man die Wirtschaftsoffensive genauer, so geht es schliesslich um versteckte Subventionen, von denen Unternehmen angelockt werden sollen. Mit Steuergeschenken, unsinnigen Infrastrukturprojekten und einseitigem Bürokratieabbau sollen Unternehmungen dazu bewegt werden, ihren Firmensitz in das Baselbiet zu verlegen. Mit einer solchen Politik sollen vor allem bestehende Unternehmen von anderen Orten weggelockt werden. Dies hinterlässt an den alten Standorten eine Lücke und führt zu einem erbitterten Standortwettkampf, was offensichtlich keineswegs das Ziel linker Politik sein kann.
Ein Blick auf Spanien und Griechenland genügt, um zu sehen, dass die Menschen die Probleme der aktuellen Krise verstehen und nach Alternativen suchen. Um diese den Menschen zu geben genügt es aber nicht zu sagen, dass man eine Alternative sei oder mit inhaltsleeren Worthülsen eine Alternative zu umschreiben. Mit solchen ausgeschmückten Hohlphrasen kann man schliesslich nach den Wahlen tun und lassen was man möchte. Dies haben die Menschen verstanden und sehen deshalb auch keinen Grund mehr, sich an den Wahlen zu beteiligen, was die Wahlbeteiligung von rund 33% aufzeigt.
Das bedeutet aber auch, dass gerade mal knapp 23% der Stimmberechtigten im Kanton bürgerlich gewählt haben. Die bürgerlichen haben also nicht besonders viele Stimmen gemacht, sondern die SP einfach viel zu wenig. Es ist also kein Kanton der bürgerlich dominiert ist, sondern nur ein von den Bürgerlichen regierter Kanton. Die Mobilisierung der SP konnte ihr Potential nicht ansatzweise ausnutzen. Sie hat sich zu wenig klar von der bürgerlichen Politik abgegrenzt und den Arbeiterinnen und Arbeitern keine echte Alternative geboten.
Der Korrespondent des SRF, Michael Keller, brachte es gut auf den Punkt: „Die SP hat es nie geschafft zu zeigen, warum es sie in der Regierung braucht.“[2] Auch der stellvertretende Chefredaktor der Basler Zeitung, David Thommen, kommt zu derselben Analyse „Die SP hat sich den brutalen Rausschmiss selber zuzuschreiben.“ Er fragt „Was hatten die Genossen zu sagen, wofür haben sie gekämpft? Man hat es nicht gehört oder zumindest nicht verstanden.“[3] Auch wenn diese beiden mit ihren Aussagen wohl nur den Wahlkampf und hauptsächlich die Regierung meinten, beschreibt diese Aussage sehr gut die gesamte Politik der letzten vier Jahre.
Die SP machte hauptsächlich konsensorientierte Politik. Die Mitglieder der Fraktion wurden nicht Müde zu betonen, dass sie die einzigen «Staatstragenden» im Landrat seien und die Bürgerlichen sich gegenseitig mit absurden Ideen überbieten würden. Auch der Regierungsrat Urs Wüthrich erbrachte seine Arbeit in der bürgerlichen Regierung zu deren Zufriedenheit. Der SP Vizepräsident Christoph Hänggi sagte laut der NZZ er habe „keine linke Bildungspolitik gemacht, sondern sehr gut die Linie der Erziehungsdirektoren-Konferenz verfolgt, deren Eckwerte vom Volk abgesegnet seien. Die Bürgerlichen würden nun eine ähnliche Politik machen müssen.“[4]
Eine Beteiligung der SP an der Regierung ergibt aber nur dann Sinn, wenn diese ihr erlaubt, sozialistische Politik zu machen. Denn wenn sie keine linke Politik betreiben kann, welchen Zweck erfüllt dann die Regierungsbeteiligung? Wenn die SP nun auf ihrer Webseite schreibt, dass die Regierung sein soziales Gewissen verloren hat, trifft sie den Nagel auf den Kopf. Mehr als ein soziales Gewissen, auf das niemand hörte, konnte der SP Regierungsrat Urs Wüthrich in den letzten Jahren nicht sein.
Wie geht es nun weiter?
Die weltweite Wirtschaftskrise – eine klassische Überproduktionskrise – ist mit der Auflösung des Euro-Franken Mindestkurs nun definitiv für jeden in der Schweiz sichtbar und ist vor allem in der Grenzregion Basel endgültig angekommen. Die Wiedersprüche zwischen Arbeit und Kapital – zwischen Lohnabhängigen und Besitzenden – werden sich weiter verschärfen. Die SP muss sich endlich entscheiden, auf welcher Seite sie steht und kann nicht weiter zwischen den Fronten herumpendeln und Kompromisse mit den Bürgerlichen schliessen. Tut sie dies nicht, wird das für die Partei und für die gesamte ArbeiterInnenbewegung zu schmerzhaften Niederlagen führen.
Auf ihrer Webseite schreibt die SP nun, dass sie nun eine Oppositionspolitik betreiben wolle. Sie würde diese Aufgabe mit „Energie, politischem Gespür und mit Weitblick anpacken.“[5] Hänggi kündigt eine „konsequente aber konstruktive Oppositionspolitik“ an und warnt: „Die Bürgerlichen müssten die SP einbeziehen, sonst gebe es künftig sehr viele Volksabstimmungen.“[6] Doch was bedeutet eine konsequente aber konstruktive Oppositionspolitik? Die Fraktionspräsidentin Kathrin Schweizer präzisiert dies als einzige ein wenig: „Die Initiative «Wohnen für alle» ist ein gutes Beispiel.“[7] Die Initiative will dass der Kanton für eine regional koordinierte Siedlungspolitik sorgt, die erschwinglichen Wohnraum für alle schafft und die Ressourcen schont.
Die Idee der Initiative ist durchaus gut, denn günstiger Wohnraum ist nicht nur in der Stadt Basel sondern auch im Agglomerationskanton Baselland nichts, was übermässig vorhanden wäre. Vergessen geht dabei aber oft, dass diese unformulierte Initiative, also eine Initiative die nur einen Auftrag an die Regierung darstellt und nicht ein konkretes Gesetz beinhaltet, von der nun noch bürgerlicher dominierten Regierung und Landrat umgesetzt werden müsste. Dazu kommt, dass die Initiative vor den Wahlen lanciert und gesammelt wurde.
Initiativen zu lancieren und Referenden erzwingen hat aber nur einen beschränkten Nutzen, denn umsetzen dürfen diese Volksentscheide schliesslich die andern. Wenn man Oppositionspolitik betreibt muss man das Parlament als Bühne nutzen, um die Gunst der Bevölkerung für die Zukunft zu erlangen. Diese bekommt nur, wer sich lautstark als Alternative zu den Regierenden Kräften präsentiert. Es scheint jedoch, als möchte die SP nur sehr wenig an ihrer Politik ändern. Sie hat Angst vor einer wirklichen konsequenten Oppositionspolitik, weil sie sonst zu fest anecken und nicht bei den nächsten Wahlen wieder staatstragend einen Sitz in der bürgerlichen Regierung ergattern kann. Der während den angestrebte Richtungswechsel ist schon wieder fast ganz vergessen. Sie möchte nur so schnell wie möglich wieder ihren Sitz in der Regierung zurück.
Sie will also wieder zurück zu dem Stand vor den Wahlen. Doch wie bereits Hänggi bemerkt hat, kann man in einer bürgerlich dominierten Regierung keine linke Politik machen. Unter anderem deswegen konnte die SP sich auch nicht als Alternative zur bisherigen Regierung profilieren. Erst wenn wir die Mehrheit in der Regierung haben, können wir sozialistische Politik im Interesse der Lohnabhängigen machen. Dies können wir aber nicht mit einer laschen Konsenspolitik erreichen. Die SP darf nicht Angst davor haben, die Abbaupolitik der bürgerlichen Regierung mit allen Mitteln zu verhindern. Die Politik der bürgerlichen Regierung steht entgegengesetzt zu den Interessen der ArbeiterInnenbewegung. Dagegen hilft nur die Totalopposition.
Die SP muss ein Oppositionsprogramm aufstellen, welches die Sorgen und Probleme der Leute anspricht. Gerade in einer Zeit in denen man die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise in der Schweiz immer klarer erkennen kann, in der fast täglich von Massenentlassungen, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen und Sozialabbau berichtet wird, machen sich die Leute sorgen, dass sie Morgen weniger im Portemonnaie haben als heute. Sie wollen, dass ihre Kinder eine mindestens gleich gute Ausbildung geniessen können wie sie selbst und dass ihre Rente gesichert ist. Dafür braucht es klare und konkrete Forderungen die eine echte Alternative bieten – jedem muss klar werden, für wen und für was die SP steht und für wen sie kämpft!
All dies wir die SP aber nicht alleine realisieren können. Viele in der Parteileitung und in der Landratsfraktion sind dem alten Kurs viel zu fest gewohnt. Dies erkennt man deutlich an den oben genannten Aussagen von Hänggi und Schweizer. Sogar der neu gewählte Diego Stoll zeigt bereits, dass er eher für die Weiterführung der bisherigen Politik ist: „Es bringt nichts, aus Prinzip dagegen zu sein, auch wenn man in der Opposition ist; auch künftig wird es darum gehen, Mehrheiten zu beschaffen.“[8]
Die Aufgabe der JUSO
Es wird also an der JUSO liegen von der Basis aus die Führung der Partei unter Druck zu setzen. Bereits am Wahltag verkündete Jan Kirchmayr, Co-Präsident der JUSO Baselland, gross: „Wir wissen, wie das geht. Wir haben noch nie etwas anderes gemacht als Opposition. Die SP kann von uns lernen.“[9] Tatsächlich ist die Baselbieter JUSO seit Jahren dafür bekannt ist, die SP immer stärker zu kritisieren und anzutreiben. Dies geht von der Kritik an der Parteipräsidentin Fankhauser, dass sie unsichtbar sei,[10] bis zur Rücktrittsforderung der Regierung, inklusive des SP-Regierungsrat Urs Wüthrich.[11]
Die JUSO kann es aber nicht bei solchen leeren Phrasen belassen sondern muss nun zeigen, dass die SP wirklich etwas von ihnen lernen kann. Die JUSO kann nicht nur formelle Kritik an der Politik der SP machen, sondern muss diese auch auf der inhaltlichen Ebene anbringen. Dass sie die Kraft und die Möglichkeiten dazu hat die SP zu verändern hat sie in den letzten Jahren mehr als nur einmal bewiesen. Es braucht eine breite und ausführliche Diskussion über die Positionen der JUSO, um ein sozialistisches Oppositionsprogramm für die SP aufzustellen zu können. Dies muss die JUSO dann mit allen Mitteln in der SP verteidigen und für dessen Umsetzung kämpfen.
Für uns Marxistinnen und Marxisten ist klar, dass die Beseitigung des Kapitalismus nicht la?nger eine Floskel im SP-Parteiprogramm sein darf, sondern muss auf allen Ebenen unserer Politik der Ausgangspunkt, die Strategie und das Ziel sein. Dazu müssen nun klare und konkrete Forderungen aufgestellt werden. Nur so können wir den Arbeiterinnen und Arbeitern klar machen, dass wir eine echte Alternative bieten und nicht nur das soziale Gewissen sind. Die SP muss sich hinstellen und fordern:
[1] http://www.regierung-bl.ch/index.php?id=130
[2] http://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/wahlen-baselland-rechtsrutsch-in-regierung-und-parlament
[3] http://bazonline.ch/basel/land/Die-SP-im-Tal-der-Traenen/story/10164235
[4] http://www.nzz.ch/schweiz/baselbieter-wahlen-sp-faellt-aus-der-regierung-1.18478615
[6] http://www.nzz.ch/schweiz/baselbieter-wahlen-sp-faellt-aus-der-regierung-1.18478615
[7] http://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/wahlen-baselland-rechtsrutsch-in-regierung-und-parlament
[8] http://www.tageswoche.ch/de/2015_06/basel/680210/
[9] http://www.tageswoche.ch/de/2015_06/basel/680210/
[10] http://juso-bl.ch/download/E-Paper-Ausgabe_Basellandschaftliche_Zeitung_Samstag_11_Oktober_2014.pdf
[11] http://juso-bl.ch/2012/05/es-mussen-kopfe-rollen/
Perspektive — von der Redaktion — 20. 12. 2024
Nah-Ost — von Hamid Alizadeh, marxist.com — 08. 12. 2024
Nordamerika — von Alan Woods, marxist.com — 27. 11. 2024
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024