In den vergangenen Wochen sickerten Neuigkeiten aus der Militärführung an die Öffentlichkeit, wonach die Armee im September ein grosses Manöver vornahm. Doch diesmal war es mehr als ein blosses Kriegsspielen und sinnloses Verballern gesellschaftlichen Reichtums, es ging um Handfestes. Während es der Armeespitze angeblich darum ginge, das Heer „zu einem gegen vielfältigere Bedrohungen und Gefahren wirksamen Instrument weiterzuentwickeln“, ist für uns klar, was den Hintergrund der „Stabilo Due“ Übung darstellt. Die herrschende Klasse scheint sich ihrer guten alten Werte des Militarismus wieder bewusst zu werden. Dabei lautet ihre Devise: Aufrechterhaltung der Besitzverhältnisse mit allen Mitteln.
Der kommende Sturm
Wir setzen zwar nicht gerade grossen Glauben in die Zukunftsprognosen der herrschenden Klasse dieses Landes. Mal um Mal logen uns VertreterInnen der Besitzenden in den vergangenen Jahren vor, das Ende der Krise stehe gerade um die Ecke. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Laut Rechnung NZZ am Sonntag wurden im laufenden Jahr bereits die Vernichtung von 6’900 Arbeitsplätzen in Form von Massenentlassungen angekündigt, allein im Oktober waren es 4’600. Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen. Doch bis jetzt blieb, mit wenigen Ausnahmen, der Widerstand der Belegschaft gegen diese Massenentlassungen milde gesagt zahm, doch dies kann sich rasch ändern, wie der Funke in anderen Artikeln und Dokumenten analysiert. Die Macht der Besitzenden, nach eigenem Gutdünken in den Fabriken zu regieren, wenn keine entsprechenden Antworten aus der organisierten ArbeiterInnenbewegung kommen, wird einmal mehr deutlich. Doch ihr Charakter als herrschende Klasse wird auch ausserhalb der Fabriktore, in der Gesellschaft als Ganzes deutlich. Dass ihr dazu gegebenenfalls auch rohe Gewalt genehm ist, wurde wieder überdeutlich. Daher sind die aktuellen Tendenzen betreffend Militär und anderen repressiven Staatsorganen eine durchaus ernstzunehmende Bedrohung für die ArbeiterInnenbewegung.
Die herrschende Klasse bereitet sich vor
Die Bürgerlichen in der Schweiz scheinen wieder einen stärkeren Zusammenhalt zu finden. Dazu nutzen sie verschiedene Institutionen, reaktivieren sie die Netzwerke, welche über eine längere Zeit schlummerten. Die Armee nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. So ist es kein Zufall, dass Studenten der Eliteschmiede der Schweizer Bourgeoisie, also der HSG, seit diesem Herbst ECTS-Credits gutgeschrieben bekommen, wenn sie im Militär gradieren, besteht doch ein historisch sehr enges Netz zwischen den Offizierskorps und dieser Hochschule.
Eine neue Stufe an interner Klassenkollaboration der Bürgerlichen wird anhand des Projekts zur „Weiterentwicklung der Armee“ (WEA) deutlich, welches nächstes Jahr dem Parlament vorgelegt wird. Dieses sieht zwar eine Verkleinerung des Heers, dafür aber auch eine Professionalisierung und Förderung der Militärkader vor. Um Teile der Jugend für eine Militärkarriere zu gewinnen, sollen Kader des Militär Ausbildungszulagen bekommen, welche bis zu 14’400 Franken betragen können. Die Elemente des WEA, welche die Kaderförderung betreffen, wurden in Zusammenarbeit, nicht nur mit der HSG und der Konferenz der Schweizer Universitätsrektoren, sondern auch mit dem Arbeitgeberverband abgesprochen. Eine Organisierung der Armee nach den Prinzipien und Wünschen der Unternehmer wird vorgenommen.
Diese Funktion des Militärs der Kaderförderung wurde bereits 1907 von Karl Liebknecht in seinem Buch Militarismus und Antimilitarismus, welches ihm 18 Monate Gefängnis einbrachte, beschrieben: „[Der Kapitalismus] zeigt sich als ein reines Werkzeug des Klassenkampfes, als Werkzeug in den Händen der herrschenden Klassen, dazu bestimmt, im Verein mit Polizei und Justiz, Schule und Kirche die Entwicklung des Klassenbewusstseins zu hemmen und darüber hinaus einer Minderheit, koste es, was es wolle, selbst gegen den aufgeklärten Willen der Mehrheit des Volkes die Herrschaft im Staat und die Ausbeutungsfreiheit zu sichern.“ Disziplinierte, linientreue und ideologisch gefestigte Militärkader sind das A und O einer wirksamen Armee.
Auf politischer Ebene zeigt sich seit jeher wer auf der Seite eines repressiven, gegen Innen gerichteten Militärs steht. Eigentlich ist ja das Ablehnen von Militärbudgets ein traditionelles Aktionsfeld der ArbeiterInnenbewegung. Heute tun dies die Bürgerlichen, jedoch aus entgegengesetztem Grund. So gehen die politischen Vertreter der herrschenden Klasse in die Offensive, damit um jeden Preis Budgetkürzungen beim Militär verhindert werden. Die für die Armee budgetierten 4.7 Mia sollen wieder auf 5 Mia angehoben werden. Dass sie dafür auch gerne Sparmassnahmen in anderen Bereichen (wo, wird sich noch weisen) in Kauf nehmen, erstaunt wenig.
Militarisierung
Welchem genialen Kopf die Idee zur mittlerweile unter dem Namen „Stabilo Due“ wohlbekannten Übung des Generalstabs der Armee vom September entsprang, ist unbekannt. Es ist jedoch klar, dass sich Ueli Maurer und der Armeechef André Blattmann auf einen Krieg vorbereiten, auf einen Krieg gegen die Lohnabhängigen und die Jugend, auch in der Schweiz. Sie sehen, wie in ganz Europa bereits die ArbeiterInnen von den Herrschenden brutal angegriffen werden. Doch diese Angriffe bleiben nicht ohne Antwort. Auch wenn die ArbeiterInnenbewegung in verschiedenen Europäischen Ländern (und auch in der Schweiz) unter Einfluss der reformistischen Führungen sichtlich Mühe haben, sich zur Wehr zu setzen, so kommt es doch zu Widerständen, zu Massenprotesten, zu Selbstverteidigung der mobilisierten ArbeiterInnen. Diese Bilder schockieren den Schweizer Militaristen und besonders den Schweizer Bourgeois. Ein geeignetes Werkzeug muss her um solche „Szenen der Schande“ in der Schweiz zu verhindern.
Was wurde also bei dieser Übung des Generalstabs, unter Beteiligung von 2’000 Militärkadern für ein Szenario durchgespielt? Die Situation in den Nachbarstaaten wird als fix gehandelt, sie sei „instabil“. Dabei gebe es auch in der Schweiz „Unruhen, Anschläge und Gewalttaten“. Zuerst klingt dies abstrakt. Wenn man jedoch schaut, welche konkreten Szenarien eine beteiligte Panzerbrigade mit 50 Panzern zwischen Hinwil und Frauenfeld üben musste, so klingt es bereits etwas anders. So halten da „aufgebrachte Dorfbewohner, die Strassen blockierten oder Lynchjustiz verüben wollen“ die Offiziere auf Trab. Mit Panzern gegen Demonstrierende vorgehen, darum ging es bei der Übung.
Der Klassencharakter der Armee wird aus dem Geschriebenen überdeutlich. Wenn sie gegen einen „Angriff“ von Aussen eingesetzt werden sollte, was noch nie die Aufgabe der Schweizer Armee war, dann nur gegen die aufständische ArbeiterInnen Europas. Der Schwerpunkt des Manövers im September und der WEA liegt jedoch ganz klar auf einem Verstärken der Interventionsfähigkeit der Armee gegen Innen.
Repression und Militarismus – eine Seite derselben Medaille
Genfer Bürgerliche wieder mal als Vorreiter
Das Militär ist nur ein Teil eines komplexen Netzes aus repressiven Organen der Kapitalisten. So wollen sie beispielsweise auch die Kompetenzen des Nachrichtendienstes erweitern. Dieser soll „präventiv“ Verdächtige überwachen können, also ausserhalb eines Strafverfahrens Leute abhören, Natels und Computer durchsuchen, Wanzen platzieren und Briefe öffnen. Er soll auch Schweizer Firmen im Ausland leichter „unterstützen“ können. Was noch vor 10 Jahren unter dem vagen Begriff der „Terrorismusbekämpfung“ stattfand, wird Heute mit konkretem Inhalt gefüllt: Kampf der herrschenden Klasse gegen die Lohnabhängigen und die Jugend.
Am weitesten fortgeschritten sind die repressiven Tendenzen wohl im Kanton Genf. Repression gegen GewerkschafterInnen, Demonstrationsgesetze, welche es dem Staat ermöglicht, ungenehme Organisationen und Gewerkschaften zu zerschlagen und eine neue Kantonsverfassung, welche Truppenaufgebote durch den Regierungsrat weiterhin zulässt und die Militarisierung des öffentlichen Lebens vorantreibt. Es ist kein Zufall, dass dies alles in der Stadt des „internationalen Völkerrechts und des Friedens“ vor sich geht, hat es doch die Genfer Bourgeoisie mit einer (im nationalen Vergleich) kämpferischen ArbeiterInnenbewegung zu tun. So bezeichnet Pierre Weiss, der Vorsteher des kantonalen Arbeitgeberverbandes und der Finanzkommission des Kantonsrats, den Vpod gerne mal als „Ahmadinejad der Sozialpartnerschaft“. Hetze gegen die kämpferische ArbeiterInnenbewegung und Repression, das sind die bürgerlichen Krisenantworten.
Dass auch genau aus Genf eine Antwort aus der ArbeiterInnenbewegung gegen die neuerliche Militarisierung herkam, ist daher nicht erstaunlich. Kommt doch noch dazu, dass der letzte tödliche Armeeeinsatz gegen demonstrierende ArbeiterInnen am 09. November 1932 in der Rhonestadt stattfand und sich dieses tödliche Jubiläum zum 80. Mal jährte.
Reaktionen aus der ArbeiterInnenbewegung
In Genf kam es nach Bekanntwerden der „Staiblo Due“-Übung prompt zu einer Reaktion in der Jugend. Die Geschichte des 09. Novembers ist auch in den fortgeschrittensten Teilen der Jugend noch immer präsent und die Tatsache unbestritten, dass der bewaffnete Arm des Staates auch in Zukunft wieder gegen uns eingesetzt werden kann. So wurde unter dem Druck der Unia Jugend und anderen jungen GenossInnen eine Demo in Gedenken an die Getöteten von vor 80 Jahren und gegen die Militarisierung der Gesellschaft und gegen die Repression von sozialen Bewegungen organisiert. Es nahmen dann auch um die 700 meist junge Personen an der Demonstration Teil. Dieser stand ein völlig übertriebenes Aufgebot an Polizisten in Kampfmontur gegenüber. Im Vorfeld wurden zahlreiche Personen kontrolliert und diejenigen, welche sich weigerten fotografiert zu werden, wurden kurzerhand verhaftet. Die Demonstration wurde dann auch permanent gefilmt. Dies lässt darauf schliessen, dass die Kantonspolizei nur zu gerne Ausschreitungen gesehen hätte. Die Demonstration fand jedoch in disziplinierter Manier statt.
Der Militarismus und das Verhältnis der ArbeiterInnenorganiosationen zur Armee waren immer schon bedeutende Themen und Aktionsfelder für die Internationale ArbeiterInnenbewegung und dies zu Recht. Ob dies nun in Form von antimilitaristischen Demonstrationen, Agitation unter den Soldaten (wie sie in der Schweiz durch die Antimilitaristische Liga geführt wurde) oder durch Interventionen in den Parlamenten (Ablehnung der Militärbudgets) vorgenommen wurde. All diese entspringen dem Bewusstsein, dass die Armee ein Instrument der herrschenden Klasse ist und dass sie keineswegs neutral ist. Wir sehen, dass die offen repressiven Tendenzen auch unter dem Schweizer Bürgertum wieder an Bedeutung gewinnt.
Die Reorganisierung der Armee ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Wir erwarten von den SP-ParlamentarierInnen, besonders auch in Anbetracht der 100. Jährung des Basler Sozialistenkongress von 1912 und der 80. Jährung des Genfer Massakers, einen konsequenten Kampf gegen jegliche Tendenzen in Richtung einer Professionalisierung der Armee und einer Militarisierung der Gesellschaft.
Die Funke-Redaktion wird selbstverständlich die Reorganisierung der Armee und des Nachrichtendienstes weiter beobachten, analysieren und die Leserschaft weiter informieren.
Keine Sparmassnahmen zur Finanzierung der Armee!
Militarismus und Internationale Solidarität
Es weiß, dass das Vaterland, für das es sich schlagen soll, nicht sein Vaterland ist, dass es für das Proletariat jedes Landes nur einen wirklichen Feind gibt: die Kapitalistenklasse, die das Proletariat unterdrückt und ausbeutet; dass das Proletariat jedes Landes durch sein eigenstes Interesse eng verknüpft ist mit dem Proletariat jedes anderen Landes; das gegenüber den gemeinsamen Interessen des internationalen Proletariats alle nationalen Interessen zurücktreten und der internationalen Koalition des Ausbeutertums und der Knechtschaft die internationale Koalition der Ausgebeuteten, der Geknechteten gegenübergestellt werden muss. Es weiss, dass das Proletariat, sofern es in einem Kriege verwendet werden sollte, zum Kampfe gegen seine eigenen Brüder und Klassengenossen geführt würde und damit zum Kampfe gegen seine eigenen Interessen.“
Karl Liebknecht – Militarismus und Anitmilitarismus
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