Die marxistischen Studierenden Zürich engagieren sich für Palästina und trotzen der Repression.
Drei Genossen haben heute Morgen den Stand an der Activity Fair an der Universität Zürich aufgebaut. Wir hängen eine Palästina-Fahne auf und starten direkt damit, mit der Palästina-Frage rauszugehen. Ich denke mir: Das kann ja lustig werden, unser Stand ist zwischen dem “Economics Club” und dem Verein für “Selbstbestimmter Umgang mit Daten im Internet”. Ein Genosse diskutierte kurz mit beiden Leuten. Sie sind offen für die Diskussion, wollen sich aber politisch nicht festlegen. Nach etwa einer Stunde kommt die Unileitung das erste Mal. Sie wollen, dass wir Zeitungen weg vom Stand nehmen, weil Funke drauf steht. Die Absurdität davon ist offensichtlich für unsere Tischnachbarn. Vor allem weil nebenan UBS-Tassen gratis angeboten werden. Einer sagt: “Sie verbieten das nur, weil ihr es seid.” In der Zwischenzeit führen wir viele Diskussionen mit interessierten Leuten. Die grosse Mehrheit findet es nicht ok, dass die Uni Veranstaltungen verbietet.
Um 12 Uhr, als die Studis aus den Seminaren und Vorlesungen kommen, nehmen wir ein Megaphon und ein Transpi mit Aufschrift “Intifada bis zum Sieg” zur Hand. Wir gehen hoch, halten das Transpi vom Balkon herab, und halten eine kurze Rede mit dem Megaphon. Am Schluss hört man das “Free, Free Palestine” durch die ganze Halle. Viele Studenten schreien mit. Von den reaktionären Burschenschaften kommt zwar ein Feuerzeug geflogen. Das Kräfteverhältnis ist aber klar: Die allermeisten im Raum unterstützen uns.
Nach etwa einer Minute werden wir von den Organisatorinnen der Activity Fair gestoppt. Sie wollen, dass wir aufhören mit der Aktion. Und sie sagen: “Das wird harte Konsequenzen haben. Euer Verein wird wahrscheinlich jetzt verboten” – offensichtlich hat die Uni ihnen bereits im Vorhinein gesagt, wie sie mit uns umzugehen haben. Wir hören auf und gehen zurück in den Saal. Mehrere Studierende kommen zum Stand. Fragen, ob wir das waren. Bedanken sich für die Aktion. Kurz darauf kommen aber auch die Organisatorinnen. Im Namen der Uni fordern sie uns auf, den Stand zu räumen. Sie müssen uns wegen der Aktion wegweisen. Wenn sie das nicht tun, drohen ihnen Konsequenzen von der Uni. Sie lassen auch durchblicken: Die Uni fürchtet sich vor den Geldgebern und vor dem Parlament.
Wir entscheiden uns, die Anweisung zu befolgen, aber nicht ohne sie zuerst überzeugen zu versuchen. Es wird klar: Ihnen ist nicht wohl dabei, diese Massnahme durchzusetzen. Sie sehen nämlich, dass wir uns gerade gegen einen Genozid wehren, und dass das legitim ist. Die Absurdität des Verbots von Seiten Uni ist schreiend.
Als sie trotzdem nicht vom Standpunkt abweichen, nehmen wir die Petition und gehen von Stand zu Stand, um den Studenten zu erzählen, was los ist: Die Uni weist uns weg von der Activity Fair. Einmal mehr verbietet sie Solidarität mit Palästina. Eine Studentin im Verein der kurdischen Studierenden sagt: “Mir als Muslimin und Araberin war beim Konflikt von Anfang an klar, worauf das hinausläuft. Ich wusste, dass die westlichen Länder alle Israel unterstützen werden. Aber die Reaktion der Uni schockiert mich. Was kann ich machen?” Ich gebe ihnen Petitionsbögen in die Hand, und erkläre: Es liegt jetzt an dir, so viele Menschen wie möglich darauf aufmerksam zu machen, was läuft und in diesen Kampf hineinzuziehen. Sie stimmt zu, nimmt die Bögen und auch ein Plakat. Und verspricht für das Treffen am selben Abend zu mobilisieren, um die nächsten Schritte zu diskutieren. Dasselbe bei den türkischen und libanesischen Studierenden. Sogar der Verein für Filmvorstellungen nimmt die Petitionen, weil sie es absurd finden, wie hart die Uni vorgeht.
Eine Studentin kommt zu mir, und fragt, was los ist. Ich erkläre ihr, dass wir gerade von der Activity Fair weggewiesen wurde, weil ich mit dem Megafon gegen das Massaker in Gaza gesprochen habe. Ihr Gesicht ist voller Schock. Sie sagt: “Ich bin erstaunt, dass du vor Wut nicht Tränen in den Augen hast. Gib mir auch Petitionsbögen, ich diskutiere mit den Leuten.”
Als wir den Stand räumen, lassen wir zwei Plakate hängen. Darauf steht: “Uni verbietet Solidarität mit Palästina. Kämpfe jetzt mit uns gegen die Repression.” Nach einer halben Stunde reisst die Unileitung diese herunter. Eine Studentin fragt einen Genossen, der noch da steht: “Haben sie gerade ernsthaft das abgerissen?!”
Auch nach dem Verlassen des Saals arbeiten die Genossen weiter: Rundum die Uni in der Mensa etc. erklären sie den Studenten, was abgeht und suchen solidarische Studierende, die mitkämpfen wollen. Viele sagen zu, am Abend ans Treffen zu kommen, um die nächsten Schritte im Kampf zu planen. Fast 60 Leute sind mittlerweile in einem Chat namens “Aktiv gegen Uni Repression Zürich [Palästina-Fahne]”. Laufend werden neue Leute hinzugefügt – von Studierenden, die nicht bei uns organisiert sind. Studierende teilen die Petition in ihren Fachschaftschats und versprechen, sie in Studentenwohnheimen aufzuhängen. Jetzt schon haben wir rund 400 Unterschriften (davon 300 online). Doch es ist klar: Das ist nur der Anfang. Die Solidarität ist riesig. Und damit auch das Potenzial. Wir sind mehr. Die Uni gehört uns!
Auch empört? Du kannst jetzt kämpfen:
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
Nah-Ost — von Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) — 09. 10. 2024
Imperialismus, Kolonialismus & Nationale Frage — von Jorge Martín, April 2024 — 03. 10. 2024