Als die US-Armee in den Irak stürmte, gab es in diesem Land keine Al-Qaida. Jetzt ist die gesamte Region im Griff des Dschihad-Wahnsinns. Das ist das direkte Ergebnis der Einmischung des US-Imperialismus.
Die Politiker in Washington haben damals nichts verstanden und die Folgen ihres Handelns vorhergesehen. Paradoxerweise haben sie durch die Zerstörung der alten Staatsmaschinerie Saddam Husseins das Kräfteverhältnis in der Region zerstört und ein Vakuum geschaffen, in das einerseits der IS und andererseits ihr alter Feind Iran getreten sind.
„Es ist eine Fabel, erzählt von einem Idioten, voll mit Schall und Wahn, die nichts bedeutet.“ (Shakespeare. Macbeth, 5.Akt)
Die USA sind mit einer wachsenden dschihadistischen Gewalt konfrontiert, die sich wie eine nicht kontrollierbare Seuche durch den Nahen Osten und Nordafrika ausbreitet, die Sahara durchquert, in Nigeria ausbricht und in die Nachbarstaaten Niger, Tschad und Kamerun weiterzieht. Wie reagiert die grösste Militärmacht der Welt auf diese Bedrohung? Durch Bombardierung aus grosser Höhe. Die USA und ihre Verbündeten haben IS-Stellungen bombardiert und den Dschihadisten zweifellos einige Unannehmlichkeiten bereitet. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass durch Bombardierungen allein noch kein Krieg gewonnen wird und vor allem keine Kriege wie die im Irak und in Syrien. Die Amerikaner brauchen Bodentruppen. Aber die in Frage kommenden Truppen dürfen keine amerikanischen sein. Nach den Debakeln im Irak und in Afghanistan ist die US-Öffentlichkeit ausländischen Militärabenteuern überdrüssig geworden und wäre nicht glücklich US-Soldaten in einem neuen Abenteuer verwickelt zu sehen.
Wie kann das Problem gelöst werden? Einige unverbesserliche Optimisten haben ihre Hoffnungen in die irakische Armee gesetzt. Aber das war die sinnloseste aller sinnlosen Illusionen. Als die USA die irakische Armee zerstörten, beseitigten sie die einzige militärische Macht in der Region, die in der Lage war als Gegengewicht zur Macht des Irans zu agieren. Jetzt sind die kläglichen Überreste dieser zerschlagenen Armee von sektiererischen Spaltungen durchlöchert, demoralisiert und nicht in der Lage den IS oder sonst jemanden zu bekämpfen. Das Fehlen jeglicher Kampffähigkeiten zeigte sich im Sommer letzten Jahres, als die irakische Armee wie Kaninchen flüchtete und Mosul den dschihadistischen IS-Horden überliess. Jetzt sehen sich die Damen und Herren in Washington, mit einem Seufzer des Bedauerns, gezwungen auf die einzig machbare Option, ein Abkommen mit dem Iran, zurückzugreifen.
Die US-Amerikaner haben spät die katastrophale Lage erkannt, die sie selbst geschaffen haben und die jetzt bedrohlich für sie wird. Obama war nicht in der Lage militärisch im Irak oder Syrien zu intervenieren, weil die Mehrheit der Amerikaner die Nase von militärischen Abenteuern im Ausland voll hat. Das Gleiche gilt für Britannien, wo es David Cameron nicht gelang, eine parlamentarische Mehrheit für die Bombardierung Syriens, d. h. eine Bombardierung des Assad-Regimes, zu gewinnen. Die amerikanische Diplomatie beweist so viel Feinfühligkeit wie ein Elefant im Porzellanladen. Nirgendwo werden diese Verrenkungen deutlicher als bei dem Chaos, in das die Amerikaner sich im Nahen Osten begeben haben. Die US-Imperialisten und ihre „Verbündeten“, d. h. ihre gehorsamen Strohmänner, in der NATO befinden sich momentan in einer unmöglichen Lage. Sie versuchen zwei Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen und finden sich in diesem Prozess bei jedem Schritt in neue und unlösbare Widersprüche verwickelt.
Russland interveniert
Die Russen haben die Amerikaner bei jedem Schritt ausmanövriert. In der Ukraine haben sie die Amerikaner daran gehindert, die Macht zu übernehmen und praktisch ihren Willen mit Gewalt aufzuzwingen. Die westlichen Sanktionen haben nicht den erwünschten Effekt gehabt, um Putin zu unterminieren. Im Gegenteil, sie haben – zumindest für den gegenwärtigen Zeitpunkt – dessen Popularität beispiellos gesteigert. Putin ist sich dieser Stärke bewusst und hat sich entschlossen, die Amerikaner auf der internationalen Bühne herauszufordern und Syrien als sein Hauptwirkungsfeld auszusuchen.
Zuerst jedoch entscheid er sich für einen Auftritt bei den Vereinten Nationen. Noch vor kurzem hatten Obama und Kerry Gift und Galle gegen den Mann aus dem Kreml gespuckt. Noch vor zwölf Monaten, nach den Auseinandersetzungen um die Ukraine, wurde der russische Präsident als Aussätziger betrachtet, der von allen gemieden wurde. Dann tritt Putin plötzlich in der UN-Versammlung auf und rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er erscheint sogar mit dem US-Präsidenten und es kommt zu einem öffentlichkeitswirksamen Handschlag, der sicherlich aber nicht sehr herzlich war.
Vermutlich wollte Putin versuchen das Terrain zu sondieren, um die Absichten des US-Präsidenten zu erforschen, bevor er zur Tat schritt. Für ihn war und ist es das Hauptziel, Assad als zuverlässigen russischen Verbündeten an der Macht zu halten und das Vordringen der islamistischen Rebellen, die sich den von Assad beherrschten Gebieten im Westen und den dortigen russischen Militärbasen immer weiter näherten, aufzuhalten. Zumindest kann man sagen, dass Putins Absichten klar und eindeutig waren. Das verschafft ihm einen Eindruck von Stärke.
Im Gegenteil dazu ist Obama ein Mann, der es mit einem tief gespaltenen Kongress, einer fanatischen Opposition durch die Republikaner und einer kriegsmüden Öffentlichkeit zu tun hat. Er muss ein Abkommen über Nuklearwaffen mit dem Iran verteidigen, das von Saudi Arabien, Israel und deren republikanischen Freunden im Kongress gehasst wird. Kurz gefasst, er muss sich allen Herausforderungen gleichzeitig stellen. Das lässt ihn in der Öffentlichkeit schwach erscheinen. Der russische Präsident kehrte nach Moskau zurück und war überzeugt, dass die Amerikaner in Bezug auf Syrien das Gleiche tun würden wie in Bezug auf die Ukraine – d. h. nichts, was Konsequenzen zur Folge haben könnte.
Die Russen verdoppelten augenblicklich ihre Waffenlieferungen nach Damaskus und starteten vor einer Woche eine Serie vernichtender Bombenangriffe gegen die IS und andere Ziele. Anders als die Bombardierungen der Amerikaner, die mehr oder weniger ineffektiv waren, hat die russische Luftwaffe den Gegner mit tödlicher und gnadenloser Effektivität angegriffen. Die Auswirkungen auf der internationalen Bühne waren mit einem politischen Erdbeben gleichzusetzen.
Der Mythos von der “gemässigten” Opposition
Die US-Geheimdienste versagten erneut, das Ausmass und die Ziele der russischen Intervention in Syrien vorauszusehen. Augenscheinlich war die CIA zu sehr damit beschäftigt, die dschihadistischen Mörder bei ihren Bemühungen Assads Armee zu besiegen, zu unterstützen, als die Vorgänge in Moskau wahrzunehmen. Der Kongress hat mit einer Untersuchung dieses demütigenden Versagens begonnen. Washington protestierte, dass die Russen nicht nur IS-Ziele sondern auch die der vom Westen unterstützten „gemässigten Opposition“, welche die syrische Armee im Westen angreifen, bombardierten.
Es scheint, als ob die aktuellen Kämpfe sich auf die Provinz Hama konzentrieren, in deren Hauptstadt überwiegend Sunniten leben und die sich seit Beginn des Krieges in der Hand des Regimes befindet. Sie ist ein Schlüssel bei Assads Strategie, die Kontrolle über dichtbesiedelte Zentren in einem Gebietsstreifen von Latakia im Norden, über Homs, Hama und Damaskus zu festigen. Islamistische Rebellen haben kürzlich versucht, die Kontrolle über die strategisch wichtige Ebene von Al-Ghab in der Provinz Hama zu erlangen, um sich Assads Hochburgen an der Küste zu nähern. Die russische Strategie scheint in erster Linie darauf zu zielen, dieses Gebiet vor weiteren feindlichen Einfällen zu sichern. Die Dschaisch-al-Fatah, eine Koalition verschiedener islamistischer Rebellengruppen, eroberte den grössten Teil der Provinz Idlib bei der Frühjahrsoffensive und zwang das Regime die Provinz zu verlassen. Russische Kampfjets haben in der vergangenen Woche wiederholt Ziele in Idlib bombardiert.
Die Proteste der US-Amerikaner riechen jedoch nach Scheinheiligkeit. Es ist bekannt, dass die Türkei, Saudi Arabien und Katar die Islamisten im Westen bewaffnet und finanziert haben, anstatt den IS im Osten zu bekämpfen. Dagegen hat Washington niemals protestiert, weil die CIA an den gleichen Aktivitäten beteiligt war. Gemäss dieser Logik ist es für die Amerikaner in Ordnung, dass die Türken, Saudi und Katarer militärisch im Westen Syriens intervenieren. wenn aber die Russen und Iraner intervenieren, um das militärische Gleichgewicht wiederherstellen, ist das falsch.
Die winzigen von den USA trainierten Anti-Assad-Rebellen sind zu unbedeutend, um etwas auszurichten. Tatsache ist, dass alle Gruppen, die Assad bekämpfen, aus reaktionären islamischen Fanatikern bestehen. Die so genannten „Gemässigten“ agieren als Brückenköpfe, um die von den Amerikanern geschickten Waffen an Al-Qaida zu schleusen. Die Amerikaner haben angekündigt, eine Kampftruppe von 5000 „Gemässigten“ aufzustellen, müssen aber jetzt zugeben, dass davon nur noch fünf übrig geblieben sind. (Wer diese berühmten Fünf sind und was sie machen, bleibt ein Rätsel.) Die Amerikaner haben sehr spät erkannt, dass es sich um eine sehr schlechte Investition handelte und jetzt diese teure und absurde Aktion abgebrochen.
Es gibt in Wirklichkeit in Syrien keine „gemässigte“ islamische Opposition. Es handelt sich um eine unverhohlene Lüge, die konstruiert wurde, um die öffentliche Meinung im Westen zur Unterstützung einer Kampagne zum „Regimewechsel“ in Syrien zu manipulieren, welche bis vor kurzem das Hauptziel des US-Imperialismus war. Eine Quelle in der königlichen Familie in Saudi Arabien, die an Verteidigungs- und Sicherheitsfragen beteiligt ist, bestätigte, dass die so genannte „Eroberungsarmee“ (Dschaisch-al-Fatah), die neue Koalition, welche die Provinz Idlib und grosse Teile Nordsyriens eingenommen hat, von den saudischen und katarischen Regimes unterstützt und bewaffnet wird. Die Jabhat Al-Nusra und Ahrar Al-Sham – zwei extreme dschihadistische Gruppen – stellen 90 Prozent der Soldaten in dieser Koalition. Die Saudis und Katarer haben sich bereit erklärt, für 40 Prozent der finanziellen Erfordernisse aufzukommen, während die Koalition selbst den Rest trägt, hauptsächlich durch die Eroberung von Material.
Wer sind diese Leute? Bei Jabhat Al-Nusra handelt es sich um einen Ableger von Al-Qaida und es wird vermutet, dass Ahrar Al-Sham auch sehr stark von Al-Qaida beeinflusst, wenn nicht sogar kontrolliert, wird. Das Gründungs- und Führungsmitglied von Ahrar Al-Sham, Mohamed Bahaiah, hat in öffentlichen Netzwerken preisgegeben, dass er ein hoher Funktionär von Al-Qaida ist. Sowohl Jabhat Al-Nusra als auch Ahrar Al-Sham haben versprochen, ihre Verbindungen zu Al-Qaida abzubrechen, es aber in Wirklichkeit nie getan. Beide Organisationen behaupten ebenfalls, sie hätten ihre Verbindungen zur IS abgebrochen, obwohl Ahrar Al-Sham in der Vergangenheit an deren Seite gekämpft hat.
Ideologisch repräsentieren diese Gruppen dieselben abartigen und reaktionären Anschauungen wie der IS. Die so genannten „gemässigten Anti-Assad-Kräfte“ sind in der Realität extreme Dschihadisten, deren Unterschiede zur IS rein taktischer und nicht substanzieller Natur sind. Sie sind genauso begeistert von der Verhängung der Scharia-Gesetze, der Unterdrückung von Frauen, dem Abtrennen von Händen, Füssen und Köpfen und davon Syrien in einen Zustand der Barbarei zu versetzen.
Die NATO “reagiert”
Die russischen Luftschläge sind eindeutig mit einem Vorstoss der syrischen Armee im Nordwesten gegen die oben genannten islamistischen Rebellen abgestimmt. Der syrische Armeechef General Ali Abdullah Ayoub verkündete “eine Grossoffensive zur Niederschlagung der terroristischen Gruppen” und die Wiederherstellung der Kontrolle über Gebiete, die sich in den Händen der Opposition befinden. Die syrischen Truppen, deren Moral durch die Intervention der russischen Truppen gestärkt wurde, haben eine Bodenoffensive gestartet, die von russischen Luftschlägen gesichert und vom Iran unterstützt wird.
Die US-Amerikaner beschweren sich jetzt erbost, dass die Russen sie nicht ausreichend über deren Ziele in Syrien informiert hätten, es unmöglich für sie sei die Luftangriffe zu koordinieren und das Risiko von Unfällen bestehe usw. usf. Aber die US-Beschwerden prallen an den Russen ab, die ihre Angriffsziele gnadenlos vernichten. Das Schauspiel von Langstreckenraketen, die von Marineschiffen im Kaspischen Meer abgefeuert wurden und Ziele im Inneren Syriens trafen, waren eine eindrucksvolle Vorführung der russischen Militärmacht.
Aus militärischer Sicht war es kaum nötig, auf solche Methoden zurückzugreifen, da die Russen über genügend Vorrichtungen in Syrien verfügen, um Raketen gegen den Gegner einzusetzen. Es war ganz deutlich ein Versuch (und dabei ein sehr guter) der Welt und besonders Ländern wie der Türkei zu zeigen, zu was die Russen in der Lage sind. Genauso war das Eindringen russischer Kriegsflugzeuge in den Luftraum der Türkei beabsichtigt, um das NATO-Land einzuschüchtern. Niemand glaubt den Unschuldsbeteuerungen des Verteidigungsministeriums in Moskau, dass es sich um ein Missverständnis (einen Fehler) gehandelt habe. Das ist kaum überraschend, da Moskau nie beabsichtigte, dass man der Erklärung überhaupt Glauben schenken würde.
Wir sollten nicht vergessen, dass die Türkei Mitglied der NATO ist, obwohl das Land weit weg vom Nordatlantik oder überhaupt von einem Teil des Atlantiks liegt. Aus diesem Grund klopfte Erdogan sofort an die Türen seiner Freunde und Alliierten, um gegen die grobe Verletzung der türkischen Souveränität zu protestieren. Es ist Fakt, dass die herrschende Clique in der Türkei zusammen mit den gleichgesinnten Banditen, den Saudis und Katarern, die nationale Souveränität Syriens über Jahre systematisch verletzt hat. Dies wird nie erwähnt, um nicht die empfindlichen Nervensystem der o.g. Gangster zu beleidigen.
Auf einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel einigte man sich darauf, die Schnelle Eingreiftruppe zu stärken, um sie schnell in Krisengebiete verlegen zu können. Gemäss den Grundprinzipien der Solidarität hat die NATO schnell auf eine Weise reagiert, die ein Maximum an Schrecken und Ehrfurcht in Moskau auslöst. Sie haben eine Stellungnahme abgegeben. Nein! Sie haben mehrere Stellungnahmen abgegeben.
US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte, dass die russischen Raketen abgefeuert worden seien ohne die anderen Staaten in der Region zu informieren und eine US-Drohne über syrischem Gebiet nur um einige Meilen verfehlt wurde. „Wir haben ein unprofessionelles Verhalten russischer Streitkräfte beobachtet. Sie verletzten den türkischen Luftraum. Sie schossen ohne Vorwarnung Cruise-Missile-Raketen vom Kaspischen Meer aus“, stöhnte der Verteidigungsminister kläglich. Trotz des angeblichen „Mangels an Professionalität“ haben die russischen Militärs den dschihadistischen Kräften in wenigen Tagen mehr Schaden zugefügt als die Amerikaner in zwölf Monaten. Und wenn Carter derart beunruhigt über das Risiko von Zusammenstössen in der Luft ist, warum weigert er sich weiterhin seine eigenen Luftangriffe gegen den IS mit den Russen zu koordinieren? Als Antwort auf das Protestgeschrei aus Washington und Brüssel könnten die Russen einen englischen Kinderreim zitieren: “Sticks and stones may break my bones But words will never hurt me.” (Stock und Stein könnten meine Knochen brechen, aber Worte werden mich nie verletzen.)
Was wird die NATO unternehmen, ausser scharf formulierte Stellungnahmen zu verfassen? Welchen Gebrauch wird von der berühmten Schnellen Eingreiftruppe gemacht, die geplant ist, schnell in Krisengebieten eingesetzt zu werden? Wird sie Fallschirmjäger nach Moskau schicken? Vielleicht wird sie Putin entführen oder ihn anderweitig loswerden, wie sie es mit Osama Bin Laden taten? Man könnte wenigstens erwarten, dass sie in die Türkei, als klarer Ausdruck der Unterstützung eines belagerten Mitgliedslands, entsendet wird? Im heutigen Guardian werden diese interessanten Fragen wie folgt beantwortet:
“Es gibt keinen Plan, die Truppe in der Türkei zu stationieren, obwohl NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, allein ihre Existenz sollte das zukünftige Eindringen russischer und syrischer Streitkräfte in türkisches Territorium abschrecken. ‚Wir müssen die NATO-Eingreiftruppe oder die Speerspitze nicht stationieren, um Abschreckung zu betreiben. Das wichtigste ist, dass jeder Gegner der NATO wissen muss, dass wir in der Lage sind diese zu stationieren‘, sagte Stoltenberg.“
Jetzt wissen wir es! Mit den Worten des Poeten: „Der Berg kreisste und gebar eine Maus.“
Die Proteste der amerikanischen NATO-Verbündeten ähneln eher dem Piepsen einer lächerlichen Maus. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte, Russland müsse erkennen, „ dass es den IS stärkt, wenn es oppositionelle Gruppen in Syrien angreift und das kann weder in Russlands noch in unserem Interesse liegen.“ Aber ein solch freundlicher Ratschlag wird im Kreml auf taube Ohren stossen, wo man keine Frau von der Leyen braucht, die erklärt wo die russischen Interessen liegen,
Die Mäuse in Westminster fügen ihre Stimmen diesem piepsigen Chor hinzu. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon warnte ernsthaft, dass durch die russische Intervention eine „schwierige Situation in Syrien noch gefährlicher“ gemacht werde. Fallon sagte nicht, für wen es gefährlicher werde, sondern verkündete, dass das Vereinigte Königreich als einziger NATO-Staat entscheidende militärische Aktionen ergreifen würde, um Russland von seinen bösartigen Interventionen abzuschrecken. Er wolle hundert zusätzliche Soldaten, nicht nach Syrien oder in die Türkei schicken, sondern in die baltischen Staaten. Inwieweit die Anwesenheit von hundert oder mehr britischen Soldaten (die übrigens nicht kämpfen, sondern nur den einen oder anderen ausbilden sollen) dem russischen Druck in Syrien oder auf dem Baltikum entgegentreten könnte, ist ein Geheimnis, dessen Lösung nur in Mr Fallons verwirrtem Kopf gefunden werden kann. Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde all das ausgezeichnetes Material für eine TV-Comedyshow liefern.
Die “regionalen Verbündeten”
Die einzigen Kräfte, die in der Lage sind, den IS zurückzudrängen sind die russische Luftwaffe im Bündnis mit den Kämpfern der Hisbollah, der iranischen Armee und den Revolutionsgarden am Boden. Das erklärt, warum die Amerikaner gezwungen waren, ihre frühere kriegerische Haltung gegenüber Teheran aufzugeben und einen schwammigen Kompromiss mit dem Iran über dessen Nuklearprogramm zu erreichen und die Sanktionen zu reduzieren. Das war zweifellos ein demütigender Rückzieher für Washington und ein wichtiger diplomatischer Triumph für Teheran. Der Iran besitzt jetzt eine effektive Kontrolle über den Irak und hat einen bedeutenden Einfluss sowohl in Syrien als auch im Libanon, dem Stützpunkt der mächtigen pro-iranischen Hisbollah.
Alle, die noch nicht ihr Gedächtnis vollständig verloren haben, werden sich gekniffen haben, um festzustellen, dass sie nicht träumen. Amerika steigt mit dem Iran ins Bett? Aber ist das nicht derselbe Iran, der vor nicht allzu langer Zeit in der US-Presse als Teil der „Achse des Bösen“ dämonisiert wurde? Und es ist noch nicht lange her, dass Amerika in Erwägung zog, denselben Iran zu bombardieren, um ihn von seinem nervenden Verlangen nach Nuklearwaffen zu kurieren?
Der Grund für diese bemerkenswerte Verwandlung ist nicht schwer zu verstehen, denn die Bodentruppen, die sich Washington so sehnsüchtig wünscht haben den Aufdruck „Made in Iran“ unter ihren Sohlen. Jeder weiss, dass die Hauptlast bei den Kämpfen im Irak von den vom Iran finanzierten schiitischen Milizen und den Revolutionsgarden getragen wird. Die Regierung in Bagdad ist stark vom Iran abhängig. In Saudi Arabien und anderen Staaten in der Region besteht die Angst, dass der Irak zu einer iranischen Provinz wird. Washington wünscht sich das natürlich nicht, aber es ist die logische Konsequenz der amerikanischen Politik in der Region.
Diese Kehrtwendung hat zu weiteren Komplikationen für die US-Aussenpolitik geführt. Sie hat vor allem die Saudis erzürnt, die den Iran als Hauptfeind betrachten. Der Iran unterstützt die schiitischen Huthi-Milizen, die durch den Jemen gezogen sind, die Kontrolle über die Hauptstadt Aden übernommen und die saudische Marionette vertrieben haben. Als Reaktion darauf befahl Saudi Arabien seine Luftwaffe, die Rebellen zu bombardieren. Die Saudis haben eine konterrevolutionäre Koalition geschaffen, welche das Ziel hat, den jemenitischen Aufstand in Blut zu ertränken. Sie haben das Land brutal bombardiert, seine Infrastruktur pulverisiert, Schulen und Krankenhäuser zerstört und eine grosse Anzahl Zivilisten getötet. Die „freie Presse“ im Westen, die Assad für die Brutalität seiner Bombardierungen regelmässig angeprangert, schweigt beharrlich über die Gräueltaten, die von „unseren saudi-arabischen Freunden“ im Jemen und anderswo begangen werden.
Die herrschende saudische Clique, das Zentrum der Konterrevolution in der gesamten Region, schürt religiöses Sektierertum und bewaffnet und finanziert die Al-Qaida-Truppen für ihr blutrünstiges Werk. Trotz der mörderischen Bombardierungen sind die Huthi-Milizen nicht zerstört worden und in der Bevölkerung ist der Hass gegen die Saudis und ihre Verbündeten gestiegen.
Die Tatsache, dass die Saudis Pakistan gebeten haben, sich ihrer Militäraktion gegen die Huthi-Rebellen anzuschliessen (was klugerweise abgelehnt wurde), weist darauf hin, dass eine Bodenoffensive im Jemen zu einer Katastrophe führen würde. Das stellt für Washington ein ernsthaftes Problem dar, hat es doch die reaktionäre saudische Monarchie stets unterstützt, sklavisch alle grausamen Handlungen geschluckt und den ekelhaften Kreaturen, die in Riad an der Macht sind, den Hintern geleckt, wie wir es bei der Beerdigung des verstorbenen Königs Abdullah beobachten konnten.
Die Herrscher von Saudi Arabien waren über das Abkommen mit dem Iran und noch mehr über die Untätigkeit der NATO und der Amerikaner angesichts der russischen Intervention in Syrien erzürnt. Nach Aussagen von Diplomaten waren sie über das Verhalten der Amerikaner „verzweifelt“. Minister aus Katar und der Türkei, den saudischen Partnern im Kampf gegen Assad, haben sich zu Gesprächen getroffen, um die nächsten Schritte zu beraten. Riads Zorn spiegelt sich wider in einer Erklärung von 55 führenden Geistlichen, einschliesslich prominenter Islamisten, die alle „wahren Muslime“ dringend auffordern, ihre „gesamte Moral, ihr Material und ihre politische und militärische“ Unterstützung bereitzustellen, um Assads Truppen und die der Iraner und Russen zu bekämpfen.
König Salman, seine Clique und seine Verbündeten am Golf sind bereit, der russischen Offensive entgegenzutreten. Wie wird dieses „Entgegentreten“ aussehen? Vielleicht werden die syrischen Rebellen mit Waffen und Geld versorgt werden? Aber Saudi Arabien, Katar und die Türkei haben den dschihadistischen Gangstern seit Jahren Waffen und Geld geschickt. Das Problem ist jetzt, dass immer weniger Dschihadisten am Leben sind, die diese Waffen nutzen können, weil sie durch russische Bomben und Raketen direkt ins Paradies befördert wurden.
Das verrottete saudische Regime spielt mit dem Feuer. In Saudi Arabien wächst die Unruhe in der unterdrückten schiitischen Bevölkerung und die Armen und Unzufriedenen in Bahrain, die durch saudische Bajonette unterdrückt werden, könnten sich erneut erheben. Das waren auch die Hauptfaktoren, welche die Reaktion der Saudis auf die Ereignisse im Jemen bestimmten. Durch die militärische Intervention im Jemen riskiert Saudi Arabien aber, dass sein eigenes Regime destabilisiert wird und es zu einem Aufstand kommen kann.
Angesichts dieser Widersprüche versuchen die Amerikaner in dieser Situation zwei Herausforderungen gelichzeitig zu bewältigen, in deren Prozess sie sich in neue und sogar schlimmere Widersprüche verwickelt finden. Diese diplomatischen Verrenkungen sind ein Indiz für das Chaos, in das sich die Amerikaner im Nahen Osten hineinmanövriert haben. Die USA sagen, sie würden die Waffenlieferungen an Saudi Arabien beschleunigen, gleichzeitig signalisiert die Obama-Administration Teheran, dass sie keinen Konflikt mit dem Iran bezüglich des Jemens wolle. Dies ist die Art von diplomatischer Unbeholfenheit, über welche die USA einzigartig verfügt.
Türkei
Zusammen mit Saudi Arabien und Israel verkörpert die Türkei die wichtigste konterrevolutionäre Kraft in der Region. Das Erdogan-Regime ist jedoch nicht stabil. Die Massenaufstände, die sich vor zwei Jahren in der gesamten Türkei verbreiteten, kündigten an, dass die Tage des Regimes gezählt sind. Seit diesem Zeitpunkt hat Erdogan taktiert, um an der Macht zu bleiben. Ein Teil dieses Spiels sind die Angriffe gegen die Kurden, diese sind als verzweifelter Versuch zu sehen, um den Nationalismus anzufachen. Der andere Teil besteht aus aussenpolitischen Abenteuern, besonders in Syrien. Keine dieser Taktiken entspricht den Interessen des US-Imperialismus.
Das reaktionäre Erdogan-Regime hat praktisch den IS bei seinem Bestreben Assad zu stürzen unterstützt, um damit die Pläne der Türkei, Syrien zu beherrschen, zu fördern. Sie haben die Dschihadisten mit Waffen und Geld versorgt und weggesehen als Tausende dschihadistische Freiwillige über die Türkei problemlos nach Syrien eingedrungen sind, während die türkischen Behörden bewusst verhindert haben, dass PKK-Kämpfer die Grenze überqueren konnten, um den Verteidigern von Kobane beizustehen.
Die Russen erteilten den Führern in der Türkei einen kleinen Warnschuss vor dem Bug, als ihre Luftwaffe in türkischen Luftraum eindrang. Die Türkei ist Mitglied der NATO und hat seine Verbündeten um Hilfe gebeten. Die NATO beschwert sich, knurrt, protestiert und tut weiter nichts. Tatsächlich haben sich die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei ständig verschlechtert. US-Vizepräsident Jo Biden, gab zu, als er Fragen von StudentInnen in Harvard beantwortete, dass die Türkei, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate „jeden, der gegen Assad kämpfen wollte, mit Hunderten Millionen Dollar und Dutzenden, ja, Tausenden Tonnen Waffen zu schütten. Allerdings belieferten sie auch Leute von Al-Nusra und Al-Qaida und die extremistischen Elemente der Dschihadisten aus allen Teilen der Welt.“
Später entschuldigte sich Biden bei der Türkei und den VAE für jeden Anschein die Türkei oder andere Alliierte und Partner in der Region hätten „willentlich“ das Wachstum von IS oder anderer gewalttätiger Extremisten in Syrien befördert. Natürlich war die Unterstützung syrischer Dschihadisten durch die Türkei beabsichtigt, genauso wie Bidens öffentliche Anprangerung. Dies alles offenbart die Existenz vieler Brüche und Trennlinien sowohl innerhalb der US-Regierung als auch zwischen den Staaten, von denen man annimmt, dass sie Verbündete sind. In Wirklichkeit verfolgt die Türkei ihre eigene aggressive Politik in der Region und unterstützt dabei die Dschihadisten, besonders im Westen Syriens, aktiv. Das Gleiche gilt für die CIA, die nicht abgeneigt ist, ihr eigenes Spiel zu spielen, ungeachtet, wer im Weissen Haus sitzt.
Die russische Intervention kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Patriot-Luftabwehrraketen der NATO aus der Türkei abgezogen werden. Das ist ein Zeichen für den Mangel an Vertrauen, welchen die USA gegenüber Erdogan hat. Aus dem gleichen Grund wurde eine US-Batterie zu „Modernisierungszwecken“ in die USA zurückgeschifft. Deutschland zog seine Patriot-Batterie u. a. als Protest gegen die türkischen Luftangriffe auf kurdische Gruppen in Syrien ab und Spanien wird seine Raketen spätestens bis zum Ende des Jahres abziehen.
“C’est pire qu’un crime, c’est une faute” („Es ist schlimmer als ein Verbrechen, es ist ein Fehler.“) Diese berühmten Worte, die Louis-Antoine-Henri de Bourbon-Condé, Herzog von Enghien, gewidmet sind, könnten als passende Grabinschrift für die Aussenpolitik der USA in den letzten Jahrzehnten dienen.
Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg sind die internationalen Beziehungen so spannungsgeladen. Die aggressiven expansionistischen Tendenzen des US-Imperialismus seit dem Zusammenbruch der UdSSR haben überall eine chaotische Situation geschaffen: Auf dem Balkan, im Nahen und Mittleren Osten, in Zentralasien, Pakistan und neuerdings auch in Afrika. Das rächt sich jetzt. Die Labilität in den Weltbeziehungen ist eine Widerspiegelung der Sackgasse, in der sich der Kapitalismus weltweit befindet.
Vor dem Zweiten Weltkrieg sagte Trotzki voraus, dass die USA sich zur führenden imperialistischen Macht entwickeln werden, aber er fügte hinzu, dass in ihr Fundament Dynamit eingebaut sei. Heute sehen wir, dass dies im wahrsten Sinne des Wortes zutrifft. Die unerträgliche Situation, die weltweit existiert, wird eine Explosion nach der anderen erzeugen: Wir sind in eine neue Periode eingetreten – eine Periode von Kriegen, von Revolution und Konterrevolution. Nur eine grundlegende Änderung der sozialen Ordnung kann eine Lösung bieten. Früher oder später wird die ArbeiterInnenklasse in dem einen oder anderen Land die Macht in die eigenen Hände nehmen. Das ist die einzige Hoffnung für die Zukunft der Menschheit.
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