Die linken ExponentInnen in der SP haben es bisher nicht geschafft, sich zu organisieren. Der Hauptgrund: Sie erarbeiten keine gemeinsamen Positionen und Forderungen. Das muss sich dringend ändern.
Bei jedem Verrat der SP Schweiz an der ArbeiterInnenklasse gab es Widerstand innerhalb der Partei – doch er kam nie von mehr als ein paar einzelnen ExponentInnen. Eine ernsthafte Opposition zur Linie der Führung hat sich nie formiert. Die internen Kämpfe um das Rentensystem zeigen auf, wie dringend notwendig ein organisierter linker Flügel mit klaren Positionen wäre.
Ewiger Streitpunkt Altersvorsorge
Bereits 1918 eine der neun Landesstreik-Forderungen, wird die AHV 1948 als Klassenkompromiss eingeführt. Ab den 60er Jahren bot sich der SP die konkrete Möglichkeit, im Interesse der Lohnabhängigen für eine massive Verbesserung des Systems zu kämpfen. Sowohl die Partei der Arbeit (PdA) als auch die SP selbst lancierten jeweils eine Initiative für eine Volkspension, das heisst die Zusammenfassung der Vorsorgeeinrichtungen in einer Kasse. Als es aber zur Abstimmung über den Vorschlag der PdA kam, sabotierten der Gewerkschaftsbund, und mit ihm die SP, die Volkspension. An seiner Stelle hatte die Parteiführung die Unterstützung fürs heutige 3-Säulen-Modells durchgesetzt. Dieses war von der Versicherungslobby ausgearbeitet worden und stellte die bestmögliche Variante für das Schweizer Kapital dar. Mit dem neuen Modell wuchs insbesondere der Einfluss der privaten Altersvorsorge.
Obwohl grosse Teile der ArbeiterInnenklasse die Volkspension unterstützten und die Partei diese offiziell weiterhin forderte, blieb der Widerstand der Parteilinken aus. Federführend in der Verwässerung war SP-Bundesrat Tschudi. Seine AHV-Reformen verbesserten zwar deren Leistungen, zementierten aber gleichzeitig das 3-Säulen-Modell.
Traurige Kontinuität
Auch bei der Abstimmung zur Altersvorsorge 2020 (AV2020) positionierte sich die SP gegen die Interessen der Lohnabhängigen. Die Vorlage sah insbesondere vor, das Rentenalter der Frauen zu erhöhen – eine Rentenkürzung. Obwohl sich mit der durchgeführten Urabstimmung (erst die dritte in der Geschichte der SP) eine optimale Plattform bot, nutzte die Parteilinke diese nicht. Aus Angst davor, die eigene Karriere aufs Spiel zu setzen, traute sich keine der führenden linken VertreterInnen, sich in parteiinternen Debatten gegen diese asoziale Vorlage zu stellen. So hatte die Parteispitze leichtes Spiel, die Basis zu einem Ja zu bewegen.
Nur die JUSO fasste auf das Drängen der marxistischen Strömung hin die Nein-Parole. Während des Abstimmungskampfs, und insbesondere nach der Ablehnung an der Urne, wurde sie von der SP-Parteispitze heftig attackiert und in deren Verzweiflung für das Scheitern der Konterreform verantwortlich gemacht.
Die Urabstimmung sowie die folgenden Aus-einandersetzungen zwischen Mutter- und Tochterpartei wären eine hervorragende Möglichkeit gewesen, der Gesamtpartei und darüber hinaus linke Antworten zu präsentieren. Doch die Parteilinke verweigerte eine ernsthafte Opposition.
Bei der Diskussion um die STAF flackerte kurz die Hoffnung auf, dass sich diese Situation nun ändern könnte. Immerhin meldeten sich die bekanntesten Gesichter der Parteilinken um die Ex-JUSOs Wermuth, Meyer und Molina in der WOZ und Le Courrier zu Wort – zu mehr als einem Lippenbekenntnis zum Widerstand gegen die STAF reichte es aber auch nicht. Wermuth enthielt sich in der Schlussabstimmung, die anderen zwei stimmten dagegen. Wie bei der Volkspension und der AV2020 wurde kein ernstzunehmender Widerstand organisiert. So hatte die Parteirechte leichtes Spiel, ihre Position des Klassenverrats durchzusetzen.
Ein «linker Flügel»?
Wir haben es bis jetzt vermieden, von einem «linken Flügel» zu sprechen, wie dies oft getan wird. Denn er existiert objektiv gesehen nicht. Damit überlässt die Parteilinke der Rechten das Terrain – kampflos. So konnten nie konsequent die Interessen der Arbeiterklasse gegen den Opportunismus der Bürokratie verteidigen werden. Aber wieso?
An Stelle konkreten Handelns bleibt es bei einer symbolischen Politik – einem losen Zusammenschluss einiger Individuen.»
Einerseits existiert in der Schweiz keine Tradition der ideologischen Fraktionen innerhalb der Partei – doch diese wären bitter nötig! Die Linken scheuen sich vor einer klaren, ideologischen Abgrenzung gegenüber den rechten Elementen der Partei. Stattdessen rühmt man sich damit, wie breit das Spektrum der Ideen in der Partei sei. Selbst die reaktionärsten Elemente, wie Mario Fehr, die VerfasserInnen des Gurten-Manifests oder die GründerInnen der Reformorientierten Plattform gelten als wichtiger Bestandteil der Partei.
Im Endeffekt ist das Scheitern der VertreterInnen der Parteilinken aber auf das Fehlen gemeinsamer Positionen, auf die sie sich stützen können, und damit auf das Versagen ihrer reformistischen Politik zurückzuführen. Im schlimmsten Fall führt das zu Hinterzimmerdeals mit der Parteibürokratie. An der Stelle konkreten Handelns bleibt es bei einer symbolischen Politik – einem losen Zusammenschluss einiger Individuen, die sich gelegentlich gemeinsam in der Öffentlichkeit äussern. Die Basis kriegt davon meistens wenig mit, Aussenstehende gar nichts. Hier wird ein riesiges Potenzial verschwendet.
Widerstand ist Pflicht!
Ein riesiger Teil der Lohnabhängigen fühlt sich – verständlicherweise – von keiner Partei vertreten. So drückt sich ihre Unzufriedenheit über das System und seine Auswüchse immer wieder mehr oder weniger spontan aus. So zum Beispiel in Bewegungen der Studierenden, SchülerInnen, Pflegenden, BauarbeiterInnen und so weiter.
Dieses riesige Potenzial muss von der Parteilinken als Auftrag verstanden werden, diese Unzufriedenheit zu kanalisieren. Dies kann aber nicht durch Konterreformen und reaktionäre Politik geschehen. Deshalb ist es ihre Aufgabe, für eine konsequente Politik im Interesse der Lohnabhängigen zu kämpfen. Bereits mit moderaten, aber klar verständlichen sozialen Forderungen könnten breite Schichten gewonnen werden, wie Beispiele aus anderen Ländern zeigen.
Dazu müssen aber zunächst demokratisch Positionen gefasst werden. Nur wer über gemeinsame Positionen verfügt, kann sich auf diese berufen, sie in die Partei tragen und dort auch offen einen Kampf der Ideen führen und gewinnen. Dies ermöglicht es dann, die entsprechenden Positionen nach Aussen zu tragen, die Partei zu öffnen und neue Mitglieder für die konsequente Linie zu gewinnen.
Es liegt mehr drin!
Wie das funktionieren kann, zeigt zurzeit das Beispiel von Jeremy Corbyn und der Labour Partei in Grossbritannien. Auch wenn ihr Manifest kein revolutionäres Programm darstellt, konnten sie mit einer klaren Anti-Austeritätslinie und einigen radikalen Forderungen riesige Teile der britischen ArbeiterInnenklasse und vor allem der Jugend für ihre Ideen gewinnen. Der bürgerliche Flügel der Partei, die sogenannten Blairites, verlor durch den Druck der zahlreichen Neumitglieder rasch an Einfluss.
Die Linken in der SP könnten diesem Beispiel folgen – dazu müssen sie aber verstehen, dass sie gemeinsame Positionen erarbeiten und vertreten müssen. Da eine schweizweite linke Alternative fehlt, könnte ein grosser Teil der Jugend und der ArbeiterInnenklasse bereits mit der konsequenten Forderung nach wirklichen Reformen gewonnen werden. Dazu muss die SP klar mit der Abbaupolitik brechen und die Verbesserung des Lebensstandards der Lohnabhängigen ins Zentrum stellen. Nur so wird sie in Zukunft in der Lage sein, wieder eine entscheidende Rolle im Klassenkampf zu spielen.
Kevin Wolf
Vorstand JUSO Stadt Bern
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