Aus dem 2024 erschienenen Dokumentarfilm «No other Land» kann man nur wütend herauslaufen. Er zeigt exemplarisch einen Teil der Vorgeschichte des 7. Oktober 2023 und schält dabei das wahre Verhältnis zwischen Israel und Palästina heraus: eine endlose Schlaufe der Unterdrückung und Vertreibung.

Die beiden Protagonisten sind Basel, ein junger palästinensischer Aktivist und der israelische (jüdische) Journalist Yuval. Im Zentrum steht Masafer Yatta, eine Ansammlung von Dörfern im Westjordanland. Israel will diese abreissen und (wieder einmal) Hunderte Palästinenser vertreiben, um daraus einen Militärübungsplatz zu machen. Die beiden Hauptfiguren dokumentieren zwischen 2018 und 2023 die Verbrechen der israelischen Armee und Siedler – wie sie mit Bulldozern und Panzern das Leben der dortigen Bewohner zerstören.

David gegen Goliath

Unaufhaltsam reissen die israelischen Soldaten Häuser, Hühnerställe und sogar Schulen nieder. Dieses Spektakel wiederholt sich Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Das Gefühl der Ohnmacht der gepeinigten Palästinenser überträgt sich auf den Zuschauer. Es wird klar: Das ist kein Konflikt zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern. Hier beraubt und bekriegt ein hochgerüsteter, zielgerichtet vorgehender israelischer Staat ein Volk, das sich unbeugsam mit Stöcken, Steinen und Worten zu wehren versucht. Immer wieder schleudern die Bewohner von Masafer Yatta den israelischen Soldaten und Siedlern Dinge entgegen wie: «Schämt ihr euch nicht?» oder «Verschwindet von unserem Land!» Doch wer sich einzeln zur Wehr setzt, muss teuer dafür bezahlen: Als IDF-Soldaten einen lebenswichtigen Stromgenerator stehlen wollen und ein Palästinenser am Generator festhält, wird er vor laufender Kamera angeschossen. Er ist von da an von den Schultern abwärts gelähmt – und stirbt schlussendlich an seinen Verletzungen.

Der Film wurde im Oktober 2023 fertiggestellt. SRF kritisierte dabei, dass der 7. Oktober nur am Rande erwähnt wird, während die Filmemacher schon auf den damals beginnenden Genozid der letzten 15 Monate hinweisen. Doch wer den Film wirklich geschaut hat, dem wird klar, dass dieser «Konflikt» nicht am 7. Oktober begann. Sondern, dass dahinter jahrzehntelange Vertreibung, Schikanierung und Morde stecken. Daraus muss man die Schlussfolgerung ziehen, dass jede Form der Gewalt gegen dieses rassistische, unterdrückerische System verständlich und legitim ist.

Spirale der Unterdrückung

Und so prägt den Film, bewusst, eine gewisse Repetition. Fast jede neue Szene beginnt damit, wie Basel keuchend einen Berg entlang rennt und seine Kamera auf den nächsten Angriff, die nächste Provokation der israelischen Armee oder der Siedler hält. Wieder werden sie angegriffen. Wieder werden sie vertrieben. Immer wieder bauen sie ihre kaputten Häuser auf. Immer wieder werden sie niedergemacht. Seit der Nakba 1948 schreitet die israelische Siedlungspolitik scheinbar unaufhaltsam voran. Sei es in Gaza, Jerusalem, der Westbank oder sonst wo. Es ist eine zunehmend zermürbende, enger werdende Spirale der Unterdrückung, Vertreibung und Widerstand, die bisher nur eine Richtung kennt: Schritt für Schritt, Stein für Stein, wird ihre Existenz aufgelöst, werden sie von ihrem Land vertrieben. Aus all dem resultiert das Gefühl der Ausweglosigkeit, das auch die zwei Freunde zum Ausdruck bringen.

In einer Szene kurz vor Ende des Films fragen sich Basel und Yuval «Was können wir tun?». Seit Monaten filmen sie, viele Leute schauen ihre Videos, sie werden sogar ins Fernsehen eingeladen. Aber all ihr Dokumentieren ändert nichts. Stattdessen werden die beiden aufgrund ihrer Arbeit bedroht. Es ist also die Schlüsselfrage, die die beiden sich hier stellen. Was können wir tun? Doch genau hier bietet der Film keine Antwort.

Verbrüderung ist möglich

Der Film beweist, dass der vereinzelte Widerstand nicht zum Erfolg führen kann. Auf diese Weise kann der Staat Israel seine militärische Übermacht leicht ausspielen. Es braucht einen kollektiven Kampf aller Palästinenser gegen dieses genozidale System und jene, die es stützen. Die erste Intifada von 1987 hat das enorme Potenzial einer solchen Erhebung gezeigt. Doch dabei brauchen die Palästinenser Hilfe von Aussen in ihrem Widerstand. Aber nicht von heuchlerischen und letzten Endes machtlosen internationalen Organisationen und verlogenen Führern anderer Länder. Was sie brauchen, ist eine revolutionäre Bewegung in den Ländern, die Israel unterstützen – und denen, die vorgeben, ihre Freunde zu sein, wie die umliegenden arabischen Länder. Es braucht einen zweiten arabischen Frühling. Auf dieser Basis kann eine Revolution durch den Nahen Osten fegen, in deren Lauf die Palästinenser befreit werden können. Die Vereinigung von Basel und Yuval zeigt im Keim, dass Verbrüderung gegen den gemeinsamen Feind über Landes- und Religionsgrenzen möglich und notwendig ist.

Der Waffenstillstand vom Januar 2025 ändert nichts Grundlegendes. Er bedeutet ein Zurück zur schrecklichen Lage vor dem 7. Oktober, die Basel und Yuval so eindrücklich darstellen. Mit der gewaltigen Ausnahme, dass dazwischen Zehntausende Tote, Hunderttausende Vertriebene und Millionen Traumatisierte liegen. Und Israel nun stattdessen eine Offensive im Westjordanland fährt.