Ich arbeite seit bald zwei Jahren in einer Zürcher Sprachschule für Erwachsene, die sich auf “Expats” konzentriert hat, also jene Schicht der MigrantInnen, die typischerweise hochqualifiziert ist und bei einem grossen, multinationalen Unternehmen wie PwC, Google oder einer der vielen Banken angestellt ist. Wir sind circa 40 Lehrpersonen, die meisten davon jung und studierend – und weiblich: höchstens fünf der Angestellten sind männlich.
Um das erstmal klarzustellen: Im Grunde unterrichte ich gerne. Ich werde im Folgenden aber leider nicht viele positive Worte zum Unterrichten als Beruf finden können, was mich frustriert. Das Lehren ist eine unglaublich wichtige Tätigkeit, die sowohl für Lehrende als auch für Lernende sehr bereichernd sein kann. Allerdings ist die ganze Funktionsweise des Berufs von Profitmotiven zerfressen, und so bewahrheitet sich Marx: Ich unterrichte nicht, um zu unterrichten, sondern ich unterrichte, um Geld zu verdienen. Jede Minute, die ich dafür aufwende, auf die spezifischen Bedürfnisse eines Schülers einzugehen, mich vorzubereiten oder mir Gedanken über das gerade Unterrichtete zu machen, ist eine Minute, die ich gratis arbeite. Vor- und Nachbereitung werden zum einfachen Kalkül und erfolgen nur, wenn es unbedingt notwendig ist.
Bei meiner Arbeit wird im Stundenlohn gearbeitet, was viele Komplikationen mit sich bringen kann. Das grösste Problem liegt auf der Hand: Es herrscht teils geringe Lohnsicherheit. Wird eine Lektion rechtzeitig abgesagt, bedeutet dies Lohnausfall für die Lehrperson. Insbesondere um die Weihnachts- und in der Sommerferienzeit führt dies zu erheblich geringerem Verdienst. Da viele Schülerinnen und Schüler Kaderpositionen innehaben, sind auch Dienstreisen keine Seltenheit. Das führt zu einem Dilemma: Die eigentlich geplante Stundenzahl (und damit den geplanten Lohn) lässt sich nur mit einer gehörigen Portion Glück erreichen. Um einigermassen verlässlich auf einen bestimmten Betrag zu kommen, muss man also weit darüber hinausschiessen: Beim Vorstellungsgespräch empfahl das Geschäft, zwischen 12 und 15 Lektionen pro Woche zu übernehmen, um auf zehn tatsächlich unterrichtete Lektionen zu kommen. Letzten Endes ist aber immer noch etwas Glück im Spiel, und nicht zuletzt bringt das “Überbuchen” mit vielen Komplikationen verbunden: Sollte man doch alle Stunden unterrichten müssen, gerät man in Stress. Ausserdem ist es äusserst schwierig, 12-15 Lektionen sinnvoll und konfliktlos in der Woche zu verteilen. Schliesslich vergrössert sich der administrative Aufwand für die Betreuung von so vielen SchülerInnen erheblich, auch wenn kein Unterricht erfolgt.
Meiner Meinung nach ist das alles sehr geschickt eingefädelt. Die Firma kann so den Grossteil des Risikos auf die Angestellten abwälzen. Wird unterrichtet, verdient die Firma gut, andernfalls Lohnausfall. Durch ihre Kulanz kann sich die Schule auf Kosten der Arbeitnehmenden als flexibel und unkompliziert profilieren. Weder die Vor- noch die Nachbereitungszeit wird entlöhnt, in der Stadt Zürich auch nicht die Anreise. Einen guten Teil der Kommunikation haben die Lehrpersonen zu übernehmen. Hinzu kommt, dass viele Schüler im Büro oder sogar zuhause unterrichtet werden wollen – so ist statt einem traditionellen Schulgebäude nur ein Büro mit einigen Unterrichtszimmern vonnöten, das minimale Betriebskosten verursacht. Trotz alledem macht der Lohn nicht mal die Hälfte des Lektionspreises aus. Man muss sich fragen: In wessen Taschen landet der ganze Überschuss…?
Am Frauenstreik hatte sich auch meine Bude offiziell beteiligt. Ab 15 Uhr sollte die Arbeit niedergelegt werden, dann gemeinsames Transpimalen im Büro und Gang zur Demonstration, gemeinsam mit der Chefin notabene. Das alles hinterliess einen schalen Nachgeschmack: Warum sollte sich meine Chefin als grosszügige Frauenbefreierin profilieren dürfen, wo sie doch selber gerade die Probleme der weiblichen Teilzeitarbeit reproduziert und bevorzugt Frauen ausbeutet? Ich besann mich dennoch eines besseren und nahm zumindest am “StreikZmittag” teil. Denn das wichtigste am Frauenstreiktag waren ja nicht die Positionen meiner Chefin, sondern der Kontakt zu meinen Mitarbeiterinnen und die Gespräche mit ihnen – und die Erkenntnis, dass man die ArbeiterInnen niemals unterschätzen sollte. Das Büro entschied spontan, die Arbeit nicht ab 15 Uhr, sondern den ganzen Nachmittag niederzulegen und sich stattdessen bei einem Bier miteinander über die Unterdrückungserlebnisse auszutauschen.
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