Die Menschen machen ihre Geschichte selbst, aber bis jetzt nicht mit Gesamtwillen nach einem Gesamtplan, selbst nicht in einer bestimmt abgegrenzten gegebenen Gesellschaft. Ihre Bestrebungen durchkreuzen sich, und in allen solchen Gesellschaften herrscht ebendeswegen die Notwendigkeit, deren Ergänzung und Erscheinungsform die Zufälligkeit ist. Die Notwendigkeit, die hier durch alle Zufälligkeit sich durchsetzt, ist wieder schließlich die ökonomische. Hier kommen dann die sogenannten großen Männer zur Behandlung. Dass ein solcher und grade dieser zu dieser bestimmten Zeit in diesem gegebenen Lande aufsteht, ist natürlich reiner Zufall. Aber streichen wir ihn weg, so ist Nachfrage da für Ersatz und dieser Ersatz findet sich, mal recht mal schlecht, aber er findet sich auf die Dauer.
(F. Engels an W. Borgius, 1894)
Die personellen Verschleißerscheinungen an den Spitzen aller Parteien (Mitterlehner, Faymann, Glawischnig, Pröll, Häupl, die Debatten um Strache…) sind Ausdruck einer tiefen Krise der österreichischen Gesellschaft. Alle Parteien haben sich der Bewahrung der Stabilität für das österreichische Kapital verschrieben. Diese Stabilität ist aufgrund der allgemeinen Krise des Kapitalismus aber ständig gefährdet. Die Politik hat der Arbeiterklasse nichts zu liefern, keine Jobs, keine leistbaren Wohnungen, keine guten Pensionen und Einkommen, keine Verbesserung des Lebens. Und schlimmer als das: nicht mal die berechtigte Hoffnung auf Verbesserung. Das „Volk“ hat bestenfalls keine Erwartungen in die Politik, meist werden PolitikerInnen jeder Couleur sogar offen gehasst. Dies ist der zugrundeliegende Motor all dieser Personalveränderungen. Hinter den neuen Gesichtern verbergen sich aber auch neue und zugespitzte politische Positionierungen der verschiedenen Lager. Dabei gibt es nur eine Richtung: Während die Bürgerlichen sich offen auf einen Generalangriff auf soziale und demokratische Rechte vorbereiten, ordnet sich auch die SPÖ unter diesem Druck mit jedem Schritt den Kapitalinteressen weiter unter.
Die Konsolidierung der ÖVP
Innerhalb von wenigen Tagen gelang es Sebastian Kurz, die ÖVP hinter sich zu versammeln, politisch auf einen künftigen Bürgerblock festzulegen und Neuwahlen auszulösen. Der Aufstieg von Sebastian Kurz gleicht einem atemberaubenden Siegeszug. Jahrelang drückte der Aufbau von Kurz durch die Medien die gesellschaftlichen Bedürfnisse des Kapitals aus, das bürgerliche Lager politisch zum Angriff auf die sozialen und demokratischen Errungenschaften der Arbeiterbewegung herzurichten. Dies ist kein Zufall, wie wir hier schon seit Monaten berichten. Die bürgerliche Offensive zur Verbesserung der Ausbeutung der Arbeiterklasse findet in ihm die geeignete Trägerpersönlichkeit: er gilt als politisch rücksichtslos und ideologisch unbeschwert. Nach einer Schrecksekunde gab er so der dahinsiechenden Staatspartei ÖVP wieder Orientierung und eröffnete ihr die Perspektive auf Erfolg. Und da bekanntlich nichts attraktiver ist als der Erfolg, entwickelt er dieser Tage eine Sogwirkung der bürgerlichen Einigung hinter seiner Führung.
Er soll ein fertiges Wahlprogramm haben, und eine Kandidatenliste für seine Wahlliste („Liste Sebastian Kurz – neue Volkspartei“), die er nun der ÖVP aufpfropfen darf. Es soll sich dabei u.a. um den ehemaligen Rechnungshofpräsidenten Moser (FPÖ), den Juristen Mazal (der Gutachten pro Kürzung der Mindestsicherung verfasste), die Waxing-Queen Katja Wagner, die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griess, sowie weitere UnternehmerInnen handeln. Sepp Schellhorn, Nationalratsabgeordneter der Neos bestätigte Avancen von Seiten Kurz‘.
Ob die ÖVP Kurz, oder Kurz die ÖVP dominiert wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Die Vollmachten mit denen sich Kurz ausstatten ließ, ermöglichen es ihm KandidatInnen für die Wahlen und das Generalsekretariat der Bundespartei aufzustellen, also die Außenwirkung der Partei zu gestalten. Kaum Zugriff hat Kurz jedoch auf das Budget der Partei, das nur zu einem geringen Teil (weniger als 20 %) von der Bundespartei kontrolliert wird. Wie weit die traditionellen Machtverbände der ÖVP sich langfristig Kurz unterordnen werden, wird von seiner Wirksamkeit, also in erster Linie von seinem Wahlerfolg abhängig sein. Kurz ließ sich mit denselben Vollmachten ausstatten wie sie einst Wolfgang Schüssel innehatte, allein Kurz‘ Auftritt ist pompöser und seine Publicity-Maschinerie professioneller.
Kurz bezieht seine politische Agenda und das zentrale Personal direkt aus den Think-Tanks des Kapitals. Zentral ist dabei seine besondere Beziehung zum Raiffeisenkonzern und dessen Medien. Der „Kurier“ legt einer „anonymen Quelle“ Kurz‘ Aufgabe dar: „Sebastian hat in der Flüchtlingspolitik gezeigt, dass er ein kantiger Typ ist. Das hat er auch in der Wirtschaftspolitik vor.“
Neu für österreichische Verhältnisse ist dabei die offene ideelle und materielle Unterstützung von Kurz durch kapitalistische Interessensvereinigungen. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung stellten bereits bisher die wichtigste finanzielle Stütze der ÖVP-Wahlkämpfe dar, der Raikakonzern ist die traditionell wichtigste Schnittstelle von Kapital, Staat und Landleben. Mit der Tiroler „Adlerrunde“, einer politischen Interessengruppe von 42 Tiroler Großunternehmen trat nun erstmals ein Kapitalverband auf, der seine politische Einflussnahme wenig diskret verpackt und enthusiastisch Kurz‘ politische Karriere befeuert. In den Presseerklärungen dieser Unternehmer kann man folgende politische Agenda erlesen:
Die Menschen müssten auf den „beinharten Wettbewerb“ vorbereitet werden“ (26.6.2013)
„‘Hört auf, die Unternehmer als kriminell hinzustellen und lasst uns endlich effizient arbeiten‘, fordert die Tiroler Adler Runde rund um Präsident KR Anton Pletzer und plädiert gleichzeitig für eine Arbeitszeitenflexibilisierung.“ (8.3.2017)
Das bürgerliche Lager erhält mit Kurz eine neue ungewohnte Dynamik und wird mit Selbstvertrauen und Siegesgewissheit ausstattet. Dieses Selbstvertrauen entsteht dabei in erster Linie daraus, dass Kurz die maßgeblichen EntscheidungsträgerInnen des Großkapitals und damit der „öffentlichen Meinung“ auf seiner Seite weiß – aber nicht zuletzt auch aus dem Bewusstsein über die politische und organisatorische Schwäche der Arbeiterbewegung heraus.
Der Drang zum Sieg und das Vertrauen in die eigene Stärke sind ohne eine klare Alternative entscheidend – daher hat Kurz das Gesetz des Handelns für den Moment auf seiner Seite. Die Betonung liegt auf momentan, tatsächlich ist die symbolische Machtkonzentration, die die Bürgerlichen Kurz zugestehen ein Zeichen ihrer eigentlichen gesellschaftlichen Schwäche. Zerrissen zwischen unterschiedlichen Interessenslagen im eigenen Lager, und einer numerisch starken Arbeiterschaft setzten sie auf einen „Wunderwuzzi“.
Angesichts dieser Offensive ist Bundeskanzler Kern, der von vielen als „erfrischend und innovativ“ empfunden wird, stark eingeengt. Diese Kraftlosigkeit ist jedoch weniger eine Frage persönlicher Fähigkeiten, sondern hat einen sozialen Grund. Kurz Programm ist im Einklang mit den materiellen Interessen seiner Klasse, dem Kapital – vor allem dem Großkapital. Die Entfesselung der Wirtschaft durch die Zurückdrängung der Gewerkschaften bringt Jobs und die soziale Frage wird durch nationalistische Symbolpolitik und rassistische Ausschließungspolitik ersetzt, so lautet Kurz Idee. Dahinter steht der Wunsch der international agierenden Konzerne, mit allen Mitteln wettbewerbsfähig zu werden.
Kerns Plan A basiert auf den gleichen oben genannten Prämissen, doch ist er dabei einem anderen Druck ausgesetzt – er steht damit im Konflikt mit den sozialen Interessen seiner sozialen Basis. Auch im Plan A steht die Dynamisierung der Wirtschaft durch Markt und staatliche Förderungen im Zentrum. Den Kampf um Solidarität innerhalb der Arbeiterbewegung hat man aufgegeben, und durch Anpassung an jede Form von Nationalismus und Rassismus ersetzt. Bundespräsident Van der Bellen unterstützt diese Politik indem er, seit dem ersten Tag seines Amtsantrittes, punktgenau als Barometer für die Interessen der Raiffeisenbank agiert. Nach der Verkündigung des Plans A stand er für die Weiterführung der Großen Koalition und den rechtsradikalen Ball in seiner Hofburg, wenige Wochen danach kann er Neuwahlen was abgewinnen, und als die ÖVP die Koalition brach organisierte er die personelle Lösung für die Vizekanzlerfrage nach Mitterlehners Abgang. Soviel zu den „verbesserten Kampfbedingungen“, einem zentralen Argument der passiven und aktiven Van der Bellen-UnterstützerInnen in der organisierten Linken.
Letztendlich repräsentiert auch der Plan A, wie wir schon bei seiner Veröffentlichung betonten, einen weiten Schritt nach rechts in dem Versuch, das immer hungrigere Bürgertum zufriedenzustellen. Die reformistische Logik geht dabei unter Kern so weit, dass sie versucht, die Verankerung der Partei in der Arbeiterbewegung so weit wie möglich zu lösen, um „freie Hand“ bei der Erfüllung der Wünsche des Kapitals zu haben. Das Ultimatum an die „Sozialpartner“ in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung ist ein Zeichen dafür. Warum das bürgerliche Lager trotzdem einen Gang höher schaltet und die Avancen von Kern & Co. nicht akzeptiert hat, hat zwei Gründe. Auf der einen Seite ist es auch Kern (bisher) nicht gelungen, die Partei hinter seiner Fassade von blairistischer Weltgewandheit und Gelassenheit vom Einfluss der Gewerkschaften freizumachen. Auf der anderen Seite braucht das Kapital mehr als in den vergangenen 10 Jahren: Auch der beste Kompromiss, der geschickteste „kleine Angriff“ auf die Rechte der Arbeiterklasse reicht ihnen nicht mehr aus – sie brauchen einen Generalangriff, und das kann Kern nicht bieten, auch wenn er das wollte.
SPÖ und ÖGB: Pakttreu über den Tod hinaus
Die Bürgerlichen warnen nun vom „Parlaments-Casino“ (VP-Wallner), und auch SPÖ-Clubobmann Schieder warnte vor „parlamentarischen Chaos“. Doch die Obstruktionspolitik von Kurz zwingt Kanzler Kern in eine Entscheidung: „freies Spiel der Kräfte“ oder Staatenlenker im Sinne der Systemstabilität. Die ersten Tage des Vorsitzes von Kurz in der ÖVP zeigten, wohin die Reise dabei geht. Zuerst akzeptierte die Regierungs-SPÖ den parteifreien Justizminister Brandstetter – eine zuvor angedrohte Minderheitsregierung entpuppte sich als Luftnummer. Auch auf parlamentarischer Ebene wurde Klarheit geschaffen: Die SPÖ stimmte für das Burka-Verbot, dafür mit dem (ehemaligen?) Koalitionspartner gegen einen Antrag der Grünen, einen Beschluss zur gleichgeschlechtlichen Ehe noch vor dem Sommer herbeizuführen. Man erinnert sich: vor einem Jahr noch inszenierte sich Kern als Vorreiter der Homosexuellenrechte und redete auf der Regenbogenparade der völligen Gleichstellung das Wort.
Die Argumente, die für diesen Wortbruch verwendet wurden, offenbaren die bankrotte politische Logik der sozialdemokratischen Führung: Aufgrund des Umstandes, dass es keine parlamentarische Mehrheit für die Homo-Ehe gäbe, hätte auch die SPÖ dagegen gestimmt. Anders formuliert: jede politische Frage wird der staatstragenden Unterwürfigkeit unter die Bürgerlichen untergeordnet.
Der Abtausch von „Kompromissen“ nimmt dabei absurde Züge an. Beschlossen wurde diese Woche auch: Eine Erhöhung der Studienbeihilfe, die nicht einmal die Inflation seit 1999 abgleicht, dafür die Erhöhung der Forschungsprämie (ein Geschenk an das Kapital). 20.000 Langzeitarbeitslose über 50 sollen für ca. ein Jahr geförderte Jobs bekommen (womit sich die ÖVP für eine allfällige neue Regierung nicht zu viel verpflichtet), dafür soll die Verfassung um das Staatsziel „Stärkung des Wirtschaftsstandortes“ ergänzt werden (was sehr viel dauerhafter wäre). Bezeichnend ist, dass lediglich bei der Gewerbeordnung Kern ein Vorpreschen ohne die ÖVP in Betracht zieht. Für die Reformierung (und Liberalisierung) dessen verspürt er den Rückenwind des Kapitals und somit den Mut, sie auch gegen die ÖVP durchzusetzen.
Die ÖGB-Spitze setzt dieser Logik nichts entgegen. ÖGB-Präsident Foglar steht, wie aktuell geäußert, treu zu Sozialpartnerschaft innerhalb und außerhalb des Parlaments und gegen „unerwünschtes Chaos“. Damit klammert er sich, einem Abgrund gegenüber, verzweifelt an das Bürgertum, das gerade dabei ist, ihm (und der Arbeiterklasse insgesamt) einen kräftigen Stoß zu versetzen.
Kern will die Stimmen der Arbeiterklasse haben (die er Mittelschicht nennt) und gleichzeitig Liebkind des Kapitals sein. Doch man kann nicht zwei Herren dienen. Bleibt die SPÖ auf diesem Kurs, dann geht sie in die sichere Wahlniederlage. Nach zehn Jahren Bankenrettung und Krisenverwaltung im Sinne des Kapitals im Inland und der EU, gälte es einen Tatsachenbeweis abzuliefern, ob die SPÖ noch irgendeinen Nutzen für die soziale Absicherung der Arbeiterklasse hat, oder nicht.
Die SPÖ-Führung könnte, statt sich an die Bürgerlichen zu klammern, genauso gut ihre politischen Fahnenfrage offensiv ins Parlament bringen: sechs Wochen Urlaubsanspruch für ältere Arbeitnehmer, Stopfen der Steuerlöcher für Großkonzerne, Erbschaftssteuern, die Abschaffung der kalten Progression bei Lohneinkommen, die Homo-Ehe, die Gesamtschule, die Rücknahme der rassistischen und anti-demokratischen Gesetze die mit der ÖVP vereinbart wurden, etc.
Selbst ein solch beschränktes Programm könnte Enthusiasmus auslösen, und auch wenn es im Parlament scheitern würde, müssten die bürgerlichen Parteien doch Farbe bekennen. Nach einem Jahrzehnt der Bankenrettungen und fallenden Realeinkommen, dürstet die Arbeiterklasse nach einer Alternative, die sich nicht der Sparlogik beugt – Jeremy Corbyn, der dieser Tage vor tausenden AnhängerInnen in ganz Großbritannien redet, macht dies vor.
Eine solche Politik verbunden mit einer offenen Aufkündigung der sozialpartnerschaftlichen Geheimverhandlungen zur Arbeitszeitverlängerung und der Organisierung eines breiten Abwehrkampfes auf den Straßen und Betrieben gegen die Angriffe des Kapitals würde die soziale Lage der Arbeiterklasse schlagartig verbessern und die Demagogie der Bürgerlichen entzaubern.
Doch Führungspersonal und Apparat der SPÖ haben über 10 Jahre große Koalition bewiesen, dass ein Kurswechsel nicht in ihrem Interesse ist. Die Gewerkschaftsführung orientiert weiter auf die tote Sozialpartnerschaft statt auf die offensive Verteidigung erkämpfter Rechte. Das wird sich auch bis zu den Wahlen nicht ändern. Die Arbeiterklasse und ihre Interessen werden so in dieser Situation vollkommen überfahren – die vollkommene Verantwortung dafür liegt allein bei ihrer Führung.
Die Sackgasse der Halbheiten
Man hört bereits jetzt die Stimmen, dass es jetzt im Moment zuerst darum geht, die Wahlen gewinnen, später würden wir uns noch immer noch ums Programm der Arbeiterbewegung streiten können. Diese Logik ist von vorne bis hinten falsch und letztendlich ein Teil des Problems. Ein Wahlsieg der SPÖ macht aus Sicht der Arbeiterklasse nur Sinn, wenn er auf Basis eines klaren Programms zur Verteidigung der erkämpften demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterschaft passiert – das heißt ein Programm GEGEN das Spar- und Standortdiktat. Ein Wahlsieg von „Sparpolitik-light“ und ein Festklammern an der Sozialpartnerschaft (was sowieso beides unrealistisch ist) würde weiter demobilisierend wirken und die bürgerlichen Elemente in der Führung und dem Apparat der SPÖ entscheidend stärken. So lange die Wahl zwischen einem die Wirtschaft radikal entfesselnden Kurz und einem gebremst entfesselnden Kern liegt, kann die Arbeiterklasse nur verlieren. So oder so, die Position der Arbeiterbewegung wird jedenfalls entscheidend geschwächt aus der kommenden Wahl unter solchen Vorzeichen hervorgehen.
Die Bürokratie hat die Sozialdemokratie erfolgreich daran gewöhnt, dass es der zentrale Inhalt der Partei zu sein hat, Teil der Regierung zu sein. Nachdem Kurz den Stuhl vor die Tür gestellt hat, regen sich schon wieder die BefürworterInnen einer Koalition mit der FPÖ. Sollte die Wahlarithmetik das fordern, wird von diesen Kräften sehr schnell ein „Kriterienkatalog“ gefunden werden, der eine Koalition mit den Blauen ermöglicht. Noch sind diese Kräfte nicht öffentlich aufgetreten. Doch die Basis für so einen Kurswechsel auch auf Bundesebene wird schon jetzt gelegt, indem alles Feuer auf Kurz (und nicht auf Strache) gerichtet wird. Über allem anderen steht die SPÖ-Führung für eines: für Teilhabe an den Staatsgeschäften zum Wohle der Republik. Argumentiert wird diese Orientierung mit der Logik des kleineren Übels.
Den Abwehrkampf organisieren – mit einem sozialistischen Programm!
Der sich organisierenden bürgerliche Offensive hat die Arbeiterbewegung und Linke ad hoc nichts entgegenzusetzen. Es gilt deshalb, mit allen theoretischen und praktischen Halbheiten aufzuräumen. Auch außerhalb der Sozialdemokratie ist keine Alternative für die Arbeiterklasse in Sicht. Die Idee der „Mosaik-Linken“, die darauf beruht, dass alles was bisher an linken AktivistInnen und sozialem Protest vorhanden ist addiert wird und von selbst eine gangbare linke Alternative ergibt, ist in der Praxis gescheitert. Im Moment der Wahrheit werden alle Akteure von verschiedenen sozialen Kräften in verschiedene Richtungen gezogen und übrig bleibt – nichts.
Doch Wahlen sind nur eine Arena der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Die Wahlen vom Oktober werden auf jeden Fall eine politische Zäsur bringen. Alles ist vorbereitet für eine Bürgerblockregierung, während gleichzeitig schon die Geduld der Arbeiterklasse zur Akzeptanz weiterer Nadelstiche und des Status Quo in den Präsidentschaftswahlen ihre Grenzen gezeigt hat. Nachdem die parlamentarische Ebene keine Alternativen (oder nur scheinbare, wie die soziale Demagogie der FPÖ) zu bieten hat, wird die Dynamik unweigerlich auf die Betriebe und die Straßen übergehen. Unter dem Druck der kommenden Angriffe wird sich der solidarische Widerstand der Arbeiterklasse formieren. Der sozialpartnerschaftliche Stillstand wird, unabhängig vom Willen der Gewerkschaftsführungen, durchbrochen werden: Das Kapital will keine Zugeständnisse mehr machen, die Arbeiterklasse kann keine mehr akzeptieren.
Wir sollten davon ausgehen, dass der kommende polarisierte Wahlkampf nur der Vorspann zu einer Repolitisierung der österreichischen Gesellschaft sein wird. Der Wahlkampf selbst wird von Show-Effekten der drei Bundeskanzler-Anwärter geprägt sein. Es wird sich um eine Inszenierung von Politik handeln, in dem die tatsächlichen Lebensinteressen der Arbeiterklasse nur in Form von rhetorischen Anspielungen vorkommen werden.
Die darauffolgende Politik wird aber eine der Kürzungen und Angriffe sein. In den kommenden Auseinandersetzungen muss es gelingen, die vollständige politische und organisatorische Unterordnung der Arbeiterbewegung unter die Herrschaft der Spardiktatur aufzubrechen – und das muss schon vor den Wahlen vorbereitet werden. Die sozialen Kräfte der Arbeiterklasse müssen nicht „gesammelt“, sondern ausgehend davon, wo sie stehen orientiert und in Bewegung gesetzt werden, und zwar mit glasklarer programmatischer Grundlage.
In den Gewerkschaften und Betrieben gilt es, für einen offensiven Kampf gegen die Arbeitszeitflexibiliserungen einzutreten und gegen die (unausgesprochenen) Hoffnungen der Führung vorzugehen, unter dem Problem „durchzutauchen“. Diese Auseinandersetzungen müssen darüber hinaus dafür genutzt werden, auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene wieder eine Kampffähigkeit herzustellen, die durch Jahrelange „Sozialpartnerschaft“ verloren gegangen ist.
Für diejenigen, die sich weiterhin in der Sozialdemokratie und ihren Vorfeldorganisation organisieren, ist ebenfalls ein „Durchtauchen“ keine Option: Nur der offensive Kampf um die Interessen der Arbeiterklasse schon VOR den Wahlen kann die Grundlage für eine gesellschaftliche Linksentwicklung legen – besondere Verantwortung kommt hier der Sozialistischen Jugend zu. Neben einem klaren Programm: Nein zu jedem Sparpolitik, Bankenrettung und Koalition mit den Bürgerlichen! muss für eigene KandidatInnen gekämpft werden, die auf dieser klaren programmatischen Basis für einen Einzug ins Parlament kämpfen. Und nach den Erfahrungen der letzten Jahre kann das nur mit einer weiteren öffentlichen Ergänzung glaubwürdig vertreten werden: Das, wenn notwendig auch mit dem Bruch der Fraktionsdisziplin zu verbinden! Alles andere als diese Feststellung wäre nichts anderes, als die linke Flanke für die bürgerliche Führung der Sozialdemokratie zu decken und sie damit zu stützen.
Für alle, die in den oben genannten Akteuren der Arbeiterbewegung verständlicherweise keine Alternative sehen, gilt es vor allem, nicht den Fehler der Präsidentschaftswahlen zu wiederholen und vor der bürgerlichen „öffentlichen Meinung“ zu kapitulieren. Demonstrationen und Mobilisierungen gegen Rassismus, Sexismus und jede Form von Sozialabbau „helfen nicht den Rechten“. Es gilt, diesen Tendenzen und ihren politischen TrägerInnen offen entgegenzutreten, wenn die Basis für einen zukünftigen gemeinsamen Kampf aller ArbeiterInnen und Jugendlichen gelegt werden soll!
Die MarxistInnen von Der Funke werden für diese objektiv notwendigen Entwicklung auf allen Ebenen kämpfen. Doch wir sind der Überzeugung, dass das alleine nicht reicht – die Arbeiterklasse braucht Organisationen auf einer klaren sozialistischen und revolutionären Basis, um den Bürgerlichen langfristig etwas entgegensetzen zu können. Wir laden alle, die unsere Perspektive und unsere Herangehensweise unterstützenswert finden dazu ein, den Funke bereits jetzt zu stärken. Werde bei uns aktiv und kämpfe mit uns für eine revolutionäre Alternative zur Wiederbewaffnung der Arbeiterbewegung und Linken!
Nieder mit dem Bürgerblock!
Keine einzige weitere soziale Verschlechterung!
Für demokratische Rechte aller hier Lebenden!
Für ein freies, solidarisches und selbstbestimmtes Leben, für den Sozialismus!
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