Die abgebrochenen Verhandlungen über einen neuen Landesmantelvertrag (LMV – GAV des Bauhauptgewerbes) veranlassten die BauarbeiterInnen unter der Führung der Gewerkschaft Unia zu einem Protest-/ Streiktag. In drei Tage gestaffelt, ruht der Bau montags im Tessin, dienstags in der Deutschschweiz und am Mittwoch in der Romandie. Wir veröffentlichen hier Erfahrungsberichte aus Basel, Bern, Zürich und der Ostschweiz.
Basel
Bereits ab 4.30 sammelten sich die GewerkschaftsfunktionärInnen und eine überschaubare Zahl an AktivistInnen im Gewerkschaftshaus Basel zur Lagebesprechung. Vor der Tür patrouillierte bereits die Polizei in Zivil. Der Hauptfokus war die Baustelle des neuen Biozentrums Basel mit drei gut sichtbaren Kränen im Stadtzentrum. Der Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartment Wessels (SP) war offensichtlich nicht gewillt Solidarität mit den BauarbeiterInnen zu zeigen bei seinem Prestigeprojekt.
Mit Bussen und Festbänken wurden die Zufahrten blockiert und ArbeiterInnen von anderen Baustellen stiessen dazu. Mit Pfeifen und Megafonlärm wurden die Arbeiter auf der laufenden Baustelle konstant daran erinnert, dass sie ihre Kollegen im Stich lassen. Nach der Znüni-Pause gingen die Bauarbeiten kurz weiter. Die streikenden BauarbeiterInnen und die GewerkschafterInnen schauten nun aber nicht mehr zu. Ein Tor wurde geöffnet und die Horde mit Unia-Helmen strömte auf die ERNE-Baustelle, um die Kollegen zu überzeugen die Bauarbeiten endlich einzustellen. Der Bann war gebrochen. Sie verliessen nach und nach den Arbeitsplatz Richtung Baracke. Unter Beifall der Wartenden leerte sich die Baustelle. Um 10.00 kletterten die Kranführer runter und als kurz später die Busse zum Bahnhof fuhren waren nur noch einige Baukader da.
Leider kamen nur wenige nach Zürich aber laut Hansueli Scheidegger von der Unia arbeiteten 30 von 50 Baustellen in Basel-Stadt nicht. Darunter auch die städtische Baustelle. Um 11.07 stiegen die 250 streikenden BauarbeiterInnen dann in den Zug, um in Zürich ihre Kollegen aus der ganzen Deutschschweiz zu treffen.
Bern I
Um 5:30 Uhr trafen wir uns, Vertrauensleute und Gewerkschaftssekretäre, im Berner Gewerkschaftshaus. Nach kurzer Einweisung ging es in Gruppen auf verschiedenste Baustellen in Bern und Umgebung. Mit drei weiteren KollegInnen war ich für eine Baustelle in Bümpliz-Süd eingeteilt. Der Polier liess uns von Beginn weg in Ruhe und intervenierte nicht, so konnten wir mit den sieben anwesenden Bauarbeitern sprechen. Die zwei Schweizer signalisierten sofort, dass sie nichts von Gewerkschaften und Streik hielten. Dabei wurde es auch laut. Sprüche fielen wie: „ Ich habe schon immer nur auf mich geschaut“ etc. Diese Auseinandersetzung hatte aber leider einen demoralisierenden Effekt auf die anderen anwesenden KollegInnen. Wir sprachen dann rund 20 Minuten ohne die zwei Schweizer mit ihnen. Ein Kollege erzählt dabei auch von seinen Erfahrungen in Deutschland als damals der Kollektivvertrag fiel und es sofort zu einem massiven Preiskampf kam. Er verlor in der Folge auch seine Arbeit und warnte die anderen, dass in der Schweiz dasselbe droht. Drei von den fünf KollegInnen blieben still und warteten nur darauf wie sich der Fünfte (Vorarbeiter) entscheiden würde. Dieser liess sich aber leider schlussendlich nicht überzeugen. Da wir von Anfang an klar gemacht haben, entweder alle Fünf oder niemand, nahmen die KollegInnen die Arbeit auf. Wir konnten nichts mehr weiter tun. Nach unserem erfolglosen Versuch die Baustelle zu räumen haben wir untereinander natürlich sofort darüber diskutiert. Neben der Erkenntnis, dass halt hier sehr schnelle gruppendynamische Effekte zum Zuge kommen, haben wir zwei kleine „Lehren“ gezogen. Erstens wäre es gut wenn wir nächstes Mal mit viel mehr KollegInnen auf die Baustelle kämen, diese waren nämlich mobilisiert und es wäre ohne Mehraufwand möglich gewesen zu Zwanzigst auf die Baustelle zu marschieren. Die zweite Lehre wäre die KollegInnen, falls sie zögern, an Ort und Stelle noch einmal abstimmen zu lassen. Mit dem Vorschlag: Schaut KollegInnen, wir stimmen jetzt ab (in geheimen Wahlen auf Zetteln) und wenn die Mehrheit mitmacht kommen alle und wenn die Mehrheit arbeiten will arbeiten alle. So wäre es vielleicht möglich gewesen unsere Baustelle zu räumen. Zum Glück gelang dies aber andere Orten und noch ist nicht aller Tage Abend. Die Mobilisierungen müssen weitergehen bis die Baumeister in die Knie gezwungen sind. Es braucht eine gute Nachbereitung der Aktionen in jeder Sektion und die nächsten Streiks müssen vorbereitet werden um eine grössere Mobilisierung zu erwirken. Wir sollten jetzt weiter auf alle Baustellen gehen und den KollegInnen aufzeigen das bereits viele gestreikt haben und das wir nun alle streiken müssen und gleichzeitig diejenigen KollegInnen die gestreikt haben sofort als Vertrauensleute aufbauen.
Bern II
Wir gingen am frühen Morgen mit dem Car Richtung Niederwangen bei Bern los, um bei mehreren Baustellen zu versuchen, die Bauarbeiter vom Streik zu überzeugen. Bei unserer Baustelle der Marti AG warteten wir zu viert seit etwa 6:30 Uhr. Die Bauarbeiter trafen erst sehr spät ein und wir merkten bald, dass die Arbeiter von Marti zum grossen Teil auf eine andere Baustelle in der Nähe verlegt wurden und sich nicht bei den erwarteten Barracken besammelten. Als zwei Bauarbeiter der Baustelle doch noch bei uns vorbeikamen, versuchte ein italienisch-sprachiger Bauarbeiter und Unia-Vertrauensmann, der uns begleitete, die beiden vom Streik zu überzeugen. Sie zeigten sich grundsätzlich bereit, wollten allerdings die restlichen Arbeiter ebenfalls überzeugen und nicht als Einzelpersonen streiken. Unser Vertrauensmann ging ein wenig später ebenfalls zur Barracke, doch die Arbeiter waren bereits weg. Ein wenig später (etwa um 7:40 Uhr) passierte uns eine kleine Gruppe von Bauarbeitern, die auf der Baustelle einer anderen Firma arbeiteten, doch sie ignorierten uns, ebenso wie eine Gruppe von Bauarbeitern, die von einer anderen Richtung kommend doch noch zur Marti-Baustelle kamen. Es kann sehr gut sein, dass von Marti im Voraus Druck auf die Arbeiter ausgeübt wurde, um sie am Streik zu hindern.
Ostschweiz
Auch in der Ostschweiz waren die UniafunktionärInnen am frühen Morgen bereits unterwegs. Mit Hilfe von einigen Vertrauensleuten ging es um 5:30 nach der Besammlung los, um möglichst früh auf den Baustellen zu sein. Mehrere Baustellen, welche vorgängig Intensiv durch das Bauteam in Vorbereitung betreut wurden, wurden durch die FunktionärInnen abgeschlossen. Viele der Arbeiter der grössten dieser Baustellen äusserten sich noch am Vortag enorm kämpferisch und mit Begeisterung über die Aktion und die Mobilisierung und machten sogar Vorschläge wie die Baustelle am besten geschlossen werden könne. Doch bereits um halb sieben erschien der Polier und rief direkt nach dem entdecken der abgesperrten Baustelle seinen Vorgesetzten an. Darauf überstürzte sich das Geschehen. Der Polier klapperte alle Eingänge der Baustelle ab, nur um diese ebenfalls blockiert zu vorzufinden. Darauf rief er die Polizei Zwischenzeitlich schlichen einige der Bauarbeiter, welche erst tags zuvor ihre Teilnahme am Streik zugesichert haben, durch Schlupflöcher in der Absperrung auf die Baustelle. Bis die darauf eingerückte Polizei ihre Neutralitätspflicht verletzte, indem sie die durch die FunktionärInnen angebrachten Ketten zur Baustellenschliessung kurzerhand aufschnitten, unter dem Vorwand der „Baustellensicherheitsgewährung“ – in jenem Moment befanden sich vielleicht 10 Arbeiter auf der Baustelle. Die restlichen nun vollends eingeschüchterten Bauarbeiter bewegten sich sofort auf die Baustelle und begannen ihre Arbeit. Es braucht nicht viel Fantasie zu erahnen wie diese Bauarbeiter von ihren kämpferischen Aussagen tags zuvor zum Gehorsam gezwungen wurden.
Die Aktion endete mit einem relativ nüchternen Resultat welches dann aber doch aufgeheitert wurde durch die doppelt kämpferischen ArbeiterInnen welche uns begleiteten und Telefonate durch verschiedenste Bauarbeiter, die kurzerhand eigenständig auf Zürich gereist waren und uns dort erwarteten.
Zürich
4:00 Uhr morgens heisst es Aufstehen. 4:30 beginnt die Fahrt nach Zürich. Nach dem gestrigen Erfolg der Arbeitsniederlegung im Tessin, wo rund 3000 BauarbeiterInnen teilnahmen, war die Vorfreude auf den heutigen Tag entsprechend gross. Nach der Ankunft in Zürich gab es ein kurzes Briefing, darauf wurden Gruppen aus GewerkschaftsfunktionärInnen und AktivistInnen gebildet, welche die Bauleute auf ihren Baustellen in der Region Zürich mit Bussen abholen sollten. Im Bus gab es durch die Leiterin noch diverse Informationen zur Situation. Auf der ersten Baustelle verlief die Mobilisierung sehr harzig – niemand wollte wirklich an die Demonstration kommen, obwohl sie mit den Positionen der Gewerkschaften sympathisierten. Nach dem ersten Misserfolg zogen wir ab. Bei der nächsten Baustelle konnten wir mühelos ein paar Leute mobilisieren, weil der Bauherr sowieso beschlossen hatte, dass er die Baustelle gleich geschlossen behält. Dies zeigt ziemlich gut die Stimmung unter den Bauherren, welche sich noch bei andere Baustelle bemerken lies: lieber gaben sie den Tag frei, als dass die ArbeiterInnen von der Gewerkschaft an die Demonstration mobilisiert werden konnten.
Später wurden wir auf eine Baustelle angesetzt mit dem Ziel sie zu blockieren. Mit Trillerpfeifen und Krawall lenkten wir die Aufmerksamkeit der Bauarbeiter auf uns und suchte sofort das Gespräch mit ihnen, was der Bauführer gar nicht gern sah. Das Ziel dabei war es den Bauführer von den Arbeitern zu trennen, da diese in Abwesenheit ihres Chefs sich ohne Angst zur Aktion äussern können. Mit Androhung von Hausfriedensbruch wollte er uns von der Baustelle verweisen. Die Szenerie setzte sich soweit fort, dass sich einige der FunktionärInnen mit den Bauarbeitern in der Baracke verbarrikadierten und so der Bauführer daran gehindert wurde den Raum zu betreten. Er versuchte immer wieder uns zum Gehen zu bringen, mit der Begründung die Arbeiter die an den Protest gewollt hätten wären bereits gegangen, die übrigen seien aus freien Stücken hier geblieben. Die Freiheit dieser Wahl lässt sich angesichts der Drohungen des Bauherrn denken. Unsere Position blieb aber klar: Entweder er gibt seinen Arbeitern heute frei oder wir bleiben den ganzen Tag hier, aber heute soll niemand arbeiten müssen.
Der herbeigerufene Vorgesetzte des Bauherrn drohte uns mit der Polizei und einer Strafanzeige. Wir liessen uns durch die Drohungen nicht einschüchtern und blieben Standhaft. Auch dem Vorgesetzten blieb der Zugang zur Baracke verwehrt.
Die Stimmung unter den Arbeitern auf dieser Baustelle kann man hier klar erkennen. Würden die Arbeiter tatsächlich weiterarbeiten wollen, wäre es für sie eine Leichtigkeit gewesen die Baracke wieder zu verlassen, doch alle blieben. In den Gesprächen mit ihnen stellte sich heraus, dass sie Repressalien befürchteten. Einige Meinten sie seien sowieso schon auf der „schwarzen Liste“ des Chefs und die letzte Arbeitsniederlegung mussten sie mit Lohnabzügen bezahlen.
Die Situation geriet in eine Sackgasse – der Chef war nicht bereit mit uns zu verhandeln und wir waren nicht bereit die Arbeiter im Stich zu lassen. Es wurde den Arbeitern die Möglichkeit angeboten, den Druck auf den Chef zu verstärken indem mehr FunktionärInnen zur Verstärkung zur Baustelle aufgeboten würden. Doch diese Lösung lehnten die Arbeiter ab, da sie bei einem verschärften Kampf um ihre Stelle fürchteten. Nach rund 3 Stunden ausharren in der Baracke, blieb uns nichts anderes übrig als die Baustelle zu verlassen, da die Position des Chefs unerschütterlich blieb und die Bauarbeiter bei weiteren Schritten repressive Massnahmen fürchteten.
Es wäre nicht erstaunlich, wenn die Arbeiter diesen Kampf nun mit abgezogenen Arbeitsstunden bezahlen müssten und der Chef dies in Verantwortung der Unia stellt.
Bevor wir uns wieder auf den Versammlungsort am Hauptbahnhof zurückbegaben klapperten wir noch weitere Baustellen ab. Eine Baustelle war dabei die ganz abgeriegelt war, sodass diese nicht betreten werden konnte. Auf dem Weg zum Bahnhof meinte einer der Bauarbeiter: „Heute ist es wie an Sonntagen, kein Kran bewegt sich.“ Dies war eine ziemlich treffende Aussage um das Ausmass des heutigen Protesttages zu beschreiben. Hunderte von Baustellen standen in der Deutschschweiz still im Kanton Zürich allein waren es über hundert.
Demonstration in Zürich
Um 12 Uhr mittags versammelten sich die rund 3000 BauarbeiterInnen aus der ganzen Deutschschweiz im Zürcher Hauptbahnhof zum gemeinsamen Essen, nachdem sie zuvor an lokalen Protestaktionen zur Verteidigung des Landesmantelvertrags teilgenommen hatten. Mit der Bahnhofshalle wählte man einen strategisch interessanten Ort für die Mittagspause. Zahlreichen Pendlern wurde die Reise erschwert, weil der Zugang zu den Gleisen durch die Masse teilweise blockiert war. Die Aktion dauerte eine Stunde wurde von Reden auf Italienisch, Portugiesisch, Jugoslawisch und Deutsch begleitet.
Im Anschluss formierten sich die BauarbeiterInnen in der Bahnhofshalle zu einem Demonstrationszug. Hinter dem Frontbanner dominierten Unia-Fahnen, Mitglieder der christlichen Gewerkschaft Syna waren in der Minderzahl und vielen vor allem durch ihr hohes Alter auf.
Gemeinsam schritten die Demonstrierenden mit einem Umweg über die Bahnhofstrasse in Richtung Weinbergstrasse, wo sich der Hauptsitz des Schweizerischen Baumeisterverbands befindet. Diese Route und die Lautstärke der Demonstrationsteilnehmer erzeugten viel Aufmerksamkeit, welche noch unterstützt wurde von zwei begleitenden Fahrzeugen. Während auf dem einen erneut Reden gehalten wurden, transportierte das andere eine zwei Meter hohe 60er-Zahl-Statue. Diese platzierte man vor dem Hauptsitz des SBVs wo man die Zahl 60 und somit das Rentenalter 60 zementierte. Insbesondere um das Bestehen des Rentenalters ging es auch in den folgenden mehrsprachigen Reden. Es wurde aber auch auf die weiteren Forderungen des LMVs – besserer Schutz bei jeder Witterung und wirkungsvollere Instrumente gegen Lohndumping – Bezug genommen. Die Demonstrierenden konnten die Forderungen mit ihrer Unterschrift auf einer fünf Meter langen Tafel unterstützen.
Die Streikenden haben sich an diesem Protesttag sicher die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erkämpft. So behinderte der Demonstrationszug zum Beispiel die Zürcher Innenstadt ungefähr fünf Stunden lang.
Was heute gezeigt wurde ist zum einen ein starkes Zeichen an alle Baumeister, dass es die BauarbeiterInnen sind die dieses Land erbauen und ohne sie kein Kran sich bewegen würde. Und noch deutlicher wird, dass die sie bereit sind für ihre Errungenschaften weiter zu Kämpfen und es in der LMV Verhandlung nicht zulassen werden, auch nur einen Zentimeter rückwärts weichen zu müssen. Zum anderen zeigen die Erfahrungen dieser Tage das Potential zum Klassenkampf in der Schweiz an und war vor allem auch für die Deutschschweiz eine enorm wichtige Erfahrung.
Genf
In Genf streikten die MaurerInnen am Mittwoch. Doch sie waren nicht die einzigen Streikenden. Die Angestellten des Öffentlichen Dienstes streikten bereits den zweiten Tag (und am Nachmittag entschieden sie sich auch am Donnerstag noch zu streiken). So war der Demozug der Bauarbeiter durch einen grossen Block der öffentlichen Angestellten verstärkt. Doch zurück zum Bauarbeiterstreik.
Die Unia koordinierte die Streikorganisation mit zwei Sitzungen am Vortag (eine am Mittag, eine am Abend) um die Mobilisation auf eine Vielzahl von Aktivisten abzustützen. Die Bausekretäre, welche die letzten zwei Monate eine grosse Präsenz auf den Baustellen markiert hatten, hatten eine liste mit „unsicheren“ Baustellen gemacht, auf welchen die Maurer noch nicht ganz überzeugt waren oder wo mit speziell viel Druck von den Arbeitgebern zu rechnen war. Dazu muss gesagt werden, dass es in den vorherigen LMV-Verhandlungen noch nie so viel Druck und Taktik-Spielchen von Seiten der Bauherren gegeben hat. Die Angestellten der Firma „Maulini“ hatten zum Beispiel alle am Vorabend ein SMS bekommen, das ihnen Befahl, sich eine Stunde später als normal im Depot, und nicht direkt auf der Baustelle, einzufinden. Das komplizierte die Streikpostenorganisation erheblich.
Die Aktivisten wurden also auf je einen Sekretär aufgeteilt und einer Baustelle zugeteilt. Dort mussten sie am nächsten Tag ab 6:45 Uhr als Streikposten aufstellen. So wurden wir auf vier verschiedene Baustellen im ganzen Kanton aufgeteilt.
An den Streikposten wurden wir sehr direkt mit den aktuellen Problemen konfrontiert. Auf einer Baustelle war das Team klar zwischen Temporären und Fix-Arbeiter aufgeteilt. Die Temporären erklärten, sie könnten sich einen Streiktag nicht erlauben, was für einige Spannung im Team sorgte. Auf einer anderen Baustelle hatten die Chefs absichtlich eine Zementlieferung auf den Streiktag bestellt. Dies nahm der Vorarbeiter zum Anlass, den Druck auf die Arbeiter zu erhöhen. Schlussendlich kamen dann aber trotzdem zwei der sechs Maurer mit zur Demo und verliessen unter den bösen Blicken des Vorarbeiters das Metalltor der Baustelle.
Die Demonstration, welche pünktlich um 8:30 Uhr den Place des 22 Cantons verliess, war ein grosser Erfolg. Kurz vor der Mont Blanc Brücke reihte sich der Zug der öffentlichen Angestellten in die Demo ein. Dann marschierte der ganze Zug auf die Brücke und blieb dort stehen. Die Blockade dieser Brücke, welche der zentrale Verkehrsknotenpunkt von Genf ist, hat bei den Bauarbeitern Tradition. Als nach etwa eineinhalb Stunden die Sandwiches aufgegessen waren und es etwas stiller wurde bei den Bauarbeitern, stiess der Bock der streikenden MittelschüllerInnen unter tosendem Applaus bis zur Blockadenspitze vor. Nach gut zwei Stunden setzte sich der Demozug wieder in Bewegung. Auf der Höhe der Place de Neuve teilten sich die zwei Blöcke wider. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes stiegen zum Stadthaus hinauf, die Baurbeiter liefen noch weiter bis zum grossen Zelt auf dem Plainpalais-Platz.
Kurz vor der Ankunft lief noch eine Gruppe von Streikbrechern von Walo unbeabsichtigt mitten in den Demozug. Das setzte einige Gewerkschaftsgemüter natürlich in Rage. Nur dank einem unfreiwilligen 500-Meter-Sprint (unter lautem Gebrüll) konnte sich die Gruppe (relativ unversehrt) in Sicherheit bringen.
Im grossen Gewerkschaftszelt erwartete uns bereits eine heisse Suppe um uns wieder aufzuwärmen. Nach dem Essen wurde eine Resolution diskutiert und dann demokratisch angenommen, welche die Verhandlungsposition der Gewerkschaft am nächsten Verhandlungstermin mit den lokalen Bauherren einnehmen sollen.
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