Sozialismus sei der einzige Ausweg aus Krise des Kapitalismus, so die Führung der JUSO absolut korrekt. Doch wie kommen wir da hin? Über die Gretchenfrage sozialistischer Politik am Beispiel der Verstaatlichung der Swiss.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie und mit dieser der grössten Krise des Kapitalismus stellt die Bourgeoisie vor die Alternative: entweder die Gesundheit der Arbeiterklasse oder ihre Profite. Ihre Antwort: die Profite. Der bürgerliche Staat mit dem Bundesrat als Taktgeber versucht, die Profitwirtschaft zu retten. Diese Rettung kostet grausames Leid für die Arbeiterklasse. Die SP-Spitzen (mitsamt den linkeren Elementen in der SP) stellen sich – offiziell «bedingungslos» – hinter den Bundesrat. Damit stellen sie sich auf die Seite des Kapitals und lassen die Arbeiterklasse den Preis bürgerlicher Krisenpolitik bezahlen. Einzig die JUSO schert aus.
Radikal?
Die «Trennlinie» in dieser Krise verlaufe zwischen Kapital und Arbeit. Der Bundesrat sorge dafür, dass die «Kapitalgewinne nicht einbrechen». Die Lösung der Krise heisse Sozialismus. Wir, die marxistische Strömung in der JUSO, unterstützen diese Positionen der JUSO-Führung vollständig. Innerhalb dieses Systems in seiner grössten Krise gibt es nur einen Weg: eine lange Periode fettester Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Unterdrückten und Ausgebeuteten. Eine sozialistische Revolution, welche die Arbeiterklasse an die Macht bringt und die Produktivkräfte unter die bewusste demokratische Kontrolle der ProduzentInnen stellt, ist für die übergrosse Mehrheit der Menschheit der einzige Ausweg aus der Krise. Wie kommen wir da hin?
Wortradikal
Die JUSO-Führung stellte verschiedene, korrekte Forderungen auf: Shutdown aller nicht-«existentiellen» Bereiche der Wirtschaft, Verstaatlichung der Swiss, Unterstützung der Kinderbetreuung und Existenzsicherung von besonders prekären Schichten wie Sans-Papiers usw. Aber alle diese Forderungen geben dem bürgerlichen Staat das Zepter in die Hand, die Forderungen umzusetzen. Der bürgerliche Staat solle den Shutdown durchsetzen, die Swiss und den ganzen Flugverkehr menschen- und umweltfreundlich machen oder die prekären Existenzen sichern; Petitionen sind ihr Kampfmittel der Wahl. Auf der einen Seite benennt die JUSO-Führung den Klassencharakter der Krise und stellt radikale Forderungen auf. Auf der anderen Seite solle der bürgerliche Staat die Forderungen durchsetzen, die allesamt den Profitinteressen der Kapitalisten entgegenstehen. Der Staat ist aber das politische Machtorgan der Bourgeoisie und hat den Zweck, die Bedingungen der Profitwirtschaft zu garantieren. Die Politik der JUSO-Führung läuft auf die Selbstentmachtung der Bourgeoisie hinaus. So sind die Forderungen nicht umsetzbar. Das ist kein gangbarer Weg in den Sozialismus. Die radikalen Worte entpuppen sich als blosse Worthülsen.
Der einzige Hebel
Die «Corona-Krise» offenbart, dass es die Arbeitenden sind, die alles Wesentliche dieser Gesellschaft produzieren. Die Arbeiterklasse ist damit nicht nur eine leidende Klasse im Kapitalismus. Sie ist auch die Klasse mit der Macht, den Kapitalismus umzustürzen. Ihre eigene Aktivität ist der einzige Ausweg aus der Krise des Kapitalismus. Sie muss in den Kampf gezogen und organisiert werden. Nur wer das erkennt, kann einen Weg in den Sozialismus finden – und verfängt sich nicht in einer Stellvertreterpolitik, die den Staat der Kapitalistenklasse um eine Hilfe bitten muss, die er nie liefern wird. Was heisst das konkret? Schauen wir die Frage der Verstaatlichung der Swiss an.
Forderungen mit Rattenschwanz
Die Betriebe des Luftverkehrs liegen am Boden. Unter dem «freien Markt» wird es zu fetter Arbeitslosigkeit kommen. Die JUSO fordert korrekterweise die Verstaatlichung dieser Unternehmen. Wir fügen hinzu: Verstaatlichung ohne Entschädigungen der Grossaktionäre; Verteilung der verfügbaren und notwendigen Arbeit im Luftverkehr auf alle Arbeitenden; keine Entlassungen, keine Lohneinbussen. Wir dürfen keine Sekunde der Illusion verfallen, als ob der bürgerliche Staat diese Verstaatlichung von sich aus durchführte.
Verstaatlichung im Sinn des Kapitals könnte nur heissen: Entschädigungen für die Kapitalisten; «Verstaatlichung» der Kosten und Schulden; die Lohnabhängigen diese zahlen lassen; das «gereinigte» Unternehmen so schnell wie möglich wieder den Kapitalisten aushändigen. Nur die Arbeitenden selbst können die Umsetzung der Verstaatlichung in unserem Sinn sicherstellen. Demokratisch gewählte Komitees aller Arbeitenden in den Betrieben müssen die Einhaltung der Forderungen überprüfen und sie allenfalls mit Streik durchpauken. Die Sache hat einen Rattenschwanz.
Unternehmen und Sektoren sind keine Inseln, sondern miteinander verflochten. Der Luftverkehr ist abhängig von Industrie und Banken. Diese Abhängigkeit markiert die Schranke der Verstaatlichung und Planung eines einzelnen Sektors. Die wichtigsten Bereiche der Produktion und die Banken müssen allesamt verstaatlicht werden und unter die Kontrolle der Arbeitenden gestellt werden. Die verschiedenen Komitees müssen sich zusammenschliessen und die gesamten Hauptschlagadern der Wirtschaft kontrollieren – und bewusst planen. Nur so können die Bedürfnisse der Arbeitenden befriedigt werden.
Die Bourgeoisie und ihr Staat werden dieses ganze Spiel nicht mitspielen. Es greift ihre Herrschaft an, es ist ein Kampf gegen sie. Die Arbeiterklasse kann diesen nur gewinnen, wenn sie selbst die politische Macht ergreift. Sie braucht einen eigenen Staatsapparat, um den ganzen Rattenschwanz durchzuziehen.
Aufrüstung
Als SozialistInnen müssen wir diese Forderungen über alle unsere Kanäle direkt an die fortgeschrittensten Arbeiter und Arbeiterinnen richten. Wir müssen sie offensiv auffordern, in ihren Betrieben über diese Forderungen zu diskutieren; sich der JUSO anzuschliessen und mit uns für diese Forderungen zu kämpfen; und sie mit uns in die grossen Arbeiterorganisationen zu tragen – denn mit diesen wird die Klasse handlungsfähig.
Werden die Arbeiterorganisationen, die Kampforgane der Klasse, von Reformisten wie Levrat geführt, stellen sie ihren Charakter auf den Kopf. Die «Corona-Krise» entlarvt das. Die SP ist momentan eines der wichtigsten politischen Mittel der Bourgeoisie, um die Arbeiterklasse auszubremsen. Abgesehen davon, dass die Bersets an vorderster Front bei der Umsetzung der Angriffspolitik des Bundesrats stehen – abgesehen davon verticken die führenden SP-ler den Arbeitenden die Idee, dass «die ganze Nation» im selben Boot sitze und dass die Angriffe keine Angriffe seien, sondern Notwendigkeiten im Interesse «der ganzen Nation». Das ist ein Bärendienst fürs Kapital und das genaue Gegenteil davon, die Arbeitenden in den Kampf zu ziehen. Die Arbeiterorganisationen müssen wieder zu den Kampfmitteln der Swiss- und Kita-ArbeiterInnen, der Pflegerinnen und Verkäufer gemacht werden.
Die Führung der JUSO weist absolut korrekt darauf hin, dass wir nicht alle im selben Boot sitzen. Aber sie entlarvt nicht, dass die Führung ihrer Mutterpartei sich ans Fussende des Betts der Bürgerlichen legt – und damit die Passivität der Arbeiterklasse fördert. Die JUSO, als einzige organisierte linke Kraft in der SP, muss Druck aufbauen und der verräterischen Politik der SP-Spitzen ein kämpferisches Programm im Interesse der Arbeiterklasse entgegenstellen.
Konsequenz!
Der Sturz des Kapitalismus und die Etablierung des Sozialismus kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein. Diese Erkenntnis muss jeden Schritt und jedes Wort sozialistischer Politik durchleuchten und durchdringen: jeder Schritt und jedes Wort kann nur die Organisierung der Arbeiterklasse unter einem sozialistischen Programm zum Zweck haben. Keine Stellvertreterpolitik! keine Illusionen in den bürgerlichen Staat! Kampf für ein sozialistisches Programm in SP und Gewerkschaften!
Für die Redaktion
Jannick Hayoz
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