Die RKP gründet sich als Sektion der Revolutionary Communist International (RCI). Der Internationalismus ist Teil unserer DNA und unseres historischen Erbes.
Internationalismus ist für uns Kommunisten nichts Sentimentales. Der Kapitalismus ist ein Weltsystem. Nur die Weltrevolution kann den Kapitalismus beseitigen. Sozialismus in einem Land ist eine reaktionäre Utopie. Die Arbeiterklasse hat über die nationalen Grenzen hinweg das gemeinsame Interesse an ihrer Befreiung, am Sturz ihrer nationalen Bourgeoisien, an der kommunistischen Revolution. Das ist der Standpunkt des proletarischen oder revolutionären Internationalismus.
Das Kommunistische Manifest von Marx und Engels endet mit der historischen Aufgabe: «Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!»
Leninismus ist konsequentester Internationalismus. Unter Bedingungen von Weltkrieg, Repression und Verrat der sozialistischen Führer verteidigte Lenin die Prinzipien des Internationalismus gegen jeglichen Opportunismus. Und Lenin verstand Internationalismus als praktische Aufgabe: den Aufbau der kommunistischen Weltpartei als Werkzeug zur siegreichen Weltrevolution.
Im August 1914 durchschnitt der erste Weltkrieg den oberflächlichen Frieden zwischen den Grossmächten. Eine der grössten Tragödien der Menschheitsgeschichte begann. Nach vier Jahren waren es 18 Millionen Tote und über 20 Millionen Verstümmelte.
Es war ein reaktionärer Krieg, in dem die imperialistischen Räuber mit dem Blut europäischer Volksmassen die Neuaufteilung der Kolonien, Märkte und die Versklavung anderer Nationen unter sich ausmachten. Der Klassencharakter des Kriegs wurde in jedem Land durch eine gewaltige nationalistische Hetze überdeckt. Mit Worten wie «Sicherung des Friedens gegen die Aggressoren», «Verteidigung des Vaterlandes und Verteidigung der Demokratie» lügten die Imperialisten über ihre wahren Kriegsziele.
Doch die Wahrheit über den Klassencharakter des Weltkrieges wurde schlagender, je länger das Gemetzel dauerte. Ein Zeugnis der Stimmung in den Schützengräben gibt Henriy Barbusse in seinem Kriegstagebuch von 1916:
«’Weshalb schliesslich wird Krieg geführt?’ Weshalb, man weiss es nicht; aber für wen er geführt wird, das kann man sagen. Schliesslich wird man notgedrungen erkennen, dass, nachdem alle Nationen dem Kriegsgötzen die frischen Leiber von fünfzehnhundert jungen Männern täglich als Schlachtopfer bringen, es nur im Interesse einiger Führer geschieht, die man an den Fingern abzählen kann; dass sich ganze Völker herdenweise zur Schlachtbank führen lassen, damit eine goldbetresste Kaste ihre Prinzennamen ins Buch der Geschichte schreiben kann, und damit die anderen, ebenfalls goldgeschmückten Leute, die zur selben Gesellschaft gehören, mehr Geschäfte machen können – aus persönlichen Rücksichten und im Interesse einzelner Krämer also.»1
Noch schwerer wog der Verrat der sozialistischen Führer der Zweiten Internationale, der den Betrug der Imperialisten ergänzte und verschleierte. Federführend war die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die grösste Arbeiterpartei mit einer riesigen Autorität in der Internationalen.
Am 4. August stimmte die SPD-Parlamentsfraktion im Reichstag geschlossen für die Kriegskredite des deutschen Militarismus! Damit besiegelte die Führung das Todesurteil nicht nur der SPD, sondern der ganzen 2. Internationalen. Ihrem Beispiel folgten die französischen, britischen und österreichischen sozialistischen Führer.
Der Schock über diesen offenen Verrat war riesig. Jahrelang wurden internationale Friedenskonferenzen in Voraussicht des Krieges organisiert. Dieselben Führer verabschiedeten 1912 das Basler Manifest: Der kommende Krieg sei reaktionär im Interesse «des Profits der Kapitalisten». Im Falle des Kriegsausbruchs arbeite man für die «beschleunigte Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft» und brandmarke «das Schiessen der Arbeiter eines Landes auf die Arbeiter eines anderen Landes als Verbrechen».
Nun stellten sich diese Führer hinter ihre eigene Bourgeoisie und lieferten Millionen Arbeiter ans Messer. Der Verrat war komplett, die 2. Internationale war tot.
Nach der ersten Schockstarre traten die verschiedenen Strömungen nach wenigen Monaten an die Oberfläche. Die SPD-Parlamentsfraktion zeigt im Kleinen, was sich in der gesamten Internationalen Arbeiterbewegung abspielte.
Die Mehrheitsfraktion waren Sozialchauvinisten: Sie traten offen für den Krieg und den Burgfrieden (= Klassenfrieden) auf. Eine Minderheit rund um Haase und Kautsky spielte sich als «linke» auf, widersetzte sich aber dem rechten Flügel nicht, um «die Einheit zu wahren».
Karl Liebknecht stimmte im Dezember-Reichstag als einziger gegen weitere Kriegskredite. Dieser mutige Auftritt zog ihm sofort den Hass der Regierung auf der einen, die Sympathien aller klassenbewussten Arbeiter in den Schützengräben auf der anderen Seite zu.
Sein im Mai 1915 verfasstes Flugblatt titelte «Der Hauptfeind steht im eigenen Land». Das wurde zum wichtigsten Slogan der Internationalisten.
Lenin wurde in Polen vom Kriegsausbruch überrascht und reiste schnellstmöglich in die Schweiz. Hier nahm er sofort den Kampf auf zur Verteidigung des Internationalismus.
Der Krieg war der Lackmustest für die gesamte Arbeiterbewegung. Die sozialistischen Führer wandten sich im entscheidenden Moment von der internationalen Arbeiterklasse ab. Sie waren zum bürgerlich-nationalen Standpunkt übergelaufen.
Lenin zog daraus die Konsequenz: Die 2. Internationale wurde durch den Opportunismus ihrer Führer begraben. Es muss eine neue Internationale aufgebaut werden. Diese Frage entscheidet über Sieg oder Niederlage der kommenden Revolution.
Lenin’s praktische Hauptaufgabe damals war die Kaderbildung: die verbliebenen Internationalisten wieder auf den Granitboden des unabhängigen Klassenstandpunktes zu stellen.
«Nicht der ist ein Internationalist, der hoch und heilig versichert, er wäre einer, sondern nur der, der als wirklicher Internationalist die eigene Bourgeoisie, die eigenen Sozialchauvinisten, die eigenen Kauskyaner bekämpft»2
Der imperialistische Krieg stellte die Klassenfrage scharf. Entweder der Hauptfeind ist die gegnerische Kriegsnation. Dann stellt man sich auf den Boden der nationalen Einheit mit der eigenen Bourgeoisie. Oder der Hauptfeind steht im eigenen Land. Dann muss man den Klassenkampf gegen die eigene Bourgeoisie aufnehmen. Lenin’s Losung: den nationalen Krieg in den Bürgerkrieg umwandeln!
Lenin zog eine harte Linie in den Sand: Es brauchte den vollständigen Bruch mit allen Sozialchauvisten, die ins feindliche Lager ihrer Bourgeoisie übergelaufen waren. Lenin machte dies zur Hauptachse seines Kampfes zur Verteidigung des revolutionären Internationalismus.
Die «linken» Opportunisten vom Schlage Kautsky waren besonders gefährlich, da sie sich in Worten als Internationalisten ausgaben, in der Realität aber auf Schritt und Tritt den prinzipiellen Charakter des Krieges und den Verrat der Sozialchauvisten leugneten und vernebelten und diesen in Taten folgten.
Lenin führte einen besonders leidenschaftlichen Kampf gegen diese Wölfe im Schafspelz:
«Kautsky hasse und verachte ich jetzt am allermeisten: das ist dreckige, lumpige und selbstzufriedene Heuchelei. Es ist doch gar nichts passiert – so meint er –, die Prinzipien wurden nicht verletzt, alle hatten Recht, das Vaterland zu verteidigen. Der Internationalismus – man beliebe zu sehen – bestehe eben darin, dass die Arbeiter aller Länder ‘im Namen der Vaterlandsverteidigung’ aufeinander schiessen».3
Je länger der Krieg andauerte, umso mehr schwenkten die Kautskyaner unter dem Druck der Antikriegsstimmung auf Friedenslosungen um. Das machte Lenin rasend vor Wut:
«Wir müssen etwas tun: Revolutionsprogramm formulieren, die idiotische heuchlerische Friedensparole entlarven (…), den Arbeitern reinen Wein einschenken, um die Wahrheit zu sagen (…) Und die Wahrheit ist: entweder die beginnende revolutionäre Gärung unterstützen und fördern (dazu gehört die Parole der Revolution, des Bürgerkrieges, illegaler Organisation etc.) oder dämpfen zu wollen (dazu gehört die Parole des Friedens, die Verurteilung der Annexionen…).»4
Friedensapelle an die imperialistischen Kriegstreiber bringen nicht nur nichts, sondern schaden dem revolutionären Kampf zum Sturz der Kriegstreiber, der einzige Garant für einen nachhaltigen Frieden. Die Kautskyaner nutzten die Parole des Friedens, um ihre eigene Unterordnung unter die Kriegstreiber zu verstecken und den Klassenkampf zu lähmen.
Im Herbst 1915 fand die Zimmerwalder Konferenz statt. Das war das erste Treffen der Internationalisten mit 37 Delegierten aus zwölf Ländern. Lenin bildete den revolutionären Flügel, die den Opportunismus in all seinen Schattierungen bekämpfte. Mit der «Zimmerwalder Linken» legte Lenin auch organisatorisch den Grundstein für die neue Internationale.
Die Losung der Verwandlung des imperialistischen Kriegs in einen Bürgerkrieg war für Lenin keine abstrakte Phrase, sondern eine konkrete Perspektive. Lenin verstand den Internationalismus nicht als ein abstraktes moralisches Prinzip, sondern als praktische Aufgabe der Weltrevolution.
Den theoretischen Beweis erbrachte Lenin nicht nur nach einem gründlichen Studium von einer Unmenge an statistischem Material, sondern auch von Hegels dialektischer Methode. Resultat war das Meisterwerk «Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus».
Darin wies Lenin nach, dass der weltweite Kapitalismus seinen Zenit überschritten hatte. Die Produktivkräfte waren über den Nationalstaat hinausgewachsen. Die Aufteilung der Welt war abgeschlossen. Der imperialistische Krieg – die gewaltsame Neuaufteilung der Welt und die massive Vernichtung der Produktivkräfte – war die logische Folge.
Aber Lenin sah auch die dialektische Kehrseite der Sache: Der Kapitalismus im Niedergang eröffnet die Periode der Weltrevolution! Der imperialistische Krieg beschleunigt diesen Prozess und wird zur Hebamme des Bürgerkrieges: der Revolution.
In den ersten Kriegsjahren war Lenin mit dieser Perspektive selbst in revolutionären Kreisen isoliert. Beispielsweise hielt der Revolutionär Radek nach Kriegsausbruch in Zürich ein Referat, wo er ausführlich nachzuweisen versuchte, «dass die kapitalistische Welt für die sozialistische Revolution noch nicht reif sei».5 Und der Schweizer Sozialist Robert Grimm bezeichnete Lenins Positionen «Nahe dem politischen Delirium».6 Sie alle verstanden nicht, dass Lenin die Waffen für den kommenden Kampf schärfte.
Lenin liess sich nicht beirren: Die Epoche der Weltrevolution hatte begonnen. So konnte er in der schwärzesten Stunde der Isolation sagen: «Es ist kein Unglück, dass wir nur wenige sind. Es werden Millionen mit uns sein.»7 Er sollte recht behalten.
Die revolutionäre Flut kam. Die russische Revolution im Jahre 1917 läutete das Ende des imperialistischen Krieges ein. Die Weltrevolution hatte begonnen!
Die Arbeiterklasse stürzte unter Leitung von Lenin und Trotzki und den Bolschewiki den russischen Kapitalismus. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein Sowjetstaat der Arbeiter errichtet.
Lenin war in seinem ganzen Wesen als Revolutionär Internationalist. Er sah die Russische Revolution immer «nur» als Startpunkt der Weltrevolution. «Wir haben uns aber niemals Illusionen gemacht, dass man mit den Kräften des Proletariats und der revolutionären Massen irgendeines einzelnen Landes, wie heroisch sie auch gesinnt, wie vorzüglich sie auch organisiert und diszipliniert sein mögen, dass man mit den Kräften des Proletariats eines Landes den Weltimperialismus stürzen könnten – das kann nur durch die gemeinsamen Anstrengungen des Proletariats aller Länder geschehen.»8
Umso dringlicher war die Aufgabe, die Dritte Internationale zu gründen. Der Grundstein war von Lenin in der Zimmerwalder Linken gelegt worden. Jetzt galt es, das Kommunistische Banner für die Massen zu erheben. «Gerade wir müssen jetzt, ohne Zeit zu verlieren, eine neue revolutionäre, proletarische Internationale gründen, oder richtiger gesagt, wir dürfen uns nicht fürchten, vor aller Welt zu erklären, dass sie schon gegründet ist und wirkt.»9
Der Gründungskongress der Kommunistischen Internationale fand 1919 in Moskau statt – trotz Bürgerkrieg in Russland, als alle grösseren imperialistischen Mächte versuchten, die junge Sowjetmacht zu zerstören.
Die Kommunistische Internationale (Komintern) war eine wirkliche Internationale. Im Gegensatz dazu war die 2. Internationale immer nur ein loser Zusammenschluss von nationalen Parteien gewesen. Lenin nannte sie einen Briefkasten, da die Entscheide der nationalen Parteien nur als fertige Tatsachen kommuniziert wurden. Die Komintern war eine Weltpartei mit einem Programm zum Sturz des Weltkapitalismus. Das machte sie zum mächtigsten Werkzeug der internationalen Arbeiterklasse für die Weltrevolution!
Die Komintern wurde zum Gedächtnis der besten Lehren der internationalen Arbeiterbewegung, zur Kaderschmiede der Kommunistischen Parteien in allen Ländern. Bis heute sind die ersten vier Weltkongresse unter der Leitung von Lenin und Trotzki eine wahre Goldgrube an revolutionärer Taktik und Strategie, die jeder ernsthafte Revolutionär studieren sollte.
In den Folgejahren wurde die Komintern zu einer wirklichen Masseninternationale. Nach nur drei Jahren gehörten ihr bereits 1.2 Millionen Mitglieder aus 66 Ländern an und sie hatte kommunistische Massenparteien in den europäischen Zentren. In Deutschland 1923 hatte die blutjunge KPD die Hegemonie in der Arbeiterklasse erobert und stand vor der Aufgabe der Machtergreifung der Arbeiterklasse. Die Unerfahrenheit der KPD-Führung aber endete in der Niederlage der deutschen Revolution.
Die Weltrevolution war zum Greifen nahe: Krieg und Krise schufen in einem Land nach dem anderen revolutionäre Gärung, Massenstreiks und Aufstände. Aber die jungen Führer der Kommunistischen Parteien waren zu unerfahren. Die Revolutionen überrollten sie.
Die essentielle Lektion: Die revolutionäre Führung kann nicht im Feuer des Gefechts improvisiert, sie muss vorher aufgebaut und im Kampf gestählt werden.
Als Folge dieser Niederlagen und der Isolation der Russischen Revolution und dem Tod Lenins schwang sich eine Bürokratie mit Stalin an die Spitze der Sowjetunion. Das führte zur politischen Entmachtung der russischen Arbeiterklasse. Die Komintern fiel den engen Interessen der Bürokratie in Moskau zum Opfer.
Statt der Weltrevolution propagierte Stalin die Theorie vom «Sozialismus in einem Land» und die friedliche Koexistenz mit dem Kapitalismus. Der Stalinismus ist somit das direkte Gegenteil des Leninismus. Er repräsentiert den Rückfall vom Internationalismus in den Nationalismus.
Es ist die Aufgabe jedes Revolutionärs heute, Lenins wahres Erbe des revolutionären Internationalismus unter der Verfälschungen der Bürgerlichen wie der Stalinisten auszugraben.
Trotzki mit der linken Opposition und der Gründung der Vierten Internationale und danach die International Marxist Tendency – die Vorgängerorganisation der RCI – haben das wahre Erbe Lenins und der frühen Komintern konserviert und gegen alle Entstellungen verteidigt.
Der Leninismus ist die knallharte Verteidigung des revolutionären Internationalismus unter allen Umständen. Er ist eine Kampfansage an den (auch heute vorherrschenden) Opportunismus. Er verkörpert die besten Lektionen aus der internationalen Arbeiterbewegung und insbesondere die Geschichte des Bolschewismus. Und, in der Periode des verfaulenden Kapitalismus, ist er der Schlachtplan zur siegreichen Weltrevolution!
Das ist die mächtige DNA, auf der sich die Revolutionäre Kommunistische Internationale (RKI) im Juni 2024 gründet.
Wir werden beenden, was Lenin und die weltweiten Arbeitermassen vor hundert Jahren begonnen haben.
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