„Das große Alter der Menschheit ist bestimmt erwiesen“, schreibt der amerikanische Anthropologe Lewis Henry Morgan im Vorwort seines bahnbrechenden Werkes Die Urgesellschaft von 1877. Der Untertitel lautet Untersuchungen über den Fortschritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation. Die revolutionären Ideen in diesem Buch markierten einen vollständigen Umbruch im Untersuchungsgebiet der menschlichen Entwicklung und begründeten eine materialistische, evolutionäre Denkschule der Anthropologie. Diese Arbeit legte den Grundstein für Friedrich Engels‘ Meisterwerk: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Von Rob Sewell (Original hier)
Bis heute gab es zahlreiche Versuche, sowohl Engels‘ als auch Morgans Werke zu diskreditieren. Das Beweismaterial, mit Hilfe dessen sie ihre Theorien entwickelten, sei entweder nicht zuverlässig, veraltet oder sogar falsch. Es gebe keine Nachweise, so wird behauptet, für ihr „absurdes Schema“ von verschiedenen Evolutionsstufen der Familie, die mit der Entwicklung der Gesellschaft verknüpft sind. Die Forschung an zeitgenössischen „Jäger und Sammler“-Gesellschaften wird hergenommen, um die angebliche Fehlerhaftigkeit der Theorie von Engels und Morgan zu belegen.
Empirische Daten von [heutigen] „Jäger und Sammler“- Gesellschaften sind natürlich extrem wichtig für das Verständnis der menschlichen Frühgeschichte, trotzdem erschöpft sich darin die Frage noch bei weitem nicht. Sie sind nur eine von vielen Quellen, die berücksichtigt werden müssen. Diese Gesellschaften enthalten zwar Merkmale der urgesellschaftlichen Verhältnisse, haben sich aber auch weiterentwickelt und Kontakt mit entwickelteren Kulturen aufgenommen, was sie wiederum auf die eine oder andere Art beeinflusst hat. Um ein abgerundetes Bild über das Leben in der Urgesellschaft zeichnen zu können, muss ein breiter gefächertes Quellenmaterial berücksichtigt werden, nicht zuletzt auch die Mythologie und klassische Literatur.
Erstaunlicherweise tut die moderne Anthropologie solche Quellen als „unzuverlässig“ oder gar „unwissenschaftlich“ ab. Obwohl die Analyse dieser Zeugnisse eine gewisse Vorsicht erfordert, ermöglichen sie doch wichtige Einblicke und offenbaren Bruchstücke untergegangener alter Kulturen. Wer dieses Material einfach ignoriert, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Wer eine enge, orthodoxe Auffassung der Anthropologie vertritt, kann mit diesem enormen Schatz an Material aus anderen Feldern nichts anfangen. Gerade dieser erlaubt uns aber, wenn er entsprechend gewürdigt wird, ein Licht auf das Leben unserer entfernten Vorfahren zu werfen. Morgan und Engels verstanden diese Tatsache und das ermöglichte ihnen eine weit tiefere Einsicht in prähistorische Gesellschaften, als sie viele heutige Anthropologen haben.
Morgan kam während seiner Untersuchungen der menschlichen Frühgesellschaft sehr nahe an das Marxsche Konzept des historischen Materialismus heran.
Erfindungen und Entdeckungen bilden eine zusammenhängende
Reihe längs des Weges des menschlichen Fortschritts und verzeichnen dessen aufeinanderfolgende Stufen; die verschiedenen gesellschaftlichen Einrichtungen sind dagegen, vermöge ihrer Verbindung mit steten menschlichen Bedürfnissen, aus wenigen ursprünglichen Gedankenkeimen entwickelt worden. Sie bilden gleicherweise einen Massstab des Fortschritts. Diese Erfindungen, Entdeckungen und gesellschaftlichen Einrichtungen haben die wichtigsten Tatsachen verkörpert und erhalten, die uns heute noch die Kultur der Vergangenheit vor Augen führen. Wenn man sie zusammenhält und vergleicht, dann weisen sie auf die Einheit des Ursprungs der Menschheit hin, auf die Übereinstimmung der menschlichen Bedürfnisse auf gleicher Höhe der Entwicklung, und auf die Gleichförmigkeit der Tätigkeit des menschlichen Geistes unter gleichartigen gesellschaftlichen Verhältnissen.
Zum ersten Mal erfasste eine revolutionäre materialistische Auffassung die noch junge Disziplin der Sozialanthropologie, eine Ansicht, die die Entwicklung der Menschheit als eine Reihe einzelner, aber miteinander verschränkter Entwicklungsstufen ansah: Wildheit, Barbarei und Zivilisation, wobei sich jede dieser Stufen durch ihre eigenen charakteristischen Produktionsweisen und Überbau-phänomene auszeichnet. Indem er Schlüsse über den Zustand der Gesellschaft in diesen jeweiligen Stufen zog, brach Morgan mit der engen, empirischen Sichtweise seiner pragmatischen Zeitgenossen und wandte unbewusst die Methode des dialektischen Materialismus auf die Erkenntnis der frühen menschlichen Entwicklungsgeschichte an. Morgans Forschungen und seine Auffassung von Wissenschaft sind ebenso eine Revolution in der Anthropologie, wie Darwins Werk in der Evolutions-biologie.
Was die Ursprünge der Familie angeht – wie auch die Eigentumsverhältnisse im Allgemeinen – so knüpfte Morgan ihre Entwicklung an die verschiedenen Stadien der menschlichen Gesellschaft. Er schrieb:
Die Familie [ist] durch verschiedene aufeinanderfolgende Formen durchgegangen und hat grosse Verwandtschaftssysteme geschaffen, die sich bis auf unsere Tage erhalten haben.
Morgan, Lewis H. (1877/1987): Die Urgesellschaft. Untersuchungen über den Fortschritt der Menschheit
aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation. Promedia, Wien. S. XIV
Allerdings war er auch darauf bedacht, keine zu stark vereinfachenden Schlüsse zu ziehen, oder in einen vulgären „Unilinearismus“ zu verfallen – Vorwürfe, die ihm fälschlicherweise gemacht wurden. So erklärte er:
Wenn ich so bestimmt von den einzelnen Formen der Familie in ihrer Aufeinanderfolge spreche, so liegt die Gefahr eines Missverständnisses nahe. Ich will durchaus nicht behaupten, dass eine bestimmte Familienform unter einem bestimmen Gesellschaftszustand vollständig auftritt; dass sie überall und ausschliesslich dort herrscht, wo dieser Gesellschaftszustand sich findet, und dann in einer anderen, der nächsthöheren Form aufgeht.
Morgan, Die Urgesellschaft. S. 390f
Morgan erkannte, dass, obwohl es verschiedene Stufen gibt, durch die eine Gesellschaftsform hindurchgeht, der Gang der Geschichte oft widersprüchlich verläuft und kombinierte und ungleiche Elemente enthält. Sein Ansatz verkörpert einen tiefen Bruch mit den alten Ansichten des 19. Jahrhunderts und lieferte der anthropologischen Forschung eine völlig neue Grundlage.
Dieser radikale Ansatz ermöglichte auch eine neue Einsicht in die Unterdrückung der Frau und wie sie historisch mit dem Niedergang der urkommunistischen Gesellschaften und dem Aufkommen des Privateigentums zusammenfällt. Eine solche Auffassung war eine Herausforderung an das ganze Ideengebäude von der so genannten „ewigen“ patriarchalen Familie und der „natürlichen“ Unterlegenheit und Unterwürfigkeit der Frauen.
Die Wissenschaft erlaubt uns, die Welt, in der wir leben, zu verstehen. Sie hat es uns ermöglicht, ein Portrait der Vergangenheit zu malen und sogar die Ursprünge unserer eigenen Spezies zu begreifen. Wie in jedem wissenschaftlichen Forschungsfeld gibt es aber einen andauernden Konflikt zwischen den verschiedenen Richtungen in der Anthropologie darüber, mit welchen Betrachtungsweisen und Methoden die Vergangenheit interpretiert werden sollte. Die eine stützt sich weitgehend auf einen materialistischen, evolutionären Ansatz, während die andere die Vergangenheit mit den engen Vorurteilen der gegenwärtigen Klassengesellschaft betrachtet und dabei mithilft, die gängigen Vorstellungen von „natürlicher“ Ungleichheit, Männer- und Klassenherrschaft zu untermauern. Letztere stehen mit den Soziobiologen in Verbindung, die den Menschen als „nackten Affen“ betrachten – seine Instinkte seien genetisch bedingt und Kultur spielt nur eine sehr beschränkte Rolle bei ihrer Auswahl der Eigenschaften, die uns zum Menschen machen. Diese reaktionäre, anti-evolutionäre Denkschule – die von vorne bis hinten falsch ist – wird auch vom modernen Funktionalismus in den Werken von Talcott Parsons, Bronislaw Malinowski und Radcliffe-Brown verkörpert.
Der Marxismus, mit seiner eigenen, wissenschaftlichen Weltanschauung, hat ein besonderes Interesse an diesem Bereich der menschlichen Entwicklung. In der Tat verfolgten Marx und Engels beide mit grosser persönlicher Aufmerksamkeit die neuesten Entdeckungen der Wissenschaft. Diese bestätigten ihre eigene materialistische Philosophie. Die Gesetze der Veränderung können nur vom dialektischen Materialismus erklärt werden, für den die Welt nicht aus einer Sammlung vorgefundener, fertiger Dinge besteht, sondern aus komplexen Prozessen, die sich im stetigen Wandel zwischen Sein und Vergehen befinden. Mit dieser Methode konnten sie die Fortschritte der wissenschaftlichen Forschung auch erklären und weiter vertiefen, nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der Natur, wovon etwa Engels‘ Dialektik der Natur zeugt.
Marx und Engels erklärten, dass die Entdeckungen von Charles Darwin, trotz seiner manchmal plumpen Formulierungen, einen revolutionären Durchbruch in der Biologie und Evolution darstellten. Während sie alle rückschrittlichen Ideen kritisierten, zollten sie jedem Schritt nach vorne in den modernen Wissenschaften grosse Aufmerksamkeit.
Engels schrieb:
Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Diese ist aber selbst wieder doppelter Art. Einerseits die Erzeugung von Lebensmitteln, von Gegenständen der Nahrung, Kleidung, Wohnung und den dazu erforderlichen Werkzeugen; andrerseits die Erzeugung von Menschen selbst, die Fortpflanzung der Gattung. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, unter denen die Menschen einer bestimmten Geschichtsepoche und eines bestimmten Landes leben, werden bedingt durch beide Arten der Produktion: durch die Entwicklungsstufe einerseits der Arbeit, andrerseits der Familie.
Im vorliegenden Buch, S. 40
In anderen Worten: Wie die Menschen leben wird bestimmt durch die Entwicklungsstufe der Produktivkräfte auf der einen, die Organisation der Familie auf der anderen Seite.
Für Marx und Engels waren die massgeblichen Entdeckungen, nicht nur von Charles Darwin, sondern auch vom amerikanischen Anthropologen Lewis Henry Morgan, die Bestätigung ihrer materialistischen Anschauung. Engels erklärte:
Hatte doch Morgan die von Marx vor vierzig Jahren entdeckte materialistische Geschichtsauffassung in Amerika in seiner Art neu entdeckt und war von ihr, bei Vergleichung der Barbarei und der Zivilisation, in den Hauptpunkten zu denselben Resultaten geführt worden wie Marx.
Im vorliegenden Buch, S. 39
Marx war so beeindruckt vom Werk Morgans, dass er 1880-1881 dessen Urgesellschaft ausführlich exzerpierte und zusammenfasste, Notizen, die später unter dem Titel Die Ethnologischen Exzerpthefte herausgegeben wurden. Seine Absicht war es, eine Schrift über Morgans Entdeckungen zu verfassen, um damit ihre ganze Bedeutung zur Geltung zu bringen. Sein schlechter Gesundheitszustand und sein schlussendlicher Tod im Jahr 1883 verunmöglichten dieses Vorhaben. Die Aufgabe fiel seinem Freund und Mitstreiter Engels zu, der sie innerhalb von einem Jahr nach Marx‘ Tod mit der Veröffentlichung vom Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats vollendete.
Während Marx seine Schlussfolgerungen über die gesellschaftliche Entwicklung aus dem historischen Faktenmaterial der Klassengesellschaften (nämlich der Sklavenhaltergesellschaft, dem Feudalismus und dem Kapitalismus) gezogen hatte, stützte sich Engels auf Morgans Werk („so entscheidend wie Darwin für die Biologie“), um die materialistische Sicht auf die menschliche Frühgeschichte zu erläutern – die Epoche des Urkommunismus und des späteren Aufkommens der Klassengesellschaft. Engels übernimmt in seinem Buch Morgans historische Einteilung in Wildheit, Barbarei und Zivilisation, die wiederum in niedere und höhere Stufen unterteilt sind. Im Ursprung der Familie behandelt er vor allem die ersten beiden gesellschaftlichen Stufen, insbesondere die Zeit vor der Klassengesellschaft bis zum Niedergang des Urkommunismus, dem Aufkommen des Privateigentums und des Staats und dem Triumph der patriarchalen Familie über das „Mutterrecht“.
Der berühmte materialistische Archäologe Prof. V. Gordon Childe schrieb dazu:
[Morgan] hatte genau die Art von Daten zusammengetragen, die sich zur Untermauerung der materialistischen Geschichtsauffassung eigneten. Die von ihm zur Unterscheidung von Wildheit, Barbarei und Zivilisation benutzten Kriterien kamen, wenn sie auch nicht genau mit den ‚Produktivkräften‘, noch weniger mit den ‚Produktionsweisen‘ übereinstimmten, diesen doch näher als die von irgendeiner anderen Schule dieser Zeit dargelegten Kriterien.Childe, Gordon V. (1975): Soziale Evolution. Suhrkamp, Frankfurt am Main. S. 22.
Childe schliesst:
Schliesslich konnte Engels auf brillante Weise den Übergang von einer Stufe zur anderen in Morgans Schema mit den Veränderungen der Produktivkräfte verbinden, die der Gesellschaft zur Verfügung standen.
Childe, Gordon V. (1975): Soziale Evolution. Suhrkamp, Frankfurt am Main. S. 22.
Die früheste von Morgan beschriebene Epoche, die Wildheit, basiert auf einer Jäger- und Sammlerökonomie. Sie bestand für ca. 98 Prozent der menschlichen Existenz auf der Erde und deckt alles ab, was die Archäologie heute Paläolithikum oder Altsteinzeit nennt, in der Sprache der Geologie auch Pleistozän.
Vor rund 10.000 bis 12.000 Jahren konnten einige Gesellschaften im „Fruchtbaren Halbmond“, wo das Klima und die Ressourcenlage günstig waren, ihre Lebensmittelversorgung durch Ackerbau und Viehzucht verbessern, was eine neue Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung eröffnete. Es war die Geburtsstunde der Landwirtschaft, der Domestizierung von Tieren und des Auftauchens stabiler Dorfgemeinschaften. Diese neue, lebensmittelproduzierende Wirtschaft wurde von Morgan als Barbarei bezeichnet und wird von den Archäologen heute Neolithikum oder Jungsteinzeit genannt. Mit dem Aufkommen der Landwirtschaft kam es zu einem rapiden Rückgang der nomadischen „Jäger und Sammler“-Lebensweise, die für zwei Millionen Jahren die menschliche Existenz bestimmt hatte. Obwohl wir hier von Verallgemeinerungen sprechen, die genauer bestimmt werden müssen, handelt es sich um wichtige Unterteilungen, die es uns erlauben die Entwicklung der Gesellschaft zu verstehen.
Die nächste von Morgan beschriebene Stufe war die der Zivilisation, deren Wiege in den Tälern des Nils, des Euphrat und Tigris sowie des Indus liegt. Sie kennzeichnet sich durch einen Nahrungsmittelüberschuss, der das Entstehen und Wachsen einer städtischen Lebensweise ermöglichte. Die ersten 2000 Jahre der Zivilisation fallen mit dem archäologischen Begriff der Bronzezeit zusammen. Sie stellt den wirtschaftlichen Ursprung der von Marx so genannten Asiatischen Produktionsweise (in Ägypten, China und Mesopotamien), sowie für die Sklavenhaltergesellschaft (in Griechenland und Rom) dar und kündigte den Anbruch der Klassengesellschaft an. Eine kleine Minderheit in der Bevölkerung konnte sich von der Last der Arbeit freimachen und erlangte so die notwendige Zeit, um sich völlig der Kultur, Wissenschaft oder Kunst zu widmen. In diesem Sinne war es ein revolutionärer Umbruch.
Hinsichtlich unserer eigenen (menschlichen) Ursprünge könnte sich der Übergang vom Affen zum Menschen bereits vor 6 Millionen Jahren vollzogen haben, als die ersten Hominiden entstanden. Das war der Anbeginn der Wildheit und die Anfangsphase der Menschheit. Engels erklärte unsere Ursprünge in seinem genialen Essay Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen aus dem Jahr 1876, das er fünf Jahre nach dem Erscheinen von Darwins Abstammung des Menschen und nur 20 Jahre nach der ersten Entdeckung von Überresten der Neandertaler verfasste. Trotz sehr beschränkten fossilen Indizien konnte Engels mit der Methode des dialektischen Materialismus den evolutionären Prozess hervorragend beschreiben. Er beginnt folgendermassen:
Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums, sagen die politischen Ökonomen. Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.
Engels, Friedrich (1876): Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, in: MEW Bd.20 (1978). Dietz Verlag, Berlin. S. 444.
Engels erkannte, dass mit dem aufrechten Gang „der entscheidende Schritt getan für den Übergang vom Affen zum Menschen. … Die Hand war frei geworden und konnte sich nun immer neue Geschicklichkeiten erwerben.“ Deshalb, so Engels, „ist die Hand nicht nur das Organ der Arbeit, sie ist auch ihr Produkt.“ Er fährt damit fort, dass sich daraus weitere revolutionäre Konsequenzen ergeben: „Aber die Hand stand nicht allein. Sie war nur ein einzelnes Glied eines ganzen, höchst zusammengesetzten Organismus. Und was der Hand zugutekam, kam auch dem ganzen Körper zugute.“ Engels erklärt, wie der erste aufrechte Gang die Hand für den Gebrauch von Werkzeugen befreite, was wiederum die Intelligenz (Grösse des Gehirns) erhöhte und später zur Entwicklung der Sprache führte. Die ersten Werkzeuge wurden vor 2,5 Millionen Jahren hergestellt, während der Homo sapiens sich vor etwa 100.000 Jahren entwickelt hat.
Diese Elemente der menschlichen Evolution wurden von Darwin zwar erwähnt, Engels veränderte aber die Reihenfolge ihres Erscheinens auf entscheidende Art und Weise. Darwin ging davon aus, dass das Gehirn, und damit der Verstand, noch vor der „Zweibeinigkeit“ und dem Gebrauch der Werkzeuge anwuchs, wohingegen Engels die Reihenfolge richtigerweise genau umgekehrt verortete. Der Idealismus Darwins wurde materialistisch vom Kopf auf die Füsse gestellt.
Es ist sehr schwer zu rekonstruieren, wie diese Menschen lebten. Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Bereichen – Zoologie, Anthropologie, Paläontologie und Archäologie – beteiligen sich an dieser Rekonstruktion. Der Mensch ist ein soziales Tier. Frühe Menschen schlossen sich zusammen, um zu überleben und Schutz zu finden. Zusammenarbeit war deshalb ein wesentlicher Faktor bei der Formung der menschlichen Gesellschaft. „Meiner Ansicht nach war der Gesellschaftstrie einer der wesentlichsten Hebel der Entwicklung des Menschen aus dem Affen.“, so Engels. Auch wenn man wegen des Mangels an Quellenmaterial nur Spekulationen über das Leben dieser frühen Menschengruppen anstellen kann, lieferten die Paläontologie und die Anthropologie wichtige Hinweise. Wie diese Informationen interpretiert werden ist allerdings zentral für ein Verständnis der frühen Menschenleben.
Es ist klar, dass das Leben in der Epoche der Wildheit – die die überwiegende Zeit unserer Existenz auf diesem Planeten ausmachte – vom Jagen und Sammeln geprägt war. Überreste von menschlichen Lagerstätten offenbaren, dass unsere Vorfahren in sozialen Gruppen lebten. Werkzeuge aus Stein wurden hergestellt, um Wurzeln auszugraben, Tierhäute abzuschaben und zu jagen. Die Suche nach Aas war ebenfalls ein wichtiger Teil unserer frühen Entwicklung. Zu diesem Zeitpunkt gab es Dinge wie Privateigentum, Klassen, Geld oder den Staat nicht. Tatsächlich war es, um einen marxistischen Begriff zu gebrauchen, die Zeit des „Urkommunismus“, einer egalitären Gesellschaft, in der alles gemeinsam produziert und konsumiert wurde und in der Frauen ein hohes Ansehen genossen. Bis heute wird diese Ansicht von allen führenden Schulen der Anthropologie heftig abgelehnt. Die blosse Idee einer kommunistischen Lebensführung wurde ausgeschlossen. Sie liess sich nicht mit den Vorurteilen einer Klassengesellschaft, die die Perspektive der modernen Anthropologie widerspiegelt, in Einklang bringen.
Die Anthropologen des 19. Jahrhunderts, Lewis Henry Morgan in den USA und Edward Tylor in England, bereiteten trotz aller Unzulänglichkeiten den Weg für eine materialistische Auffassung in der Anthropologie und leisteten tiefgreifende Beiträge in dieser Wissensdisziplin. Marx und Engels erkannten das an. Anstatt aber auf ihren Leistungen aufzubauen, gab es vorsätzliche Versuche sie zu diskreditieren. So wie die modernen bürgerlichen Wirtschaftswissenschaftler die klassischen Ökonomen wegen der Arbeitswerttheorie unter den Tisch fallen lassen, kehren die heutigen orthodoxen Anthropologen Morgan und Tyler den Rücken zu. Aus diesem Grund ist es wichtig, sie als echte Wissenschaftler zu verteidigen und gegen die reaktionären Strömungen (verkörpert durch die Denkschule des Funktionalismus, die eine abstrakte, unhistorische Sicht auf „Kultur“ vertritt) aufzutreten.
Nichtsdestotrotz wird die Theorie vom „Urkommunismus“ angesichts der erdrückenden Beweislage aus „Jäger und Sammler“-Gesellschaften von immer mehr Anthropologen akzeptiert. Richard Lee schreibt:
Vor dem Aufstieg des Staates und der sich verfestigenden sozialen Ungleichheit lebten Menschen für Jahrtausende in kleinen, auf der Sippe basierenden, sozialen Gruppen, deren wichtigster Ausdruck des wirtschaftlichen Lebens im kollektiven und gleichen Besitz an Boden und Ressourcen, sowie in gegenseitiger Unterstützung in der Nahrungsverteilung und relativer Egalität in der politischen Entscheidungsfindung bestand.
Lee, Richard (1988): Überlegungen zum Urkommunismus, in: Dieter Reinisch (Hg.) (2012): Der Urkommunismus. Promedia, Wien. S. 112.
Die orthodoxe Anthropologie lehnt das Konzept des „Urkommunismus“ für diese Epoche nicht nur ab, sondern stellt dem auch das Bild einer primitiven, brutalen, gewalttätigen und von Männern beherrschten Gesellschaft entgegen. „Der Mensch ist ein Mensch und kein Schimpanse, weil er während seiner Entwicklungszeit von vielen Millionen Jahren für seinen Lebensunterhalt tötete,“ meint Robert Ardney. Raymond Dart schreibt nach der Entdeckung der ersten Australopithecus-Überreste vom „raubtierhaften Übergang vom Affen zum Menschen.“
Jüngere Funde von „Jäger und Sammler“-Völkern stellen diese Ansicht jedoch in Zweifel. Gestützt auf ihre Beobachtungen der !Kung San im nördlichen Botswana und anderer Völker kamen Richard Leakey und Roger Lewin zu dem Schluss, dass die gegenwärtige Quellenlage „darauf hinweist, dass eine solche Kooperation zwischen grösseren Gruppen von Jägern ein Schlüsselelement der Entwicklung des Menschen ist… Die Zusammenarbeit muss ein sehr grundlegendes Merkmal der menschlichen Natur sein.“
In einer eigenen Studie zeigt Patricia Draper die Zusammenarbeit und Gleichheit auf, die zwischen den Geschlechtern herrscht. Sie schreibt: „Die Frauen der !Kung vermitteln den Eindruck von Selbständigkeit und einem ausgeprägten Sinn für Selbstachtung.“ Sie seien „lebhaft und selbstbewusst.“ !Kung Frauen tragen gleich viel wie die Männer zur Nahrungsbeschaffung bei, wenn nicht sogar mehr. Sie behalten auch die Kontrolle über das Essen, das sie sammeln. Das Sammeln gilt bei ihnen als Frauenarbeit, wie in den meisten „Jäger und Sammler“-Gesellschaften, während die Männer jagen. Allerdings sammeln auch die Männer zu gewissen Zeiten und holen Wasser.
Das Netz, das diese Gesellschaften (sowohl innerhalb der Clans, als auch zwischen ihnen) zusammenhält, ist die Verwandtschaft. Morgan und Engels beschreiben nicht nur eine einfache Zusammenarbeit in diesen frühen „Jäger und Sammler“-Gesellschaften. Da alle Nahrungsmittel – die Grundlage ihres Lebens – gemeinschaftlich gesammelt, geteilt und verzehrt wurden, herrschte auch Gleichheit in den Beziehungen zwischen Mann und Frau.
„Viele der grundlegenden Organisationsmerkmale dieser „Jäger und Sammler“-Gruppe tragen zu einem entspannten und egalitären Verhältnis zwischen Männern und Frauen bei“, schreibt Draper. Morgan leistete heftigen Widerstand gegen die seinerzeit verbreitete Annahme, dass diese Frühgesellschaften „patriarchal“ oder von Männern beherrscht waren. Im Gegenteil war er wie auch Engels der Ansicht, dass Frauen in der Urgesellschaft hohes Ansehen genossen. Diese Beobachtung entstammte Morgans genauer Untersuchung der Irokesen in Nordamerika, bei denen die Frauen eine hohe Stellung innerhalb des Stammes einnahmen, und wird von zahlreichen zeitgenössischen Studien bekräftigt.
Wie die obige Beschreibung der !Kung verdeutlicht, sind die Frauen den Männern gleichgestellt; ihre gemeinschaftliche Wirtschaft basiert auf der Produktion für den Gebrauch. Das Land „gehört“ der Gruppe und wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Es gibt zwar eine Arbeitsteilung, aber keine Ausbeutung, keinen Mehrwert, keine Herrschaft oder Klassenverhältnisse. Dementsprechend gibt es auch keine Konkurrenz und kein „Jeder gegen Jeden“, wie in einer kapitalistischen Gesellschaft. An deren Stelle stehen Kooperation, Teilen und ein allgemeines Geben und Nehmen. Heckewelder schreibt:
Die Indianer denken, der Grosse Geist habe die Erde und alles was sie bietet zum gemeinsamen Nutzen aller Menschen geschaffen. Als er sie mit Früchten bedeckte und mit Wild bevölkerte, so tat er dies nicht zum Nutzen einiger, sondern zum Wohle aller […] Sie würden lieber Hunger leiden, als den Bedürfnissen des Fremden, des Kranken oder des Bedürftigen, die alle ein Anrecht haben, dass ihnen auf Kosten des Allgemeinbesitzes geholfen wird, nicht nachzukommen. So war zum Beispiel das Fleisch, das man ihnen anbietet, vorher im Allgemeinbesitz in den Wäldern. Das Wild war im Besitz aller, bevor es vom Jäger erlegt wurde. Mais und Gemüse wuchsen auf gemeinschaftlichem Boden, nicht durch das Zutun des Menschen, sondern durch den Willen des Grossen Geistes.
Zitiert in: Lafargue, Paul (1890): Rousseau und die Geschichte, in: Fritz Keller (Hg.) (2004): Essays zur Geschichte, Kultur und Politik. Dietz Verlag, Berlin; online: marxists.org/deutsch/archiv/lafargue/1890/03/rousseau.htm
Auf der Stufe des, um es mit Engels‘ Worten zu sagen, „regellosen Geschlechtsverkehrs“, wo innerhalb eines Stammes jede Frau allen Männern und jeder Mann allen Frauen gehörte, existierte notwendigerweise eine Art „Mutterrecht“. Nachdem ein solcher Zustand jede sichere Vaterschaft ausschliesst, konnte die Abstammung nur an der weiblichen Linie festgemacht werden. Dies muss allgemein gegolten haben. Dadurch, dass die Mutter das einzige sicher feststellbare Elternteil des Kindes war, wurde Frauen ein hohes Mass an Achtung und Ansehen gezollt. Diese revolutionäre Ansicht stammt vom deutschen Historiker Bachofen und seiner Untersuchung über die Familie Das Mutterrecht aus dem Jahr 1861, für Engels eine „vollständige Revolution“.
„Die Beweise für diese Sätze findet Bachofen in zahllosen, mit äusserstem Fleiss zusammengesuchten Stellen der altklassischen Literatur“ schreibt Engels. Bachofens Interpretation der Orestie von Aischylos zeigt den Konflikt zwischen dem untergehenden Mutterrecht und des aufsteigenden Vaterrechts im Heroenzeitalter. Heute würden solch wertvolle Erkenntnisse und Belege von vielen Anthropologen als unwissenschaftlich abgetan werden. Gerade aus solchen Beobachtungen kann aber, wenn man sie sorgfältig untersucht, das wahre Bild nachgezeichnet werden. Engels selbst schreibt,
dass die altklassische Literatur uns Spuren in Menge aufzeigt, wonach vor der Einzelehe in der Tat bei Griechen und Asiaten ein Zustand existiert hat, worin nicht nur ein Mann mit mehreren Frauen, sondern eine Frau mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrte, ohne gegen die Sitte zu verstossen.
Im vorliegenden Buch, S. 47.
Morgan vertrat die Ansicht, dass die früheste Form der Familie der kommunistische Haushalt war, eine Gruppe mit gemeinschaftlichem Eigentum – eine Gens oder ein Clan – die er persönlich bei den nordamerikanischen Ureinwohnern beobachtet hatte. Er stellte fest, dass diese auf dem Mutterrecht (oder der matrilinearen Abstammung) fussten, das dem erst später aufkommenden Vaterrecht vorausging. Das war ein revolutionärer Durchbruch für das wissenschaftliche Verständnis. In der modernen Anthropologie wird heute der Begriff „Lineage“ (oder Abstammungsgruppe) für Gens oder Clans verwendet. Innerhalb der Gens herrschte allgemeine Gleichberechtigung bei der Entscheidungsfindung und alle arbeiteten zusammen an der Produktion der täglichen Gebrauchsgüter. Früh müssen sexuelle Tabus entstanden sein, um die Ordnung innerhalb und zwischen den Familien aufrechtzuerhalten.
Nach der Phase des „regellosen Verkehrs“, d.h. in den frühesten „Blutsverwandtschaftsfamilien“, verboten die Menschen sexuelle Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, liessen aber Verhältnisse zwischen Brüdern, Schwestern und Cousins innerhalb der Gens zu. Diese wurden später in der „Punaluafamilie“, in der die Gruppenehe zwischen verschiedenen Sippen praktiziert wurde, untersagt. „Es ist also klar,“ schreibt Engels „dass, soweit Gruppenehe besteht, die Abstammung nur von mütterlicher Seite nachweisbar ist, also nur die weibliche Linie anerkannt wird.“ Erst mit der Viehzucht und dem Ackerbau entsteht, laut Engels, die „Paarungsfamilie“, in der ein Mann mit einer Frau zusammenlebt.
Modernes anthropologisches Material, das eher auf viel losere Beziehungsformen zwischen und innerhalb von Gruppen hinweist, bekräftigt diese Abfolge zwar nicht, trotzdem können Engels‘ Ansichten nicht einfach abgewiesen werden. Die Gruppenehe war mit Sicherheit in bestimmten Gesellschaften möglich, und weit gefasste Familienbande existieren noch heutzutage. Wir können nicht sagen, dass Engels‘ frühmenschliche Entwicklungsfolge völlig ausgeschlossen ist – es gibt schlicht und einfach keine Belege. Jedenfalls sind die heutigen „Jäger und Sammler“-Gesellschaften durch den Einfluss von Kapitalismus und Imperialismus nicht notwendigerweise dieselben, wie am Beginn der Menschheit.
Lewis Henry Morgan war der Meinung, dass der Begriff „Familie“ (abgeleitet vom lateinischen Wort für Diener) nicht zweckmässig für das Verständnis der verwandtschaftlichen Ordnung in der Urgeschichte ist. Tatsächlich müsse sich die moderne Familie in irgendeiner Art aus den Clanstrukturen der Vergangenheit herausgebildet haben. Er erklärte, und dasselbe wiederholte auch Engels, dass die Verwandtschaft, der Gedanke einer gemeinsamen Abstammung und Herkunft, die Grundlage aller sozialen Beziehungen war. Es ist nicht einfach, zu einem Verständnis der Verwandtschaft zu gelangen, die sich durch alle möglichen verschiedenen Systeme und komplexen Regeln auszeichnet. Das hat zu allen möglichen Kontroversen geführte. Morgan benutzte den Begriff Gens um seine Analyse der Verwandtschaft zu charakterisieren. Nach der Auffassung von Morgan und Engels waren Verwandtschaft und Territorium die Grundlagen aller Gesellschaften vor dem Aufkommen des Staates.
In der Familienform, die damals existiert haben muss, war unsicher, wer der Vater eins Kindes ist. Aber es war klar, wer die Mutter war. Engel schreibt:
Es ist also klar, dass, soweit Gruppenehe besteht, die Abstammung nur von mütterlicher Seite nachweisbar ist, also nur die weibliche Linie anerkannt wird. Dies ist in der Tat bei allen wilden und der niederen Barbarenstufe angehörigen Völkern der Fall.
Im vorliegenden Buch, S. 81
Moderne Anthropologen bezeichnen das als matrilinear. Engels schreibt diese Entdeckung Bachofen zu, der dafür den Begriff „Mutterrecht“ verwendete. Obwohl er den Begriff, „der Kürze wegen“, übernimmt, findet er ihn „schief, denn auf dieser Gesellschaftsstufe ist von Recht im juristischen Sinne noch nicht die Rede.“ Morgan schreibt:
Da wo die Abstammung in der Mutterfolge stattfindet, wie dies in der älteren Periode allgemein war, ist die Gens zusammengesetzt aus einer vorausgesetzten Urältermutter und deren Kindern, nebst den Kindern ihrer weiblichen Deszendenten und setzt sich so ununterbrochen fort in der weiblichen Linie, und ebenso besteht die Gens da, wo die Abstammung in der Vaterfolge stattfindet – und diese Änderung fand statt, nachdem das Privateigentum grösseren Umfang angenommen hatte –, aus einem angenommenen Urahnherrn und seinen Kindern, nebst den Kindern seiner männlichen Deszendenten, und setzt sich ununterbrochen fort in der männlichen Linie. Auch unter uns selbst ist der Familienname ein Überlebsel des Gentilnamens, mit Abstammung in der Vaterfolge und Vererbung in derselben Weise. Die moderne Familie, so wie sie durch ihren Namen bezeichnet wird, ist eine unorganisierte Gens, deren Verwandtschaftsbande gelöst und deren Mitglieder so weit zerstreut sind, als der Familienname sich vorfindet.
Morgan, Die Urgesellschaft. S. 53.
Morgan lebte selbst unter den Stämmen der Irokesen, die matrilineare Abstammung hatten. Eine soziale Vaterschaft existierte sogar dort, wo der Vater unbekannt war. Das scheint bei den meisten nordamerikanischen Indigenen der Fall zu sein, wenn auch nicht bei allen. An der Nordwestküste folgten die Stämme der Tsimshian, Haida, Tlingit und Haisla dem matrilinearen Prinzip. Dasselbe gilt für die Westlichen Apachen, die Navaho, die Mandan und die Zuni. Bei den Natchez, Cherokee, Choctaw und Creek, sowie in weiten Teilen des Südostens, waren die Beziehungen matrilinear. Die Haushaltsführung war meist „matrilokal“, d.h. die Männer mussten nach der Heirat in den Haushalt ihrer Frauen einziehen.
Die Frauen in der Navaho-Gesellschaft nehmen zweifelsohne eine sehr starke und einflussreiche Stellung ein. Sie spielen nicht nur im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben eine wichtige Rolle, sondern auch in politischen und religiösen Angelegenheiten. Frauen kontrollieren einen grossen Teil des Eigentums, das üblicherweise von den weiblichen Nachkommen geerbt wird und folglich in der matrilinearen Familienlinie verbleibt.
Spencer, Robert und Jesse Jennings et al. (1965): The Native Americans. Harper and Row, New York und London. S. 327; alle Zitate aus diesem Werk in eigener Übersetzung.
Bezüglich der Irokesen machen Spencer und Jennings eine interessante Bemerkung:
Die Rolle der Frauen bei der Wahl des Kandidaten (für den Sachem), oder als gelegentliche Regenten, gab ihnen besondere Macht und Wichtigkeit in diese Gesellschaften. Dieser Fakt führte dazu, dass die Irokesen als einem Matriarchat ähnelnd gesehen werden.
Spencer und Jennings, The Native Americans. S. 387.
Darauf werden wir später noch zurückkommen.
Die Autoren geben eine detaillierte Beschreibung der Mandan-Indianer:
„In der Mandan-Gesellschaft wurde die Abstammung unilinear festgemacht und der Wohnort lag nach der Heirat bei der Familie der Mutter der Frau. Ein Haushalt, der ein Erdhaus bewohnte, bestand aus mehreren Kernfamilien, die über die weiblichen Mitglieder miteinander verwandt waren. Frühere Autoren gaben an, dass jedes Haus von zwanzig bis vierzig Personen bewohnt wurde. Diese matrilineare erweiterte Familie war die wirtschaftliche Einheit, innerhalb der die Frauen des Haushalts gemeinsam die Felder bewirtschafteten und die Männer gemeinsam auf die Jagd gingen. Der Haushalt als Einheit kontrollierte die einzelnen Gärten, die sich aber nicht in dem Sinne in seinem Besitz befanden, dass man sie kaufen oder verkaufen konnte. Das Land gehörte Gruppen von mehreren verwandten, matrilinearen Familien, die sich zu grösseren Sippeneinheiten zusammenschlossen, so genannte „Lineagen“. Das Recht auf das Land innerhalb der Lineage basierte auf dem Prinzip des Niessbrauchs [usus fructus], was einfach nur bedeutete, dass die Familie ein Stück Acker kontrollierte und bewirtschaftete, solange sie genug Frauen hatte, um das Feld bebauen. Schwand das Glück der Familie und sie schrumpfte, wies die Lineage einen Teil des Ackers anderen Familien zu.
Spencer und Jennings, The Native Americans. S. 345-347
Jede Lineage und die erweiterten Familien, aus denen sie bestand, waren eine unabhängige Wirtschaftseinheit. Sie waren aber in noch grössere Sippenverbände eingegliedert, die höhere Funktionen erfüllte. Diese grösseren Gruppen funktionierten nach demselben Prinzip wie die Lineagen und bestanden ihrerseits aus mehreren, mütterlicherseits miteinander verwandten Lineagen. Diese ‚Matrisippen‘,** auch weibliche Clans genannt, waren Dachverbände, die eine Organisationsstruktur mit formellen Führerfunktionen hatten. Ältere Männer waren die Führungspersonen dieser Matrisippen, wurden dabei allerdings nicht als Angehörige einer der Sippen-Haushalte angesehen. Die Ehe war für Mitglieder der Matrisippen exogam zu schliessen, das bedeutet, dass man ein Mitglied aus einer anderen Matrisippe heiraten musste. Welcher Lineage oder Matrisippe man angehörte entschied sich bei der Geburt, da man automatisch die Lineage und Matrisippe der eigenen Mutter annahm. Diese Zugehörigkeit änderte sich im Laufe des eigenen Lebens auch nicht. Eheschliessung bedeutete also, dass ein Mann eine Frau einer anderen Lineage und Matrisippe heiratete und daraufhin in den Haushalt seiner Frau übersiedelte. Seine Kinder gehörten dann nicht seiner eigenen Lineage oder Matrisippe an, sondern jener der Kindesmutter…
Diese Art der sozialen Ordnung konnte bei den Mandan, bei den Hidatsa und auch bei den nomadisch lebenden Crow beobachtet werden. Die Crow hatten sich kurz zuvor von den Hidatsa getrennt, wobei sich das matrilineare System erhalten hatte. Allerdings geriet dieses mit ihrer neuen Lebensweise in Konflikt und war im Inbegriff sich zu verändern. Das soziale System der Mandan bindet verwandte Gruppen aneinander und bietet ein geregeltes Abstammungs- und Erbschaftssystem. Letzteres ist besonders wichtig für eine Gartenbaugesellschaft, in der Stabilität und Kontinuität im Bewirtschaften des Lands und in der Eigentumsverteilung notwendig sind. Solche unilinearen Systeme finden sich bei allen sesshaften Stämmen der Prärie und unterscheiden sich jeweils nur dadurch, ob das Gewicht auf der matrilinearen oder patrilinearen Abstammung liegt.
Das Verwandtschaftssystem der Mandan wird als „Crow“-artig klassifiziert, d.h. der Schwerpunkt der Verwandtschaft liegt auf der mütterlichen Seite. Verwandte auf der mütterlichen Seite der Familie werden von denen väterlichseits unterschieden. Väterlichseits gibt es nur zwei einfache Begriffe, um den Verwandtschaftsgrad auszudrücken. Diese Begriffe haben kein Äquivalent in unserer Sprache, aber sie bedeuten ‚Mann der Matrilineage meines Vaters‘ oder ‚Frau der Matrilineage meines Vaters‘. Diese beiden Begriffe gelten für Männer und Frauen, ohne Rücksicht auf Alters- oder Generationsunterschiede. Verwandte auf der mütterlichen Seite der Familie werden differenziert – es gibt unterschiedliche Begriffe für die Mutter, den Bruder der Mutter, Cousins mütterlicherseits, Kinder und Enkel.
In den frühen „Jäger und Sammler“-Gesellschaften entwickelte sich eine Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, in der sich die Frauen auf das Sammeln und die Männer auf das Jagen konzentrierten. Das scheint auch ein Merkmal aller heutigen „Jäger und Sammler“-Völker zu sein und es ist wahrscheinlich, dass es von Anfang an so war. Die !Kung teilen ihre Tätigkeiten so auf, dass die Männer Jagen und die Frauen Nüsse, Wurzeln, Gemüse und andere Pflanzen sammeln.
Durchschnittlich arbeiten Erwachsene zwischen 12 und 19 Stunden in der Woche, ihren Aufwand zur Nahrungsmittelsuche kann man wohl kaum als übertrieben bezeichnen. Obwohl die Mädchen mit etwa 15 Jahren in die Welt der Erwachsenen eintreten können, dauert es bei den Jungen üblicherweise, bis sie zumindest 20 Jahre alt sind. Und wenn die Leute 60 werden, gehen sie für gewöhnlich in ‚Pension‘ und werden versorgt, respektiert und für den Rest ihrer Tage ernährt: die Alten werden für ihre Erfahrung und Weisheit überaus geschätzt. Kindheit und Alter sind in der !Kung Gesellschaft daher frei von Belastung und Pflichten.
Leakey und Lewin, People of the Lake. S. 95-96.
Die Autoren Leakey und Lewin fragen sich:
Leakey und Lewin, People of the Lake. S.96.
Was für eine Art von Gesellschaft ist das, in der das Arbeitsleben frühestens mit 15 Jahren beginnt und mit 60 wieder endet, bei einem durchschnittlichen Arbeitstag von zweieinhalb Stunden? Der amerikanische Anthropologe Marshall Sahlins nennt es die ursprüngliche Überflussgesellschaft, die begrenzte Bedürfnisse mit minimalem Aufwand befriedigt. Es scheint auf jeden Fall kein Rezept für eine scheussliche, stumpfsinnige und kurze Existenz zu sein.
Wieder einmal werden so Engels‘ Ansichten über die kommunistische und egalitäre Lebensweise der „Jäger und Sammler“-Völker bestätigt:
Und es ist eine wunderbare Verfassung in all ihrer Kindlichkeit und Einfachheit, diese Gentilverfassung! Ohne Soldaten, Gendarmen und Polizisten, ohne Adel, Könige, Statthalter, Präfekten oder Richter, ohne Gefängnisse, ohne Prozesse geht alles seinen geregelten Gang. Allen Zank und Streit entscheidet die Gesamtheit derer, die es angeht, die Gens oder der Stamm, oder die einzelnen Gentes unter sich – nur als äusserstes, selten angewandtes Mittel droht die Blutrache, von der unsre Todesstrafe auch nur die zivilisierte Form ist, behaftet mit allen Vorteilen und Nachteilen der Zivilisation. Obwohl viel mehr gemeinsame Angelegenheiten vorhanden sind als jetzt – die Haushaltung ist einer Reihe von Familien gemein und kommunistisch, der Boden ist Stammesbesitz, nur die Gärtchen sind den Haushaltungen vorläufig zugewiesen –, so braucht man doch nicht eine Spur unsres weitläufigen und verwickelten Verwaltungsapparats. Die Beteiligten entscheiden, und in den meisten Fällen hat jahrhundertelanger Gebrauch bereits alles geregelt. Arme und Bedürftige kann es nicht geben – die kommunistische Haushaltung und die Gens kennen ihre Verpflichtungen gegen Alte, Kranke und im Kriege Gelähmte. Alle sind gleich und frei – auch die Weiber. Für Sklaven ist noch kein Raum, für Unterjochung fremder Stämme in der Regel auch noch nicht… So sahn die Menschen und die menschliche Gesellschaft aus, ehe die Scheidung in verschiedne Klassen vor sich gegangen war.
Im vorliegenden Buch, S. 148.
Das ist eine angemessene Beschreibung für heutige „Jäger und Sammler“-Gesellschaften. Obwohl eine Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern entstand, beruhte diese sicherlich nicht auf Herrschaft und Ausbeutung, sondern auf gegenseitigem Respekt und Kooperation. In den „urkommunistischen“ Gesellschaften gab es so etwas wie „Herrschaft“ oder „Macht“, Konzepte die zu einer Klassengesellschaft gehören, gar nicht. Engels erklärt:
Kommunistischer Haushalt bedeutet aber Herrschaft der Weiber im Hause, wie ausschliessliche Anerkennung einer leiblichen Mutter bei Unmöglichkeit, einen leiblichen Vater mit Gewissheit zu kennen, hohe Achtung der Weiber, d.h. der Mütter, bedeutet. Es ist eine der absurdesten, aus der Aufklärung des 18. Jahrhunderts überkommenen Vorstellungen, das Weib sei im Anfang der Gesellschaft Sklavin des Mannes gewesen. Das Weib hat bei allen Wilden und allen Barbaren der Unter- und Mittelstufe, teilweise noch der Oberstufe, eine nicht nur freie, sondern hochgeachtete Stellung.
Im vorliegenden Buch, S. 88
Natürlich gibt es auch Rollen und Pflichten, die sich aus den Verwandtschaftsverhältnissen ergeben, aber das hat in keiner Weise etwas mit Klassenverhältnissen zu tun.
Lee erklärt im Zusammenhang mit den Zuständigkeiten bei den !Kung:
Egal welche Fähigkeiten sie haben, die Führer der !Kung haben keine formale Autorität. Sie können andere nur überzeugen, ihnen aber niemals ihren Willen aufzwingen … Niemand ist arrogant, anmassend oder abgehoben. Für die !Kung disqualifizieren sich Personen mit diesen Charaktereigenschaften als Anführer … Eine andere Eigenschaft, die man unter den Anführern gewiss nie findet, ist der Wunsch nach Vermögen oder Habgier.
Die Arbeitsteilung nach Geschlechtern hatte nichts von Ungleichheit an sich und wurde auch nicht so verstanden. Es braucht enorme Fähigkeiten für das Sammeln, wie auch für das Jagen. Für das Sammeln braucht es eine umfangreiche Ortskunde; das Wissen um die Jahreszeiten und den Zyklus der Pflanzen sind unverzichtbar. Das Jagen erfordert ein grundlegendes Verständnis für das Verhalten der Tiere.
Der Grund dieser Arbeitsteilung liegt in der Fortpflanzungsrolle der Frauen begründet. Die !Kung Säuglinge werden zumindest zweieinhalb Jahre gestillt. Beim Sammeln der Nahrung tragen die !Kung Frauen ihre Babys auf dem Rücken. Die Frauen der !Kung legen so jährlich ca. 3000 Meilen (ca. 4800 km) zu Fuss auf ihren Wanderungen, und wenn das Lager verlegt wird zurück. Geburten verteilen sich daher auf ca. einmal alle vier Jahre, wobei nur die Hälfte der Kinder voraussichtlich überleben. Es ist also nicht verwunderlich, dass Abtreibungen und Kindesmord gewöhnliche Bestandteile des „Jäger und Sammler“-Lebens sind und bis an ihren Ursprung zurückreichen müssen.
Engels wurde für seine Theorien über den Ursprung der Familie angegriffen und diskreditiert. Ohne Frage hat ein Werk, das bereits im Jahr 1884 verfasst wurde, seine Schwächen. Es gab zu dieser Zeit nur begrenzt anthropologische Nachweise. Engels selbst schreibt im Vorwort der vierten Auflage vom Ursprung der Familie, dass „die Kenntnis der ursprünglichen Familienformen bedeutende Fortschritte gemacht hat. Es war hier also die nachbessernde und ergänzende Hand fleissig anzuwenden…“ Wäre Engels heute noch am Leben, würde er seine Arbeit auf Basis der neuesten Erkenntnisse sicherlich einer Überarbeitung unterziehen. Diejenigen, die über ihn herfallen, tun dies allerdings mit der Absicht, als Teil eines Generalangriffs auf den Marxismus seine wissenschaftliche Methode, den dialektischen Materialismus in Verruf zu bringen.
Es besteht eine anhaltende Debatte darüber, ob eine „matriarchale“ Gesellschaft jemals existiert hat, oder ob die matrilineare Abstammung umfassend verbreitet war. „Tatsächlich existiert heute keine wahre ‚matriarchale‘ – im Gegensatz zu einer ‚matrilinearen‘ – Gesellschaft und es ist auch aus der Fachliteratur keine bekannt. Wahrscheinlich hat es nie eine gegeben.“, schreibt Kathleen Gough. „Das bedeutet jedoch nicht, dass das Verhältnis von Frauen und Männern niemals würdevoll und kreativ für beide Seiten war, und Technologie ihrer Zeit.” Sogar bei den Stämmen der Irokesen, die dem Matriarchat am nächsten kommen, räumt Morgan ein, dass die Frauen den Männern untergeordnet waren.
Die überwiegende Mehrheit der heutigen Anthropologen ist der Auffassung, dass die Vorstellung eines Matriarchats falsch ist. Diejenigen, die Engels die Idee eines Matriarchats unterschieben wollen – was sehr geläufig zu sein scheint – zielen auf den Falschen. Das gilt auch für jene, die Engels‘ Analyse weitgehend annehmen, wie beispielsweise die feministische Anthropologin Evelyn Reed, die die Existenz des Matriarchats heftig verteidigt. Engels vertrat diese Ansicht nie, er verwendete nicht einmal den Begriff. Wovon Morgan und er ausgingen, war nicht das Matriarchat, sondern dass die matrilineare Abstammung zu einem gewissen Zeitpunkt allgemein verbreitet war. Dies ist methodisch ableitbar und wird auch von aktuellen Informationen unterstützt – alles deutet in diese Richtung.
Morgan und Engels waren beide der Überzeugung, dass die Epoche des „Urkommunismus“ vom „Mutterrecht“ geprägt war. Diese Ansicht baute vor allem auf den Beobachtungen von Morgan und seiner engen Beziehung mit den Irokesen auf. Ihre Stammesgesellschaft war definitiv matrilinear, die Abstammung erfolgte über die Mutter, und Frauen erfuhren ausserordentliche Wertschätzung. Frauen hatten ein starkes Mitspracherecht bei der Führung des Langhauses oder dem Haushalt der (matrilokalen) erweiterten Familie. Das heisst aber nicht, dass diese Gemeinschaft ein glattes Spiegelbild einer patriarchalen, von Männern beherrschten und unterdrückten Gesellschaft war. Wie bereits erwähnt war Engels nicht einmal mit dem Begriff „Mutterrecht“ zufrieden, übernahm in aber „der Kürze wegen“. Es ist aber klar, dass es keine Frauenunterdrückung in diesen Frühgesellschaften gab. Die entstand erst mit der Entwicklung des Privateigentums und der Teilung der Gesellschaft in Klassen, und, nach Engels, der „weltgeschichtlichen Niederlage des weiblichen Geschlechts“.
Das Aufkommen der Klassengesellschaft veränderte alles, auch die Stellung der Frauen. Männer wollten von nun an ihr Eigentum an ihre männlichen Nachfahren vererben. Während im Urkommunismus die Abstammung über die weibliche Linie festgemacht wurde, wurde nun begonnen, die Erbschaftsfolge durch die männliche Linie zu bestimmen. „Die Geltung des Mutterrechts bedeutete Kommunismus, Gleichheit aller; das Aufkommen des Vaterrechts bedeutete Herrschaft des Privateigentums, und zugleich bedeutete es Unterdrückung und Knechtung der Frau.“
Diese Transformation markierte den Übergang von der Wildheit zur Barbarei. Gordon Childe taufte sie die „Neolithische Revolution“.
Mit dem Erscheinen der Klassengesellschaft folgt auch die Klassenunterdrückung, die Unterdrückung der Frau und alle Werkzeuge der Klassenherrschaft. Der Staat, eine Formation bewaffneter Menschen zur Verteidigung des Privateigentums, entsteht, um den Klassenkampf im Sinne der herrschenden Klassen zu regeln. Er ist die Maschinerie, die die Unterdrückten in ihre Schranken weist.
Trotz aller brutalen Ausbeutung entwickelten sich die Produktivkräfte im Schosse der Klassengesellschaft so weit, dass die materielle Grundlage für die Abschaffung der Klassen und die Einführung des kollektiven Eigentums gelegt ist. Engels erklärt:
Wir nähern uns jetzt mit raschen Schritten einer Entwicklungsstufe der Produktion, auf der das Dasein dieser Klassen nicht nur aufgehört hat, eine Notwendigkeit zu sein, sondern ein positives Hindernis der Produktion wird. Sie werden fallen, ebenso unvermeidlich, wie sie früher entstanden sind. Mit ihnen fällt unvermeidlich der Staat. Die Gesellschaft, die die Produktion auf Grundlage freier und gleicher Assoziation der Produzenten neu organisiert, versetzt die ganze Staatsmaschine dahin, wohin sie dann gehören wird: ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt.
Im vorliegenden Buch, S. 239.
Diese höhere Entwicklungsstufe, der Sozialismus, wird der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende bereiten. Sie wird mit allen Formen der Unterdrückung Schluss machen, was die Befreiung der Frau miteinschliesst. Auf Basis gesellschaftlicher und geschlechtlicher Gleichheit werden sich die Beziehungen zwischen den Menschen komplett wandeln. Welche Formen diese Beziehungen (inklusive der Ehe) genau annehmen werden, wagte Engels nicht zu prophezeien. Das, so glaubte er, würden die zukünftigen Generationen entscheiden. Eine solche Gesellschaft, zitierte Engels Morgan, „wird eine Wiederbelebung sein – aber in höherer Form – der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der alten Gentes.“
Arbeiterbewegung — von Martin Kohler, Bern — 10. 10. 2024
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