[dropcap]E[/dropcap]in amerikanischer Film der Reagan-Ära, welcher das bedeutendste Ereignis der Menschheitsgeschichte, die Russische Revolution, beleuchtet: wie kann das enden? Wie sich herausstellt, gut. „Reds“ ist ein bildgewaltiges Andenken an John Reed und die Rolle, die er in der Russischen Revolution und der amerikanischen ArbeiterInnenschaft gespielt hat.
John Reed, der Protagonist des Films, ist ein vehementer Kritiker des in Europa wütenden Ersten Weltkrieges und spricht sich wiederholt gegen den Kriegseintritt der USA aus. Er unterstützt die Gewerkschaft „International Workers of the World“ und eckt, aufgrund seiner revolutionären Ideologie, bei der Sozialistischen Partei an.
In Portland, Oregon trifft er auf die Journalistin Louise Bryant, mit der er eine Beziehung eingeht. Nach einem heftigen Streit reist Bryant nach Europa ab, wo sie als Kriegsberichterstatterin von der französischen Front berichtet. John reist ihr nach und überredet sie, mit ihm nach Petrograd zu gehen, wo die Russische Revolution kurz bevorsteht.
In Petrograd flammt ihre Beziehung wieder auf. Sie nehmen an Streiks teil und erleben den parteiinternen Machtkampf zwischen Lenin und Trotzki.
Inspiriert vom revolutionären Geist in Russland kehrt John nach der Revolution in die USA zurück, um diese auch in die amerikanische ArbeiterInnenschaft zu tragen und sein höchst erfolgreiches Buch „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ zu schreiben. Mit seiner revolutionären Haltung macht er sich bei den ReformistInnen innerhalb der Sozialistischen Partei aber keine Freunde und wird, zusammen mit dem gesamten linken Flügel, aus der Partei ausgeschlossen. Er gründet daraufhin die amerikanische Kommunistische Arbeiterpartei und reist erneut nach Russland, um die Partei von der Komintern anerkennen zu lassen, wo er die bereits begonnene Bürokratisierung des Landes miterlebt.
Der Rest des Films zeigt Bryant, die versucht, Reed in Russland zu finden. Dieser stirbt schlussendlich an einem chronischen Nierenleiden in einem Moskauer Spital.
Da John Reed und Louise Bryant reale und wichtige Persönlichkeiten in der amerikanischen ArbeiterInnenbewegung waren, wird der soeben zusammengefasste Lauf des Spielfilms immer wieder durch interviewartige Szenen unterbrochen, um Zeitzeugen und Freunde von John und Louise zu Wort kommen zu lassen. Diese, nur als Zeugen identifizierten Personen, sind unterdessen sehr alt und können sich teilweise kaum noch an die Ereignisse erinnern. Dennoch geben diese Szenen dem Film eine Authentizität, die ihn von anderen romantischen Abenteuerfilmen abhebt.
Warren Beatty, der selber die Hauptrolle spielt, schafft es, die Stimmung der Jahre 1916 bis 1920 in der internationalen ArbeiterInnenbewegung grandios wiederzugeben. Eine gewaltige Kulisse tut das Ihrige dazu, den Film überzeugend wirken zu lassen. Nicht umsonst war „Reds“ für zwölf Oscars nominiert, und gewann deren drei.
Dennoch vermag der Film nicht, was wohl auch seiner Länge geschuldet ist, die ZuschauerInnen komplett zu vereinnahmen. Für einen Historienfilm werden die historischen Ereignisse leider nicht detailliert genug wiedergegeben; stattdessen liegt der Fokus auf der on-off-Beziehung zwischen Reed und Bryant. Diese zeitweise fast schon schnulzig anmutenden Szenen ziehen den Film unnötig in die Länge und verlangen den ZuschauerInnen einiges an Geduld und Sitzvermögen ab.
Das Setting ist zweifelsohne hervorragend gelungen; die Kostüme und Kulissen sind erstklassig und die Begebenheiten entsprechen – abgesehen von einigen künstlerischen Freiheiten, die Beatty sich erlaubt hat – der Wahrheit. Dennoch scheint es, als wisse der Film selber nicht genau, was er sein will: ein Historiendrama, eine Schnulze oder eine Dokumentation. Er versucht alles zusammen zu sein und schiesst dabei über das Ziel hinaus.
Nichtsdestotrotz ist „Reds“ ein Film, den man als MarxistIn gesehen haben sollte und der leider, trotz seiner zahlreichen Auszeichnungen, in der Unbekanntheit verschwunden ist. Wo sonst sieht man tausende ArbeiterInnen streikend durch die Strassen Petrograds ziehen, untermalt von der russischen Version der Internationalen? Jetzt, genau 100 Jahre nach der Russischen Revolution, zeigt uns „Reds“, dass es immer Menschen geben wird, die für eine bessere Welt zu kämpfen bereit sind.
Jannis Brugger
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