Das schockierende Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in den USA ist ein weiteres Beispiel für scharfe und plötzliche Wendungen, die die derzeitige Situation mit sich bringt. Bis zur letzten Minute haben sich die Medienexperten alle Mühe gegeben, zu beweisen, dass die Umfragen auf einen – wenn auch knappen – Sieg von Harris hindeuteten.
Doch sie irrten sich.
Doch diese Illusion wurde zunichte gemacht, als sich Donald Trump am frühen Morgen des 6. November 2024 der Schwelle von 270 Wahlmännerstimmen näherte, um Amerikas gewählter Präsident zu werden. Millionen von Amerikanern stimmten erneut für Trump.
Das sollte nicht geschehen. Die herrschende Klasse Amerikas – fest unterstützt von den Regierungen Europas – wollte ihn mit allen Mitteln aus dem Amt drängen. Nachdem Trump bei den Wahlen 2020 abgewählt worden war, wurde alles getan, um seine erneute Kandidatur zu verhindern.
Sie versuchten, ihn in verschiedenen Staaten von der Wahl fernzuhalten. Er wurde in 34 strafrechtlichen Anklagepunkten verurteilt, und mehr als 50 weitere sind noch anhängig. Er wurde in zivilrechtlichen Verfahren wegen Geschäftsbetrugs und wegen einer Verleumdungsklage zu Vergewaltigungsvorwürfen zur Zahlung von Hunderten von Millionen Dollar verurteilt.
Doch jede gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage führte nur dazu, dass seine Unterstützung zunahm. Die Anschuldigungen prallten einfach an ihm ab. Mit jedem Gerichtsverfahren stieg seine Unterstützung in den Umfragen.
Die zahlreichen Angriffe gegen ihn schlugen fehl und trafen stattdessen diejenigen, die man – zu Recht – als Beteiligte einer Verschwörung ansah, um seinen Wiedereinzug ins Weisse Haus zu verhindern.
Alle waren gegen ihn. Die Medien waren sich in ihrer Ablehnung zu Trump praktisch einig. Im Folgenden zeigen wir eine Liste der wichtigsten Zeitungen und Zeitschriften und ihre Position gegenüber den beiden Kandidaten:
199 Kamala Harris
16 Trump
28 Keine Fürsprache
1 Andere
Insgesamt 244
Daraus geht hervor, dass praktisch alle Massenmedien gegen ihn waren. Die herrschende Elite tröstete sich mit dem Gedanken, dass „er es niemals schaffen wird“. Ein „verurteilter Verbrecher“, so argumentierten sie, könne niemals die Präsidentschaft gewinnen. Doch genau das hat er getan.
Das erklärt den tiefen Schock, den dieses Wahlergebnis für die amerikanische herrschende Klasse bedeutete.
Trotzki sagte einmal, Theorie ist die Überlegenheit der Voraussicht über das Erstaunen. Diese Bemerkung kam mir heute Morgen in den Sinn, als ich einen interessanten Kommentar eines BBC-Reporters las:
„Ein politischer Mitarbeiter der Demokraten in DC schrieb, dass die Partei ‚zunächst einmal die elitären Snobs in DC aus dem Weg räumen muss‘.
Andere haben mir dasselbe gesagt, wenn auch weniger unverblümt – dass sie zwar die Bemühungen der Kampagne loben, aber das Gefühl haben, dass die Partei als Ganzes ein ‚Imageproblem‘ hat, und das in einer Zeit, in der grundlegende, alltägliche Dinge wie die Lebenshaltungskosten für die meisten Wähler im Vordergrund stehen.
Diese Verzweiflung der Demokraten erinnert mich an ein Gespräch, das ich mit einem Republikaner auf einer Trump-Kundgebung geführt habe, der sagte, sein Kandidat habe die republikanische Partei vom Stereotyp des Country-Club-Wählers weggeführt und spreche nun die Familien der Arbeiterklasse an, während die Demokraten zur ‚Partei Hollywoods‘ geworden seien.
Das sind grosse Verallgemeinerungen, aber solche, die Republikaner öffentlich und einige Demokraten privat teilen.“
Den Strategen des Kapitals fehlt es an elementaren Kenntnissen der Dialektik. Deswegen blicken sie immer nur auf die Oberfläche der Gesellschaft und sind sich der Wut, die sich darunter zusammenbraut, überhaupt nicht bewusst.
Sie haben die tieferen Ursachen der sogenannten Trump-Bewegung nicht verstanden. Offenbar ist alles eine Frage von „Image“. Das Problem ist jedoch, dass das Image der Demokratischen Partei die zugrunde liegende Realität genau widerspiegelt.
Zwischen der Washingtoner Elite und der Masse des Volkes klafft ein Abgrund: Dies war eine Art „Bauernaufstand“ – ein Aufstand des einfachen Volkes und ein vernichtendes Misstrauensvotum gegenüber der bestehenden Ordnung.
Ich habe häufig gehört, dass Linke sagen, Trump und Harris sind „beide gleich“. Das ist sowohl richtig als auch falsch. Es ist selbstverständlich, dass Donald Trump ein Milliardär ist, der daher die Interessen der Reichen und Mächtigen vertritt.
Die Feststellung, dass sowohl Harris als auch Trump reaktionäre bürgerliche Politiker sind und dass es zwischen ihnen nur wenig oder gar nichts zu wählen gibt, ist jedoch offensichtlich. Mit dieser anfänglichen Definition ist die Frage noch nicht erschöpft, die sich unweigerlich stellt: Wie lässt sich die begeisterte Unterstützung von Millionen von amerikanischen Arbeitern erklären, die Trump bekommen hat?
Es ist ein seltsames Paradoxon, dass ein Milliardär wie Trump sich erfolgreich als Verfechter der Interessen der Arbeiterklasse aufspielen kann. Er ist natürlich ein treuer Vertreter seiner Klasse. Also ein Vertreter der 1% der superreichen Amerikaner, die den Staat besitzen und kontrollieren.
Lange Zeit konnten sich die Demokraten als die politischen Vertreter der Arbeiterklasse aufspielen. Doch über Jahrzehnte sammelten Millionen von Arbeitern bittere Erfahrungen und erkannten diese Lüge
Sie sind auf der Suche nach einer radikalen Alternative. Diese hätte Sanders bieten können, wenn er sich entschieden hätte, mit den Demokraten zu brechen und als Unabhängiger anzutreten. Aber durch seine Kapitulation vor dem Establishment der Demokratischen Partei desillusionierte er seine Basis.
Damit war der Weg frei für einen rechten Demagogen wie Trump, der diese Gelegenheit mit beiden Händen ergriff. Nur wenige wissen, dass Trump 2015 dem Yale-Wirtschaftsprofessor Jeffrey Sonnenfeld privat sagte, er habe absichtlich die unternehmensfeindlichen Botschaften kopiert, die sich in Bernie Sanders‘ Kampagne als wirkungsvoll erwiesen hatten.
Da es keinen starken linken Kandidaten gab, nutzten Millionen von Menschen, die sich abgehängt und politisch vernachlässigt fühlten, die Gelegenheit, dem Establishment einen Schlag zu versetzen.
Die Wahrheit ist, dass sich die amerikanische Arbeiterklasse von den Demokraten verraten und von den bestehenden politischen Parteien völlig entfremdet fühlt. Für sie schien Trump eine Alternative zu bieten. Und sie sammelten sich hinter ihm, um ihn zu unterstützten.
Bereits im November 2016 wurde in einem Interview im Evening Standard darauf hingewiesen:
„Die amerikanische Arbeiterklasse geht in Rekordzahlen auf die Strasse. Dies ist eine Revolution der Arbeiterklasse. Niemand hat das kommen sehen, die Eliten in den Medien, die ihren Käse essen und ihren Champagner trinken, sprechen nie mit echten Wählern. Die amerikanische Arbeiterklasse wurden vom Establishment, von der Sklavenhalterklasse der Wall Street, verraten und verkauft, und Donald Trump ist ihr Fürsprecher.“
Es ist eine Tatsache, dass die Arbeiterklasse in der amerikanischen Politik nur selten oder überhaupt nicht erwähnt wurde, bis Trump das Thema aufgriff. Selbst die „linksten“ Demokraten sprachen nur von der Mittelschicht und ignorierten die Arbeiterklasse dabei völlig. Sie geriet nicht einmal in ihren Blickwinkel. Doch die Arbeiterklasse existiert und meldet sich jetzt zu Wort.
Zur Zeit der grossen Französischen Revolution im 18. Jahrhundert schrieb der Abbé Sieyès ein berühmtes Traktat mit dem Titel Was ist der Dritte Stand? in dem wir Folgendes lesen:
„Was ist der Dritte Stand? Alles. Was ist er bis jetzt in der politischen Ordnung gewesen? Nichts. Was verlangt er? Etwas zu sein.“
Diese berühmten Zeilen könnten durchaus als Beschreibung der Arbeiterklasse in den heutigen USA verstanden werden. Und unabhängig davon, was man von Donald Trump hält, muss man zugeben, dass er aus seinen eigenen Gründen eine äusserst wichtige Rolle dabei gespielt hat, die Arbeiterklasse zum ersten Mal nach Jahrzehnten wieder ins Zentrum der US-Politik zu rücken.
Diese Tatsache ist kein Zufall, sondern spiegelt eine offenkundige gesellschaftliche Realität wider. Die Kluft zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen hat sich zu einem unüberbrückbaren Abgrund ausgeweitet,was die soziale und politische Polarisierung verstärkt. Das schafft eine explosive Stimmung der Wut in der Gesellschaft.
Überall, wo man hinschaut, in allen Ländern, brennt der Hass auf die Reichen und Mächtigen: die Banker, die Wall Street und das Establishment im Allgemeinen. Dieser Hass wurde von Donald Trump geschickt ausgenutzt. Und das empört die seriösen Vertreter des Kapitals.
Sie sahen Donald Trump zu Recht als Bedrohung, weil er absichtlich die Grundlage des Konsenses, der jahrzehntelang aufgebauten Mitte-Politik, zerstörte.
Der US-Aktienmarkt boomt, der Dollar ist auf den Devisenmärkten hoch im Kurs, die US-Wirtschaft wächst real um etwa 2,5%, die Arbeitslosigkeit liegt bei höchstens 4,1%. Und doch zeigen die Berichte von Wahlkampfhelfern deutlich, dass es den meisten Menschen nicht besser geht – ganz im Gegenteil:
„Die Wahlkampfhelfer von „Make the Road Pennsylvania“ erzählten mir, dass viele Menschen, die sie trafen, Zweifel daran äusserten, dass das Wählen ihr Leben verbessern könnte. Eine Wahlkampfhelferin sagte, dass sie häufig über Politiker zu hören bekam: ‚Sie wollen nur meine Stimme, und dann vergessen sie uns.‘ Manuel Guzman, ein Abgeordneter des Bundesstaates, zu dessen Wahlbezirk in Reading Viertel mit bescheidenen Reihenhäusern gehören, die hauptsächlich von lateinamerikanischen Einwanderern bewohnt werden, sagte mir, dass er diese Art von Wählerskepsis kenne. Guzman, der halb Dominikaner und halb Puertoricaner ist, war zuversichtlich, dass die Demokraten Reading im November gewinnen würden. Er war jedoch besorgt, dass der Sieg enttäuschend ausfallen würde, da es eine Diskrepanz gibt zwischen dem, was die Demokraten in Washington, D.C. beschäftigt, und dem, was er von seinen Wählern hört – von denen viele mehrere Jobs brauchen, um der Armut zu entkommen, von der ein Drittel der Einwohner von Reading betroffen ist. ‚Wir haben uns als nationale Partei so sehr auf die Rettung der Demokratie konzentriert‘, sagte er. ‚Ich will ehrlich zu Ihnen sein – ich habe noch niemanden in der Stadt Reading gehört, der mit mir über Demokratie gesprochen hat! Was sie mir sagen, ist ‚Manny, warum ist das Benzin so teuer?‘ ‚Warum ist meine Miete so hoch?‘ Niemand spricht diese Themen ausreichend an.“
Die Amerikaner sind sich sehr wohl der Kosten bewusst, die von dem offiziellen Index und den Mainstream-Ökonomen ignoriert werden. Die Hypothekenzinsen haben den höchsten Stand seit 20 Jahren erreicht und die Immobilienpreise sind auf ein Rekordniveau gestiegen. Die Kosten für Auto- und Krankenversicherungen sind in die Höhe geschossen.
Fast 40% der Amerikaner gaben in einer Umfrage von Harris Poll für Bloomberg News im Dezember an, dass ihr Haushalt in letzter Zeit auf ein zusätzliches Einkommen angewiesen war, um über die Runden zu kommen. Von diesen gaben 38% an, dass das zusätzliche Geld kaum die monatlichen Ausgaben deckte und nichts übrigblieb. Weitere 23% sagten, dass das Geld nicht reicht, um ihre Rechnungen zu bezahlen.
Die Einkommens- und Vermögensungleichheit in den USA, die zu den grössten der Welt gehört, wird sogar noch grösser. Die obersten 1% der Amerikaner verfügen über 21% des gesamten persönlichen Einkommens, mehr als doppelt so viel wie die unteren 50%! Und die obersten 1% der Amerikaner besitzen 35% des gesamten Privatvermögens, während 10% der Amerikaner 71% besitzen; die unteren 50% besitzen jedoch nur 1%!
Extreme Ungleichheit, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und das zunehmende Gefühl, dass die Politiker in Washington die Probleme der einfachen Leute nicht verstehen, bilden den Kern der aktuellen Situation. Hier liegt die wahre Erklärung für die Popularität von Donald Trump und das Ergebnis der letzten Wahl.
Dieses Phänomen ist nicht auf die USA beschränkt. Was wir überall sehen, ist der Zusammenbruch der politischen Mitte. Diese ist aber der Klebstoff, der die Gesellschaft zusammenhält.
Dies ist ein anschaulicher Ausdruck einer wachsenden Spannung zwischen den Klassen und der Spaltung zwischen links und rechts, die sich immer weiter vertieft.
Auf paradoxe Weise ist das Phänomen der Trump-Bewegung ein Spiegelbild dessen.
Gegenwärtig spiegelt sich dies in der Zunahme eigentümlicher rechtspopulistischer Tendenzen in verschiedenen Ländern wider. Aber die Gesetze der Mechanik lehren uns, dass jede Aktion eine ebenso entgegengesetzte Reaktion hat. Und zu einem späteren Zeitpunkt wird sich das in einem scharfen Linksruck äussern.
Aus Sicht der herrschenden Klasse liegt die Gefahr von Trump darin, dass er, indem er an die Arbeiter für seine eigenen Zwecke appelliert, eine Radikalisierung anheizt, die einen gefährlichen Präzedenzfall für die Zukunft schaffen könnte. Das erklärt die ständigen Gefühle von Angst und Wut, die sie ihm entgegenbringen
Die herrschende Klasse ist verzweifelt bemüht, diese Polarisierung zu verhindern und die Mitte wieder zusammenzubringen. Aber alle objektiven Bedingungen sprechen dagegen.
Bill Clinton sagte einmal: „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“. Da hatte er Recht. Das Wall Street Journal berichtete, dass:
„Die Wirtschaft war mit Abstand das wichtigste Thema für die Wähler: 39 % nannten sie als ‚das wichtigste Thema für das Land […] Mehr als sechs von 10 – 63 % – sagten, die Wirtschaft sei ‚nicht so gut‘ oder ‚schlecht‘. […]
Die Wähler beschrieben spezifische Belastungen, darunter Lebensmittelkosten, Wohnungspreise und die Angst vor Krieg, aber viele beschrieben auch grössere existenzielle Sorgen über Amerikas Schicksal.“
Bei der letzten Wahl, als Trump gegen Hillary Clinton antrat, gab The Economist, der Clinton unterstützte, zu, dass:
„Mr Trump wurde von einer Flut von Volkszorn ins Amt getragen. Dies ist zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen, dass die einfachen Amerikaner nicht am Wohlstand ihres Landes teilhaben. Der reale Medianlohn von Männern ist immer noch niedriger als in den 1970er Jahren.
In den letzten 50 Jahren haben die Haushalte der mittleren Einkommensschichten mit Ausnahme des Aufschwungs in den 1990er Jahren bei jeder Rezession länger gebraucht, um die Einkommensverluste wieder aufzuholen. Die soziale Gerechtigkeit ist zu gering, als dass sie etwas Besseres versprechen könnte. Der daraus resultierende Verlust an Selbstachtung wird nicht durch ein paar Quartale steigender Löhne ausgeglichen.“
Seitdem hat sich wenig verändert. Die US-Wirtschaft ist immer noch nicht in einem gesunden Zustand. Dies zeigt sich an der beispiellosen Verschuldung, die unter der Biden-Regierung stetig zugenommen hat. Gegenwärtig wird die Verschuldung des öffentlichen Sektors in den USA auf 35 Billionen Dollar geschätzt, was etwa 100% des BIP entspricht.
Sie steigt alle drei Monate um 1 Billion Dollar. Und es gibt nur eine Richtung: nach oben.
Dies ist ein klares Indiz dafür, dass selbst die mächtigste und wohlhabendste Nation der Erde über sich hinausgewachsen ist.
Diese Situation ist letztlich nicht tragbar.
Donald Trump ist kein Wirtschaftswissenschaftler. Er ist kein Philosoph oder Historiker. Er ist nicht einmal ein Politiker in dem Sinne, dass er eine ausgearbeitete Ideologie und Strategie hat. Er ist im Grunde ein Opportunist und ein Empiriker im engsten Sinne des Wortes.
Aber er betrachtet sich selbst als einen Taktiker, einen Praktiker, der immer nach praktischen, kurzfristigen Lösungen für jedes Problem sucht. Stets ist er auf der Suche nach dem, was er einen „Deal“ nennt.
Das heisst, er hat die Mentalität eines Kleinhändlers, der die Kunst des Feilschens auf dem Markt beherrscht. Eine solche Fähigkeit ist innerhalb bestimmter Grenzen natürlich wirksam. Aber was auf dem Markt wirksam ist, gerät im komplizierten Spinnennetz der internationalen Politik und Diplomatie schnell in Schwierigkeiten.
Er neigt im Grunde genommen zur Abschottung und lehnt es ab, dass Amerika sich in internationale Bündnisse einmischt – ob bei den Vereinten Nationen, der Welthandelsorganisation oder der NATO selbst.
Seine Politik lässt sich leicht unter dem Slogan „America first“ zusammenfassen. Aber das bedeutet, dass der Rest der Welt an letzter Stelle steht! Und das bringt viele Probleme mit sich.
Wenn es nach ihm ginge, würde Amerika sofort alle Verbindungen zu diesen ausländischen Organisationen abbrechen und sich ausschliesslich seinen eigenen Angelegenheiten widmen.
Aber so verlockend dieser Gedanke auch sein mag, in der modernen Welt das völlig unmöglich. Das Schicksal Amerikas ist unwiderruflich durch tausend Fäden mit dem Rest der Erde verbunden.
Das musste Donald Trump bei seinen Beziehungen zu Nordkorea schon feststellen.
Die Weltlage wird von einer enormen Instabilität der Weltwirtschaftsbeziehungen beherrscht. Dies ist das Ergebnis des Kampfes um die Vormachtstellung zwischen den USA, der mächtigsten imperialistischen Macht der Welt, die sich im relativen Niedergang befindet, und China, einer jüngeren, dynamischeren aufstrebenden Macht, die jedoch auch an ihre Grenzen stösst.
Wir sind Zeugen einer Verschiebung tektonischen Ausmasses, und wie bei der Bewegung tektonischer Platten auf der Erdkruste werden solche Bewegungen von Explosionen aller Art begleitet.
Neben der Betrachtung der aktuellen Situation ist es noch wichtiger, die bisherige Entwicklung zu analysieren. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 wurden die USA zur einzigen Supermacht der Welt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es fast keinen Widerstand gegen die Vorherrschaft des US-Imperialismus.
Heute sieht die Situation ganz anders aus. Der US-Imperialismus hat sich 15 Jahre lang in zwei nicht zu gewinnenden Kriegen im Irak und in Afghanistan verstrickt, was ihn hohe Kosten in Form von Ausgaben und Personalverlusten verursacht hat. Im August 2021 wurden sie zu einem demütigenden Rückzug aus Afghanistan gezwungen.
Das führte dazu, dass die US-Öffentlichkeit keinerlei Interesse an weiteren militärischen Abenteuern im Ausland hatte und die herrschende Klasse der USA wenig motiviert war, Bodentruppen im Ausland zu stationieren. Der US-Imperialismus hat dennoch nichts aus dieser Erfahrung gelernt.
Indem er sich weigerte, das neue Kräftegleichgewicht anzuerkennen, und versuchte, seine Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, hat er sich in eine ganze Reihe von Konflikten verstrickt, die er nicht gewinnen kann. Die Biden-Administration spielte in dieser Hinsicht eine besonders fatale Rolle.
Die Position der Vereinigten Staaten als Weltmacht, die überall auf der Welt präsent ist, ist selbst eine Quelle grosser Verwundbarkeit. Die Notwendigkeit, ihre Interessen auf globaler Ebene zu vertreten, ist eine kolossale Belastung.
Doch die Biden-Regierung hat keine Lehren daraus gezogen. Sie stürzte die USA in einen sinnlosen Krieg mit Russland um die Ukraine. Der Krieg in der Ukraine stellt eine enorme Belastung für die Ressourcen selbst des reichsten Landes der Welt dar. Amerikas Waffenarsenal wurde durch die Forderungen Zelenskys stark dezimiert, und diese Forderungen nehmen weiter zu, obwohl sich die militärische Lage verschlechtert.
Der US Imperialismus hat mit den weitreichenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland das Hauptziel verfehlt: den Rivalen so zu schwächen, dass er den Krieg in der Ukraine nicht fortsetzen kann.
Russland ist es gelungen, Sanktionen zu umgehen und zu überwinden, hat eine Reihe von Bündnissen mit anderen Ländern geschlossen, darunter Saudi-Arabien, Indien und andere Länder, die zuvor Beziehungen zu den USA pflegten.
Vor allem wurde Russland in eine viel engere wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit mit China gebracht. Biden erreichte genau das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt hatte. Im Nahen Osten stiftete er noch grösseres Chaos, indem er Netanjahu praktisch einen Blankoscheck ausstellte, den dieser seither einlöst.
Infolgedessen brechen ständig neue Konflikte und Kriege aus.
Ein russischer Sieg in der Ukraine wird Schockwellen in der ganzen Welt auslösen. Er zeigt deutlich die Grenzen des amerikanischen Imperialismus auf, der nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen.
Ausserdem wird Russland mit einer grossen, in den neuesten Methoden und Techniken der modernen Kriegsführung erprobten Armee daraus hervorgehen. Dies löst eine Welle der Panik in den europäischen Regierungen aus. Diese befürchten, dass die neue Trump-Regierung die Ukraine ihrem Schicksal überlässt und die Europäer die Rechnung bezahlen müssen, und sogar die Frage nach einem Austritt aus der NATO aufwerfen wird.
Die neuen Krisen und Kriege stellen ein unlösbares Problem dar, nicht nur für die USA, sondern auch für ihre europäischen Verbündeten, die sich alle in einer ähnlichen Lage befinden. Es scheint unvermeidlich, dass Trump sich aus dem hoffnungslosen Schlamassel in der Ukraine, für den er zu Recht Biden verantwortlich macht, zurückziehen will.
Ob er den Rückzug der USA aus der NATO anordnen wird, ist unklar. Aber es steht fest, dass er die Rechnung für all diese Dinge auf seine „Freunde“ in London, Paris und Berlin abwälzen will – und damit die ohnehin schon gravierenden Probleme des europäischen Kapitalismus weiter verschärft.
Gerät der US-Imperialismus gerade in einen Abwärtsstrudel, wie der, der das römische Reich zu Staub werden liess? Die Zeit wird es zeigen.
Derzeit findet ein Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen verschiedenen konkurrierenden imperialistischen Mächten statt, vor allem zwischen den USA, dem alten Hegemon, der sich nun im relativen Niedergang befindet, und China, der neuen aufstrebenden dynamischen Macht, die ihn auf der internationalen Bühne herausfordert.
Trump ist bekanntlich ein Gegner Chinas, weil er es als die grösste Bedrohung für die USA ansieht. Er hat keinen Hehl aus seiner Absicht gemacht, Strafzölle auf chinesische Einfuhren zu erheben, die den Welthandels ernsthaft beschädigen, das gesamte empfindliche Gefüge der Globalisierung bedrohen und die Weltwirtschaft an den Rand eines tiefen Einbruchs bringen würden.
Es ist jedoch keineswegs klar, dass er einen Krieg mit China befürworten wird, das sowohl wirtschaftlich als auch militärisch eine sehr beeindruckendes Druckmittel ist.
Man könnte eine interessante Studie schreiben, in der man die gegenwärtige Krise des amerikanischen Imperialismus mit dem Niedergang und dem Fall des Römischen Reiches vergleicht.
Viele verschiedene Elemente trugen zum langen und unrühmlichen Niedergang bei. Ein Hauptfaktor war, dass das Imperium über seine Möglichkeiten hinausgewachsen war. Das römische Reich stiess an seine Grenzen und konnte die immense Last der Aufrechterhaltung seiner Vorherrschaft nicht bewältigen. Letztendlich brach das Imperium vollständig zusammen.
Der relative Niedergang des amerikanischen Imperialismus ist schon seit einiger Zeit zu beobachten.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg produzierten die USA 43% der weltweiten Industriegüter, 57% Stahl und 80% aller Autos.
Der Anteil der USA am Welthandel mit Industrieerzeugnissen war von 10% im Jahr 1933 auf 29% im Jahr 1953 gestiegen. Zwischen 1946 und 1973 stieg das reale Haushaltseinkommen um 74%.
Die Zahl der Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie, die 1943 noch 39% der amerikanischen Arbeitsplätze ausmachte, sank bis in die 2010er Jahre auf nur noch etwa 8%. In einem Bericht des „Bureau of Labor Statistics“ (Amt für Arbeitsstatistik) aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass die Anzahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe seit 1979 „während jeder der fünf Rezessionen zurückging und sich in jedem Fall nie vollständig auf das Niveau vor der Rezession erholte“.
Die Anzahl der Gewerkschaftsmitgliedschaften fiel von einem Spitzenwert von einem Drittel der Belegschaft in den 1950er Jahren auf nur 11% im Jahr 2016.
In dem Werk Capitalism in Amerika: An Economic History of the United States erklären Alan Greenspan und Adrian Wooldrige:
„Von 1900 bis 1973 stiegen die Reallöhne in den Vereinigten Staaten mit einer jährlichen Rate von etwa 2%. Aufsummiert über die Jahre bedeutete dies, dass sich der Durchschnittslohn (und damit der durchschnittliche Lebensstandard) alle 35 Jahre verdoppelte. Im Jahr 1973 endete dieser Trend, und die durchschnittlichen Reallöhne der Arbeitnehmer, die das US-Bureau of Labor Statistics als Produktionsarbeiter und Angestellte ohne Aufsicht bezeichnet, begannen zu sinken. Mitte der 1990er Jahre betrug der durchschnittliche reale Stundenlohn eines Produktionsarbeiters weniger als 85 % dessen, was er 1973 betragen hatte.“ (eigene Übersetzung)
Ein Bericht des Pew Research Center von 2018 bestätigt dies: „Für die meisten US-Arbeitnehmer haben sich die Reallöhne seit Jahrzehnten kaum verändert.“ Und ein Bericht des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 2023 erklärt:
„Die wirtschaftliche Mobilität zwischen den Generationen hat ebenfalls abgenommen – 90 % der in den 1940er Jahren geborenen Kinder verdienten mehr als ihre Eltern im Alter von 30 Jahren, während nur die Hälfte der Mitte der 1980er Jahre geborenen Kinder dasselbe tat.“ (eigene Übersetzung)
Hier sehen wir den Hauptfaktor, der die schwelende Wut und den Hass gegen die amerikanische herrschende Klasse untermauert.
Im Jahr 2019 zeichnete sich bereits eine Rezession ab, aber Trump machte die COVID-19-Pandemie erfolgreich zum Sündenbock, als die Wirtschaft zusammenbrach.
Die Belastungen, die Amerika durch seine Beteiligung an ausländischen Kriegen wie in der Ukraine und im Nahen Osten auferlegt werden, bedeuten eine enorme Last, die selbst die mächtigste und reichste Nation nicht unbegrenzt aufrechterhalten kann.
Die kolossalen Militärausgaben tragen erheblich zur hohen Verschuldung bei, die die amerikanische Wirtschaft bedroht. In dieser Hinsicht scheint Trumps offensichtliche Zurückhaltung, sich in internationale Angelegenheiten einzumischen, logisch, auch wenn sie in London, Berlin, Kiew und Jerusalem Unruhe auslöst.
Die jüngsten Ereignisse zeugen von einem grundlegenden Wandel im Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung. Alle Institutionen der bürgerlichen Demokratie basierten auf der Annahme, dass die Kluft zwischen Arm und Reich verschleiert und in überschaubaren Grenzen gehalten werden könnte. Aber das ist nicht mehr der Fall.
Genau das ist der Grund für den Zusammenbruch der politischen Mitte. Die Menschen glauben nicht mehr, was ihnen die Zeitungen und das Fernsehen erzählen, sie vergleichen den riesigen Unterschied zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was passiert, und sie erkennen, dass uns ein Bündel von Lügen verkauft wird.
Das war nicht immer so. Früher haben sich die meisten Menschen nicht besonders für Politik interessiert, auch die Arbeiter nicht. Gespräche am Arbeitsplatz drehten sich meist um Fussball, Filme oder Fernsehprogramme. Politik wurde selten erwähnt, vielleicht nur dann, wenn gerade Wahlen stattgefunden haben.
Heute hat sich das alles geändert. Die breite Masse beginnt, sich für Politik zu interessieren, weil sie merkt, dass sie direkte Auswirkungen auf ihr Leben und das Leben ihrer Familien hat.
Millionen von Menschen sagen, indem sie Trump unterstützen: „Alles und jeder ist besser als das hier. Schlimmer kann es nicht kommen. Lassen wir es auf einen Versuch ankommen!“ Jetzt haben sie sich entschieden, es noch einmal zu versuchen. Es könnte aber das letzte Mal sein.
Donald Trump ist inzwischen ein alter Mann. Es scheint ausgeschlossen, dass er nochmals als Präsident kandidieren könnte. Wir nehmen an, dass er im Januar 2025 wieder ins Weisse Haus einziehen wird. Nichts kann ihn aufhalten – nichts ausser einer tödlichen Kugel. Und das kann angesichts der hysterischen Reaktion der herrschenden Klasse nicht ausgeschlossen werden.
Es mangelt in der amerikanischen Gesellschaft nicht an brisantem Zündstoff. Und es gibt auch keinen Mangel an geistig instabilen Menschen, die über äusserst effektive moderne Waffen verfügen.
Doch was ist zu erwarten, wenn Trump Präsident ist? Er wird in vielen Bereichen mit enormen Herausforderungen konfrontiert sein: der Wirtschaft, dem Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, den Beziehungen zu China und Iran und vielen weiteren Problemen.
Es ist typisch für ihn, dass er grosse Versprechen gemacht hat, die Amerika wieder gross machen sollen. Doch es gibt keine Anzeichen dafür, dass er in der Lage sein wird, auch nur eines davon einzulösen. Die amerikanischen Arbeiter, die ihr Vertrauen in ihn gesetzt haben, werden schwer enttäuscht werden.
Im Jahr 1940, als die deutsche Armee in Paris einmarschierte, fand ein interessantes Gespräch zwischen einem deutschen und einem französischen Offizier statt. Der Deutsche war natürlich von Arroganz erfüllt. Doch der französische Offizier sagte einfach: „Das Rad der Geschichte hat sich gedreht. Es wird sich wieder drehen.“ Und das tat es.
Das Rad der Geschichte dreht sich auch in den USA, und es wird sich erneut drehen. Sobald die Massen das Potenzial des Trumpismus voll ausgeschöpft und seine Grenzen erkannt haben, werden sie sich in eine andere Richtung wenden. Der Weg für einen massiven Schwenk des Pendels nach links wird freigemacht.
Ein neues und turbulentes Kapitel der amerikanischen Geschichte steht kurz bevor.
Veröffentliche, am 6. November 2024 auf marxist.com
Nordamerika — von Alan Woods, marxist.com — 27. 11. 2024
Europa — von Emanuel Tomaselli, RKI Österreich — 16. 11. 2024
Berichte & Rezensionen — von Die Redaktion — 15. 11. 2024
Nordamerika — von der Redaktion — 13. 11. 2024