Der fehlgeschlagene Anschlag auf Trump beschleunigt die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Doch nicht nur Trump ist gerade nochmal davongekommen – «Amerika steht vor dem Abgrund», titelt die Financial Times.
Was, wenn der Schütze nur ein wenig besser gezielt hätte? Was, wenn Trump sich nicht in genau dem Moment abgewandt hätte? Die schiere Entrüstung, die ein BBC-Journalist bei der Veranstaltung in Pennsylvania einfing, sprach für sich. «Sie haben zuerst geschossen. Das ist eine Kriegserklärung!», rief einer. «Bürgerkrieg», stellte ein anderer fest. Viele werden Ähnliches gedacht haben.
Man kann noch lange darüber spekulieren, was genau geschehen wäre, hätte die Kugel ihr Ziel nicht verfehlt. Sonnenklar ist aber, dass dies eine glühende Wut entfacht hätte. Bidens Kandidatur setzte mit dem Sturm auf das Kapitol vom sechsten Januar ein und wäre beinahe, wenn nicht durch einen waschechten Bürgerkrieg, dann doch von einem sechsten Januar im Grossformat ausgeläutet worden.
Politische Gewalt hat in den USA Geschichte: Genozid, Sklaverei und imperialistische Kriege bilden das Fundament des US-Kapitalismus. Doch auch abgesehen davon haben politische Ermordungen und Gewalttaten, bis hin zum Bürgerkrieg, in den USA eine lange Tradition.
Die aktuelle Situation ist aber sogar für US-amerikanische Verhältnisse ausserordentlich. Einer von fünf glaubt, dass politische Gewalt notwendig ist, um das Land wieder auf die Spur zu bringen. 41 % glauben, dass ein Bürgerkrieg in den kommenden fünf Jahren unausweichlich ist.
Unter Millionen von Amerikanern des Mittelstandes und der Arbeiterklasse herrscht ein Geist der Rachsucht, ja sogar des blanken Hasses: Hass auf korrupte Politiker, auf das «Establishment», auf dunkle Kräfte, die nicht zwingend greifbar sind, aber deutlich als Widersacher empfunden werden.
Es ist nicht schwierig, die Sympathien für Trump in einem Teil dieser Millionen nachzuvollziehen. Hunderte Millionen können förmlich beobachten, wie ihre Kaufkraft dahinschmilzt und die Zukunft trostlos und furchterregend scheint. Viele von ihnen sehen in Trump einen Brandstifter, der das System abfackeln wird, sobald er im Weissen Haus sitzt.
Als Demagoge hat Trump natürlich keine Lösung für diese echten Probleme parat. Er verspricht alles, zeigt mit dem Finger auf den «deep state», die «woken Mobs», auf China, auf Immigranten, auf tatsächlich jeden erdenklichen Sündenbock – ausser auf das zerfallende bürgerliche System, das für die Missstände in der US-Gesellschaft verantwortlich ist und an dem er selbst teil hat. Er liefert gar keine Antworten, aber wer sonst liefert überhaupt irgendetwas?
Eine zweite Amtszeit von Trump wird die Illusionen von Millionen seiner Anhänger zerschmettern. Die Illusionen werden aber nicht automatisch einem Verständnis für eine echte Lösung weichen, die in der Enteignung der Multimilliardenbetriebe unter Kontrolle der Arbeiter, also im Kommunismus, liegt. Nur eine starke, revolutionär-kommunistische Organisation, die in den gesamten USA mit den beiden Parteien der Bosse den Kampf aufnimmt, kann die Unterstützung für Rechtsaussen brechen.
Revolutionary Communists of America, RKI USA
Wie eine schlechte Seifenoper hat die amerikanische Politik eine neue dramatische Wendung genommen: Joe Biden hat seine Wahlkampagne offiziell eingestellt. Angesichts des Kriegs und der Teuerung, stete Begleiter seiner Amtszeit, wird er mit einer Missbilligungsquote von 56 % aus dem Amt geschickt. Monatelang beharrte das Weisse Haus auf die körperliche und geistige Fitness des Präsidenten. Zuletzt konnten aber auch die treuesten Mitarbeiter des Weissen Hauses die Realität nicht länger leugnen.
Nichts fürchten Politiker mehr, als eine Wahl zu verlieren. Der Einsatz ist dieses Mal aber noch höher, denn die Mehrheit der herrschenden Klasse begreift, dass eine zweite Amtszeit von Trump zu noch mehr Unruhen führen würde und die Untergrabung der bürgerlichen Institutionen beschleunigen würde. Nachdem die Demokraten die letzten drei Jahre auf Biden gesetzt hatten, mussten sie nun den Schaden begrenzen und in letzter Minute den Kurs ändern.
Wie zu erwarten, unterstützt Biden die Kandidatur seiner Vizepräsidentin Kamala Harris. In seinen vier Jahren konnte er keines der Probleme des kränkelnden US-Kapitalismus beheben: Die Lebenshaltungskosten sind seit 2020 stark angestiegen und ebenso die Mietkosten; daneben provozierte er einen kostspieligen Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine und setzte sich persönlich für Netanjahus Genozid in Gaza ein. Als dann das Obergericht während seiner Amtszeit Roe v. Wade ausser Kraft setzte, haben Bidens Demokraten nichts unternommen, um die Abtreibung bundesweit zu legalisieren, obwohl die Partei zu der Zeit in beiden Kammern die Mehrheit stellte. Unter Präsidentin Harris wird alles beim Gleichen bleiben, ist sie doch eine ebenso treue Verteidigerin des Kapitalismus.
Möglicherweise bessert eine frische Kandidatin die Siegeschancen der Demokraten auf. Die meisten amerikanischen Arbeiter sind mit dem Status Quo jedoch unzufrieden. Für Millionen bedeutet dies: Eine Wahl für Trump ist eine Wahl gegen die Regierung Biden-Harris.
Halten die aktuellen Umfragewerte an, werden Millionen von wütenden, frustrierten Arbeiter bald zum zweiten Mal bei Trump in die Schule gehen. Er mag zwar das Blaue vom Himmel versprechen, aber er kann weder an der Realität der kapitalistischen Krise rütteln, noch das Coronavirus erneut für seine Versäumnisse verantwortlich machen.
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