Am vergangenen Mittwoch, dem 28. März 2018, hat der Schweizer Bundesrat Sanktionen gegen Venezuela erlassen. Er folgt damit – als Regierung eines vermeintlich neutralen Landes – den USA, der EU und Kanada, die auf einen erzwungenen Regimewechsel in Venezuela hinarbeiten. Wir verurteilen diesen Eingriff und die Doppelmoral des Schweizer Imperialismus.
Die Massnahmen des Bundesrates umfassen Finanzsanktionen und Reisesperren für verschiedene Minister und VertreterInnen von anderen Institutionen und Organisationen, sowie ein Embargo auf Rüstungsgüter. Als Begründung gibt der Bundesrat die «Verletzung von Menschenrechten und die Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Institutionen» an. Der Bundesrat sei «sehr besorgt über die wiederholten Verstösse gegen die persönlichen Freiheiten in Venezuela, wo das Prinzip der Gewaltentrennung missachtet wird und es im Vorfeld der anstehenden Wahlen zu zahlreichen Unregelmässigkeiten gekommen ist. Der Bundesrat fordert Venezuela auf, ein korrektes Wahlverfahren zu garantieren und sich für eine inklusive Demokratie einzusetzen, die sich vollumfänglich an die Verfassung, die Gesetzgebung und die internationalen Verpflichtungen des Landes hält.»
Die Sanktionen und die Begründung der Schweizer Regierung sind an Doppelzüngigkeit kaum zu überbieten. Keine Woche nach ihrem Inkrafttreten begibt sich Aussenminister Ignazio Cassis auf seine Reise nach China, um die engen wirtschaftlichen Beziehungen weiter auszubauen. Wie wir wissen ist China nicht gerade für seine «inklusive Demokratie», Gewaltenteilung, «korrekten Wahlverfahren» und Achtung der Menschenrechte bekannt. Aber wenn es um die Verbesserungen der Profitbedingungen für das Schweizer Kapital geht, dann schert sich die helvetische Regierung herzlich wenig um ihre so hoch gehaltenen Werte der westlichen Demokratie.
Während die Schweiz gegen Venezuela Sanktionen erlässt, verhandelt sie in Südamerika gleichzeitig mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay über ein Freihandelsabkommen. Dabei kümmert es den Schweizer Staat offenbar nicht im geringsten, dass die Ermordung des sozialen Aktivisten Santiago Maldonado durch den argentinischen Staat 2017 zu Massenprotesten führte, die brutal niedergeschlagen wurden; dass gerade vor drei Wochen in Brasilien die sozialistische Politikerin und Aktivistin Marielle Franco durch staatliche «Sicherheitskräfte» ermordet wurde, nachdem sie es gewagt hatte, die rassistische Polizeigewalt in den Armenviertel zu kritisieren, was enorme Demonstrationen gegen den Staat und die Regierung nach sich zog; dass ebendiese ultra-rechte brasilianische Regierung ohne jegliche demokratische Legitimierung durch eine «Palastrevolution» an die Macht gekommen ist (ganz ähnlich wie diejenige 2012 in Paraguay) und derzeit nur von 3 % der Bevölkerung unterstützt wird. All das hat niemals Sanktionen nach sich gezogen, ja noch nicht einmal eine Verurteilung durch die Schweizer Regierung. In Honduras wurde 2009 die demokratische gewählte Regierung von Präsident Zelaya durch das Militär gestürzt. Die getürkten Wahlen, die seither die honduranische «Demokratie» prägen, haben die Schweizer Regierung jedoch nicht gehindert, 2014 ein Freihandelsabkommen mit der rechten Regierung zu schliessen. Und wo bleibt die Entrüstung, wo bleiben die Sanktionen, wo bleiben die Konsequenzen für diesen «Partner» nach dem offensichtlichen Wahlbetrug vor rund vier Monaten und der darauffolgenden gewalttätigen Unterdrückung des Widerstandes der Massen?
Die Liste der Beispiele dieser Doppelmoral des Schweizer Imperialismus könnte lange weitergeführt werden. Letzten Freitag kamen im Mörderstaat Israel 17 palästinensische DemonstrantInnen ums Leben, über 1’400 wurden verletzt, als das israelische Militär das Feuer eröffnete auf eine Massendemonstration, die das Recht auf die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge forderten. Auf eine Verurteilung dieses Massakers seitens der Schweizer Regierung warten wir noch – einen Einfluss auf die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Israel wird es mit Sicherheit nicht haben. Auch eine Verurteilung von Erdogans Krieg gegen das kurdische Afrin hat es bisher nicht gegeben, noch hat die Unterdrückung der demokratischen Rechte im Innern durch den türkischen Staat irgendwelche Konsequenzen für diesen Freihandelspartner der Schweiz nach sich gezogen.
Die Bolivarische Revolution in Venezuela und der Imperialismus
Im Jahr 1998 wurde Hugo Chávez in Venezuela zum Präsidenten gewählt. Die «bolivarische Revolution», die zu diesem Zeitpunkt angestossen wurde, setzte sich zum Ziel, mit einem korrupten Zwei-Parteien-Regime zu brechen. Während Jahrzehnten hatte dieses Regime nur einer kleinen reichen und weissen Oligarchie gedient, die sich völlig nach Washington ausrichtete und sich herzlich wenig für das Wohl der arbeitenden und armen Schichten der venezolanischen Bevölkerung interessierte. Mit der bolivarischen Revolution wurde ein Prozess der sozialen Veränderung in Gang gesetzt, der von den unterdrückten Massen getragen wurde. Getrieben von den Klassenkämpfen radikalisierte sich die Revolution im Verlauf der Jahre und begann, sich Richtung Sozialismus zu entwickeln. So konnten viele wichtige soziale und auch demokratische Verbesserungen erkämpft werden.
Von Beginn an war die bolivarische Revolution in Venezuela dem US-Imperialismus ein Dorn im Auge. Dieser war sich gewohnt, in seinem vermeintlichen «Hinterhof» nach seinen eigenen Interessen schalten und walten zu können und unliebsame Regierungen einfach nach Gutdünken zu ersetzen. In den letzten fast 20 Jahren hat der US-Imperialismus unzählige Versuche unternommen, den Sturz der bolivarischen Regierung zu bewirken. Der Putsch 2002 – gescheitert an den Massenmobilisierungen, die dadurch ausgelöst wurden – war nur das erste und offensichtlichste Beispiel.
In den letzten Monaten haben die USA ihre Angriffe auf Venezuela verschärft. Es wurden wiederholt Sanktionen erlassen, die mit einer allgemeinen Drohgebärde verbunden wurden. Der US-Imperialismus arbeitet offensichtlich immer aggressiver auf eine gewaltsame Absetzung des Präsidenten Maduro hin. Im Februar hat der damalige Aussenminister der USA, Rex Tillerson, die Absichten hinter den Sanktionen ziemlich unverhüllt erklärt: «Wenn die Dinge so schlimm werden, dass die Führung des Militärs erkennt, dass sie dem Volk nicht länger dienen können, dann werden sie einen friedlichen Übergang einleiten». Seither wurde Tillerson Opfer von Trumps Personalwechselwut und durch den Hardliner Mike Pompeo ersetzt, was alles andere als eine weniger aggressive und interventionistische Linie gegenüber Venezuela erwarten lässt.
Die Schweizer Regierung schliesst sich mit ihren Sanktionen der imperialistischen Strategie der USA an, die durchaus nicht an demokratischen Prozeduren interessiert sind. Im Gegenteil haben die venezolanische Regierung und der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Falcón UN-WahlbeobachterInnen angefordert, was die USA zu blockieren versuchen! Die USA haben auch aktiv darauf hingearbeitet, dass sich die venezolanische Opposition aus dem Dialog zur Verständigung mit der Regierung zurückzog. Im Wissen, dass der Opposition nach ihrer terroristischen Offensive in der ersten Jahreshälfte 2017 momentan der Rückhalt in der Bevölkerung fehlt, um in den kommenden Präsidentschaftswahlen vom 20. Mai in Venezuela gute Aussichten zu haben, versuchen sie gar nicht erst, einen Regierungswechsel durch demokratische Wahlen herbeizuführen. Vielmehr setzen sie auf eine Destabilisierungskampagne, die das Land weiter in die Krise reiten sollen, um einem gewaltsamen Umsturz den Boden zu bereiten.
Diese imperialistischen Attacken auf Venezuela sind real und haben sich offensichtlich in den letzten Monaten verschärft. Die tiefe wirtschaftliche, politische und soziale Krise, unter der die venezolanische Bevölkerung leidet, ist jedoch zu einem wichtigen Teil von der Regierung und ihrer Politik selbst verschuldet. Die Politik der venezolanischen Regierung, den KapitalistInnen Zugeständnisse zu machen und sich von jeder Idee des Fortschreitens zum Sozialismus zu entfernen, wie sie Chávez vertrat, hat den Kampf gegen den Imperialismus stark behindert. Die einzige Möglichkeit, effektiv gegen die imperialistischen Angriffe vorzugehen, ist die Überwindung der Krise in Venezuela selbst. Dazu ist die Politik der Maduro-Regierung, mit den Kapitalisten zu kollaborieren, nicht nur wenig dienlich, sie ist kontraproduktiv. Sie bereitet der Rückkehr der alten Oligarchie an die politische Macht den Boden. Für die arbeitende und unterdrückte Bevölkerung Venezuelas, sowie für die gesamte internationale Arbeiterklasse, wäre das ein herber Rückschlag.
Der Kampf gegen den Imperialismus ist der Kampf gegen die Krise. Die kapitalistischen Unternehmen, die die Wirtschaft sabotieren und das Land destabilisieren, um einen Putsch zu ermöglichen, müssen umgehend verstaatlicht und unter demokratische Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt werden. Die Regierung muss aufhören, aktiv die Kapitalisten zu unterstützen, die offensichtlich kein Interesse am Wohlergehen der arbeitenden Bevölkerung haben.
Nein zu den Schweizer Sanktionen!
Auf gar keinen Fall werden jedoch die Sanktionen zur Lösung der Krise in Venezuela beitragen. Sie werden im Gegenteil nur zur weiteren Verschlechterung der Lage der verwundbarsten Teile der arbeitenden und unterdrückten Bevölkerung führen.
Wir verurteilen die Sanktionen der Schweiz gegen Venezuela als einen imperialistischen Angriff, bei dem sich die Schweiz auf die Seite der US-Regierung und der radikalsten rechten Sektoren der venezolanischen Opposition stellt, die auf einen undemokratischen Regierungswechsel hinarbeiten.
Für diejenigen, die auf der Seite der arbeitenden und unterdrückten Bevölkerung und nicht auf der Seite einer kleinen ausbeuterischen Oligarchie stehen, gibt es nur einen Weg aus der Krise: Die Enteignung der Kapitalisten und die demokratische Kontrolle über die Produktion und Verteilung – mit andern Worten, die Vollendung der Revolution.
Wir verpflichten uns, gegen Sanktionen gegen Venezuela zu kämpfen, die Heuchelei der Schweizer Regierung zu verurteilen und die Solidarität mit den revolutionären Arbeitern und Bauern in Venezuela in ihrem Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus aufzubauen.
Hände weg von Venezuela!
Kampf gegen den Imperialismus, Enteignung der Oligarchie!
Bild: Verordnung des Bundesrates auf der SECO Internetseite.
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