Die Lage von Millionen von Frauen weltweit verschlechtert sich seit Jahren. Der Kapitalismus hat die Versprechen nach Gleichheit und Freiheit betrogen.
Die Antwort ist eine zunehmende Radikalisierung von lohnabhängigen Frauen und Jugendlichen, die gegen Unterdrückung und Kapitalismus kämpfen. Der Frauenstreik 2019 war ein inspirierender Beweis für diese explosive Kampfbereitschaft in der Schweizer Arbeiterklasse. Die Bilanz vier Jahre danach ist allerdings erschütternd: Nichts hat sich verbessert!
Es braucht eine kommunistische Revolution, damit die Arbeiterklasse die bestehenden Ressourcen für das Wohl der gesamten Gesellschaft einsetzen kann. Nur so kann die Frauenunterdrückung endgültig beseitigt werden!
Mit einer halben Million war der Frauenstreik 2019 die grösste Mobilisierung seit 30 Jahren! Das bewirkte einen Sprung im Bewusstsein: Bei Hunderttausenden schlug die passive Wut in Kampfeswille um! Den Streik (im Vergleich zu einer Demo) ins Zentrum zu stellen, war ein wichtiger Fortschritt: Der Massenstreik wäre ein mächtiges Kampfmittel, um die herrschende Kapitalistenklasse zu Zugeständnissen zu zwingen. Und nicht zuletzt zeigte sich vor allem in der Jugend ein grosser politischer Anspruch. Sie kämpfte nicht für kleine Verbesserungen, sondern gegen den ganzen barbarischen Schutt des Kapitalismus: gegen Ausbeutung und soziales Elend, gegen jegliche Diskriminierung anhand von Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung. Sie hatte einen revolutionären Anspruch!
Aber die Frauenstreik-Führung (bestehend aus Gewerkschaften und Feministen) fiel hinter diese Ansprüche zurück und verwirklichte das Potenzial nicht. Ein Beispiel ist der Streik als Kampfmittel. Wir vom Funke kritisierten damals, dass nur echte Streiks (d.h. im Betrieb) die Kapitalisten dort treffen, wo es weh tut (bei ihren Profiten). Stattdessen verstand die Führung den Frauenstreik als rein symbolischen Aktionstag. Weder die Vorbereitungen noch der 14. Juni wurden genutzt, um die Organisierung und Streikfähigkeit in Frauenberufen voranzutreiben. Im Zentrum standen die Parlamentswahlen im Herbst 2019. Die Message: Geht nach Hause und wählt uns, den Rest machen wir für euch!
Die historische Frauenwahl 2019 endete in der «Frauenkoalition», der Zusammenarbeit mit bürgerlichen Frauen, für die Interessen aller Frauen. Nach vier Jahren haben wir das Recht zu fragen, was wurde mit dieser Strategie erreicht?
Seither zeigte der Schweizer Kapitalismus immer stärker seine hässliche Fratze: Pandemie, Inflation und CS-Crash – all das wird abgeladen auf die Arbeiterklasse und insbesondere die Frauen. Nicht allen erging es schlecht: Seit 2020 haben die Schweizer Milliardäre ihr Vermögen um 52 % erhöht. Zu den Gewinnern gehört auch eine kleine Schicht von Frauen: Der Frauenanteil in Chefetagen ist deutlich gestiegen. Aber für die grosse Mehrheit der Frauen führte die Pandemie zu mehr Kündigungen und grösserer Doppelbelastung. Zusätzlich stieg der Druck und die Arbeitslast in essenziellen Berufen in Gesundheit, Bildung und Verkauf, wo v.a. Frauen arbeiten. Hinzu kamen zunehmende Angriffe auf die Sozialwerke, zuletzt die AHV mit der Erhöhung des Frauenrentenalters!
Das Frauenstreik-Kollektiv schreibt: «Seit 2019 ist einiges ins Rollen gekommen.» Doch welche Fortschritte wurden wirklich erreicht? Lohngleichheitsanalysen in Grossbetrieben wurden angeordnet (ohne Folgemassnahmen). Als einzige soziale Forderung wurden zwei Wochen Vaterschaftsurlaub (zur Hälfte von der Arbeiterklasse selbst bezahlt!) eingeführt. Sonst gab es rein rechtliche Verbesserungen wie das Gesetz «Ehe für alle» und die Verschärfung des Sexualstrafrechts.
Diese wenigen kleinen Fortschritte können den generellen Trend von Angriffen und Rückschritten nicht kaschieren. Auch ehrliche Feministinnen geben zu: Die «Bilanz ist durchzogen bis negativ» (Funicello). Konsequenzen werden daraus aber nicht gezogen. 2023 lautet ihre Strategie wie eh und je: Symbolischer Aktionstag am 14. Juni als Auftakt für die Parlamentswahlen im Herbst.
Alle, die wirklich die Frauenunterdrückung beseitigen wollen, sollten sich die Frage stellen: Warum hat der Frauenstreik nichts erreicht?
Oben wurde das Potenzial der Frauenstreik-Bewegung betont: Wichtige Teile der Arbeiterklasse hätten hinter einem sozialistischen Programm und für einen Streik im Betrieb organisiert werden können. Dass die feministische Führung dieses Potenzial nicht nutzte, ist nicht einem zufälligen Irrtum geschuldet. Hinter ihrem Verbalradikalismus verstecken sich zutiefst reformistische Ideen und Methoden, die die Frauenstreik-Bewegung in sichere Bahnen lenken: Die Führung ist nicht bereit, mit dem Kapitalismus zu brechen!
Wir Marxisten kämpfen vehement für die Befreiung der Menschheit von jeglicher Unterdrückung und Ausbeutung! Aber das erreichen wir nur mit dem Sturz des Kapitalismus, denn er ist die Grundlage für Unterdrückung und Diskriminierung und andererseits die grösste Hürde im Kampf für die Emanzipation der Frau. Die Frauenbefreiung ist eine revolutionäre Aufgabe, sie ist eine Klassenfrage.
Das gilt für die Erreichung jeglichen Fortschritts: Das Programm des Frauenstreiks enthält wichtige Forderungen wie Kita-Plätze, Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhungen usw. Aber diese Forderungen bleiben utopisch, wenn nicht geklärt wird, wer dafür bezahlen soll. Das stellt die Klassenfrage: Zahlt die Arbeiterklasse oder zahlen die Kapitalisten? Der Kampf für Verbesserungen ist ein ständiges Tauziehen zwischen den Klassen, wo nichts gesichert ist (siehe die AHV, die wichtigste Errungenschaft der Schweizer Arbeiterbewegung). Erst mit der sozialistischen Revolution können wir die gesellschaftlichen Ressourcen wirklich einsetzen, um die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Das schafft den Boden für den Kommunismus, wo «jeder nach seinen Fähigkeiten und jeder nach seinen Bedürfnissen» lebt und wo die Menschen wirklich frei und gleich sein können.
Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir die Kapitalisten enteignen und die Grossindustrie und Banken kollektiv verwalten. Die Arbeiterklasse ist die einzige Klasse, die diese Aufgabe erfüllen kann. Das liegt an ihrer Stellung in der Produktion: Sie steht täglich am Schalthebel der Wirtschaft und erschafft den gesamten gesellschaftlichen Reichtum. Wer die Frauenunterdrückung hasst, muss sich auf die Arbeiterklasse als revolutionäre Klasse stützen und für den Kommunismus kämpfen!
Welche Ideen verteidigt die Führung des Frauenstreiks? Die SP-Politikerinnen kanalisieren die Wut ausschliesslich ins Parlament und behaupten, man könne die Frauen im Rahmen des Kapitalismus befreien. Die Gewerkschaftsführungen reduzieren die Frauenbefreiung auf Brotfragen (Lohn etc.). Die Feministinnen machen die Frauenfrage zu einem Kulturkampf zwischen den Geschlechtern. Das spaltet die Arbeiterklasse anhand des Geschlechts und öffnet der Zusammenarbeit über die Klassen hinweg Tür und Tor. Alle Seiten ergänzen sich in ihrem Reformismus.
Diese Methoden erweisen sich als zahnlos und schädlich, wo immer sie zur Anwendung kommen. Ein Beispiel: Im Kampf gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters stellten SP und Gewerkschaften die Interessen von Frauen denen von Männern gegenüber. Dabei hat die ganze Arbeiterklasse ein gemeinsames Interesse an guten Renten und einem tiefen Rentenalter, einzig die Kapitalisten profitieren. Es ist eben genau die Taktik der Kapitalisten, Teile der Arbeiterklasse gegeneinander auszuspielen. Dabei war der Angriff auf das Rentenalter nur das Einfallstor für breitere Angriffe auf die Renten (BVG-Reform etc.).
Ihr Fokus liegt auf der «Frauenkoalition» mit bürgerlichen Frauen, um mit ihnen den kleinsten gemeinsamen Nenner zu erreichen: Rechte auf dem Papier. Denn wie Funicello richtig bemerkt: «Die Frauenkoalition hält so lange, bis es um die Kohle geht» – will heissen nur solange, bis es um soziale Fragen geht, die etwas kosten. Aber es ist immer eine soziale Frage, wenn es um wirkliche Verbesserungen der Lebensbedingungen der Frauen der Arbeiterklasse geht! Daraus gibt es nur eine Schlussfolgerung: Entweder stützt man sich auf parlamentarische Stellvertreterpolitik und Bündnisse mit den bürgerlichen Klassenfeinden – dann sind aber auch nur mickrige rechtliche Reformen möglich, während sich die Bedingungen für die Mehrheit der Frauen weiter verschlechtern. Oder man kämpft für echte Verbesserungen der Lebensbedingungen – dann man muss sich aber auf die mobilisierte Arbeiterklasse stützen und den Kampf gegen die Kapitalisten und ihre Politiker (auch die weiblichen!) aufnehmen. Zweiteres ist, was wir Marxisten vorschlagen: führen wir den revolutionären Klassenkampf gegen die Kapitalisten und ihr gesamtes System!
Um den Kapitalismus zu überwinden, braucht es die grösstmögliche Einheit der Arbeiterklasse hinter der kollektiven Aufgabe, die Macht in der Gesellschaft zu übernehmen. In der Frauenbewegung wie auch in anderen Kämpfen gilt: Alles, was das Selbstverständnis der Arbeiterklasse als revolutionäre Klasse vorantreibt und die grösstmögliche Einheit herstellt, ist fortschrittlich. Alles was die Arbeiterklasse spaltet (z. B. anhand von Geschlecht, Herkunft etc.) und das Klassenverständnis verwischt, schadet. Radikale Rhetorik und symbolische Aktionen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Methoden der Frauenstreik-Führung weder revolutionär noch effektiv sind. Diese Führung zeigt keinen Weg vorwärts – sie muss ersetzt werden durch eine revolutionäre Führung!
300 Jahre Kapitalismus haben die Widersprüche im System reifen lassen. Einerseits wurde ein riesiges Potenzial geschaffen: unglaubliche Technologien und Reichtümer, mit denen wir allen ein gutes Leben ermöglichen könnten. Andererseits werden diese Reichtümer kontrolliert von wenigen Kapitalisten, die diese nach ihren eigenen Interessen und den Regeln der Konkurrenz einsetzen. Gleichzeitig hat der Kapitalismus die Lösung dieses Widerspruchs geschaffen, seine eigenen Totengräber. Keine Rädchen dreht sich, keine Glühbirne leuchtet, ohne die gütige Erlaubnis der Arbeiter. Das ist die potenzielle Macht der Arbeiterklasse!
Heute befindet sich der globale Kapitalismus in seiner tiefsten Krise: Kriege, Inflation und Klimakatastrophen bestimmen die neue Normalität. Die Arbeiterklasse, ob sie es will oder nicht, wird zunehmend vor die Frage gestellt: Kampf für den Kommunismus oder kapitalistische Barbarei! In der Jugend ist Radikalisierung offensichtlich: Ein Drittel der 18-34 Jährigen in Grossbritannien sagen, dass «der Kommunismus das ideale System ist» – das sind 4.5 Millionen! Aber auch die Arbeiterklasse erwacht: letztes Jahr mit grossen Streikbewegungen in Grossbritannien und dieses Jahr mit einer monatelangen Massenbewegung in Frankreich.
Revolutionen erwachsen aus den Widersprüchen des Kapitalismus. 2019 in Chile und Ecuador, letztes Jahr in Sri Lanka: An einem gewissen Punkt verlieren die Massen ihre Angst und versuchen den revolutionären Aufstand. Die Frage ist aber, ob die Arbeiterklasse wirklich die Macht ergreifen kann. Alle bisherigen Erfahrungen von Revolutionen zeigen, dass dies nicht automatisch passiert. Die Arbeiterklasse kann noch so heroisch kämpfen (was sie tut!), ohne revolutionäre Führung verpufft diese Energie und die herrschende Klasse gewinnt die Kontrolle zurück. Wir von der International Marxist Tendency (IMT) haben es uns weltweit zur Aufgabe gemacht, diese revolutionäre Führung aufzubauen.
Wer sich heute als Kommunist versteht, kann sich nicht im Aktivismus verausgaben oder alleine im Internet ausbilden. Wirklich für die Frauenbefreiung und den Kommunismus zu kämpfen, bedeutet, sich die Wissenschaft der Revolution, den Marxismus, anzueignen. Das erfordert ein ernsthaftes Studium und kann nur in der revolutionären Organisation gemeinsam mit anderen gelernt werden. Gleichzeitig bedeutet Kommunist sein eine Verantwortung, nicht isoliert zu bleiben, sondern sich zu organisieren und das kommunistische Programm zu verbreiten. Werde Teil der IMT und kämpfe mit uns auf der ganzen Welt für Kommunismus und gegen Barbarei!
Die Redaktion, Der Funke
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