Der Projektvorschlag der marxistischen Strömung Der Funke für’s “Projekt 2020” der JUSO!
Ziele:
Teil 1:
Die Realität: Historische Krise und Massenbewegungen. Unsere Antwort: Sozialismus zu unseren Lebzeiten!
Jeder Schritt sozialistischer Politik muss auf den Sturz des Kapitalismus und die Etablierung des Sozialismus hinarbeiten – auch unser nächstes Grossprojekt. Was wir für ein Projekt brauchen, das ist abhängig von der neuen Epoche des Kapitalismus, in die wir durch die Corona-Pandemie eingetreten sind: eine Epoche der umfassendsten ökonomischen, sozialen, sanitären und klimatischen Krise einerseits, andererseits der Mobilisierung breiter Schichten der Jugend und Arbeiter*innen gegen die bereits vor der “Corona-Krise” unerträglichen Widersprüche dieses Systems.
Die Pandemie schlug in einen bereits todkranken Weltkapitalismus ein und warf diesen in seine tiefste und breiteste Krise (siehe ausführlicher hier). Die bürgerlichen Staaten konnten den vollständigen Kollaps des Kapitalismus kurzfristig abwenden. Aber Mittel, um die Krise nachhaltig zu lösen, hat das Kapital keine. Bereits vor Corona standen alle Zeichen auf Sturm. Die aktuelle Krise wird sich noch lange Zeit weiterziehen. Auch in der Schweiz (siehe ausführlicher hier). Die entscheidende Frage heute: wer zahlt für die Krise?
Die herrschende Klasse wird die Kosten der Krise mit allen Mitteln auf die Lohnabhängigen abzuwälzen versuchen. Für die Arbeiter*innenklasse und Jugend gibt es im Krisenkapitalismus nur eine Richtung: zunehmende Massenarbeitslosigkeit, Angriffe auf die Arbeitsbedingungen, Abbau des bereits stark angegriffenen Sozialstaats, verschärfter Rassismus und Sexismus, Zerstörung der natürlichen Umwelt – kurz: Zerstörung menschenwürdiger Lebensbedingungen auf breitester Front. Es gibt keinen Raum für die Verschönerung dieses Systems. Unser Grossprojekt muss revolutionär sein. Und die Zeit drängt, die Barbarei schreitet voran. Unser Slogan muss sein: „Sozialismus zu unseren Lebzeiten!“
Die Arbeiter*innenklasse wird genötigt, nach neuen Auswegen zu suchen. Wut staut sich auf. Bereits das Jahr 2019 war auch in der Schweiz ein Jahr der Massenbewegungen. An der Vorfront stand die Jugend – eine Generation, die nur ein Leben im Krisenkapitalismus kennt; eine Generation mit rabenschwarzen Zukunftsaussichten; eine Generation, für die der Kampf auf der Strasse zunehmend zur Selbstverständlichkeit wird (siehe ausführlicher hier). Die Hammerschläge der kapitalistischen Krise treiben die Bewegungen und Kämpfe vorwärts.
Sozialistisches Programm in der Jugend verankern!
Die Black Lives Matter-Bewegung wehrt sich gegen Rassismus. Aber Kapitalismus ist nicht zu haben ohne Rassismus, der die Klasse spaltet, sie verstärkt ausbeutbar und handlungsunfähig macht (siehe ausführlicher hier). Die Frauenstreikbewegung forderte Lohngleichheit. Aber der Kapitalismus lebt von der Überausbeutung lohnabhängiger Frauen (siehe ausführlicher hier und hier). Die Klimastreikbewegung fordert „Netto Null“ CO2-Emissionen bis 2030. Aber Kapitalismus heisst nichts anderes, als alles der Profitlogik unterzuordnen – zum Preis der Zerstörung unserer natürlichen Lebensbedingungen (siehe ausführlicher hier). Die eigenen Forderungen der Bewegungen gehen gegen den Kern des Kapitalismus. Sollen die Forderungen aller Bewegungen für Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung – auch der kommenden, die radikaler und breiter sein werden! – eingelöst werden, muss der Kapitalismus gestürzt und der Sozialismus erkämpft werden. Um ihre eigenen Forderungen zu verwirklichen, brauchen die Bewegungen und Kämpfe ein sozialistisches Programm.
Als sozialistische Partei meinen wir es todernst mit dem Kampf gegen Rassismus, Frauenunterdrückung, Klimakatastrophe usw. Entsprechend konsequent müssen wir sein. Wir müssen mit all unseren Kräften den Bewegungen das sozialistische Programm liefern. Das bedeutet nicht, wie ein Marktschreier immer und immer wieder „Sozialismus!“ zu rufen. Sondern es bedeutet, auf die verschiedenen spezifischen Probleme und Forderungen der Kämpfenden zu antworten und sie in Diskussionen von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich politisch zu organisieren. Das ist unsere Hauptaufgabe in dieser Periode der Massenbewegungen, alles andere ist nebensächlich: Wir müssen als Partei zum konsequentesten Teil der Jugendbewegungen werden, der diese vorwärts treibt in Richtung Sozialismus! Unsere Hauptaufgabe als Partei ist es, das sozialistische Programm in den Bewegungen und der Jugend zu verankern! Das muss der Kern unseres nächsten Grossprojekts sein!
Das Grossprojekt muss also ein sozialistisches Programm beinhalten, das auf die Fragen, welche die Bewegungen selbst aufwerfen, Antworten gibt (siehe Teil 2). Aber es ist unmöglich, vorherzusehen, an welchen Fragen sich die nächsten Bewegungen entzünden werde. Es kann alles sein: denn nichts ist noch gesund in der kapitalistischen Gesellschaft. Und es kann jederzeit sein: denn die angestaute Wut wird immer drückender. Aber wir können “am Beispiel“ der Fragen der letzten drei grossen Bewegungen – drohende Klimakatastrophe, Unterdrückung der arbeitenden Frau und Rassismus – und den Problemen der Jugend der lohnabhängigen Klasse den Charakter eines sozialistischen Programms aufzeigen.
Wir zwingen dieses Programm niemandem auf, sondern überzeugen in demokratischen Diskussionen. Wir überzeugen die Aktivist*innen davon, dass z.B. die Forderung “Netto-Null bis 2030” in seiner Konsequenz nichts anderes heisst als Kampf Klasse gegen Klasse für den Sozialismus. Das sozialistische Programm steht den Forderungen der Bewegungen nicht gegenüber, sondern ist deren konsequent durchdachter Ausdruck.
Die Jugend für den Sozialismus gewinnen!
Neben den Bewegungen sind die Schulen die zweite Priorität unseres Grossprojekts. Die Jugend ist nicht permanent auf der Strasse. Wir müssen mit Flugblättern und Standaktionen dorthin, wo die Jugendlichen und Jungen im Alltag sind: an die Oberstufen, Gymis, Berufsschulen und Unis. Wir müssen die JUSO in den Schulen verankern! Wir müssen zur Partei der Schülerinnen und Schüler, der Lernenden, der Studierenden werden, denn das ist die Generation, die morgen als Arbeiter*innen an der Spitze der Revolution stehen wird.
Je stärker unsere Kräfte als sozialistische Partei, desto grösser unsere Fähigkeit, das sozialistische Programm zu verbreiten – und desto stärker werden die Bewegungen. Darum müssen wir die JUSO aufbauen. Die JUSO muss die Teile der Bewegungen für den sozialistischen Kampf gewinnen, die bereits radikale Schlussfolgerungen ziehen – und mit ihnen die Ideen des Sozialismus in der ganzen lohnabhängigen Jugend verankern. Organisieren wir die radikalsten jugendlichen Aktivist*innen in der JUSO – erstens in den Bewegungen, zweitens in den Schulen –, indem wir sie davon überzeugen, dass der Sozialismus die einzige Lösung ist! Das ist der nächste Schritt der JUSO hin zu einem schlagkräftigen sozialistischen Faktor im Klassenkampf! Gewinnen wir 2000 neue Sozialist*innen bis Ende 2021!
Teil 2:
Sozialistisches Programm gegen die Krise!
Die Krise von 2008 wurde nur oberflächlich überwunden. Der Aufschwung war spekulativ und blutarm. Spätestens letztes Jahr drängte die Krise wieder an die Oberfläche. Verschiedenste, scheinbar nebensächliche Anstösse hätten gereicht, um die Krise zum allgemeinen Ausbruch zu bringen – und dann kam die Corona-Pandemie! Sie ist der Katalysator, der den Kapitalismus auf Weltebene in seine tiefste Krise wirft. Die herrschende Klasse kennt nur eine Antwort: sie wird auf die tiefste und breiteste Krise mit tiefsten und breitesten Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse und Jugend antworten – einerseits über ihren Staat, andererseits unmittelbar in den Betrieben. Die Tendenzen in der Schweiz, als Teil der Weltwirtschaft, sind dieselben.
Die Corona-Staatsausgaben erhöhen die Staatsverschuldung in einem Riesensprung. Dem entspricht eine Verschärfung der staatlichen Sparpolitik gegen die Arbeiter*innenklasse und Jugend. Die ganze Arbeit*innenklasse mitsamt ihrer Jugend wird das zu spüren bekommen. Prekäre Schichtender Klasse werden am direktesten und härtesten getroffen: Jugendliche aus Arbeiter*innenfamilien, migrantische Arbeiter*innen und arbeitende Frauen.
Zum Beispiel werden von der fortschreitenden allgemeinen Zerschlagung des Sozialstaates arbeitende Frauen, die oft im sozialen Sektor arbeiten, direkt betroffen sein. Der Abbau von Dienstleistungen wie Kinderkrippen wird die traditionellen Geschlechterrollen weiter stärken – denn es werden vorwiegend die Mütter und Grossmütter sein, welche die Kinderbetreuung übernehmen müssen. Die Doppelbelastung arbeitender Frauen wird damit noch erdrückender: Alten-, Krankenpflege und Kindererziehung werden wieder vermehrt in die Privatsphäre verlagert und mehrheitlich der Frau aufgebürdet. Und unter den kommenden Angriffen auf die gesamte Arbeiter*innenklasse wird gleichzeitig auch der Zwang, auch einer Lohnarbeit nachzugehen, noch grösser. Die Bürgerlichen starten jetzt den nächsten, diesmal geeinten, Angriff auf die AHV: v.a. die arbeitenden Frauen sollen zahlen, das Frauenrentenalter soll rauf.
Im Zug der ökonomischen Krise verschärft sich die Konkurrenz unter den Kapitalisten drastisch. Einige werden eingehen. Die Überlebenden werden im Betrieb den Druck auf die Arbeiter*innen erhöhen müssen. Massenentlassungen haben bereits begonnen. Die breite Welle steht noch bevor. Eine optimistische Prognose lautet, dass die verfügbaren Einkommen um 2.5% sinken werden. Wieder: Die ganze Arbeiter*innenklasse wird die Angriffe im Betrieb (Entlassungen, verstärkte Ausbeutung) spüren. Teilzeit-, im Stundenlohn und schwarz angestellte Arbeiter*innen werden als erste und ganz besonders darunter leiden: weibliche, migrantische und junge Arbeiter*innen.
Zum Beispiel stieg bereits im Mai 2020 die Arbeitslosigkeit bei der Jugend überproportional. Lehrstellen-Angebote werden zurückgehen. Und der Konkurrenzdruck unter den Kapitalisten im Zuge der Krise, schneller und günstiger arbeiten zu lassen, wird über die Hierarchie im Betrieb besonders auf die jugendlichen Lernenden übertragen werden. Studierende verlieren ihre “Nebenjobs”. Das trifft besonders solche aus Arbeiter*innenfamilien hart, denn sie haben keine finanziellen Reserven und sie sind auf die Nebenjobs angewiesen.
Die lohnabhängige Klasse muss sich gegen diese Angriffe wehren. Dazu brauchen wir ein gemeinsames Abwehrprogramm mit folgenden dringenden Massnahmen:
Die Bosse werden sagen, dass ihnen das Geld dafür fehlt oder werden behaupten, dass die Lage des Unternehmens keine andere Wahl als Entlassungen lässt. Dann müssen wir weitergehen:
Für eine demokratische Planwirtschaft!
Unser Lebensstandard kann nur verteidigt werden, wenn wir diese sozialen Mindestforderungen durchsetzen. Das setzt aber voraus, dass die Arbeiter*innenklasse entscheidet, wie die Reichtümer der Gesellschaft verwendet werden: Die Banken müssen der Profitlogik entzogen werden. Das geht nur, wenn sie den gierigen Händen der Kapitalist*innen entrissen werden.
Die Ausrichtung der Produktion und Verteilung nach den Bedürfnissen statt nach dem Profit setzt voraus, dass die wichtigsten Unternehmen ins kollektive Eigentum der ganzen Gesellschaft übergehen. Nur so fällt der scheinbar eiserne Zwang zur Wettbewerbsfähigkeit, dem sich in der kapitalistischen Konkurrenz alle und alles unterordnen müssen. Um die Macht der Kapitalist*innen über unser Leben zu brechen, muss das Privateigentum an Produktionsmittel aufgehoben werden. Die wichtigsten Unternehmen müssen verstaatlicht werden. Sie müssen von der gesamten Gesellschaft nach den Interessen der Gesellschaft demokratisch geplant und gelenkt werden.
Klimakrise abwenden!
Die Klimakrise wird zur grössten Herausforderung für die Menschheit. Der Kapitalismus zerstört den Planeten und damit unsere Lebensgrundlage. Um die Umweltkatastrophe abzuwenden, um die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, sind weltweit zusätzliche Investitionen von über zwei Billionen US-Dollar nötig. Dieses Geld ist vorhanden. Aber die Kapitalisten werden niemals freiwillig dafür bezahlen, erst recht nicht in der aktuellen Krise. Die Corona-Pandemie verschärft den globalen Schuldenberg nochmals um einen Riesensprung. Sparmassnahmen, nicht Investitionen, stehen auf der Tagesordnung. Die Bewältigung der Klimakrise ist das Letzte, was die herrschende Klasse im Kopf hat. Der Kapitalismus ist nicht nur verantwortlich für die Klimakrise, er ist auch völlig unfähig, sie zu lösen.
Die Wissenschaft, die Technologien und das Geld für den ökologischen Wandel existieren. Um die Zerstörung der Natur, der menschlichen Lebensgrundlage, zu verhindern, müssen wir unbedingt die Produktionsanlagen und die Investitionen den verschmutzenden Händen der Kapitalist*innen entreissen. Es reicht nicht, wie es etwa von Teilen der Klimabewegung gefordert wird, die Banken staatlich zu “regulieren” und von ihnen zu verlangen, sie sollten nicht mehr in fossile Energie investieren: Solange die Profitlogik herrscht, fliesst das Kapital dorthin, wo’s am Profitabelsten ist.
Die einzige Kraft, die fähig ist, diesen Wandel herbeizuführen, ist die Arbeiter*innenklasse. Sie ist dazu fähig, die Banken, die multinationalen Konzerne, ja die gesamte Produktion und die Wissenschaft unter demokratische Kontrolle zu setzen und demokratisch zu planen. Will die Klimabewegung ihre Ziele erreichen, muss sie den Arbeiter*innen aufzeigen, dass sie gemeinsame Interessen teilen und sie so in den Kampf für das Klima hineinziehen.
Lassen wir uns nicht spalten: Kämpfe vereinen!
Dieser Kampf läuft notwendigerweise auf einen Bruch mit dem kapitalistischen System hinaus. Wenn wir die Gesellschaft im Interesse der überwältigenden Mehrheit umorganisieren wollen, werden wir auf den geballten Widerstand der herrschenden Klasse und ihrer Kampforganisation treffen: den bürgerlichen Staat. Die herrschende Klasse setzt aber nicht nur auf die Repression des Staates. Um die Ordnung, die nur einer kleinen, mächtigen Elite dient, aufrechtzuerhalten, setzt sie verschiedenste Mittel ein. “Teile und herrsche” ist seit jeher eine beliebte Herrschaftstechnik. Um den fundamentalen Klassengegensatz zwischen der Arbeiter*innenklasse und den Kapitalist*innen zu verschleiern, spalten die Kapitalist*innen und ihre Ideolog*innen die Arbeitenden entlang verschiedener Linien: nach Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, nach Bildungsstand und Art unserer Arbeit, nach Staatszugehörigkeit und Herkunft usw. usf. Alles, um uns gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen.
Das einzige Mittel, das eine schlagkräftige Einheit hervorbringen kann, ist die Übereinstimmung über den gemeinsamen Weg, mit dem die Unterdrückung zu bekämpfen ist. Die grosse Mehrheit aller Diskriminierten gehört zur Arbeiter*innenklasse. Der anti-rassistische wie anti-sexistische Kampf innerhalb der Klasse ist ein notwendiger Kampf für die Einheit der Klasse. Mit den Methoden des Klassenkampfes geführt – proletarischer Internationalismus als Ideologie und Streiks und Kämpfe als Methode – wird er zu einem politischen Kampf gegen die Herrschenden. Diese sind der gemeinsame Gegner und erste Verantwortliche für die Aufrechterhaltung aller diskriminierender Ideologie.
Die Kämpfe vereinen bedeutet, sie auf der gemeinsamen Basis dieses politischen Programms für den Sozialismus zusammenzuschweissen. Jede Diskriminierung von Menschen durch Menschen ist überwindbar. Doch realistisch wird das nur, wenn der Kampf gleichzeitig und bewusst ein allgemeiner Kampf zur Umwälzung der gesamten Gesellschaftsordnung ist. Der Nährboden für solche Ideen – Kapitalismus, Konkurrenz und die Ausbeutung der Menschen – muss weggeschafft werden.
Teil 3:
Nicht hinterher traben, voranschreiten!
Die Klimakrise gibt uns gnadenlos den Takt vor. Netto-Null bis 2030 ist für die Spezies Mensch notwendig. Bis 2030 muss die Arbeiter*innenklasse die Macht erobert und zügig die ersten Schritte im Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft eingeleitet haben! Denn der Kapitalismus ist offensichtlich weder gewillt noch fähig, die Klimkatastrophe abzuwenden. Derweil verschärft sich die soziale Krise Tag für Tag. Vor diesem Hintergrund formulieren wir dieses Grossprojekt. Sozialismus zu unsere Lebzeiten: das ist keine Utopie, sondern eine Notwendigkeit! Die sozialistischen Kräfte müssen jetzt und dringendst gestärkt werden! Darum darf unser Grossprojekt keine Initiative sein: diese verschwendet Zeit, die wir nicht haben.
Keine Initiative!
Eine Initiative kann – richtig angewendet – ein Kampfwerkzeug sein. Heute wäre ein Initiativprojekt aber ein politischer Fehler! Ein Initiativprojekt nagelt die Partei für Jahre auf eine spezifische Forderung fest. Aber wir können nicht voraussehen, welche Forderung in einem Jahr brennend sein wird! Denn wir leben in einer Zeit, in der Bewegungen abrupt und an diversen Krankheitserscheinungen des Kapitalismus aufbrechen werden. Nageln wir das Parteileben für Jahre auf eine spezifische Forderung fest: dann werden wir auf Jahre hinaus mit einer unpassenden Forderung in die kommenden Massenbewegungen zu gehen. Eine Kämpfer*in gegen die Klimakatastrophe will weder primär über horrende Management-Löhne (1:12-Initiative), noch isoliert über die Besteuerung des reichsten Prozents (99%-Initiative) diskutieren – sondern sie will wissen, wie die nötigen Investitionen in eine umweltschonende, nachhaltige Produktion möglich werden. Genauso eine Kämpfer*in gegen die Frauenunterdrückung: Sie will wissen, warum sie durch Haus- und Lohnarbeit doppelt belastet ist, warum sich das mit der Krise verschärft, und was man dagegen tun kann – und es dann auch tun. Ein Initiativprojekt kann die Antworten nicht geben. So bringt es weder die Bewegungen voran, noch überzeugt das passive Unterschriftensammeln die ehrlichen Aktivist*innen von der JUSO.
Das Vertrauen der radikalsten Aktivist*innen in die bürgerlich-demokratischen Institutionen bröckelt. Dass Hunderttausende in den letzten zwei Jahren selbst massenhaft kämpften ist untrüglicher Beweis dafür. Ebenso zeigt sich dieses Misstrauen in den basisdemokratischen und “partei-kritischen” Strukturen welche sich diese Bewegungen geben – ein klares Abwenden von den bürgerlichen Institutionen und ihren klassischen Parteien. Wenn wir mit Unterschriftenbogen “bewaffnet” in die Bewegungen gehen, dann sagen wir praktisch: “Unterstützt diese Forderung, wir übergeben dann die Initiative dem Parlament – und die werden dann für uns was machen!”. Einige werden sich desinteressiert von uns abwenden, weil sie bereits einen Schritt weiter sind: sie wollen selber kämpfen, ja sie sind schon dran! Bei anderen schüren wir die Illusion, dass irgendein Schwatzbuden-Parlament die Kapitalisten und deren Staatsapparat zwingen könnte, in der tiefsten Krise des Kapitalismus die nötigen Investitionen in eine umfänglich umweltschonende Produktion zu tätigen oder die Hausarbeit rational und gesellschaftlich zu organisieren – geschweige denn Arbeitsplätze zu sichern oder in die Gesundheit, die Bildung, die Kultur, den öffentlichen Verkehr etc. zu investieren. Dann reissen wir die Kämpfer*innen einen Schritt zurück und schüren die Illusion, dass der Staat der Kapitalisten ein Hilfsmittel im Kampf gegen Kapitalismus und auf dem Weg zum Sozialismus sei; und dass man nicht selber kämpfen muss. Dann verschleiern wir, dass der Staat in Wahrheit auf eben diesem Weg ein zentrales Hindernis darstellt; und dass wir nur auf unsere eigenen Kräfte setzen können.
Mit einem Initiativprojekt stellen wir uns im besten Fall eine Stufe unter das Niveau, welches der Klassenkampf heute bereits erreicht hat. Im schlimmsten Fall sind wir ein Hemmnis für seine weitere Entwicklung. Das ist das Gegenteil von dem, was wir heute tun müssen.
Was tun? Fazit!
Das kapitalistische System hat seinen Zenit weit überschritten. Wir stehen vor einem historischen Scheideweg: Entweder die Arbeiter*innenklasse übernimmt die Macht und installiert eine sozialistische Planwirtschaft. Oder die menschliche Zivilisation wird in schnellen Schritten zerstört – und durch die Klimakatastrophe wohl ganz ausgelöscht. Nur die sozialistischen Ideen zeigen einen Ausweg auf. Werden sie in der Arbeiter*innenklasse verankert, dann kann diese den Ausweg gehen, den Kapitalismus stürzen und die Macht übernehmen, also die Produktivkräfte unter ihre bewusste demokratische Kontrolle bringen und in den Dienst ihrer Bedürfnisse stellen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die entscheidende Frage: Entwickelt sich eine Massenpartei, die der Arbeiter*innenklasse die Ideen liefert, die sie braucht, um den Sozialismus zu erkämpfen? Wir müssen sie liefern, sonst tut es niemand. Unser Grossprojekt muss damit beginnen. Wir sind das Zünglein an der Waage zwischen dem Sozialismus zu unseren Lebzeiten und der Barbarei. Was tun?
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