Die SVP Zürich feierte am 19. März ihr 100-jähriges Bestehen (früher BGB). Da die Kundgebung auf dem Bundesplatz (18.3.) abgesagt worden war, gab es eine Stördemo gegen die Selbstbeweihräucherung der führenden Kantonalsektion.
Schon 1999 schrieb der Lausanner Historiker Hans-Ulrich Jost: «Die SVP bellt […] als aggressiver Hofhund des Kapitals. Das könnte durchaus zu einem postmodernen Trauma der Schweiz des 21. Jahrhunderts werden» – welch zutreffende, pessimistische Vorahnung.
Was ist die SVP?
Mit zunehmenden WählerInnen-Anteilen seit den 90er-Jahren machte die SVP der alten Partei des Grosskapitals, dem Freisinn (FDP), mehr und mehr den Platz streitig. Letztlich übernahm sie klar das politische Mandat der Schweizer Wirtschaft. Ihre Politik schützt den Finanzplatz vor internationalen Eingriffen und dient der Exportindustrie als Bollwerk gegen die Gewerkschaften. Trotzdem treten ihre Parteifrauen und -männer gern volksverbunden und traditionsbewusst auf. Sie stellen sich dar als Vorkämpfer des Gewerbes, der Landwirtschaft und des «werktätigen Mittelstandes», wie auf der Website der SVP Zürich zu lesen ist.
Kommt es jedoch hart auf hart, nehmen sie grosse Abstriche bei ebendiesem ominösen «Mittelstand» bereitwillig in Kauf. Natürlich immer im nationalen Interesse vertritt die Fraktion mit den anderen bürgerlichen Parteien letztlich stets «Finanzplatz», «Werkplatz», «KMU» oder welch anderer verschleiernder Begriff sonst für die Kapitalinteressen gebraucht wird.
Die SVP polarisiert mit einer harten Linie in der Migrationspolitik und wutbürgerischer Staatskritik und spricht so auch viele Lohnabhängige an, die von der Linken im Stich gelassen werden. Im Kontrast zum scharfen Ton der SVP erscheinen die restlichen bürgerlichen Parteien gemässigt und vernünftig. Sicher kann man nicht von einer orchestrierten Arbeitsteilung ausgehen. Trotzdem hat diese bürgerliche Aufstellung mit einer sogenannten Opposition von rechts die Linke über Jahre hinweg gelähmt.
Das alte Spiel
Fast identisch wiederholt sich der gleiche Ablauf: Die Linke rafft sich auf (1:12 und Mindestlohn und später SP-Oppositions-Ansage), die Bürgerlichen und allen voran die SVP beschleunigen die Gangart und verschärfen den Ton. Als Reaktion darauf krebsen die Führungsgremien von SP und Gewerkschaften zurück. Sie rücken nach rechts und suchen nach bürgerlichen Bündnispartnern gegen die SVP. So wurde die SP auch zur Hauptverteidigerin der Bilateralen.
Die jüngsten Beispiele sind die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und Bersets Rentenklau. Der Basis (und der JUSO) wird der Sachverhalt so verkauft, dass die Resultate erfolgreiche Kompromisse seien. Einen Erfolg bedeuten diese Kompromisse aber keineswegs. Nur wenn man zu Beginn von der Durchsetzung aller Forderungen der bürgerlichen HardlinerInnen (Kontingente, resp. Rentenalter 67) ausgeht, kann man den sogenannten Kompromissen etwas Positives abgewinnen.
Handbremse lösen!
Die scheinbar unschlagbare SVP musste zuletzt verschiedene Niederlagen einstecken. Das sind Symptome des Aufbrechens der inneren Widersprüche (u.a. Hochfinanz – BüezerInnen). Die USR III und die erleichterte Einbürgerung verlor die SVP klar, Oskar Freysinger flog aus dem Walliser Staatsrat und bei kantonalen Wahlen überzeugten die Resultate zuletzt nicht. Doch die SVP muss aktiv geschlagen werden, was nur eine starke Linke bewerkstelligen kann.
Die SVP ist, wie immer mehr Linke begreifen, die politische Speerspitze des Kapitals in der Schweiz. Deshalb hilft kein Pakt mit Bürgerlichen gegen sie. Das sind zwei Masken des gleichen Übels. Doch das Problem löst sich auch nicht durch (legitimen) gewaltbereiten Protest gegen eine Kundgebung mit Glatzen.
Die SVP zu bekämpfen heisst, den Kapitalismus zu bekämpfen. Dazu benötigen wir kämpferische Gewerkschaften und eine linke Partei, die Opposition meint, wenn sie Opposition sagt. Das Vokabular des Gegners zu übernehmen (Mittelstand) ist ein denkbar schlechter Weg. Es ist höchste Zeit in die Offensive zu gehen!
Michael Wepf
Juso Waadt
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